Читать книгу All die ungelebten Leben - Michaela Abresch - Страница 6
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Jane
Sie hatte nicht vorgehabt, das Geschriebene noch einmal zu lesen, sondern den Briefbogen gleich zusammenfalten und im ersten Kuvert verschwinden lassen wollen. Es war an Selma Melchior adressiert, ihre zehn Jahre ältere Schwester.
Das Vorhaben scheiterte. Janes Blick glitt über die Zeilen, die sie soeben niedergeschrieben hatte.
Liebe Selma, liebe Mascha,
wisst Ihr, dass es für den richtigen Zeitpunkt im Leben einen Begriff gibt? Ein Pater, mit dem ich in Afrika zusammengearbeitet habe, lehrte ihn mich. Kairos. Der bestmögliche Zeitpunkt für das Treffen einer Entscheidung oder für eine Gelegenheit, die man erkennen und nicht verstreichen lassen sollte. Es geht also nicht nur darum, diesen Zeitpunkt zu erkennen, sondern vor allem, ihn nicht ungenutzt dahinziehen zu lassen und im besten Fall etwas Gutes daraus zu machen.
Für mich fühlen sich diese Tage kurz vor Papas zwanzigstem Todestag an wie mein persönlicher Kairos. Und nur deshalb kann ich Euch schreiben.
Bei seiner Beisetzung waren wir zum letzten Mal zu dritt. Ich war Mitte zwanzig. Alt genug, dachte ich damals, um in ganzer Tragweite zu verstehen, was es bedeutet, plötzlich nicht mehr nur ohne Mutter, sondern auch ohne Vater zu sein. Mein Dasein als Tochter war beendet. Offiziell beendet. Danach angefühlt hat es sich ja schon lange vorher. Sie mochten mich nie so wie Euch, vielleicht war nach zwei Kindern für das Jüngste einfach nicht mehr so viel Liebe übrig. Und nach Papas Tod verlor ich auch Euch. Ich fühlte mich entwurzelt. Heimatlos. Abgeschnitten. Niemandem mehr zugehörig. Die Erkenntnis tat weh, obwohl ich mich zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr als Teil unserer Familie gefühlt hatte. Aber mit Papas Tod wurde ein Band durchschnitten, das uns trotz der räumlichen Trennung bis dahin zusammengehalten hatte. Wahrscheinlich war dies der Grund, warum ich einen anderen als den »üblichen« Weg gewählt habe, fortging, mein Leben fernab von Euch und von den Gräbern unserer Eltern lebte, die ich beide nie so betrauern konnte, wie ich glaubte, dass eine Tochter es tun sollte. Konntet Ihr es?
Hätte ich Tante Gitte nicht gehabt, wäre ich vielleicht im Ausland geblieben. Wegen ihr kam ich immer wieder zurück, wie ein Schiff in seinen Heimathafen.
Das Zeitrad läuft weiter. Weder kann ich es zurückdrehen, um Versäumtes nachzuholen, noch es anhalten, in der Hoffnung, die Dinge dann besser zu verstehen. Dabei wünsche ich mir nichts mehr als das! Ich möchte die Zeit festhalten mit ganzer Kraft, damit ich die Möglichkeit habe, zu begreifen, warum die Dinge sich so entwickelt und wir einander aus den Augen verloren haben.
Manchmal beobachte ich Frauen auf der Straße, im Supermarkt, in der Warteschlange am Flughafenschalter, und ich frage mich, ob Du es bist, Mascha, oder Du, Selma. Würde ich nach all den Jahren noch etwas von denen, die Ihr wart, als ich Euch zum letzten Mal gesehen habe, erkennen?
Möglicherweise überrumpele ich Euch mit diesem Brief. Bitte entschuldigt, falls es so sein sollte. Wahrscheinlich hoffe ich, dass Ihr inzwischen ähnlich denkt und fühlt wie ich und dass Euch die Lieblosigkeiten leidtun, die ausgesprochen wurden. Nur deshalb kann ich Euch schreiben, wegen der Hoffnung – und Euch einladen nach Lakolk. Tante Gittes Sommerhaus ist angefüllt mit guten Erinnerungen, mit den Gerüchen und dem Lachen unserer Kindheit. Gibt es einen besseren Ort für ein Wiedersehen? Hier ist alles bereit für Euch. Wenn Ihr mit dem Zug anreist und abgeholt werden müsst, setzt Euch mit Tante Gitte in Verbindung, sie wird sich kümmern. Ihre Handynummer findet Ihr am Ende dieses Briefes.
