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5. Im Beichtstuhl

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Die Nacht war schon angebrochen, als die Jäger wieder sicher im Tal angelangten, doch sie war nicht die einzige Dunkelheit, die an diesem Abend Einzug in Schöttau fand.

Der feine Herr Graf stand mit starrer Miene am Ortseingang. Ohne, dass auch nur ein Wort fiel, wusste der Johann, was los war. Es waren wieder diese Schwere und diese Leere, die allen den Geist unterjochten. Das Ende war noch lange nicht nah, es kam erst alles in seine Furcht gebietenden Bahnen. Er kroch gerade aus seinem abscheulichen Loch, dieser böse Schatten.

Schweigend gingen sie zum kleinen Hauptplatz und in der Finsternis vor seiner Kirche, da stand er wie eine Salzsäule, der Pfarrer. Ein paar alte Gaslaternen und Fackeln warfen von den kalten Hauswänden spärlich Licht auf ihn und das, was vor ihm lag. Ein seltsames Bild, eine bleierne, erdrückende Atmosphäre lag in der Luft.

„Hast du dir jetzt deinen eigenen Gamskopf besorgt?“, fragte ihn der Johann zynisch.

Er war dabei selbst kaum erfreut über diesen Anblick.

Erst sagte der Pfarrer gar nichts, aber dann wurde sein Puls von Sekunde zu Sekunde höher, er begann wild zu schnaufen und plötzlich zuckte er komplett aus.

„In den Beichtstuhl hat man mir den gelegt! In den Beichtstuhl! In meiner Kirche! Eine Woche nach dem heiligen Osterfest! Der Teufel ist in Schöttau, der Teufel! Wir werden alle brennen! Wie steht es in der Offenbarung? So steht es: Und er schrie aus Macht mit großer Stimme und sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große, und eine Behausung der Teufel geworden und ein Behältnis aller unreinen Geister und ein Behältnis aller unreinen und verhassten Vögel.“, schrie der Geistliche wie ein Geistesgestörter.

„Ja, spinnst du jetzt völlig? Das ist ja total aus dem Zusammenhang gerissen, was du da von dir gibst. Babylon? Der Teufel? Jetzt räumst du einmal brav den Kopf weg und dann überlegen wir in Ruhe.“, meinte der Johann.

Doch für den Pfarrer war Ruhe an diesem Abend ein Fremdwort und er brüllte weiter: „In meinem Beichtstuhl ist dieses abscheuliche Ding gelegen! Mein Beichtstuhl ist entweiht, er ist jetzt ein Brutkasten des Bösen! Was ist nur aus unserer Welt geworden? Es wird Zeit, dass ich hier wieder einmal einen Exorzismus durchführe, der letzte ist schon zu lange her!“

„Du kannst ja gerne wieder exorzieren, aber jetzt musst du erst einmal deinen Verstand wiederfinden.“, sagte der Johann.

Angesichts der unguten Situation und des verrückt gewordenen Pfarrers blieb er unerwartet ruhig dabei.

Ich glaube, er sah mittlerweile ein, dass man überlegt und nicht im Affekt handelnd gegen den Wilderer vorgehen musste.

Durch den Wirbel angelockt, gesellte sich auch der Lehrer Xaver zu der illustren Versammlung am Hauptplatz.

„Ja sag doch einmal, passt du denn gar nicht auf deine Kirche auf?“, fragte der Xaver den Pfarrer mit einer Portion Schadenfreude im Unterton.

„Ich werde doch wohl noch ein Mittagsschläfchen in meinem Pfarrhaus machen dürfen!“, brüllte der weiterhin hysterische Gottesmann, bei dem schon die Adern an der Schläfe sichtbar waren.

Dann packte er den Gamsbock bei den Hörnern, hielt ihn dem Johann vors Gesicht und fuchtelte wild damit herum.

„Was habe denn ich mit euch Jägern zu tun? Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie auf der Jagd gewesen! Noch nie! Nie! Sag mir, warum legt mir der Wilderer dieses abscheuliche Ding in meinen Beichtstuhl?“, schrie der Pfaffe den Johann an.

„Vielleicht ist es ja ein osmanischer Wildschütz, der eben deine Kirche nicht mag.“, scherzte der Xaver.

„Ja, halte doch dein Maul, du Lump! Wer fragt dich denn?“, brüllte ihn der Pfarrer an, der sich überhaupt nicht mehr beruhigen konnte.

Daraufhin bekam der Xaver einen fürchterlichen Lachanfall.

„Nimm doch endlich den depperten Kopf von meinem Gesicht weg!“, sagte der Johann und meinte weiter: „Wir beruhigen uns jetzt alle einmal und hören auch zu Lachen auf, denn so lustig finde ich das alles nicht mehr.“

Beim letzten Satz fiel sein Blick recht deutlich auf den guten Xaver.

