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Prolog

Die sechs Wochen zwischen meiner Verurteilung wegen Vergewaltigung und der Verkündung des Strafmaßes verbrachte ich hauptsächlich damit, dass ich herumreiste und mich von meinen diversen Freundinnen sehr romantisch verabschiedete. Und wenn ich nicht mit ihnen zu Gange war, hatte ich alle Hände voll zu tun, all die Frauen abzuwehren, die mich anbaggerten: „Also ich werde bestimmt nicht sagen, dass du mich vergewaltigt hast. Du kannst mit mir kommen und uns filmen.“ Später begriff ich, dass sie mir damit vermitteln wollten: „Wir wissen, dass du es nicht getan hast.“ Aber ich fasste es nicht so auf und wies sie rüde zurück. Sie versuchten mich etwas aufzumuntern, ich wehrte sie jedoch ab, aus Schmerz. Ich war einfach ein ungehobelter, durchgeknallter, verbitterter Kerl, der noch viel an sich arbeiten musste.

Aber mein Ärger war zum Teil verständlich. Ich war ein junger Mann von 25 Jahren, den für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, 60 Jahre Knast erwarteten. Lassen Sie mich hier wiederholen, was ich vor dem Voruntersuchungsgericht, während des Prozesses, bei meiner Urteilsverkündung, meiner Straferlass-Anhörung und nach der Entlassung aus dem Gefängnis sagte, und was ich weiterhin sagen werde, bis man mich unter die Erde bringt: „Ich habe Desiree Washington nicht vergewaltigt.“ Sie weiß es, Gott weiß es, und sie muss für den Rest ihrer Tage mit den Folgen ihrer Falschaussage leben.

Mein Promoter Don King versicherte mir immer wieder, dass man die Anschuldigungen fallenlassen werde. Er erklärte mir, er arbeite hinter den Kulissen, damit dieser Fall abgeschlossen werde. Außerdem habe er Vince Fuller engagiert, den besten Anwalt, den man zu einem Honorar von einer Million Dollar bekommen könne. Vince war zufällig Dons Steueranwalt. Und Don schuldete ihm wahrscheinlich Geld. Aber ich wusste von Anfang an, dass ich keine Gerechtigkeit erfahren würde. Mein Fall wurde nicht in New York oder Los Angeles verhandelt, sondern in Indianapolis, Indiana, historisch gesehen eine der Hochburgen des Ku-Klux-Klan. Meine Richterin, Patricia Gifford, war eine ehemalige Anklägerin im Bereich Sexualverbrechen und bekannt als „The Hanging Judge“, die Scharfrichterin. Ich war von einer Jury aus „Peers“, nämlich ihresgleichen, für schuldig befunden worden, unter denen sich nur zwei Schwarze befanden. Ein anderes schwarzes Jurymitglied war nach einem Feuerausbruch in dem Hotel, in dem die Jury untergebracht war, von der Richterin freigestellt worden – wegen seiner „mentalen Verfassung“, die darin bestand, dass ihm das Essen, das ihm serviert wurde, nicht schmeckte.

In meiner Welt gab es keine Peers. Ich war der jüngste Schwergewichts-Weltmeister in der Geschichte des Boxens. Ich war ein Titan, die Reinkarnation Alexanders des Großen. Ich war impulsiv, meine Abwehr war unüberwindbar, und ich war unbezähmbar. Es ist erstaunlich, wie ein geringes Selbstbewusstsein und ein riesiges Ego dich zu dem Trugschluss verleiten können, der Größte zu sein. Aber jetzt musste dieser Gott unter den Sterblichen seinen schwarzen Arsch erneut ins Gericht bewegen, um die Verkündung des Strafmaßes anzuhören.

Ich hoffte immer noch auf das Eingreifen der Götter. Calvin, ein guter Freund aus Chicago, erzählte mir von einer Frau, die Voodoo beherrsche und einen Zauber aussprechen könne, um mir damit das Gefängnis zu ersparen.