Ich bin übrigens schon dort, in Tante Gittes kleinem Haus am Meer, und ich schreibe diese Zeilen auf der Veranda, an dem Holztisch, auf dem wir seinerzeit unsere Muscheln ausgelegt haben, nachdem wir mit gefüllten Eimern vom Strand gekommen waren. Die Sonne wärmt meine Hände, und im Strandhafer wispern die Windgeister wie früher, erinnert Ihr Euch?
Ich wünsche mir, noch einmal mit Euch am Muscheltisch zu sitzen und Euch den Sand aus den Haaren zu kämmen, wenn Ihr vom Schwimmen zurückkommt.
In Erwartung, mit Hoffnung und großer Vorfreude
Jane
Erneut wanderte ihr Blick zu den Worten über den Kairos. Klangen sie zu theatralisch? Hätte sie eine Erklärung hinzufügen sollen? Absichtlich hatte sie auf Einzelheiten verzichtet und es vermieden, die Wahrheit bei ihrem bösartigen, unheilbaren Namen zu nennen. Mitleid zu wecken, lag ihr fern, es sollte nicht der Grund für ihre Schwestern sein, der Einladung zu folgen.
Sie sank im Stuhl zurück und schloss die Augen, die rechte Hand schützend auf dem Bogen Papier. Eine Windböe zerrte an den Ecken, hätte genügend Kraft, Selmas Brief in einem einzigen Augenblick vom Tisch zu heben und mitzunehmen, wenn Janes Hand sie nicht daran hindern würde. Dies vermochte sie gerade noch – einen Bogen Papier vor dem Wind zu retten.
Ich nenne mich wieder Jane, gesprochen, wie man es schreibt … hätte sie gern dazugesetzt, so wie Mama mich nannte, weil sie die englische Form des Namens nicht mochte.
Die Junisonne strich über ihr Gesicht. Ein vergänglicher Moment von Wärme, bevor die nächste Brise wieder ihre Stirn kühlte. Sie ließ die Enden des Tuches flattern, das Jane sich um den Kopf geschlungen und hinter dem Ohr verknotet hatte. Baumwolle, handgewebt, braun, ockergelb, dunkelrot. Jane ließ ihre Hand über den Stoff gleiten, und die Erinnerungen holten sie ein.
Das Tuch hatte einer jungen Frau aus dem Südsudan gehört, einer Dinka. Ihr Name war Nyakuma, sie war groß und schmalgliedrig, wie die meisten Frauen ihres Stammes, und sie trug die fächerförmigen Narben auf ihrer Stirn voller Stolz. Während der Cholera-Epidemie hatte sie ihr vier Monate altes Baby ins Hospital gebracht. Es war während der Trockenzeit, die Luft flirrte vor Hitze. Barfuß war sie viele Stunden durch den Busch und roten Staub gelaufen, das Kind in einem Tuch auf dem Rücken. Schweiß rann ihr die Schläfen herunter, ihre Lippen zitterten, und ihre Schultern bebten, als sie ihr Kind ohne ein Wort und mit flehendem Blick in Janes Arme legte. Nyakuma war eine von Hunderten. Und ihr Kind eins von Tausenden, denen die Epidemie den letzten Lebensfunken zu rauben drohte. Der Junge hatte Gliedmaßen wie Streichhölzer, und durch die großen Mengen wässrigen Durchfalls war sein Körper welk wie ein ausgetrockneter Halm. Er befand sich in einem Dämmerzustand, als Jane ihn entgegennahm. Die einzige Regung war ein kaum merkliches Zucken seiner Nasenflügel. Zum Glück ließ sich eine Vene an seinem Fuß punktieren, in die man ihm eine Kanüle legte. Tagelang tropften Elektrolyt- und Glukoselösungen hinein, und glücklicherweise hatte die Apotheke des Hospitals in jenen Tagen genügend Antibiotika vorrätig. Nyakuma saß bei ihm, Tag und Nacht, in dem eigens für die Cholerakranken errichteten Zelt, in dem die meisten Matratzen