Читать книгу VerSAMt nochmal - Michelle Hidsidney - Страница 4

Liebeskummertröster

Оглавление

Ein paar Tage später fahre ich zu meiner Freundin Anne. Sie wohnt nur ein paar Minuten von mir entfernt. Mit dem Auto ein paar Minuten, zu Fuß wäre ich vermutlich Tage unterwegs. Bei meiner Kondition! Sport war schon in der Schule ein Grauen für mich. Mussten Sie auch an Kletterstangen hoch klettern oder über Hindernisse springen? Für was braucht man den Quatsch im späteren Leben? Gehe ich in den Supermarkt und springe über Einkaufskörbe und auf dem Heimweg noch schnell bei der Feuerwehr vorbei die Stange hoch und runter rutschen? Also ich nicht, Sie vielleicht? Wenn ja, dann rufen Sie mich an, das will ich sehen. Eines meiner „Lieblingsübungen“ war Kugelstoßen. Ich Schwächling mit meinen Spaghettiarmen schaffte es immer nur, die Kugel soweit zu werfen, dass sie mir nicht direkt auf die Füße knallte. Dafür klappt es heute beim Einkaufen mit Salatköpfen umso besser. Dafür haben wir doch geübt, oder nicht? Für das wahre Leben. Einkaufskorb in einige Meter Entfernung stellen, Salatkopf in die Hand, zielen und Wurf. Geht übrigens mit allen Lebensmitteln, nur bei Eiern wäre ich vorsichtig. Wenn Sie jemand darauf anspricht oder mit missbilligendem Gesichtsausdruck ansieht, sagen Sie, sie hätten ja schließlich in ihrer Schulzeit dafür trainiert. Dann noch ein paar galante Sprünge über Hindernisse und balancieren über die Fleischtheke und Sie sind der Star in Ihrem Ort. Jedenfalls wird man über Sie reden.

Als ich bei Anne ankomme, öffnet sie mir mit verheulten Augen die Tür.

„Gut, dass du da bist, ich brauche jetzt eine gute Freundin.“

„Wo bekomme ich die jetzt so schnell für dich her?“, antworte ich mit einem Lächeln.

„Blöde Kuh“, schnaubt sie „komm rein.“ Die Menge an verbrauchten Taschentüchern lässt nur drei Gründe zu. Erstens ihre Lieblingsserie wurde abgesetzt. Zweitens ihre Waage war mal wieder kaputt und zeigte unmögliche Zahlen an, oder Sie ahnen es schon, Drittens Männer.

„Mike hat mit mir Schluss gemacht“, schnieft sie in ihr Taschentuch. „Einfach so, am Telefon, der Arsch.“

„Ja, Arsch trifft es wirklich. Ich weiß immer noch nicht, was du an dem gefunden hast. Mehr als ein Zahnpastalächeln hatte der doch nicht zu bieten.“

„Sam, so schlecht war er nun auch wieder nicht.“

„Stimmt, immerhin war er für Gleichberechtigung. Du durftest immer bezahlen, ihn im Auto herum kutschieren, damit er trinken konnte und seine Bierkisten durftest du auch schleppen. Im Gegenzug dafür hat er sich die Nägel gemacht, Gurkenscheiben ins Gesicht gelegt und seinen Schönheitsschlaf gehalten. Wieso hat er eigentlich Schluss gemacht. Er hatte doch das Paradies auf Erden?“ In diesem Moment fängt sie wieder an zu weinen und spricht so, als wenn man bei einem aufgeblasenem Luftballon die Öffnung mit den Fingern in die Breite zieht und dann die Luft quietschend wieder raus lässt.

„Er hat eine Andere kennengelernt und hat sich in sie verliebt.“

Ich hätte fast laut gelacht. Nicht wegen dem was sie sagte, sondern wie sie es sagte. Als gute Freundin nahm ich sie aber in den Arm und sie legte dankbar ihren Kopf an meine Schulter.

„Mach dir nichts daraus. Wie sage ich immer? Wer uns nicht zu schätzen weiß, der hat uns nicht verdient.“

„Stimmt“, sagt sie jetzt mit leiser Stimme. Sie nimmt ihren Kopf von meiner Schulter, atmet tief durch, wischt sich die Tränen weg und geht in die Küche.

Oh, ich weiß was jetzt kommt. Sie denken sie kommt mit einer Packung Eis und zwei großen Löffeln zurück? Falsch, nicht meine Freundin Anne. Die hat für solche Fälle immer etwas Spezielles im Haus. Rollmöpse! Igitt! In der Konservendose. Sie stellt die geöffnete Dose vor sich und fängt an, einen nach dem anderen herauszufischen und zu essen. Ohne etwas dazu.

„Ich brauche dich ja nicht zu fragen, ob du einen willst, oder?“, presst sie mit vollen Backen heraus.

