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I. Wie Frösche um einen Teich: Fernhandel und Güteraustausch in der klassischen Mittelmeerwelt

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„Wir, die wir zwischen den Säulen des Herakles und dem Fluss Phasis leben, bewohnen einen kleinen Teil der Erde, wie Ameisen oder Frösche um einen Teich.“2 So lässt Platon seinen Lehrer Sokrates im Dialog Phaidon den Siedlungsraum der Griechen zu seiner Zeit beschreiben, um das Jahr 400 v. Chr. Der Phasis heißt heutzutage Rioni und fließt durch Georgien, die ruhelose Republik am Fuß des Kaukasus. Säulen des Herakles – so nannten die Griechen die Meerenge von Gibraltar. Gemeint sind der Felsen von Gibraltar und der Berg Abyle im Gebiet des heutigen Ceuta. Einst hatte Herakles hier, auf der Suche nach den Äpfeln der Hesperiden, dem Atlas seine Last, den Erdball, abgenommen. So wollte es der griechische Mythos. Der Herakles der Griechen war ursprünglich ein phönizischer Gott: Melkart, dessen Kult sich aus dem heimatlichen Tyros über den gesamten Mittelmeerraum verbreitet hatte und in Gades (Cádiz), also jenseits der „Säulen“, eine neue Heimstatt auf kolonialem Boden gefunden hatte.

Sokrates’ Worte erhielten dadurch besonderes Gewicht, dass sie am Tag seines Todes gesprochen werden. Der Dialog Phaidon spielt in den letzten Stunden des Philosophen, als der sich darauf vorbereitet, den Schierlingsbecher zu trinken. Es geht Platon um die letzten Dinge, um den Primat der ewigen Seele vor der begrenzten physischen Existenz des Menschen. Die Parabel vom Froschteich aber ist mitten aus dem Leben gegriffen: Besser kann man die mediterrane Küstenkultur von Griechen und Römern und die elementare Rolle, die das Meer für sie spielte, kaum auf einen bündigen Nenner bringen. Von der Iberischen Halbinsel bis zum Ostrand des Schwarzmeers reichte die Oikumene, die zivilisierte Welt, in der man Griechisch sprach und teilhatte an dem, was die griechische Welt zusammenhielt: urbanes Leben, der Mythos und der unerschütterliche Glaube daran, dass menschliches Zusammenleben eine Angelegenheit war, die Männer – nur um sie ging es – in ihre eigenen Hände nehmen konnten. Eine Welt der Städte, von denen kaum eine weiter als 50 Kilometer vom Meer entfernt war, jenem Raum, der zugleich trennte und verband.

Als Platon den Phaidon schrieb, erschien den Griechen ihre mediterrane Welt überschaubar und vergleichsweise einheitlich. Nicht nur waren überall griechische Städte, Poleis, sie waren auch bestens miteinander vernetzt. Athen, die Heimatstadt von Sokrates und Platon, besaß auf seinem Territorium den größten Hafen des antiken Griechenland: Piräus. Hier legten täglich Schiffe an, die in großen Mengen Nahrungsmittel brachten, vor allem Getreide aus dem Schwarzmeerraum, daneben Wein und Salzfisch. Es kamen aber auch zahllose andere Güter, vielfach Rohstoffe vom Rand der Mittelmeerwelt, die in Athen zu Fertigwaren verarbeitet wurden: Holz, Teer, Pech, Rötel, Eisen-, Kupfer- und Zinnerz, Gold, Häute und Felle sowie – der wichtige menschliche Rohstoff – Sklaven. Auch teure Luxusartikel wie Papyrus, Elfenbein, Gewürze, Purpurstoffe und Möbel gelangten über den Piräus nach Athen.

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