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Vorwort
ОглавлениеEs war der fünfte September 2017, als ich einen Vortragssaal im Süden Seattles betrat, meine rechte Hand hob und ein Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika wurde. Am selben Tag verkündete Präsident Donald Trump das Ende des Programms Deferred Action for Childhood Arrvials (DACA) – ein Programm, das undokumentierte Immigrantinnen und Immigranten, die als Kinder in die Vereinigten Staaten gebracht worden waren, vor der Abschiebung schützen soll – zugunsten einer nicht näher spezifizierten, zukünftigen Regelung. Während ich darauf wartete, meinen Eid zu leisten, verkündete der damalige Justizminister Jeff Sessions, dass die Regierung sich dazu entschieden hatte, selbst den geringen Schutz aufzuheben, den DACA bis dahin geboten hatte. Diese Entscheidung erschien mir damals wie heute als zugleich ungerecht und grausam. Mein Weg zur amerikanischen Staatsbürgerschaft war lang und mit den üblichen bürokratischen Hürden versehen, aber er verlief doch so reibungslos, wie es sich für einen solchen Prozess nur wünschen lässt, und am fünften September endete er schließlich damit, dass ich Staatsbürger der Vereinigten Staaten wurde. Für viele andere Menschen jedoch stellte der fünfte September eine andere Art von Ende dar: Ihnen wurde eine Möglichkeit genommen, sich ein für sie wertvolles Leben aufzubauen, und in der Folge mussten sie sich einer neuen, unsicheren Realität stellen. Als ich nach der Zeremonie nach Hause kam, begann ich dieses Buch zu schreiben.
Diese Tatsachen führe ich aus zwei Gründen an. Der erste ist die Anerkennung der simplen Wahrheit, dass Migration und Migrationspolitik sich stetig verändernde Gegenstände politischer Kontroversen sind. So unterscheidet sich die heutige politische Landschaft von derjenigen, die ich zu Beginn meiner Reflektionen über dieses Thema vorfand, und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches wird sie sich weiter verändert haben. Ich habe versucht, diesen Tatsachen nach Möglichkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass ich einen moralischen Rahmen für die Bewertung neuer Gesetze und Vorhaben in dieser sich stetig verändernden politischen Landschaft suche; und ich hoffe, dass diese Überlegungen uns auch dann leiten oder zumindest an unsere besten ethischen Werte erinnern können, wenn sich die spezifischen Details der Migrationspolitik ändern. Der zweite Grund besteht darin, anzuerkennen, dass ich eine bestimmte Position innerhalb des Kosmos der Migration einnehme: Ich bin selbst ein Migrant, allerdings mit einer weitaus unproblematischeren Migrationserfahrung als viele andere Migrantinnen dieser Welt. Ich habe versucht, ehrlich zu sein – sowohl im Hinblick darauf, was ich als die richtigen ethischen Werte ansehe, als auch auf meine eigene Migrationserfahrung. In Staaten wie den USA wurde die Migrationspolitik oft zum Schutze von Personen wie mir und zum Nachteil für Menschen gestaltet, die eine vulnerablere Position innehaben – Menschen ohne meinen (relativen) Wohlstand, meine ethnische Identität oder meinen Bildungshintergrund. Anlass zum Verfassen dieses Buches war unter anderem der Gedanke, dass Migration nicht notwendig als ein Menschenrecht angesehen werden muss, um zu zeigen, dass wir die Migrationspolitik eines Staates moralisch kritisieren können und auch sollten. Kurz, es bedarf keiner Verteidigung offener Grenzen, um scharfe Kritik an der Art gegenwärtiger Grenzregime zu üben. Es ist allerdings sinnvoll, zu betonen, dass ich allein aus meiner eigenen Perspektive schreiben kann und jene Grenzregime für mich bedeutend weniger gewaltsam sind als für viele andere.
Dieses Buch umfasst mehrere Jahre des Nachdenkens über Migration und ich schätze mich glücklich, eine Gruppe von Kolleginnen und Menschen um mich gehabt zu haben, die mir auf diesem Weg geholfen haben. Selbstverständlich sind nur einige wenige von ihnen mit allem einverstanden, was ich sage; alle haben jedoch dazu beigetragen, meine Überlegungen voranzubringen, sei es durch Gespräche, Kritik oder Fürsorge. Meine Studentinnen Patrick Taylor Smith, Amy Reed-Sandoval, Mitch Kaufmann, Julio Covarrubias und Stephen Blake Hereth waren so freundlich, meine Gedanken während ihrer Entstehung zu begleiten. Die University of Washington ist ein außergewöhnlicher Ort für Arbeit und Lehre und besonders Stephen Gardiner, Jamie Mayerfeld, Michael Rosenthal, Bill Talbott und Andrea Woody bin ich dankbar für ihre Unterstützung in den letzten Jahren. Eine große Gruppe von Forscherinnen und Freundinnen haben mir dabei geholfen, meine Gedanken zu den hier besprochenen Problemen zu vertiefen; besonders dankbar bin ich dabei Gillian Brock, Joseph Carens, Luara Ferracioli, Javier Hidalgo, Adam Hosein, Stephen Macedo, Pietro Maffetone, José Jorge Mendoza, David Owen, Ryan Pevnick, Mathias Risse, Alex Sager, Grant Silva, Sarah Song, Anna Stilz, Christine Straehle, Laura Valentini, Christopher Heath Wellman, Shelly Wilcox, Caleb Yong und Lea Ypi. Verschiedene Versionen der Ideen aus den letzten beiden Buchkapiteln wurden bei Kolloquien der University of Durham, der University of British Columbia und der Princeton University präsentiert; ich danke dem Publikum an all diesen Universitäten. Die Struktur dieses Buches wurde zum ersten Mal im Rahmen einer Summer School über Migration des Instituts für Philosophie I der Ruhr-Universität Bochum dargelegt; ich möchte Volker Heins, Thorben Knobloch, Corinna Mieth, Andreas Niederberger, Christian Neuhäuser, Itzik Pazuelo und Janelle Pötzsch für die Gespräche und die philosophische Gemeinschaft danken. Schließlich bin ich auch Peter Ohlin für seine Unterstützung dieses Projekts sehr dankbar.
Teile des vierten Kapitels dieses Buchs sind bereits in „Immigration, Jurisdiction, and Exclusion“, 41 (2), Philosophy and Public Affairs (2013) sowie „Immigration and Political Equality“, 45 (4), San Diego Law Review (2008) erschienen. Ich danke diesen Zeitschriften für die Erlaubnis, das Material in diesem Kontext verwenden zu dürfen. Dieses Buch wurde zum Teil durch einen Zuschuss des National Endowment for the Humanities im Rahmen der Initiative The Common Good unterstützt; ich möchte daher auch dem NEH für die Unterstützung meiner Arbeit danken. Das Manuskript wurde schließlich während eines Aufenthalts am Helen Riaboff Whitely Center der Friday Harbor Laboratories der University of Washington fertiggestellt und ich danke dem Personal des Whiteley Center dafür, einen idealen Ort für meine Studien als auch für das Verfassen des Manuskripts geschaffen zu haben. Zuletzt stehe ich, wie immer, zutiefst in der Schuld meiner Frau Melissa Knox und meiner Kinder, Eloise und Gus, die weiterhin den Grund für jeglichen Optimismus darstellen, der mir im Hinblick auf den Zustand dieser Welt und ihre Zukunft geblieben ist.