„Du pisst in einen Krug, legst fünf Hundertdollarscheine hinein, stellst den Krug drei Tage lang unters Bett und bringst ihn ihr dann, und sie wird darüber für dich beten“, erklärte mir Calvin.

„Und die Hellseherin nimmt dann die vollgepissten Hunderter aus dem Krug, spült sie ab und geht damit shoppen. Würde es dir etwas ausmachen, wenn dir jemand einen Hundertdollarschein schenken würde, auf den er gepisst hat?“, fragte ich Calvin. Ich war dafür bekannt, mit Geld um mich zu werfen, aber das ging sogar mir zu weit.

Dann versuchten ein paar Freunde, mich mit einem Voodoo-Priester bekanntzumachen, brachten aber einen Typen mit, der einen Anzug trug. Er sah nicht einmal wie ein Voodoo-Typ aus einem Drugstore aus. Dieser Arsch hätte abgerissen aussehen müssen oder ein Dashiki, ein westafrikanisches Gewand für Männer, tragen sollen. Ich wusste, an der Sache war nichts dran. Der Kerl hatte nicht einmal eine Zeremonie geplant. Er schrieb lediglich irgendeinen Unsinn auf einen Zettel und versuchte, mir irgendeinen Mist zu verkaufen, worauf ich aber nicht reinfiel. Ich sollte in einem seltsamen Öl baden, beten und ein Spezialwasser trinken. Aber ich zog den verdammten Hennessy vor und wollte ihn nicht mit Wasser verdünnen.

Ich war auch bereit, einen Santería-Priester irgendeinen Zaubertrick machen zu lassen. Eines Abends gingen wir mit einer Taube und einem Ei zum Gerichtsgebäude. Als der Vogel freigelassen wurde, ließ ich das Ei fallen und brüllte: „Wir sind frei!“ Ein paar Tage später zog ich meinen grauen Nadelstreifenanzug an und begab mich zum Gericht.

Nach der Urteilsverkündung verfassten meine Verteidiger ein Vorverurteilungs-Memorandum. Es war ein beeindruckendes Dokument. Dr. Jerome Miller, der Leiter des Augustus Institute in Virginia und einer der führenden Experten des Landes für erwachsene Sexualtäter, hatte mich untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass ich „ein sensibler und bedächtiger junger Mann sei, dessen Probleme nicht pathologischer Art seien, sondern eher das Ergebnis von Entwicklungsdefiziten.“ Er war davon überzeugt, dass meine Langzeitprognose bei regelmäßiger Psychotherapie recht gut sein würde. Und er kam zu dem Schluss: „Eine Freiheitsstrafe wird den Prozess nur weiter hinausschieben, ihn vermutlich behindern. Ich würde dringend empfehlen, dass weitere Optionen, die eine abschreckende Wirkung haben, aber zugleich auch eine Therapie ins Auge fassen, in Erwägung gezogen werden.“ Natürlich nahmen die Bewährungshelfer diesen letzten Absatz nicht mit in ihre Unterlagen auf. Dafür waren sie eifrig darauf bedacht, die Meinung des Staatsanwalts zu notieren: „Eine Beurteilung dieses Vergehens und des Straftäters lässt den Chefermittler dieses Falls, einen erfahrenen Kriminalbeamten für Sexualverbrechen, folgern, dass der Angeklagte wohl auch in Zukunft ein ähnliches Verbrechen begehen könnte.“

Meine Anwälte bereiteten einen Anhang vor, der 48 Zeugenaussagen über meinen Charakter enthielt, und zwar von so unterschiedlichen Leuten wie dem Rektor meiner Highschool, meinem Sozialarbeiter in Upstate New York, Sugar Ray Robinsons Witwe, meiner Adoptivmutter Camille, meinem Box-Hypnotherapeuten und sechs meiner Freundinnen (und ihrer Mütter), die alle rührende Berichte schrieben, in denen sie schilderten, dass ich mich ihnen gegenüber als perfekter Gentleman verhalten hätte. Eine meiner ersten Freundinnen aus Catskill schrieb dem Richter sogar: „Ich wartete drei Jahre, bevor ich Sex mit Mr. Tyson hatte. Kein einziges Mal hat er mich zu etwas gezwungen. Deshalb liebe ich ihn, denn er liebt und respektiert die Frauen.“

