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Die gute alte Zeit

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Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist.“

Johann Wolfgang von Goethe

Freitag, 18:47 Uhr: Andy und ich sitzen auf dem Balkon seiner Wohnung und beobachten bei einem kühlen Blonden, wie die Hauptzutat unseres Abendessens langsam Farbe bekommt. Die Aromen verbreiten sich rasch und steigern schnell die Vorfreude auf eine schöne deftige Männermahlzeit. Es ist bisher ein recht sonniger und milder Tag im September. Ideale Voraussetzungen also, um auf Andys in die Jahre gekommenen Grill leckere Burger zu brutzeln.

„Hey Rene, willst du noch ‘ne Hopfenkaltschale?“ Andy deutet dabei auf mein leeres Glas.

„Ach weißt du, auf einem Bein kann man ja nicht stehen!“

„Prima, dann mal her mit dem Humpen!“

„Andy, das wird wohl heute ein Spiel, das wir uns wieder schön trinken müssen.“

„Das befürchte ich auch! Kannst du mal schauen, wie weit unsere Burger sind?“

Ich werfe einen Blick auf den Grill und wende diese leckeren 250 Gramm schweren Hackfleischteile, dessen Rezeptur wir über die Jahre immer weiter verfeinert haben. Im Freundeskreis erhalten wir für unsere Burger die größte Anerkennung.

„Wow, die sehen echt gut aus! Ich packe jetzt den Käse drauf. Du kannst schon mal die Brötchen in den Ofen schieben!“

Apropos Andys Backofen, der hat seine ganz eigene Geschichte und führt quasi ein autarkes Dasein. Ich bin der festen Überzeugung, dass seine Backröhre seit seinem Einzug vor inzwischen 18 Jahren nie ernsthaft von ihm gereinigt wurde. Dieser Ofen hat nicht, wie gewöhnlich eine Klappe, sondern kann wie eine Schublade auf und zu geschoben werden. Über die Jahre hat sich unten in der Lade so einiges angesammelt. Dort liegen schätzungsweise mehrere Lagen Aufbackpommes, Generationen von verbrannten Käseresten, Brotkrümel mit unterschiedlichem Bräunungsgrad und so einiges Undefinierbares aus nunmehr drei Jahrzehnten. Andy glaubt wahrscheinlich durch die Hitze des angeschalteten Ofens an einen Selbstreinigungsprozess, bei dem die gesammelten Exponate nach jedem weiteren Backgang irgendwann verbrennen, so dass sie sich wieder in Luft auflösen. Nach dem Motto: „Asche zu Asche und Staub zu Staub!“

Freitag, 18:51 Uhr: „So, in zwei Minuten ist das Fleisch fertig. Haben wir alle Zutaten und Saucen auf dem Tisch?“ Ich schaue zu Andy herüber, der mit gehobenen Daumen meine Frage beantwortet und sich danach voller kindlicher Vorfreude die Hände reibt.

„Sieht gut aus! Die Gläser sind gefüllt, die pappigen Burgerbrötchen sind aus dem Ofen, nun fehlen nur noch die fleischigen Hauptdarsteller.“

„Na Andy, dann reich mal deinen Teller rüber, es geht jetzt los“, meine ich und packe ihm den Traum eines jeden Hackfleischliebhabers mit einer doppelten Schicht geschmolzenen Edamer auf seinen Teller.

Während wir den Ersten, unserer jeweils zwei Mega-Burger, vertilgen, wird das genüssliche Schweigen ab und an durch herzhaftes Rülpsen unterbrochen. Das ist einer der Vorteile, wenn Männer unter sich sind und sich zudem sehr lange kennen. Wir müssen kein rücksichtsvolles Benehmen vorheucheln oder eine abgehobene Konversation über gesellschaftspolitische Themen führen. Wir verstehen uns auch ohne Worte. Wir sind aber durchaus in der Lage, besonders bei erhöhtem Alkoholpegel, gerne auch ausschweifend über das Leben zu philosophieren.

