Читать книгу Unbestreitbare Wahrheit - Mike Tyson - Страница 7

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Die Tatsache, dass man mich in eine staatliche Besserungsanstalt schickte, war keineswegs cool, denn dort war ich mit den großen Jungs zusammen. Sie waren weitaus abgefuckter als die Jungs in Spofford. Aber Tyron war gar nicht so übel. Es gab hier jede Menge Cottages, und man konnte draußen herumspazieren, Basketball spielen und in die Sporthalle gehen. Ich jedoch bekam mal wieder sofort Schwierigkeiten. Ich war die ganze Zeit über schlecht gelaunt und einfach mies drauf, war streitsüchtig und band jedem auf die Nase, dass ich aus Brooklyn stamme und keine Lust habe, mich mit irgendeinem Bullshit abzugeben.

Eines Tages spazierte ich zu einer Unterrichtsstunde, als mir ein fremder Kerl begegnete. Er gab sich ganz taff, als ob er ein Killer wäre. Als er an mir vorbeiging, sah er, dass ich meine Mütze in der Hand hielt. Im Vorbeigehen zerrte er daran. Ich kannte ihn nicht, aber er zollte mir keinen Respekt. Als ich im Unterricht saß, grübelte ich volle 45 Minuten darüber nach, wie ich diesem Kerl dafür, dass er an meiner Mütze herumgezerrt hatte, den Garaus machen könnte. Als der Unterricht zu Ende war, ging ich hinaus und entdeckte ihn und seine Freunde an der Tür.

Den Kerl kaufe ich mir, dachte ich, und trat auf ihn zu. Er hatte die Hände in den Taschen vergraben und sah mich an, als könne er kein Wässerchen trüben. Deshalb griff ich ihn nicht besonders heftig an.

Man legte mir dann Handschellen an und schickte mich nach Elmwood, einem abgeriegelten Cottage für unverbesserliche Kids. Elmwood war das Letzte, und die Wärter waren echte Schläger. Die Typen von Elmwood sah man nur in Handschellen und in Begleitung von zwei Männern.

An den Wochenenden verschwanden alle Kids von Elmwood, die sich einwandfrei verhalten hatten, für ein paar Stunden. Sie kehrten mit gebrochenen Nasen, kaputten Zähnen, geplatzten Lippen und gebrochenen Rippen heim – sie waren in einem erbärmlichen Zustand. Ich nahm an, sie seien vom diensthabenden Personal so vermöbelt worden, zu der Zeit kam niemand auf die Idee, sich an die Gesundheitsbehörde oder den Sozialdienst zu wenden. Aber je intensiver ich mich mit diesen schlimm zugerichteten Kids unterhielt, desto bewusster wurde mir, dass sie keineswegs unglücklich waren.

„Verdammt, fast hätten wir ihn drangekriegt“, lachten sie. Ich hatte keine Ahnung, was sie meinten, und dann klärten sie mich auf. Sie kämpften gegen Mr. Stewart, einen der Gefängnisberater. Bobby Stewart war ein robuster Ire, ungefähr 77 Kilo schwer, ein ehemaliger Profiboxer und Amateurmeister.

Als ich im Loch saß, erzählte man mir, dass ein ehemaliger Box-Champion den Kids beibringe, wie man kämpfe. Die Mitarbeiter, die mir von ihm erzählten, waren sehr nett zu mir, und so wollte ich ihn kennenlernen, weil ich glaubte, er wäre es auch. Ein paar Wochen später, als ich wieder in meinem Zimmer war, klopfte es laut und kräftig an die Tür. Ich öffnete, und Mr. Stewart stand vor mir.

„Hi, Arschloch, du willst mich sprechen?“, brummte er.

„Ich will Boxer werden“, erwiderte ich.

„Das wollen die anderen Jungs auch. Aber sie haben nicht den Mumm, daran zu arbeiten“, erwiderte er. „Wenn du dein Strafregister in Ordnung bringst, dich nicht wie ein Arschloch aufführst und etwas mehr Respekt zeigst, arbeite ich vielleicht mit dir.“

Ich gab mir wirklich alle Mühe. Was schulische Leistungen betraf, war ich weit und breit die größte Niete, aber für einen ehrenvollen Platz auf der Liste sagte ich jetzt brav „Ja, Sir“ und „Nein, Ma’am“ und benahm mich wie ein Musterschüler, um mit Stewart trainieren zu dürfen. Ich benötigte einen Monat, um genug Pluspunkte zu sammeln, um boxen zu dürfen. Alle Kids versammelten sich, um zu sehen, ob es mir gelang, ihn zu besiegen. Ich war überaus zuversichtlich, dass ich ihn besiegen würde, und dann würden alle vor mir kriechen.