Aber natürlich wäre Don nicht Don gewesen, wenn er nicht wieder einmal alles übertrieben hätte. King veranlasste Reverend William F. Crockett, den Imperial First Ceremonial Master of the Ancient Egyptian Arabic Order Nobles Mystic Shrine of North and South America, einen Brief für mich zu verfassen. Der Reverend schrieb: „Ich flehe Sie an, ihm das Gefängnis zu ersparen. Auch wenn ich seit dem Prozess nicht mehr mit Mike gesprochen habe, weiß ich aus sicherer Quelle, dass er keine Obszönitäten mehr von sich gibt, täglich die Bibel liest, betet und trainiert.“ Natürlich war das alles Schwachsinn. Er kannte mich nicht einmal.

Don schrieb dem Richter einen persönlichen herzzerreißenden Brief. Man hätte denken können, dass ich eine Krebsbehandlung hinter mir, einen Friedensplan für den Mittleren Osten entworfen und sechs Kätzchen gesund gepflegt hatte. Er erwähnte meine Arbeit bei der Make-A-Wish-Foundation, wo ich kranke Kinder besucht hatte. Er informierte Richterin Gifford, dass wir jedes Mal an Thanksgiving 40.000 Truthähne an Arme verschenkten. Er schilderte zudem unsere Treffen mit Simon Wiesenthal, die solch tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hätten, dass ich eine große Summe Geld gespendet habe, um seiner Organisation zu helfen, Nazi-Kriegsverbrecher zu jagen. Vermutlich hatte Don vergessen, dass der Klan die Juden genauso hasste wie die Schwarzen.

Don erging sich auf acht Seiten mit beredten Lobhudeleien über mich. „Es ist für einen Menschen seines Alters höchst ungewöhnlich, sich Gedanken um seine Mitmenschen zu machen, so viel Engagement und Hingabe zu zeigen. Das sind gottähnliche Eigenschaften, edle Qualitäten der Liebe, des Gebens und der Selbstlosigkeit. Er ist ein Kind Gottes, einer der liebenswürdigsten, sensibelsten, fürsorglichsten, liebevollsten und verständnisvollsten Menschen, die ich in meiner 20-jährigen Erfahrung mit Boxern je kennengelernt habe.“ Mist, Don hätte anstelle meines Anwalts das Schlussplädoyer halten sollen. Aber John Solberg, Dons PR-Mann, brachte die Sache auf den Punkt, als er Richterin Gifford schrieb: „Mike Tyson ist kein Mistkerl.“

Vielleicht war ich kein Mistkerl, aber auf alle Fälle ein arrogantes Arschloch. Während des Prozesses führte ich mich im Gerichtssaal so arrogant auf, dass man mir nie und nimmer eine Chance geben würde. Selbst im Augenblick meiner tiefsten Niederlage war ich kein demütiger Mensch. All das, was man über mich in dem Bericht geschrieben hatte, dass ich Geld und Truthähne verschenke, mich um Menschen kümmere, mich um die Schwachen und Kranken sorge, tat ich, weil ich ein demütiger Mensch sein wollte, aber nicht, weil ich es war. Ich wünschte mir so verzweifelt, demütig zu sein, aber ich besaß keinen Funken Demut.