Freitag, 19:23 Uhr: „Wie lange haben wir noch bis zum Anpfiff?“, will ich wissen und nehme den letzten Bissen.

„Etwa eine Stunde!“

„Puh, jetzt bin ich aber echt satt! So ein saftiger Burger ist schon etwas Feines.“

„Allerdings, ich liebe Hack in allen Variationen“, meint Andy immer noch begeistert von dem verputzten Abendschmaus.

„Apropos Hack, kennst du diesen Song, der momentan auf YouTube die Runde macht?“

Andy schaut mich interessiert an „Nö, wie heißt der denn?“

„Der hat den grandiosen Titel: „Alles wird aus Hack gemacht“. Den Link hat mir neulich ein Kumpel über WhatsApp geschickt. Ich hab mich fasst bepisst vor Lachen. Warte mal, ich zeig dir das Video!“

Ich hole mein Smartphone heraus und öffne den Clip.

„Hier, schau mal!“

Schon ertönt es aus dem Lautsprecher meines mobilen Alleskönners: „Entschuldigen Sie, haben Sie Cevapcici. Tut mir leid, wenn ich glotze... schöne Königsberger Klopse... hey was geht... haben Sie Hacksteak... mach mir Chili con Carne... ich will ‘ne Hackfahne... in Blankenese... essen sie Bolognese... hör mal zu du Klappsparten... ich will jetzt ‘nen Hackbraten... oder Frikadelle... sonst kriegst du ‘ne Schelle... ich werd gleich zum Attentäter... und aus Hackepeter wird Tage später... alles wird aus Hack gemacht... Oh Baby, alles wird aus Hack gemacht...“

Im Video sind zwei Typen frontal am Steuer eines Autos zu sehen, die voller Inbrunst ihren Hack-Song singen.

„Guck dir die beiden Spastis an!“, sagt Andy lachend und ergänzt: „Hey Rene, der Linke hat die gleiche Frisur wie du früher, vorne kurz und hinten lang.“

„Dafür sieht der Rechte mit seinem Milchbubi-Gesicht deinem damaligen Konterfei ziemlich ähnlich“, kontere ich.

„Naja, gewöhnungsbedürftig sahen wir früher beide aus, allerdings jeder auf seine eigene Weise.“

„Aber wir hatten damals mindestens genauso viel Spaß, wie die beiden Verstrahlten hier!“

„Stimmt, liegt wahrscheinlich daran, dass man so vieles zum ersten Mal ausprobiert hatte und unser Freundeskreis ein ziemlich schräger Haufen war.“

„Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir in der ersten Zeit an den Wochenenden mit dem himbeerroten Golf deiner Mutter unterwegs waren?“

Andy schmunzelt bei dem Gedanken an unsere Spritztouren.

„Ich erinnere mich, Rene! Auch an die schrägen Mixtapes bei unseren Partyausflügen, die waren echt legendär. Einige davon müsste ich noch in irgendeiner Schublade herumliegen haben. Leider ist mein alter Kassettenrecorder kaputt, um die Dinger abzuspielen.“

„Das wäre echt witzig! Die Achtziger waren musikalisch der absolute Hammer! Das finde ich heute noch.“

„Für mich das vielseitigste Jahrzehnt in Sachen Mode, Musik und Lifestyle!“ Ich teile Andys Ansicht zwar, schaue ihn aber etwas verwundert an, weil er damals, als wir uns kennenlernten, alles andere als eine Stilikone war.

„Naja, dein Musikgeschmack war anfänglich genauso mies, wie die Klamottenkombis, die du getragen hast“, lästere ich.

„Ich pflegte halt einen ganz eigenen Stil.“

„Genau Andy!“ Ich schüttle schmunzelnd den Kopf.

