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Kapitel 2
ОглавлениеDrei Stunden später reckte sich Verena müde, sie brauchte dringend einen Kaffee. Die zwei Stunden Schlaf hatten nicht wirklich zur Erholung beigetragen. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch das Fenster und seufzend schlug sie die Decke zurück. Noch immer trug sie die Sachen der letzten Nacht und die Gedanken an ihr Erlebnis ließ sie noch leicht schaudern.
Seit ihrer Kindheit war sie ständig mit der Anderswelt in Verbindung gewesen. Doch das zurückliegende Erlebnis war vollkommen neu.
Entschlossen schüttelte sie ihre Gedanken ab und versuchte den Rest mit einer Dusche abzuspülen. Sie fühlte sich auch gleich erheblich besser und mit noch feuchten Haaren schlug sie die Tür hinter sich zu und pfiff nach Kaspar, ihrem Labradorrüden.
Überschwänglich umtanzte er seine Herrin und lief bellend vor ihr her. Es war gerade einmal sechs Uhr vorbei und nur wenig Leben war in diesen kleinen Ort in der Nähe der Stadt um diese Zeit zu bemerken.
Verena genoss die Stille, die Ruhe. Es war einer der Zeitpunkte am Tag, an dem die Welt noch im Gleichgewicht schien.
Emilias Café rückte langsam in ihr Blickfeld und auch Kaspar zog schnüffelnd in seine Richtung. Der Duft von frischem Brot und Kaffee schlug ihr entgegen, als sie die Tür öffnete und genussvoll zog Verena das Aroma in sich auf. Das Lokal gehörte Emilia, die auch täglich die köstlichsten Mehlspeisen aus dem Hut zauberte. Sie strahlte eine Mischung aus Mutter und guter Freundin aus und genauso fühlte sich Verena in ihrem Café, immer willkommen, so wie es zu Hause sein sollte.
Doch an diesem Tag saß bereits ein Mann an ihrer Theke und obwohl es sich Verena nicht offen eingestanden hätte, es störte sie. Doch an ihrem „Guten Morgen“ war nichts auszusetzen und Emilia winkte ihr gut gelaunt hinter der Theke zu. „Mein Gott, Mädchen, wie sehen sie denn aus. Sie haben wohl wieder die ganze Nacht gearbeitet“, tadelte sie mit erhobenen Finger.
„Ja, so ungefähr. War eine aufregende Nacht.“
„Heute habe ich wieder die Nusskipferl gebacken, die ihnen so gut geschmeckt haben. Ich darf doch eines zu ihrem üblichen Frühstück dazu legen.“
„Natürlich, Emilia. Doch nur, wenn sie endlich Verena zu mir sagen.“
„Ahh, ich weiß nicht so recht, ob das klug ist Emilia. Schließlich geht die liebe Frau Ritter einer sehr außergewöhnlichen Beschäftigung nach. Möglicherweise ist es nicht von Vorteil sich zu nahe zu kommen.“ Emilias Mann Tim war aus der Küche aufgetaucht und drückte seiner Frau einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
Der Mann an der Theke betrachtete Verena inzwischen intensiv mit seinen grünen Augen. „Ich werde neugierig. Sie scheinen eine interessante Frau zu sein, Frau Verena Ritter.“ Seine Stimme hatte einen angenehmen Klang, war im Gesamtbild eine wirklich angenehme Erscheinung, aber etwas an seiner Aura war gestört. Verena war im ersten Moment irritiert.
„Nun, dann sollten sie ihre Neugier bezähmen oder sind sie etwa bei der Kripo?“, konterte Verena sarkastisch, zugegeben mit einem Anflug von Belustigung.
„Ich hab es dir doch gesagt Tim, unsere Frau Ritter sieht Dinge, die andere nicht erkennen. Ganz recht, unser Georg ist ein Polizist und eines können sie mir glauben, bei ihm sind sie gut aufgehoben.“ Emilia unterstrich ihre Worte mit einem breiten Lächeln, denn sie sah gerade das perfekte Paar vor sich. Sie konnte es nicht verhindern, doch sie war eine hoffnungslose Romantikerin und Georg hatte es sich nun doch wirklich verdient wieder Glück zu finden. Schließlich war diese furchtbare Tragödie seit drei Jahren vorbei.
„Wie schön, dann werde ich einmal frühstücken, dass können sie ja dann in ihrem Tagesprotokoll festhalten, Herr Inspektor.“ Doch wenn Verena dachte sich somit ihren Frieden gesichert zu haben, hatte sie sich geirrt. Emilia schien ihre neue Idee fabelhaft zu finden und dachte nicht daran, etwas den Zufall zu überlassen. Schließlich musste man ja hin und wieder einmal dem Schicksal unter die Arme greifen.