Ausgerüstet mit all den Aussagen über meinen Charakter, erschienen wir am 26. März 1992 im Gerichtssaal vor Richterin Patricia Gifford zur Verkündung des Strafmaßes. Zeugen waren erlaubt, und Vince Fuller eröffnete den Prozess, indem er Lloyd Bridges, den geschäftsführenden Direktor des Riverside Residential Center in Indianapolis in den Zeugenstand rief. Meine Anwälte argumentierten, dass ich nicht ins Gefängnis wandern, sondern meine Strafe ausgesetzt werden sollte, und ich während meiner Bewährung in einem Rehabilitationszentrum untergebracht werden solle, wo ich meine Therapie mit gemeinnütziger Arbeit verbinden könne. Bridges, ein Geistlicher, leitete gerade ein solches Programm und bezeugte, dass ich sicherlich ein erstklassiger Kandidat für seine Einrichtung sei.

Aber die stellvertretende Staatsanwältin brachte Bridges dazu, einzugestehen, dass vor Kurzem vier Fluchtversuche aus seiner Einrichtung stattgefunden hatten. Und als er auch noch zugab, dass er mich in meinem Haus in Ohio interviewt habe und wir sein Flugticket bezahlt hätten, war die Sache gegessen. Es ging jetzt nur noch darum, wie viele Jahre mir die Scharfrichterin aufbrummen würde.

Fuller trat in den Zeugenstand. Es wurde Zeit, dass er seine Million-Dollar-Magie ins Spiel brachte. Stattdessen verzapfte er seinen üblichen Mist. „Man hat Tyson jede Menge angedichtet. Die Presse hat ihn verleumdet. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht auf seinen Schwächen herumhackt. Das ist nicht der Tyson, den ich kenne. Der Tyson, den ich kenne, ist ein empfindsamer, bedächtiger und verantwortungsbewusster Mann. Vielleicht wirkt er im Ring Angst einflößend, aber das ist sofort vorbei, wenn er ihn verlässt.“ Nun, das reichte bei Weitem nicht an Don Kings Übertreibungen heran, aber es war nicht übel. Fuller hatte mich während des gesamten Prozesses als wildes Tier und unausstehlichen Menschen geschildert, der nur auf sexuelle Befriedigung aus sei.

Dann wechselte Fuller das Thema, kam auf meine von Armut geprägte Kindheit und meine Adoption durch den legendären Boxtrainer Cus D’Amato zu sprechen.

„Aber das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Tragik“, intonierte er. „D’Amato hatte nichts anderes als das Boxen im Sinn. Tyson, der Mensch, war für Cus D’Amato zweitrangig, weil er in erster Linie seine Boxqualitäten nutzen wollte.“ Camille, Cus’ langjährige Gefährtin, war außer sich. Es war, als beflecke Fuller Cus’ Andenken und pisse auf das Grab meines Mentors. Doch Fuller war nicht zu bremsen, redete immer weiter, redete an diesem Tag genauso zusammenhanglos wie während der gesamten Verhandlung.

Nun war ich an der Reihe, mich an das Gericht zu wenden. Ich erhob mich und trat hinter das Podium. Ich war wirklich nicht gut vorbereitet, hatte nicht einmal irgendwelche Notizen dabei. Aber ich hielt das Papier des verdammten Voodoo-Typen in der Hand. Und ich wusste auf jeden Fall eins: Ich würde mich für das, was sich in jener Nacht in meinem Hotelzimmer abgespielt hatte, nicht entschuldigen. Ich entschuldigte mich bei der Presse, dem Gericht und den anderen Kandidatinnen des Schönheitswettbewerbs Miss Black America, bei dem ich Desiree kennengelernt hatte, aber nicht für mein Handeln in meinem Hotelzimmer.

„Mein Verhalten war unmöglich, das will ich nicht abstreiten, aber ich habe niemanden vergewaltigt. Ich habe nicht einmal versucht, jemanden zu vergewaltigen. Tut mir leid.“ Dann konzentrierte ich mich wieder auf Greg Garrison, den Ankläger oder in meinem Fall Verfolger.