„Jaja“, grinst Andy und lümmelt sich lässig in einen Stapel Kissen auf seiner Couch. „Ist halt alles Geschmackssache, Rene!“

Freitag, 19:31 Uhr: „So lass mal kurz abräumen, bevor die Vorberichterstattung zum Spiel beginnt“, sage ich mit einem Blick auf den vollgemüllten Tisch und einem zweiten auf die Uhr gerichtet.

„Du hörst dich ja an, wie meine Mutter!“

„Du musst hier ja nachher auch nicht pennen“, begründe ich meinen plötzlichen Anflug von hausfraulichem Pflichtbewusstsein. Andy schaut mich nur missmutig an.

„Ich hab keinen Bock!“, weigert er sich und lässt sich demonstrativ noch tiefer in die Kissen sinken.

„Los jetzt, du fauler Sack! Ich mach das nicht alleine. Außerdem habe ich kein Bedürfnis danach, morgen früh aufzuwachen und von den stinkenden Essensresten begrüßt zu werden. So, auf geht’s! Solange wir noch nüchtern sind!“ Schwerfällig erhebt sich Andy von seinem Platz und folgt meiner nachdrücklichen Bitte, ohne weitere Widerworte abzusondern. Er zeigt mit dieser großzügigen Geste, dass er doch ein liebenswerter Gastgeber sein kann.

In guter, alter Tradition hat es sich über die Jahre eingebürgert, dass ich bei Andy auf dem Sofa übernachte, wenn wir einen unserer Männerabende bei ihm abhalten. Die Fahrerei nach Hause verlege ich lieber nach einem ordentlichen Frühstück auf den nächsten Tag. Außerdem wäre es etwas mühsam, aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachts die Heimreise anzutreten. Andy wohnt noch immer in dem netten Vorort, wo er auch aufgewachsen ist. Sein Wohnort Wentorf liegt direkt an der südöstlichen Hamburger Stadtgrenze und ich muss nach Winterhude. Alleine das ewige Umsteigen macht die Fahrt nach Hause mit Bus und Bahn äußerst umständlich und ein Taxi ist auf dem Dorf mitten in der Nacht am Wochenende auch schwer zu bekommen. Also ist das Sofa für die Nacht die beste Alternative.

Noch ein Wort zu meinem Kumpel Andy! Er ist schon ein eigenwilliger Charakter, aber stets ein loyaler Freund. Mittlerweile sind wir beide jenseits der Vierzig und wir kennen uns seit dem Teenageralter. Unsere aufrichtige Männerfreundschaft entwickelte sich während der gemeinsamen Zeit auf dem Wirtschaftsgymnasium. Zunächst konnten wir sehr wenig miteinander anfangen. Die Schnittmenge unserer Gemeinsamkeiten war sehr überschaubar und unsere Ansichten stimmten so gar nicht überein. Ich kam aus der Mittelschicht – beide Eltern arbeiteten, waren SPD-Stammwähler und wir lebten in einem modernen Reihenhaus. Andy stammte hingegen aus recht betuchten Verhältnissen, was man ihm heute im positiven Sinne aber überhaupt nicht anmerkt. Sein Vater war – schon wie der Großvater - zu seiner aktiven Zeit Direktor einer sehr erfolgreichen Hamburger Privatbank und hält noch heute einige Anteile an dem Unternehmen. Seine Mutter war eine herzensgute Frau, die sich als Oberklassenhausfrau - dank entsprechendem Personal – mehr um die gesellschaftliche Stellung der Familie als den eigentlichen Haushalt kümmerte, hingebungsvoll ihren Hobbys frönte und ihren einzigen Sprössling nur so mit Mutterliebe überhäufte, was Andy insbesondere als Heranwachsenden wenig behagte.

