Читать книгу Flow-Jäger - Michele Ufer - Страница 28
ОглавлениеWie wichtig ist der Kopf, das »Mentale«? Verbringst du Zeit mit systematischem, mentalem Training?
Ganz entscheidend. Je länger die Wettkämpfe, umso wichtiger! Aber systematisches mentales Training betreibe ich nicht.
Wenn du magst: deine Top-5-Empfehlungen für mehr Flow, Erfolg und Zufriedenheit beim Laufen?
Fünf Sachen fallen mir da nicht ein. Aber eine für mich ganz wichtige Empfehlung: Sucht nicht zu viel nach ultimativen Tipps, um erfolgreich zu sein oder Spaß zu haben. Hört auf euren Körper und versucht herauszufinden, was für euch am besten passt!
ELLIE GREENWOOD
Steckbrief: Die britische Ultramarathonläuferin Ellie (Jahrgang 1979) ist zweifache Weltmeisterin im 100-km-Lauf (2010, 2014). Darüber hinaus erzielte sie zahlreiche Streckenrekorde, zum Beispiel beim legendären Western States 100, Canadian Death Race, JFK 50 Mile Race. Außerdem konnte sie den Ultra-Trail du Mont-Blanc (101 km) und den Comrades Marathon gewinnen.
»Flow« ist ein zunehmend populäres Konzept im Sport und in der Psychologie. Die Definition von Flow kann je nach Läufer unterschiedlich ausfallen. Was bedeutet Flow für dich? Was genau erlebst du, wenn du in einem Flow-Zustand bist?
Für mich bedeutet Flow, in einem beinahe mühelosen Zustand zu sein, und das auch, wenn ich schnell oder sehr lange laufe. Es fühlt sich dann so an, als könnte ich für immer laufen, die Bewegung fühlt sich dabei völlig natürlich an und kostet fast keinerlei Mühe. Es ist, als ob ich dahin fließe, ich fühle mich leicht und effizient. Dabei atme ich ganz ruhig.
Was sind die Zutaten/Voraussetzungen für Flow-Erleben? Was braucht es, um in einen Flow-Zustand zu gelangen?
Ich muss mich in einem guten Trainingszustand befinden und darf nicht müde sein. Andernfalls ist die körperliche Anstrengung zu stark, um in einen Flow-Zustand zu gelangen. Außerdem benötige ich grundsätzlich auch ein störungsfreies Umfeld. So ist es für mich unmöglich, in Flow zu kommen, wenn ich in einem belebten Ort laufe, wo viel los ist und ich Kreuzungen überqueren muss, wo ich Autos ausweichen und mich an Fußgängern herumschlängeln muss. Ich würde sogar fast behaupten, dass die Umgebung möglichst ruhig sein sollte. Wenn ich in einem autofreien Park laufen würde, würde mich bereits der laute Straßenverkehr in der Nähe dabei stören, in Flow zu kommen. Dafür komme ich auf einem Laufband öfter in einen Flow-Zustand, da ich mir hier keinerlei Gedanken darüber machen muss, wo ich genau entlang laufen muss oder ob ich Hindernisse überwinden muss usw. Denn hierbei geht es nur um den einfachen Akt des Laufens. Darüber hinaus muss ich zufrieden damit sein, wie ich laufe. Wenn ich beispielsweise daran denken muss, dass ich zu langsam laufe oder noch länger laufen muss, dann sind diese negativen Gedanken nicht gerade Flow-förderlich. Außerdem komme ich nur in Flow, wenn ich allein laufe. Denn die Anwesenheit anderer und die geführten Gespräche führen meinen Fokus weg vom reinen Akt des Laufens.
Wie oft erlebst du Flow-Zustände? Bei jedem Wettkampf oder Trainingslauf? Wie lange dauern Flow-Zustände an?
Ich denke, das ist sehr unterschiedlich und schwer zu beantworten. Aber definitiv nicht bei jedem Rennen oder jeder Laufeinheit. Ich würde sogar sagen, dass ich bei Wettkämpfen seltener in Flow komme, da ich zu sehr über externe Faktoren nachdenke – z. B. an die Konkurrenz zu anderen Läufern, wann der nächste Checkpoint ist, wie lange ich noch laufen muss usw. Die Häufigkeit eines Flow-Zustandes während der Trainingseinheiten ist ebenfalls schwer einzuschätzen. Wenn ich mich fit fühle, dann tendiere ich öfter dazu, in Flow zu kommen. Aber wenn ich weniger fit bin, dann erwarte ich kaum einen Flow-Zustand. Ich habe niemals bewusst über die Dauer eines Flow-Zustandes nachgedacht – vielleicht 30 bis 60 min lang? Das ist schwer zu sagen, denn wenn ich im Flow bin, dann denke ich nicht über die Zeit nach!
Gibt es qualitative und/oder Unterschiede in der Häufigkeit des Flow-Erlebens, je nachdem, ob du dich im Training oder herausfordernden Wettkampf befindest? Bei mehr oder weniger schöner Landschaft/unterschiedlich schwierigem Terrain/wenn du allein oder mit anderen läufst?
Auf jeden Fall komme ich nicht in einen Flow-Zustand, wenn ich mit anderen laufe. Schöne Landschaften sind natürlich förderlich für den Eintritt in einen Flow-Zustand, aber das ist gleichzeitig auch beim Laufband der Fall, weil es dort keine Unterbrechungen von außen gibt, die den Lauf beeinflussen. Städtische Umgebung mit viel Lärm und Straßen usw. sind weniger förderlich für Flow. Ganz allgemein würde ich sagen, dass es wahrscheinlicher ist, in Flow zu kommen, wenn das Gelände etwas weniger anspruchsvoll ist. Es kann zwar durchaus ein technischer Trail sein, der deine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, aber er sollte nicht so schwierig sein, dass man sich total verausgabt. Ich persönlich komme eher auf einer einfacheren und mir gut bekannten Strecke in Flow, einer Strecke, die relativ flach ist, sodass die physische und mentale Herausforderung des Laufens nicht zu hoch ist.
Entsteht Flow eher zufällig oder bist du in der Lage, dich gezielt in einen Flow-Zustand zu versetzen?
Zufällig. Ich denke, Läufer können einiges versuchen, um die Chance auf Flow zu erhöhen, z. B. indem sie in der richtigen Umgebung und auf der passende Strecke unterwegs und ausgeruht sind usw. Aber insgesamt scheint mir, dass Flow nicht erzwungen werden kann. Flow passiert – oder nicht. Es liegt eher außerhalb der Kontrolle des Läufers selbst. Ein Läufer kann zwar die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Flow beeinflussen, aber das garantiert nicht, dass Flow tatsächlich eintritt.
Was meinst du, haben Flow-Zustände bei dir eine positive, negative oder gar keine Auswirkung auf die Leistung und Zufriedenheit? Warum?
Positive. Man fühlt sich stark, schnell, alles läuft mühelos, und dadurch fühlt man sich auch mental gut. Und wenn man sich gut fühlt, läuft man wahrscheinlich auch besser, schneller und man genießt das schnelle Laufen. Ich denke, das einzig Negative könnte sein, dass du dich nicht wirklich hart genug pushst, also du pushst dich zwar, aber du bleibst in so einem Komfortbereich, gehst nicht dahin, wo es richtig weh tut, wie das bei hochintensivem Laufen der Fall ist. Aber da bin mir nicht so ganz sicher. Im Großen und Ganzen würde ich schon sagen, dass man im Flow-Zustand viel schneller ist und das Laufen auch als befriedigender erlebt.