Sofort fing ich an, wild auf ihn einzuschlagen, ihn mit Hieben zu traktieren, und er ging in Deckung. Ich bearbeitete ihn mit Schlägen und Hieben. Doch plötzlich schlüpfte er an mir vorbei und rammte mir seine rechte Faust in den Magen.

Booosh, uggghh. Mir kam mein gesamtes Essen der letzten beiden Jahre hoch.

Zu der Zeit hatte ich noch keine Ahnung vom Boxen. Heute weiß ich, dass man ein paar Sekunden lang keine Luft bekommt und außer Gefecht gesetzt ist, wenn man einen Fausthieb in den Magen bekommt. Aber das legt sich, was ich damals noch nicht wusste. Ich dachte allen Ernstes, ich würde nie wieder atmen können und sterben. Ich versuchte verzweifelt, Luft zu holen, aber ich konnte lediglich kotzen. Es war grauenhaft.

„Steh auf und hör auf damit!“, bellte er.

Nachdem alle gegangen waren, näherte ich mich ihm in aller Demut. „Entschuldigen Sie, Sir, können Sie mir bitte beibringen, wie ich das richtig mache?“, fragte ich. Ich malte mir aus, dass ich irgendeinem Dreckskerl einen solchen Fausthieb in den Magen verpassen würde, wenn ich wieder in Brownsville wäre. Dieser würde dann zu Boden gehen, und ich hätte ihn besiegt. Genau das ging mir im Kopf rum.

Irgendwie mochte mich Mister Stewart, denn nach unserer zweiten Sitzung sagte er zu mir: „Willst du das wirklich ernsthaft betreiben?“ Also fingen wir an, regelmäßig zu trainieren. Nach unserem Training übte ich später in meinem Zimmer die ganze Nacht lang Schattenboxen. Ich wurde immer besser. Damals wusste ich es noch nicht, aber während einer unserer Sparring-Sessions verpasste ich Bobby einen Schlag, der ihm die Nase brach und ihn fast k.o. geschlagen hätte. Er pausierte eine Woche lang, um seine Nase ausheilen zu lassen.

Nach ein paar Monaten Training rief ich meine Mutter an und reichte ihm den Hörer. „Sag’s ihr, bitte“, drängte ich ihn. Ich wollte, dass er ihr erzählte, wie gut ich mich schlug. Ich wollte einfach, dass sie wusste, dass ich etwas auf die Beine stellte. Ich dachte mir, sie glaube mir eher, wenn ein Weißer es ihr sagt. Aber sie erklärte ihm lediglich, dass sie kaum glauben könne, dass ich mich geändert hätte, und fand, ich sei unverbesserlich.

Kurz danach kam Bobby zu mir, denn er hatte eine Idee. „Ich will dich mit dem legendären Boxtrainer Cus D’Amato zusammenbringen. Er kann dich ein Stück weiterbringen.“

„Was zum Teufel geht hier vor?“, fragte ich. Damals war Bobby Stewart der Einzige, dem ich traute. Und nun wollte er mich an jemand anderen weiterreichen?

„Vertrau diesem Mann“, erklärte er mir.

An einem Wochenende im März 1980 fuhren Bobby und ich nach Catskill, New York. Cus’ Trainingshalle war ein umgebauter Versammlungsraum und befand sich über der städtischen Polizeiwache. Da es keine Fenster gab, kam das Licht von ein paar altmodischen Lampen. An den Wänden hingen Poster und Zeitungsausschnitte von erfolgreichen Jungs aus der Umgebung.

Cus sah genauso aus, wie ein hartgesottener Boxtrainer aussehen sollte. Er war klein und stämmig, weißhaarig und strahlte Stärke aus. Aber er blickte sehr ernst und zeigte keinerlei Lächeln.

„Hallo, wie geht’s? Ich bin Cus“, stellte er sich mit starkem Bronx-Akzent vor. Teddy Atlas, ein jüngerer Trainer, war ebenfalls anwesend.

Bobby und ich gingen in den Ring und begannen mit dem Sparring. Ich ging gleich ins Volle, jagte Bobby durch den Ring. Gewöhnlich absolvierten wir drei Runden, aber mitten in der zweiten Runde versetzte mir Bobby ein paar rechte Haken auf die Nase, und ich fing an zu bluten. Es tat nicht wirklich weh, doch mein Gesicht war blutverschmiert.