Freitag, 19:47 Uhr: Trotz Andys kurzzeitiger Intervention befreien wir den Wohnzimmertisch rasch von den Überresten unseres üppigen Abendessens. Anschließend setzen wir uns wieder auf seine gemütliche Eckcouch. Jeder nimmt seinen angestammten Platz ein und wir prosten uns mit einem frischgezapften Bier in der Hand zu. Wir trinken einen kräftigen Zug unseres herrlich kühlen Gerstensaftes.

„Du Andy, ich glaube, das wird mein letztes Bier für heute.“

„Was schwebt dir denn als Alternative vor?“

„Ich steige nachher auf Cuba Libre um!“

„Gute Idee! Meine Geschmacksknospen sehnen sich auch nach einem frischen Impuls.“ Es ist unstrittig, dass ein schöner Rum mit Cola, einem kleinen Schuss Lemon Squash, einer Viertel Limette und vielen Eiswürfeln wesentlich aufregender schmeckt als einfaches Bier.

„Was gibt dein Sortiment denn heute so her. Hast du irgendeinen neuen Knaller dabei?“

„Hey Rene, ich glaube schon! Obwohl es immer schwieriger wird, dich mit seltenen Schätzen aus der spirituellen Welt des Hochprozentigen zu überraschen.“

„Na mein Lieber, stell dein Licht mal nicht unter den Scheffel!“

„Vielleicht habe ich da diesmal wirklich ein schönes Schlückchen für uns. Kennst du den Blue Mauritius?“

„Nein, von dem habe ich noch nie etwas gehört.“

„Der wird dir richtig gut gefallen.“

„Da bin ich aber neugierig. Andy, zeigst du mir mal die Flasche, bitte!“

Andy holt den edlen Tropfen aus der Barabteilung seiner 30 Jahre alten, aus feinstem Kirschholz gearbeiteten, Schrankwand. Er gibt ihn mir und ich ziehe den Korkverschluss aus der Flasche. Fruchtige Noten von tropischen Früchten und Schokolade steigen mir in die Nase.

„Wahnsinns-Bouquet, schöne Aromen!“, sage ich begeistert.

Andy lächelt und meint: „Der schmeckt auch so vollmundig, wie er riecht, da können wir uns nachher wirklich auf ein feines Tröpfchen freuen.“

Die Begeisterung für hochwertigen Rum begann bei uns vor mehr als 15 Jahren nach einer gemeinsamen Reise in die Karibik. Seit dieser Zeit haben wir eine Menge unterschiedlicher Rumsorten verkostet und können mit Fug und Recht behaupten, dass wir auf diesem Gebiet ein ansehnliches Wissen und einen feinen Gaumen entwickelt haben.

Freitag, 20:11 Uhr: Während wir uns fachmännisch in die Analyse des destillierten Zuckerrohrsaftes begeben, kommt mir ein spontaner Gedanke und ich fange an, zu lachen.

„Du Andy, wie wir hier mit unseren Probiergläsern sitzen und den Rum verkosten, merkt man echt, dass wir älter geworden sind. Früher war uns scheißegal, wie der Stoff geschmeckt hat. Hauptsache, er hat ordentlich geknallt.“

„Oh Gott ja, was waren wir für ignorante Arschlöcher. Selbst guten Alkohol haben wir nur in uns reingeschüttet.“

„Stimmt! Wenn ich da an die Plünderung der Hausbar deines Vaters denke. Hihi! Genuss war damals für uns wirklich ein Fremdwort!“

„Das erinnert mich an die legendären HP-49-Parties“, grinst Andy.

HP-49 war kein Club oder irgendeine Disco. Nein, es war die Abkürzung für Hansa Pils zu 49 Pfennig, das es beim Aldi gab. Es war eine sehr günstige Alternative, große Mengen Bier für wenig Geld zu bekommen, da wir nicht immer unbemerkt die Bierkisten unserer Eltern plündern konnten.

„Oh ja, und diese netten Trinkspiele auf der Oberstufenfahrt waren auch sehr spaßig, besonders mit den Mädels“, schwelge ich in meinen Erinnerungen.