doppelt belegt waren, weil die Kinder schmächtig und es so viele waren. Nyakuma betrachtete ihr Kind, das verloren am Kopfende ruhte, während sie weiter unten saß. Sie legte jeden Tag einen verknoteten Grasbüschel auf den Bauch des Jungen, wie es die Riten ihres Stammes vorschrieben, und wirklich – die Dämonen ließen von ihm ab! Nyakuma nahm ihn auf, mit glänzenden Augen, und tastete gleichzeitig nach Janes Hand. Es war das erste und einzige Mal, dass Jane den vorgeschriebenen, dem persönlichen Schutz dienenden Sicherheitsabstand missachtete. Sie konnte nicht anders, fühlte sich außerstande, der jungen Dinka-Mutter ihre Hand zu entziehen und auf die Behutsamkeit, mit der die dunkelhäutigen Finger ihre hellen umschlossen, mit Abwehr zu reagieren. Nyakuma hatte die Lider gesenkt und leise zu singen begonnen. Die gleichförmige Melodie, ihre weiche Stimme und die Zartheit der Berührung verschmolzen miteinander und schufen eine Nähe zwischen den beiden Frauen, die Jane zutiefst ergriff.
»It’s an old traditional song«, flüsterte eine einheimische Ärztin ihr im Vorübergehen zu. Jane sah ihr nach, lächelte und wandte sich wieder Nyakuma zu, die noch immer sang. Ein Lied ihres Stammes als Zeichen ihrer Dankbarkeit. Mit zwei Fingern löste sie den Knoten des Baumwolltuches, mit dem sie ihr krauses Haar gebändigt hatte, und legte es Jane in die Hand. In dieselbe, die sie zuvor berührt hatte. Beschämt senkte Jane den Blick. Aber sie hatte gewusst, dass sie es annehmen musste, um die junge Dinka nicht zu beleidigen. »Ich werde es in Ehren halten«, hatte sie auf Englisch geflüstert und das Tuch zur Bekräftigung an ihre Brust gedrückt. Dass sie es den Frauen im Südsudan einmal gleichtun und es als Kopfbedeckung tragen würde, hatte sie an jenem Tag nicht geahnt.
Noch immer ruhte Janes Hand auf dem Briefbogen. Am Mittag hatte der Wind aufgefrischt, nicht unüblich für diese westlich gelegene Inselregion auf Rømø. Er hatte Jane jedoch nicht davon abhalten können, die beiden Briefe im Freien am Muscheltisch zu schreiben. In all den Jahren hatte er seinen Platz in der Ecke der Veranda behalten, ein quadratischer Holztisch, an dem früher drei Hocker gestanden hatten. Für jede Schwester einer. Mit wasserfesten Stiften hatten sie die Anfangsbuchstaben ihrer Namen auf jeweils ein Stuhlbein geschrieben. Sie wollten Verwechslungen ausschließen. Tante Gitte hatte Stuhlkissen genäht, aus weißer, mit hellblauen Seesternen bedruckter Baumwolle und mit blauen Schleifen, mit denen die Mädchen sie an der Sitzfläche befestigt hatten.
Leider hatten die Hocker aus Kindertagen die Jahre nicht überdauert. Heute hatte nur noch ein einziger Stuhl seinen Platz am Muscheltisch. Seine Sitzfläche bedeckte ein weiches Kissen, auf dem Jane halbwegs bequem sitzen konnte. Er hatte Armlehnen zum Aufstützen, was praktisch war, wenn sie wenig Luft bekam, und an dem nachträglich anmontierten Haken an der Rückenlehne baumelte eine Leinentasche. Sie enthielt Janes Notfallausrüstung. Einen Handventilator samt Ersatzbatterie, eine steril verpackte Spritze mit integrierter Kanüle, eine Ampulle Morphin, zwei Lorazepam-Tabletten und eine Flasche Mineralwasser. Jane ging auf Nummer sicher. Sie kontrollierte die Tasche morgens und abends auf Vollständigkeit.