„Ich habe kein Privatleben mehr. Man hat mir wehgetan. Es war alles ein einziger großer Traum. Ich stehe nicht hier, um Sie um Gnade anzuflehen, Ma’am. Ich rechne mit dem Schlimmsten. Ich bin gekreuzigt worden. Ich bin weltweit gedemütigt worden, wurde gesellschaftlich diffamiert. Aber ich bin dankbar für jegliche Unterstützung, die mir zuteilwurde. Ich bin bereit für alles, was Sie mir auferlegen.“

Ich lehnte mich hinter dem Anwaltstisch in meinem Stuhl zurück, und die Richterin stellte mir ein paar Fragen dazu, ob ich mich als Vorbild für Kinder sehe. „Man hat mir nie beigebracht, wie ich mit meiner Popularität umgehen soll, ich erkläre den Kids nicht, dass es gut ist, Mike Tyson zu sein. Die Eltern geben bessere Vorbilder ab.“

Jetzt war die Staatsanwaltschaft an der Reihe. Statt des Rednecks Greg Garrison, der während der Verhandlung gegen mich gewettert hatte, trat jetzt sein Vorgesetzter Jeffrey Modisett, der Ankläger von Marion County, auf. Zehn Minuten lang erging er sich darin, dass Männer mit Geld und Ruhm keine Sonderprivilegien genießen sollten. Dann las er aus einem Brief von Desiree Washington vor: „In den frühen Morgenstunden des 19. Juli 1991 erfolgte ein Übergriff auf meinen Körper und meinen Geist. Ich war körperlich so geschwächt, dass mein Innerstes in Stücke brach. Das, was mich 18 Jahre lang ausmachte, ist jetzt kalt und leer. Ich weiß nicht, wie meine Zukunft aussehen wird. Ich weiß nur eins: Jeder Tag seit meiner Vergewaltigung war ein Kampf, wieder Vertrauen zu gewinnen, mein Lächeln wiederzufinden und die Desiree Lynn Washington zu finden, die mir und den Menschen, die mich lieben, am 19. Juli 1991 genommen wurde. Wenn ich mich über die Schmerzen ärgerte, die mein Angreifer mir verursacht hatte, verlieh Gott mir die Weisheit, zu erkennen, dass er psychisch krank ist. Obwohl mir oft die Tränen kommen, wenn ich im Spiegel den Schmerz in meinen Augen sehe, bin ich dennoch in der Lage, Mitleid mit meinem Vergewaltiger zu haben. Es war und ist nach wie vor mein Wunsch, dass er geheilt wird.“

Modisett legte den Brief beiseite. „Vom Tag seiner Verurteilung bis heute hat Tyson es immer noch nicht kapiert. Die Welt verfolgt jetzt, ob es Gerechtigkeit gibt. Es liegt in seiner Verantwortung, sein Problem einzugestehen. Dieser kranke Mann benötigt Heilung. Mike Tyson, der Vergewaltiger, darf nicht mehr frei herumlaufen.“ Und dann empfahl er mir zu meiner Heilung eine acht- bis zehnjährige Gefängnisstrafe.

Dann wurde Jim Voyles das Wort erteilt, um für mich zu sprechen. Voyles war der Anwalt, den Fuller als zusätzlichen Verteidiger engagiert hatte. Er war ein großartiger Kerl, mitfühlend, klug und amüsant. Er war der einzige meiner Anwälte, zu dem ich eine Beziehung herstellte. Außerdem war er ein Freund von Richterin Gifford und ein bodenständiger Kerl, der Verbindungen zur Jury von Indianapolis hatte. „Engagieren wir ihn“, erklärte ich Don zu Beginn meines Prozesses. Voyles hätte bestimmt einiges für mich herausgeholt. Aber Don und Fuller hielten ihn zum Narren. Sie ließen ihm keinerlei Handlungsfreiheit, machten ihn mundtot. Auch Jim war enttäuscht. Einem Freund gegenüber beschrieb er seine Rolle so: „Ich bin einer der weltweit bestbezahlten Bleistiftträger.“ Doch jetzt konnte er endlich sein Plädoyer vor Gericht halten. Er plädierte leidenschaftlich für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft statt einer Gefängnisstrafe, stieß aber auf taube Ohren. Richterin Gifford war bereit, ihr Urteil zu fällen.