„Stimmt! Aber, eins muss ich sagen, wir waren damals echte Gentlemen und haben solche Situationen mit besoffenen Mädchen nie in irgendeiner Hinsicht ausgenutzt.“

„Das stimmt Andy, da gab es üblere Typen als uns.“

Wir waren als Jugendliche in Bezug auf Mädchen ziemlich schüchtern. Was sich allerdings relativ schnell gelegt hatte, weil wir rasch lernten, wie wir unsere Hemmungen in den Griff bekamen. Die einfache Formel hieß für uns: „Alkohol!“ Normalerweise waren es die Sprücheklopfer und Draufgänger, die damals bei den Mädchen punkteten. Wir hatten nie begriffen, warum die größten Hohlbratzen die hübschesten Mädels abbekamen. Diese Typen hatten weder Witz, noch Intellekt und besonders gut sahen sie in unseren Augen auch nicht aus. Allerdings mussten wir zugeben, dass sie eines hatten, was wir halt nur angetrunken aufbringen konnten. Sie hatten den Mut, einfach drauflos zu quatschen und waren ihre Anmachsprüche noch so plump. Im nüchternen Zustand waren wir viel zu ängstlich, einen Korb zu riskieren oder wir haben einfach zu lange gewartet. In diesen Situationen kamen uns die Nebenbuhler meist zuvor.

Als pubertierender und hormongesteuerter Teenager fiel es mir sichtlich schwer, richtig einzuordnen, welches Mädchen sich ernsthaft für mich begeisterte. Die Signale mussten schon sehr eindeutig sein. Eine typische Situation aus meiner Jugend hatte ich mit einer Freundin von mir. Sie hatte eigentlich einen festen Lover, war aber heimlich in mich verliebt und ich in sie. Keiner von uns beiden war sich allerdings sicher, ob der andere genauso empfand. Als eigentlich alles passte, verzettelten wir uns in Streitereien und keiner von uns hatte den Mut, seine Gefühle dem anderen zu offenbaren. Die Erkenntnis darüber kam uns beiden viel zu spät. Ein klarer Fall von „hätte ich bloß...“. So schlimm, wie ich es jetzt beschreibe, war es übrigens nicht immer. Ich durfte dann auch als Teenager noch manche Erfahrungen mit Mädchen sammeln. Darunter waren sehr viele schöne, ein paar abgefahrene und einige schwierige Momente.

Andy und ich pflegen in der Nachbetrachtung unserer Jugend gerne das Image der unverstandenen Antihelden. Diese Betrachtungsweise entbehrt zwar jedweder Realität, aber wen interessiert das schon, wenn sich in der Erinnerung die Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit langsam verklärt. Letztlich war und ist es für jeden in dieser schönen Welt nicht einfach, die wahre Liebe für sich ausfindig zu machen. Naja, bei Andy hat die Suche auch in der Gegenwart noch nicht aufgehört, endlich Mrs. Right zu begegnen. Vielleicht erfahre ich ja heute noch etwas Neues über seinen Liebesstatus. Bei den ganzen Online-Dating-Portalen heutzutage ist die Wahrscheinlichkeit doch um einige Prozentpunkte gestiegen, die Frau fürs Leben zu finden. Obwohl ich mir häufiger die Frage stelle, ob der Mensch von seinem Naturell her für eine monogame Beziehung eigentlich geschaffen und Treue nur aus Mangel an Alternativen oder wirtschaftlichen Erwägungen ein viel beschworenes Lebensmodell ist? Aber ich merke gerade, dass ich abschweife.