Mit der freien Hand hielt sie ihre Strickjacke vor der Brust zusammen. Beige mit braunem Norwegermuster, ein Geschenk von Tante Gitte und inzwischen so weit geworden, dass Jane beinahe darin verschwand, aber das störte sie nicht. Gitte hatte sie während der ersten Chemotherapie gestrickt. Flink hatte sie die Nadeln in ihren Händen bewegt, und Jane hatte beobachtet, wie das Muster entstanden war, die Leiste mit den Knopflöchern, die Ärmel, der Kragen.
»Du wirst sie tragen, wenn das hier vorbei ist«, hatte Gitte gesagt, in den stillen Stunden, als Jane zum wer weiß wievielten Mal zitternd und mit kalkweißem Gesicht in die Laken zurückgesunken war, weil sie so lange gewürgt und gallige Flüssigkeit erbrochen hatte, bis eine gnädige Erschöpfung sie in die Arme des Schlafs getrieben hatte. Gitte war bei ihr gewesen, hatte ihr die Schüssel gehalten, ihr aus dem schweißnassen T-Shirt geholfen, ihr das Gesicht, ihre Hände gewaschen, ihren kahlen Schädel geküsst, ihre Tränen getrocknet und an ihrem Bett gewacht, wenn Jane für ein paar Minuten weggedämmert war, bevor der nächste Krampf sie geschüttelt hatte. Du wirst sie tragen, wenn das hier vorbei ist … Als sei die Chemotherapie eine überflüssige Episode, die es galt, mit zwei Stricknadeln so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Doch es hatte unbeirrbar geklungen und war in jenen Tagen zu einem Hoffnungslicht für Jane geworden. So wie die Jacke.
Sie schüttelte die Erinnerungen ab, faltete den Brief und schob ihn in das Kuvert mit Selmas Adresse, der letzten, die sie von ihrer Schwester hatte, in der Hoffnung, dass sie noch immer in dieser kleinen Stadt im Norden Deutschlands lebte. Eine Hand berührte ihre Schulter.
»Tee?«
Jane nickte, ohne sich umzudrehen. Gitte stellte ein Tablett auf den Tisch. In zwei Teegläsern dampfte frisch aufgebrühter Kräutertee.
»Kommst du voran?«, fragte sie.
»Der für Selma ist fertig.« Jane befeuchtete die Haftfläche des Kuverts mit der Zunge, klebte es zu und beschwerte es mit dem Stein, den Gitte ihr von einem Strandspaziergang mitgebracht hatte.
»Mach eine Pause, wenn es dich anstrengt.« Gitte reichte ihr eines der beiden Teegläser.
»Zitronenmelisse?«, fragte Jane, als ihr das Aroma in die Nase stieg.
Über das Gesicht ihrer Tante zog ein Lächeln. »Du hast ein feines Näschen.«
»Nicht alles an mir ist funktionsunfähig geworden.« Jane legte beide Hände um das Teeglas und spürte die Wärme, die sich auf ihre Handflächen übertrug.
»Setz dich zu mir«, bat sie. Sie beobachtete ihre Tante, die in dem alten Schaukelstuhl Platz nahm, den Jane immer geliebt hatte, inzwischen aber mied, weil das Sitzen darin sie schwindelig machte.