Sie machte mir zunächst Komplimente für meine gemeinnützige Arbeit, meinen Umgang mit Kindern und meine Bereitschaft, mein „Vermögen“ zu „teilen“. Doch dann erging sie sich in einer Tirade über „Vergewaltigung während eines Dates“ und betonte, dass sie diesen Begriff hasste: „So wie er gebraucht wird, scheint er zu implizieren, dass es in Ordnung ist zu tun, was man will, wenn man eine Frau kennt oder sich mit ihr trifft. Allerdings definiert das Gesetz klar, was eine Vergewaltigung ist. Es erwähnt nie etwas darüber, ob der Angeklagte oder das Opfer in Beziehung zueinander stehen. Auch wenn die Vergewaltigung während eines Dates stattfindet, ändert dies nichts an der Tatsache, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt.“

Meine Gedanken schweiften ab. Das hatte wirklich nichts mit mir zu tun. Wir hatten kein Date gehabt, sondern uns zu einem One-Night-Stand mit Hindernissen getroffen, wie der Comedian Bill Bellamy sagen würde. Das war’s. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Richterin zu.

„Aufgrund seiner Einstellung besteht die Gefahr, dass er es wieder tut“, sagte die Richterin klar und deutlich und starrte mich an. „Sie haben keine Vorstrafen und sind mit vielen Talenten ausgestattet. Aber Sie sind gestrauchelt.“ Dann schwieg sie.

„In Anklagepunkt 1 verurteile ich Sie zu zehn Jahren“, sagte sie. „Verdammte Hexe“, murmelte ich vor mich hin und fühlte mich wie benommen. Das war der Vergewaltigungspunkt. Verdammt, vielleicht hätte ich das spezielle Voodoo-Wasser trinken sollen, dachte ich.

„In Anklagepunkt 2 verurteile ich Sie zu zehn Jahren.“ Don King und meine Freunde im Gerichtssaal rangen lautstark um Luft. Dieser Anklagepunkt war für die Benutzung meiner Finger. Fünf Jahre für jeden Finger.

„In Anklagepunkt 3 verurteile ich Sie zu zehn Jahren.“ Das war für den Einsatz meiner Zunge. Zwanzig Minuten lang. Vermutlich war das ein Weltrekord im Rahmen einer Vergewaltigung.

„Die Strafen können gleichzeitig verbüßt werden“, fuhr sie fort. „Außerdem belege ich Sie mit der Höchststrafe von 30.000 Dollar. Ich erlasse vier von diesen Jahren und setze vier Jahre auf Bewährung aus. In dieser Zeit unterziehen Sie sich einer psychoanalytischen Behandlung bei Dr. Jerome Miller und verrichten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit im Bereich Jugendkriminalität.“

Fuller sprang jetzt hoch und plädierte dafür, dass ich gegen Kaution frei gelassen werde, während Alan Dershowitz, der berühmte Verteidiger, meine Berufung vorbereitete. Dershowitz befand sich im Gerichtssaal und verfolgte die Verkündung des Strafmaßes. Nachdem Fuller sein Plädoyer beendet hatte, trat Garrison, der ungehobelte Cowboy, auf den Plan. Viele behaupteten später, ich sei das Opfer von Rassismus gewesen. Aber ich glaube, Typen wie Modisett und Garrison taten eher so zum Schein. Letztlich kümmerte sie das Ergebnis der Verhandlung wenig; sie waren einfach scharf darauf, ihre Namen in den Schlagzeilen wiederzufinden. Garrison spielte sich auf und behauptete, ich sei ein „schuldiger, brutaler Vergewaltiger, der vermutlich zum Wiederholungstäter werden wird. Wenn man den Angeklagten nicht hinter Gitter bringt, spielt man die Schwere des Verbrechens herunter, wertet die Vollstreckung von Gesetzen ab, gefährdet andere Unschuldige und ermöglicht es einem Schuldigen, seinen Lebensstil fortzusetzen.“