Freitag, 20:23 Uhr: „Du Rene, kannst du mir mal eine Frage beantworten?“

„Und die wäre?“

„Warum ist es so schwierig, eine Frau zu finden, bei der sich alles richtig anfühlt und es auch so bleibt, selbst nach vielen Jahren? Für mich sind Frauen einfach undurchschaubar. Diejenigen von ihnen, die ich unbedingt wollte, bekam ich zu selten und wenn doch, dann entpuppten sie sich zu meist als Nieten. Andere hingegen waren wie die Kletten, wenn man ihnen nur einmal den kleinen Finger reichte. Irgendwie zieht sich das bis heute wie ein roter Faden durch.“

„Naja, darauf eine passende Antwort zu geben, ist wirklich schwierig. Bei mir hat es ja auch viele Jahre gedauert.“ Ich zucke nur mit den Schultern, weil es aus meiner Sicht keine generelle Antwort zu dem Thema gibt.

„Tja!“, stöhnt Andy. „Die Romantikvorstellungen der Frauen, wie sie in diesen billigen Hollywood-Schmonzetten dargestellt werden, konnte ich noch nie nachvollziehen. Das Frauen immer gleich einen Ring an den Finger gesteckt haben wollen, nur wenn man mal ein bisschen Spaß hat, ist für mich völlig unverständlich und unverhältnismäßig.“

„Vielleicht erwischt es dich eines Tages doch noch einmal. Ich habe eigentlich immer nur das bereut, was ich nicht gemacht habe“, entgegne ich Andy und trinke den letzten Schluck aus meinem Bierglas. Er grinst.

„Mir fällt da spontan eine Sache ein, die dir bestimmt leidgetan hat.“ Andy schaut mich herausfordernd an und legt los: „Was war damals kurz vor dem Abi mit der komischen Grit? Du hattest zwar versucht, die Affäre in der Schule zu verheimlichen, aber es wusste trotzdem jeder. Ich konnte nie begreifen, was an der so toll war. Im übrigen konnte das keiner.“

„Andy, vielleicht erzähl ich dir irgendwann mal, warum ich auch diese Erfahrung nie bedauert habe. Wenn du die Hintergründe kennen würdest, fiele dein Urteil vielleicht anders aus.“

„Trotzdem, wenn ich an die denke, fällt mir fast das Essen aus dem Gesicht! Aber ich bin gespannt, ob ich heute, 25 Jahre später, von dir über Grit etwas erfahre, was mich umstimmen würde.“

„Ja, ja! Die guten alten Zeiten. Wie sagte schon ein anderer großer Dichter: Erfahrungen sind dazu da, um gemacht zu werden. Und wenn du mir heute brav ganz viele leckere Drinks einschenkst, erzähle ich dir unter Umständen die wahre Geschichte über Grit und mich.“

„Naja, dann bin ich mal gespannt. Ich hätte die trotzdem nicht mal mit der Kneifzange angefasst.“

„Jetzt lass die Kirche aber mal im Dorf! So schlimm war sie nun auch nicht.“

„Ich meine ja auch nicht unbedingt optisch, aber ihre Art mochte ich gar nicht.“

„Mag sein, dass sie ein wenig verschroben war.“

„Naja, ist ja auch egal. Das ist so lange her.“

„Stimmt, und wer weiß, ob es unter anderen Gegebenheiten jemals zu dieser kurzen Liaison gekommen wäre! Es war damals eine sehr bewegte Zeit.“

Freitag, 20:29 Uhr: Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens holt Andy uns prompt wieder in die Gegenwart zurück.

„Gleich fängt das Spiel an!“

„Na, dann mach mal bitte den Ton lauter, damit ich auch den Kommentator hören kann.“

„Wieso? Hauptsache du kriegst meine wichtigen Anmerkungen zum Match mit.“

„Ich freu mich schon auf deine Sabbelei und unqualifizierten Zwischenrufe!“ Wir grinsen uns gegenseitig an.

Wenige Momente später ertönt der Anpfiff und wir beide schauen voller Spannung und mit großer Erwartung auf den Bildschirm.

Achtung, MÄNNERABEND!

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