Gitte war dreiundsiebzig, eine agile Person mit zierlichem Körperbau und schulterlangem, ergrautem Haar, das sie zu einem kurzen Zopf am Hinterkopf zusammenband, wie sie es seit jeher getan hatte. Ihr Äußeres ließ eine zerbrechliche Persönlichkeit vermuten, doch dieser Eindruck trog. Janes Tante war eine starke Frau, die ihre Eigenständigkeit schätzte. Gitte hatte nie in der Abhängigkeit eines Mannes gelebt, im Gegensatz zu den meisten Frauen ihres Alters, die geheiratet hatten, um versorgt zu sein. Gitte versorgte sich selbst. Bis zu ihrer Pensionierung hatte sie Deutsch an einem katholischen Mädchengymnasium unterrichtet. Sie kochte hervorragende Marmeladen, kannte gegen jede Krankheit ein Kraut, war in der Lage, mit einer Bohrmaschine umzugehen, konnte einen Bilderrahmen mit Hilfe einer Wasserwaage exakt ausgerichtet an der Wand befestigen und kannte Strategien, um einem verstopften Abfluss zu Leibe zu rücken. Sie brachte die kompliziertesten Strickmuster zustande, konnte ein von einem Marder angebissenes Zündkabel notdürftig zusammenflicken, und sie liebte Jane wie eine Mutter ihr Kind.
Mit einem Fuß hielt sie den Schaukelstuhl in Bewegung. Der Holzrahmen knarrte leise. Sie nippte an ihrem Tee. »Ich habe sie heute früh geerntet«, sagte sie.
»Im Mittelalter hätte man dich auf dem Scheiterhaufen verbrannt«, erwiderte Jane. Sie spitzte die Lippen und trank einen winzigen Schluck.
»Wusstest du, dass man die Zitronenmelisse auch Herztrost nennt?«, fragte Gitte.
Jane schüttelte den Kopf. Der Tee war noch heiß und schmeckte nach nichts. Wie das Meiste, das sie zu sich nahm. Sie schloss die Augen, sog den Duft ein und versuchte, sich an den Geschmack von Tee aus Zitronenmelisse zu erinnern. »Klingt schön«, sagte sie. »Ein Trost für das Herz.«
»Und für deinen Magen«, fügte Gitte hinzu.
Wieder legten sich Janes Hände schützend um das warme Teeglas. Sie ließ ihren Blick über die grüne Dünenlandschaft wandern, an die das Sommerhaus ihrer Tante auf der rückwärtigen und an der Westseite grenzte. Man hatte das Haus seinerzeit als eines der ersten in Lakolk errichtet, in unmittelbarer Nähe zu den sanft ansteigenden und abfallenden, mit Heidesträuchern und Strandhafer bewachsenen Hügeln, die eine natürliche Grenze zum Meer bildeten. Es war ein rot angestrichenes Holzhaus mit weißem Giebel und dunklen Dachschindeln. Die aus Holz gezimmerte Veranda verlief ringsherum und schrie, ebenso wie die Fensterläden, nach einem frischen Anstrich. Eins von den drei Schlafzimmern hatten sie vor wenigen Tagen für Selma und Mascha hergerichtet. Zwei Betten standen darin, an jeder Längsseite eines, mit Patchworkdecken und vielen Kissen. Gitte hatte sie bezogen, anschließend den Holzboden gewienert und den Flickenteppich ausgeschüttelt, während Jane Kerzen und Karamellkonfekt gebracht hatte. Ihre Schwestern sollten sich wohlfühlen.
»Wenn sie hier sind, wird es wie früher sein«, sagte sie, ohne den Blick abzuwenden. Es klang unbeirrbar, ließ nicht den geringsten Zweifel zu. In Erwägung zu ziehen, ihre Schwestern könnten ihre Einladung ignorieren, verbot Jane sich. Der Vorstellung, schon bald gemeinsam mit ihnen am Muscheltisch zu sitzen, wohnte eine Kraft inne, die stärker war als die Bedenken. Stärker als die Lieblosigkeiten, die sie entzweit hatten. Stärker als die Angst, sie könnten ihre kleine Schwester vergessen haben.
»Wir brauchen zwei weitere Stühle hier auf der Veranda«, sagte sie an ihre Tante gewandt.
Gitte nickte. »Ich weiß. Ich habe dir versprochen, mich darum zu kümmern.«
Jane stellte das Teeglas ab und schraubte die Kappe von ihrem Füllfederhalter. Dann zog sie den Block, auf dem sie den Text vorgeschrieben hatte, näher zu sich heran und begann den Brief an Mascha, die mittlere der drei Schwestern.