Die Richterin pflichtete ihm bei. Keine Kaution. Was bedeutete, dass ich auf direktem Weg ins Gefängnis wandern würde. Sie wollte gerade den Hammer nehmen, um die Sitzung zu beenden, als plötzlich Unruhe im Saal entstand. Dershowitz war aufgesprungen, hatte sich seinen Aktenkoffer geschnappt und war aus dem Gerichtssaal geeilt, wobei er murmelte: „Ich werde dafür sorgen, dass Gerechtigkeit geschieht.“ Einen Moment lang herrschte Verwirrung, aber dann ließ die Richterin den Hammer auf den Tisch fallen. Die Verhandlung war vorbei. Der County Sheriff kam auf mich zu, um mich in Gewahrsam zu nehmen. Ich erhob mich, nahm meine Armbanduhr ab, löste meinen Gürtel und reichte alles, zusammen mit meiner Aktentasche, Fuller. Zwei Freundinnen von mir, die in der ersten Zuschauerreihe saßen, weinten hemmungslos. „Mike, wir lieben dich“, schluchzten sie. Camille stand auf und kam auf mich zu. Wir umarmten uns zum Abschied. Dann führte der Sheriff Jim Voyles und mich durch die Hintertür aus dem Gerichtssaal.

Man brachte mich nach unten, durchsuchte mich und nahm meine Fingerabdrücke. Vor dem Gerichtssaal wartete ein Mob von Reportern und umringte das Auto, das mich zum Gefängnis bringen sollte.

„Wenn wir aufbrechen, achte darauf, dass dein Mantel deine Handschellen bedeckt“, riet mir Voyles. Meinte er das wirklich ernst? Langsam wich die Benommenheit, und Wut wallte in mir auf. Sollte ich mich schämen, mit Handschellen gesehen zu werden? Die sind mein Ehrenabzeichen. Wenn ich die Handschellen verberge, bin ich ein Schwächling. Jim glaubte, wenn ich meine Handschellen verbarg, würde ich keine Scham empfinden, aber genau das hätte mich mit Scham erfüllt. Man musste mich damit sehen. Scheiß drauf, es sollte ruhig jeder sehen, dass ich welche umhatte. Ich würde jetzt auf eine Schule für Krieger gehen.

Wir verließen das Gerichtsgebäude und bahnten uns den Weg zum Polizeiauto. Stolz hielt ich meine Handschellen hoch. Und ich grinste, als wollte ich sagen: „Glaubt ihr diesen Scheiß wirklich?“ Dieses Bild von mir war dann überall auf der Welt auf den Titelseiten zu sehen. Ich stieg in das Polizeiauto, und Jim quetschte sich neben mich auf den Rücksitz.

„Nun, mein Junge, jetzt sind nur noch wir beide übrig“, scherzte ich.

Man fuhr mich in das „Diagnostic Center“, wo festgelegt wurde, in welche Art von Gefängnis ich gesteckt würde. Ich musste mich nackt ausziehen, vorbeugen und einer Leibesvisitation unterziehen. Dann gab man mir einen pyjamaähnlichen Anzug und ein paar Slipper und chauffierte mich zum Indiana Youth Center in Plainfield, einem Gefängnis für Straftäter der Stufe zwei und drei. Als ich am Ziel angelangt war, kochte ich vor Wut. Ich würde diesen Mistkerlen zeigen, wie man sich im Gefängnis verhielt. Auf meine Art. Es ist seltsam, aber ich erkannte erst spät, dass diese kleine weiße Richterin, die mich ins Gefängnis steckte, mir vielleicht das Leben gerettet hat.

Unbestreitbare Wahrheit

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