Endlich beehrte auch der Ludwig die heitere Runde wieder. Er war natürlich nur kurz im Wirtshaus gewesen und hatte sich dort eine Flasche Zirbengeist organisiert, denn nüchtern hielt er den Tag auf gar keinen Fall mehr aus. Zuerst bekam er einen charmanten Zettel an die Türe genagelt, dann der Graf einen Gamskopf und nun fand der Pfarrer einen weiteren Kopf in seinem schönen Beichtstuhl.

„Das muss alles irgendeine Bedeutung haben!“, stellte der feine Herr Graf fest, der wieder einmal den Durchblick hatte.

„Ja, aber was für eine? Er will uns anscheinend Angst einjagen. Der letzte Wilderer hat seine Tiere in ganzem Zustand am Berg gelassen und ihnen nicht die Köpfe abgeschnitten und diese dann an Türen genagelt, oder sie in die Kirche gelegt.“, meinte der Johann.

„Warum bekommt der Pfarrer einen Gamskopf? Und warum bekommt der Ludwig als Einziger keinen Kopf, dafür aber eine Morddrohung?“, fragte der Brenner Karl und ergänzte: „Das ist alles seltsam, das ergibt alles keinen Sinn.“

„Ich weiß es nicht. Noch nicht.“, murmelte der Johann vor sich hin.

Sonst hatte der mächtigste Mann im Tal immer eine Antwort auf den Lippen, aber nun durchzog nur Ratlosigkeit seinen Geist. Ratlosigkeit gepaart mit Wut, denn irgendjemand tanzte ihnen offensichtlich wieder auf ihren Nasen herum, und das konnte der Johann nicht dulden, auf gar keinen Fall.

Der Ludwig genehmigte sich einen unerwarteten großen Schluck vom köstlichen Zirbengeist und sprach: „Jedenfalls ist das nicht förderlich für unsere Wirtschaft! Die Gäste rennen uns ja davon, wenn da Gamsköpfe an Türen genagelt und in Beichtstühle gelegt werden. Da machen wir hier heroben ja gar kein Geschäft mehr! Und dabei sperrt in Kürze das neue Hotel auf. Katastrophe! Das Theater muss schleunigst beendet werden. Johann, unternimm doch bitte etwas!“

Vor lauter Sorge um sein geliebtes Geld, dachte der Bürgermeister gar nicht mehr an die reizende Botschaft, die er ein paar Stunden zuvor erhalten hatte.

„Geh Ludwig, den Wienern gefällt es doch, wenn sich unsere Jäger mit einem Wilderer duellieren. Der uralte, vor Kitsch triefende Kampf, wie wunderbar! Vielleicht steckst du ja selbst hinter dem Ganzen, damit deine geschätzten Gäste eine traditionsreiche Unterhaltung bekommen.“, meinte der Xaver.

„Du hast ja einen Sockenschuss! Du bist ja völlig übergeschnappt!“, schrie ihn der vollschlanke Stadtchef an, dessen Kopf wieder knallrot war.

„Schluss mit dem Unfug!“, brüllte der Johann und fuhr fort: „Xaver, du schleichst dich jetzt von hier. Ludwig, du hörst endlich mit dem Saufen auf und gehst nachhause. Pius, du nimmst den Gamskopf und schmeißt ihn auf den Komposthaufen. Wir legen uns jetzt alle aufs Ohr und morgen suche ich mit dem Georg am Berg nach Hinweisen, mögliche Spuren haben wir ja heute schon gesichtet. Herr Graf, willst du uns morgen begleiten?“

„Wollen schon, lieber Johann, wollen schon, aber die Geschäfte, sie rufen! Oh, sie rufen und rufen und werden uns allen bald goldene Zeiten bescheren. Du wirst den garstigen Wilderer schon finden, das hast du schon einmal getan und vergiss nicht, dein Vater, Gott hab ihn selig, ebenfalls.“, sprach der feine Herr Graf.

Danach zog er seinen Hut und verschwand in der stockdunklen Nacht.

Ja, meine Freunde, richtig gehört, schon Johanns Vater hatte einst gegen einen Wilderer gekämpft und ihn natürlich auch besiegt.

Uh, na da tun sich aber extrem spannende Dinge auf, die wir noch gar nicht wussten!

Was mag da noch alles auf uns zukommen? Sehr viel, das kann ich euch verraten und wenn ihr sowie ich, jetzt schon denkt, dass die Geschichte der absolute Kracher ist, dann freut euch auf das, was noch vor uns liegt. Wir haben eben erst begonnen, ab jetzt wird es richtig fruchtig!

Habe ich die hübsche Dame, die mir immer unauffällig zuzwinkert, schon neugierig gemacht?

Perfekt, dann können wir ja getrost fortfahren!

Johanns Vater und der Wilderer, jaja das Ganze war damals schon recht seltsam. Es wurde immerhin auch nur ein einziger Hirsch gewildert und ich glaube, im Jahr 1899 wusste niemand mehr, was seinerzeit wirklich geschehen war, aber wir werden auch das sicherlich noch erfahren, nicht so hastig, kleine Hobbits.

Schöttau - Ein Heimatdrama

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