„Ihr Tisch in der Ecke ist bereits gedeckt und zufälligerweise ist es auch der Stammtisch von unseren Georg und Gewohnheiten soll man nicht ändern und es ist genug Platz für zwei. Und ihr beide werdet euch fabelhaft unterhalten.“
„Tatsächlich.“ Verena stöhnte innerlich auf, Emilia hatte mehr Eigenschaften einer Mutter an sich als sie gedacht hatte. Soeben wollte sie ihr eine gute Partie schmackhaft machen. Verena versuchte es noch mit einem flehenden Seitenblick auf Tim, doch der zuckte nur grinsend mit den Schultern. Er würde sich hüten, seiner Frau drein zu reden, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Und zu guter Letzt beging auch noch Kaspar Verrat. Es fehlte nicht mehr viel und er würde auf Georgs Schoß sitzen. Und Georg? Nun, er schien sich zumindest verdeckt über Emilias Kupplungsversuche zu amüsieren.
„Stell dir vor Georg, Frau Ritter jagt Geister. Ist das nicht furchtbar aufregend? Und irgendwie ist es doch ganz ähnlich mit der Polizeiarbeit. Sie sammelt Fakten, sucht Tatorte auf, sucht nach Beweisen und wie es aussieht, arbeitet sie auch zuviel. Kindchen, sie haben ganz rote Augen.“
Verena gab es auf, die Frau mit dezenten Hinweisen zu bremsen, sie war bereits in Vollfahrt und nicht mehr zu stoppen, also begab sie sich gezwungenermaßen in ihr Schicksal.
Also setzten sich Georg und Verena an den gedeckten Tisch und Emilia schenkte ihnen sogleich Kaffee ein und sie konnte es nicht lassen, sie entzündete auch noch die rosa Kerze am Tisch und zog sich dann mit einem Lächeln zu Verena und einen auffordernden Schulterklopfen an Georg in ihre Küche zurück.
„Es tut mir leid, wenn Emilia zu bestimmt ihren Willen vertritt. Ich komme hierher seit ich ein kleiner Junge bin. Tja, was soll ich sagen, sie ist wie meine zweite Mutter. Wenn sie nicht gestört werden möchten, setze ich mich einfach an einem anderen Tisch.“
„Sehr galant, Herr Inspektor. Doch das würde ihnen wohl so passen, dass ich bei Emilia bei meiner Beliebtheitsskala einbüße. Sie ist glatt dazu fähig, mir für längere Zeit die herrlichen Nusskipferl vorzuenthalten. Ja, ich denke, für solche Erpressungen wäre sie in der Lage. Und leider wird kein Gericht der Welt sie dazu verurteilen, mich verpflichtend damit zu versorgen.“
Georg sah zuerst verblüfft in ihr Gesicht und begann dann zu lachen. „Ich kann ihnen nur zustimmen. Sich mit Emilia anzulegen ist eine harte Angelegenheit. Doch ich würde in diesem Fall die volle Verantwortung übernehmen.“
„Wie galant. Ganz nach dem Motto, die Polizei dein Freund und Helfer. Doch wie es aussieht, sind sie nicht im Dienst.“
„Meine Schicht begingt um sieben. Ich habe noch genug Zeit für ein gemütliches Frühstück.“
„Na, dann lassen sie sich nicht aufhalten. Guten Appetit.“
„Reuter.“
„Wie bitte?“
„Georg Reuter, das ist mein Name. Ich finde, wenn wir schon gemeinsam an einen Tisch sitzen, sollte man sich vorstellen.“
„Natürlich. Ich bin…“
„Verena Ritter. Und sie jagen tatsächlich Geister?“
„Haben sie noch nie die Ghostbusters gesehen? Wissen sie, die Filme dokumentieren meine bisherige Arbeit und Slimer, ja der ist gerade bei Tim in der Küche und trieft seinen Schleim in die Tagessuppe.“
Verena kamen die spöttischen Worte ganz leicht über die Lippen und irgendwie konnte sie selbst nicht so ganz verstehen, warum sie so derart unhöflich war. Der Kerl schien doch ganz nett zu sein.
„Sie machen es mir nicht gerade einfach, doch ich reagiere auf Herausforderungen und bin äußerst hartnäckig. Ihre Tätigkeit hört sich interessant an.“
Verena betrachtete Georg Reuter und versuchte sein Interesse einzuschätzen. Selten nahm wer ihre Arbeit ernst, zumindest öffentlich. In Österreich oder wie auch im Großteil von Europa gab niemand gerne zu, Geister gesehen zu haben, geschweige denn einen in seinen vier Wänden zu beherbergen.
