Читать книгу Flow-Jäger - Michele Ufer - Страница 26

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Wie oft erlebst du Flow-Zustände?

Bei jedem Wettkampf oder Trainingslauf?

Wie lange dauern Flow-Zustände an?

Gewiss nicht bei jedem Wettkampf oder Trainingslauf. Ich würde schätzen, dass ich bei zwei von zehn Läufen einen solchen Zustand erreichen kann. Häufig sind dies eher schnellere Dauerläufe, bei denen ich mich im Bereich der aeroben Schwelle bewege. Das Tempo ist schon zügig, fällt mir aber noch nicht wirklich schwer.

Gibt es qualitative und/oder Unterschiede in der Häufigkeit des Flow-Erlebens, je nachdem, ob du dich im Training oder herausfordernden Wettkampf befindest? Bei mehr oder weniger schöner Landschaft/unterschiedlich schwierigem Terrain/wenn du allein oder mit anderen läufst?

Beim Training ohne Trainingspartner erlebe ich den Zustand definitiv häufiger. Dies mag daran liegen, dass ich dann zunächst mehr auf mich und meinen Körper fokussiert bin. Für mich persönlich spielt zudem die Landschaft und ein technisch reizvolles Gelände eine sehr große Rolle. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich auf kleinen, verspielten Wegen jeden Schritt im Hier und Jetzt sein muss, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich in den Flow-Zustand komme.

Entsteht Flow eher zufällig oder bist du in der Lage, dich gezielt in einen Flow-Zustand zu versetzen?

Nein, gezielt geht das auf gar keinen Fall. Es ist auch nicht vorhersehbar. Manchmal denke ich beim Loslaufen, dass ich mich heute besonders gut fühle. Trotzdem stellt sich dann nicht immer ein Flow-Zustand ein. Genauso gut kann es sein, dass es mir beim Loslaufen nicht so gut geht. Trotzdem stellt sich dann nach einer Weile der Zustand ein.

Was meinst du, haben Flow-Zustände bei dir eine positive, negative oder gar keine Auswirkung auf die Leistung und Zufriedenheit? Warum?

Flow-Zustände haben definitiv eine positive, um nicht zu sagen »abhängig machende« Wirkung. Während und auch nach dem Erleben geht es mir einfach rundum gut. Das Gefühl möchte ich natürlich wieder haben. In Bezug auf die Zufriedenheit sind solche Läufe demnach sehr wichtig für mich. Anders ist es bei der Leistung. Ich glaube, ich kann auch sehr gute Leistungen bringen, ohne in einen solchen Zustand zu gelangen.

Hast du dich während deines besten Rennens eher auf deine Körperempfindungen und das Gelände konzentriert oder dich von Schmerz und Müdigkeitsgefühlen usw. abgelenkt?

Da ich sehr lange Strecken laufe, trifft bei mir beides zu. Es gibt Phasen, wo einfach nur alles toll ist und ich das Rennen, die Landschaft und meine Bewegung darin einfach genieße und so automatisch immer schneller werde. Es gibt aber auch die Phasen, wo es nicht so gut läuft und der Fokus darauf liegt, möglichst an das Resultat und an das erfolgreiche Ankommen zu denken.

Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?

Ich laufe zwischen 120 und 170 km in der Woche, gestaffelt nach Trainingsblöcken. Ich trainiere jeden Tag, wobei ich unter der Woche etwa eineinhalb Stunden pro Tag zum Training zur Verfügung habe, am Wochenende dann dementsprechend länger laufe. Zudem versuche ich, zweimal die Woche durch Tempodauerläufe, Fahrtspiele oder Belastungsintervalle am Berg einen anderen Trainingsreiz zu setzen.

Wie wichtig ist der Kopf, das »Mentale«? Verbringst du Zeit mit systematischem, mentalem Training?

Ich glaube, dass dies sehr wichtig ist. Allerdings verwende ich dafür nicht systematisch »Trainingszeit«. Ich denke, dass ich durch viele Jahre Leistungssport meinen Körper und auch meinen Kopf sehr gut kenne. Von daher weiß ich auch, wann ich mich zusammenreißen und kämpfen muss und meinen Kopf zu überwinden habe. Es gibt aber auch Phasen, da ist es besser, einfach loszulassen und sich auch mal Ruhe zu gönnen, sowohl körperlich als auch mental.

Wenn du magst: deine Top-5-Empfehlungen für mehr Flow, Erfolg und Zufriedenheit beim Laufen?

Da habe ich eigentlich keine Tipps. Wichtig ist, dass man mit Leidenschaft läuft, dass einem das Laufen generell Freude bereitet. Wenn man dann noch landschaftlich schöne Strecken hat, stellt sich der Rest von ganz allein ein.

STEPHAN HUGENSCHMIDT

Steckbrief: Der Trailläufer und Skibergsteiger Stephan (Jahrgang 1986) konnte in den vergangenen Jahren zahlreiche Ultratrail-Rennen für sich entscheiden. Die Liste der ersten Plätze liest sich beeindruckend: Zugspitz Ultratrail, Transalpine Run, Salomon 4 Trails, Swiss Irontrail, Sardona Ultratrail etc. Bei der Trail-WM im Jahr 2016 erzielte er im Trikot der Nationalmannschaft als bester Deutscher einen zehnten Platz und gemeinsam mit Florian Reichert und Martin Schedler einen dritten Platz im Team.

»Flow« ist ein zunehmend populäres Konzept im Sport und in der Psychologie. Die Definition von Flow kann je nach Läufer unterschiedlich ausfallen. Was bedeutet Flow für dich? Was genau erlebst du, wenn du in einem Flow-Zustand bist?