„Nein danke“, lächle ich gespielt und fasse mir mit beiden Händen an den Hals, als ob ich mich selbst würgen würde. Ich bekomme ein gequältes Lächeln von ihr zurück, bevor sie sich das nächste arme Tier in den Mund stopft. Ich glaube ich muss gleich kotzen. Ich springe vom Sofa hoch und schaue irgendwo in der Wohnung herum. Egal wohin, Hauptsache nicht an den Tatort, an dem gerade nach dem nächsten Opfer geangelt wird.

„Wie bringen wir deine Laune wieder in bessere Stimmung? Worauf hast du Lust? Außer, dass du den armen Robben dieser Welt das Futter weg isst.“

„Keine Ahnung, schlag du was vor. Mein Kopf ist gerade leer“, sagt sie.

„Was man von deinem Magen nicht behaupten kann“, antworte ich. „Aber wenn du die Dinger nicht sofort wegbringst und dir einen Kaugummi in den Mund steckst, wirst du live dabei sein wie sich mein Magen entleert.“

„Schon gut, ich bin fertig.“ Anne steht auf, bringt die leere Dose in die Küche und stopft sich tatsächlich einen Kaugummi in den nach Fisch riechenden Mund. Das ist Liebe, oder? Wir zwei kennen uns schon seit der Schulzeit und haben schon einiges miteinander erlebt und überstanden. Also nichts Weltbewegendes. Keine Kriege oder Naturkatastrophen, aber eben die kleinen Dinge, die sich manchmal wie Naturkatastrophen anfühlen. Wir sind füreinander da. Manchmal streiten wir uns auch und sagen uns gegenseitig die Meinung, aber das gehört doch zu einer guten Freundschaft dazu, oder nicht? Klar, wer hört schon gerne Kritik, aber bei guten Freunden ist das anders. Die meinen es eigentlich nur gut mit einem, nur im Moment der Kritik denkt man oft „blöde Kuh, wer hat dich denn gefragt?“. Okay, ich habe dann schon meistens etwas gefragt. So etwas wie: „Sieht der Rock an mir gut aus? Kann ich den anziehen?“ Und als Antwort kam: „Wenn du deine Knie zeigen willst.“ „Hallooo, was ist mit meinen Knien nicht in Ordnung?“ „Sie sind ok, aber ein bisschen ... rund. Der Rest deiner Beine ist wunderbar, also suche dir eine Rocklänge aus, die an der schmalsten Stelle deines Beines endet, so fällt der Blick auf diesen Bereich des Beines.“ „Hey, gar nicht mal so dumm, aber was ist, wenn die dünnste Stelle des Beines der Knöchel ist?“ „Dann kannst du gleich eine lange Hose anziehen.“ Wir lachen dann meistens gemeinsam und die Welt ist wieder in Ordnung.

„Also“, holt mich Anne aus meinen Gedanken zurück, „was geht ab?“

„Was geht ab?“, äffe ich sie nach. „Keine Ahnung Babe, wie wäre es mit tanzen?“

„Klingt gut“, antwortet Babe und mustert mich von oben bis unten „aber willst du dich nicht noch umziehen?“

„Wieso, mein Outfit ist doch perfekt zum Ausgehen: Jeans, T-Shirt, Turnschuhe und Pferdeschwanz. Nun ja, wenigstens sind meine Wimpern getuscht“, scherze ich.

„Stimmt“, meint Anne mit einem skeptischen Unterton in der Stimme „die Wimpern sehen so unwiderstehlich aus, dass jeder Männerblick daran hängen bleibt und den Rest vom Körper nicht mehr wahrnimmt.“

„Anne, wenn wir die Wimperntusche erfinden, die so etwas kann, werden wir reich.“ Ich lasse mich lachend auf ihr Bett fallen und füge noch hinzu „Außerdem suche ich keinen Mann, also ist es egal ob ich mich herausputze oder nicht. Wer mich liebt, der liebt mich so wie ich bin.“

„Ach, jetzt reden wir schon von Liebe. Ich denke, du bist nicht auf der Suche?“

„Bin ich auch nicht. Ich will nicht suchen, ich will gefunden werden.“

„Aus welchen Herz-Schmerz-Roman hast du das denn?“, fragt mich Anne, während sie sich ein wunderschönes Sommerkleid überzieht. Sie hat eine tolle Figur, was sie natürlich überhaupt nicht findet. Aber so sind wir Frauen wahrscheinlich alle, immer was zu meckern und nie was zum Anziehen. Sie ließ ihre braunen schulterlangen Haare offen und sah wirklich bezaubernd aus.

„Also Blondi, geht’s los?“, fragt sie pro forma und schnappt sich schon ihre Tasche und ihre Autoschlüssel. Ich hechte mich vom Bett hoch und greife auf dem Weg zur Tür noch schnell ein paar Pumps von Anne.

„Wer fährt?“, frage ich und beantwortete mir sofort meine Frage selbst. “Ich fahre, du hast den Alkohol heute nötiger als ich.“

VerSAMt nochmal

Подняться наверх