Und erfahrungsgemäß gehörte ein Polizist einer sehr bodenständigen Person an, die wenig Hang zu spirituellen oder unerklärlichen Phänomenen hatte. Und Georg Reuter erweckte dennoch ernst gemeintes Interesse.
„Sie scheinen nicht gerade zu der gesprächigen Spezies des Menschen anzugehören.“ Seine Stimme unterbrach Verena in ihren Gedanken.
„Tut mir leid. Es war nicht meine Absicht sie anzuschweigen.“
„Nennen sie mich beim Vornamen, Verena. Das ist doch in Ordnung?“
„Ja, natürlich. Sie frühstücken wohl öfters bei Emilia?“
„Jeden Tag.“
„Ich komme seit zwei Wochen jeden Morgen hierher, war jedoch bis jetzt immer alleine um diese Zeit“, widersprach Verena. Georg setzte wieder sein breites Lächeln auf. „Soll in Zukunft nicht mehr vorkommen, ich war auf einem Seminar in Salzburg, bin erst gestern Abend zurückgekommen.“
Verena fühlte sich benommen, ihre Konservation war wirklich etwas sonderbar und ob sie es wollte oder nicht, sie fühlte sich in seiner Gesellschaft besser. Kaspar schien nichts dagegen einzuwenden zu haben. Er saß brav neben dem Tisch, sah ihn mit herzhaftem Blick an und verfolgte mit seinen braunen Augen jeden Bissen, der zwischen den Zähnen des neuen Freundes verschwand.
Als jedoch Kaspar den strengen Blick von seinen Frauchen bemerkte, protestierte er murrend und legte bettelnd seinen Kopf auf Georgs Bein. „Unterstehe dich. Es ist schlecht für seine Zähne und außerdem mag ich es nicht, wenn er bei Tisch bettelt.“
„Hmm, mein Guter, da hast du aber ein strenges Frauchen. Und weißt du, wird sind gerade dabei Fortschritte zu machen.“ Georg streckte bedauernd seine leeren Hände aus und Kaspar fand das gar nicht schön. Er bellte beleidigt auf und legte sich dann mit einem lauten Schnaufer zu Verenas Füßen.
„Also, wie sieht nun die Arbeit eines Geisterjägers aus“, kam Georg auf das eigentliche Thema zurück.
„Um es kurz zu machen, es ist so ähnlich, wie es Emilia darstellte. Im Vorfeld recherchiere ich Geschichten, die bereits in der Vergangenheit dokumentiert wurden, versuche mögliche Augenzeugen zu finden und führe schließlich wissenschaftliche Untersuchungen durch und versuche mit den Erscheinungen selbst in Kontakt zu kommen.“
„Hört sich interessant an, aber auch unheimlich. Bist du dabei immer alleine?“
„Ja, meistens.“
„Ist das nicht gefährlich?“
„Es gibt durchaus Möglichkeiten sich zu schützen.“
„Hast du denn dabei gar keine Angst?“
„Warum, weil ich eine Frau bin?“
„Meine Frage hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Männer sind durchaus in der Lage Angst zu fühlen.“
Verena rührte nachdenklich in ihrer Tasse. Georg schien ein netter Kerl zu sein, doch nach zehn Minuten ihr Leben, ihre Gefühlswelt vor ihm auszubreiten und ihm Einblick in ihr Inneres zu geben, war sie sicherlich noch nicht bereit. „Ich bin daran gewöhnt“, sagte sie schließlich neutral. Georgs Augen hingen an ihrem Gesicht, versuchte zu erahnen, was sie nicht preisgeben wollte, noch nicht.
„Ich denke, ich hebe mir die Frage für später auf und dann werde ich mich nicht mit so einer seichten Antwort zufrieden geben.“
„Wie kommst du auf die Idee, dass es ein später gibt?“
„Na klar doch. Morgen um dieselbe Zeit am selben Tisch?“
„Kann ich denn nein sagen?“
„Du willst es dir doch nicht mit der örtlichen Polizei verscherzen“, und dabei tanzten fröhliche Funken in seinen Augen.
„Es scheint mir nicht ratsam.“
„Wusste ich es doch gleich, dass du eine kluge Frau bist. Ich wünsche dir einen schönen Tag.“
„Danke, gleichfalls.“
Und als Georg Emilias Café verlassen hatte, fühlte sie sich sogar etwas einsam.