Du sagst es. Flow ist für mich ein wenig greifbarer Begriff. Ich kenne ihn hauptsächlich vom Mountainbiken. In einen vergleichbaren Zustand kann ich beim Laufen kommen, wenn ich einen Trail bergab laufe. Dann bin ich zu 100 Prozent auf den Weg fokussiert und höre auf, aktiv – also bewusst – zu laufen. Die Bewegungen der Beine, Arme usw. laufen dann völlig automatisch ab und ich verspüre weder Anstrengung oder Hunger/Durst noch Schmerzen. Ein sehr ähnliches Gefühl kann ich auch nach längerer Zeit auf den Beinen verspüren. Aber dann ist es kein »Geschwindigkeitsrausch«, sondern eher ein perfekter Rhythmus. Ich habe dann das Gefühl, ewig noch weiterlaufen zu können.

Was sind die Zutaten/Voraussetzungen für Flow-Erleben? Was braucht es, um in einen Flow-Zustand zu gelangen?

Ich muss draußen in der Natur sein. Mir muss der Weg und die Landschaft um mich herum gefallen. Mein Kopf muss frei, meine Beine frisch sein und außerdem muss ich allein unterwegs sein.

Wie oft erlebst du Flow-Zustände? Bei jedem Wettkampf oder Trainingslauf? Wie lange dauern Flow-Zustände an?

Das ist schwer zu sagen. Aber bei jedem Wettkampf oder Trainingslauf sicher nicht. Vielleicht in zehn Prozent der Fälle? Wenn ich beim Bergablaufen in den Flow-Zustand komme, dauert er meistens bis zum Ende des Abstiegs oder bis zum Ende des Trails. Die andere Art des Flows kann mehrere Stunden dauern. Meistens enden diese Zustände durch einen konkreten Grund. Das kann der nächste Verpflegungsposten, ein längeres Asphaltstück, eine Topographieänderung oder Ähnliches sein.

Gibt es qualitative und/oder Unterschiede in der Häufigkeit des Flow-Erlebens, je nachdem, ob du dich im Training oder herausfordernden Wettkampf befindest? Bei mehr oder weniger schöner Landschaft/unterschiedlich schwierigem Terrain/wenn du allein oder mit anderen läufst?

Ob Wettkampf oder Training spielt eigentlich keine Rolle. Vermutlich weil ich keine Wettkampfsau bin, die mit Startnummer über sich hinauswachsen kann. Bei mir unterscheiden sich Wettkämpfe und längere Trainingsläufe nicht so sehr, was die körperliche Belastung betrifft. Aber die Landschaft muss schön, die Trails flüssig zu laufen sein – und wie bereits erwähnt, muss ich allein sein (beim Wettkampf also allein laufen).

Entsteht Flow eher zufällig oder bist du in der Lage, dich gezielt in einen Flow-Zustand zu versetzen?

Flow-Zustände können nur zufällig entstehen! Wenn ich mit dem Vorsatz, mich in den Flow-Zu-stand zu versetzen, in einen Trail einbiege, dann wird das mit Sicherheit nicht klappen!

Was meinst du, haben Flow-Zustände bei dir eine positive, negative oder gar keine Auswirkung auf die Leistung und Zufriedenheit? Warum?

Ich würde sagen eine positive Auswirkung. Ich kann schneller bergab laufen, weil ich nicht überlegen muss, wo und wie ich mich bewege. Alles passiert unbewusst. Oder wenn ich nach mehreren Stunden keine Schmerzen und Erschöpfung verspüre, hilft mir das sicherlich auch, mich schneller oder zumindest sehr lange gleichschnell fortzubewegen.

Hast du dich während deines besten Rennens eher auf deine Körperempfindungen und das Gelände konzentriert oder dich von Schmerz und Müdigkeitsgefühlen usw. abgelenkt?

Die Wettkämpfe, die ich bestreite, dauern in der Regel mehrere Stunden. Für mich ist es da essenziell, auf den eigenen Körper zu hören. Wenn ein Wettkampf 80 km lang ist, laufe ich nie so schnell, dass ich das Gefühl habe, das Tempo nur eine kurze Zeit halten zu können. Zudem gibt es bei solch langen Rennen immer Hoch- und Tiefphasen. In den Hochphasen nehme ich die Landschaft um mich herum wahr und kann es genießen. Wenn es mir schlecht geht, sind Schmerzen und Ermüdung so groß, dass ich sie nicht einfach ausblenden kann. Ich versuche dann, sie zu akzeptieren und einfach weiterzumachen. Meistens kommt dann auch bald das nächste Hoch.

Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?

Da ich zu 80 Prozent arbeite, habe ich an drei Tagen in der Woche frei. Diese verbringe ich, wann immer es geht, bei drei- bis sechsstündigen Trainings in den Bergen. Im Sommer zu Fuß, im Winter mit den Tourenskiern. Dabei kommen recht viele Höhenmeter zusammen, meistens zwischen 2.000 und 3.000 hm (pro Tour). An den restlichen Tagen, wenn ich arbeite, lasse ich es sehr viel lockerer angehen. Dann sind die Trainingseinheiten selten länger als ein bis anderthalb Stunden und auch wenig intensiv. Ich muss mich ja wieder für die nächsten längeren Einheiten erholen. Generell würde ich mich als schlechten Trainierer bezeichnen. Ich habe noch nie in meinem Leben Intervalle gemacht, nach einem Plan trainiert, und außerdem mache ich viel zu wenig Ausgleichstraining. Ich gehe halt viel lieber zum Laufen als in der Wohnung (oder im Fitnessstudio) irgendwelche Kraftübungen zu machen. Das Einzige, was ich regelmäßig mache, ist die Blackroll zu benutzen!

Flow-Jäger

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