„Das reicht“, meinte Atlas.

„Sir, bitte, lassen Sie mich die Runde beenden und noch eine weitere kämpfen. Das ist unser Ritual“, bettelte ich, denn ich wollte Cus beeindrucken.

Und ich glaube, es gelang mir. Als wir den Ring verließen, sagte Cus zu Bobby: „Er hat das Zeug zu einem Weltmeister im Schwergewichtsboxen.“

Nach dieser Sparring-Session gingen wir zu Cus nach Hause zum Lunch. Er wohnte in einem großen viktorianischen Haus auf einem vier Hektar großen Grundstück. Von der Veranda aus konnte man auf den Hudson River blicken. An der Seite des Hauses wuchsen große Ahornbäume und üppige Rosenbüsche. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie ein solches Haus gesehen.

Wir nahmen Platz, und Cus meinte, er könne kaum glauben, dass ich erst 13 sei. Und dann malte er mir meine Zukunft aus. Er hatte mich ja kaum sechs Minuten kämpfen sehen, aber alles klang ganz überzeugend aus seinem Mund.

„Du hast eine blendende Figur abgegeben“, sagte er. „Du bist ein großer Boxer.“ Und er überschüttete mich mit Komplimenten. „Wenn du auf mich hörst, kann ich aus dir den jüngsten Schwergewichts-Boxer aller Zeiten machen.“

Fuck, wie konnte er einen solchen Scheiß verzapfen? Ich hielt ihn für einen Perversen. In der Welt, aus der ich kam, geben die Leute solchen Bullshit von sich, wenn sie dir einen blasen wollen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Noch nie zuvor hatte jemand etwas Nettes über mich gesagt. Ich wollte gern bei dem alten Knaben bleiben, denn er vermittelte mir ein gutes Gefühl. Später erkannte ich, dass das Cus’ Masche war. Man redet einem schwachen Mann ein, stark zu sein, und dieser wird süchtig danach.

Auf der Rückfahrt nach Tyron konnte ich mich kaum beruhigen. Ich saß da mit einem Rosenstrauß von Cus auf dem Schoß. Ich hatte noch nie echte Rosen gesehen, immer nur im Fernsehen, aber ich wollte unbedingt welche haben, weil sie so exquisit aussahen. Ich hatte ihn gefragt, ob ich welche mitnehmen dürfe, weil ich etwas Schönes mit zurücknehmen wollte. Die Rosen dufteten wunderbar und Cus’ Worte klangen mir noch in den Ohren. Es kam mir vor, als ob sich die ganze Welt plötzlich verändert hätte, und in diesem Moment wusste ich, dass aus mir noch was werden würde.

„Ich glaub, er mag dich“, sagte Bobby. „Wenn du kein Scheißkerl und kein Arschloch bist, wird es gutgehen.“ Bobby freute sich offensichtlich für mich.

Ich kehrte in mein Cottage zurück und stellte die Rosen in eine Vase. Cus hatte mir eine riesige Box-Enzyklopädie mitgegeben, die ich mir anschauen sollte, und ich konnte die ganze Nacht kein Auge zutun, denn ich las das Buch in einem Zug durch. Ich erfuhr von Benny Leonard, Harry Greb und Jack Johnson. Das hat mich echt aufgeputscht. Ich wollte sein wie sie, sie schienen sich an keine Regeln zu halten. Sie arbeiteten hart, aber dann gab es auch Phasen, in denen sie es sich gutgehen ließen, und sie wurden wie Götter verehrt.

Ich fing an, jedes Wochenende zum Training zu Cus zu gehen. Erst trainierte ich mit Teddy in der Sporthalle, und dann ging ich zu Cus. Er lebte mit Camille Ewald, einer reizenden Ukrainerin, zusammen. In ihrem Haus wohnten auch noch andere Boxer. Als ich das erste Mal dorthin ging, klaute ich Geld aus Teddys Geldbörse. Solche Gewohnheiten gibt man nicht einfach auf, nur, weil sich etwas Gutes auftut. Ich brauchte schließlich Geld für Gras. Ich hörte, wie Teddy zu Cus sagte: „Er muss es gewesen sein.“

„Nein, er war es nicht“, widersprach Cus.

Der Boxsport törnte mich an, und nachdem ich bei Cus den ersten Kampf von Leonard gegen Durán im Fernsehen verfolgt hatte, war ich mir sicher, dass ich Boxer werden wollte. Wow, dieser Kampf war unglaublich aufregend, ich war ganz geschafft. Beide waren sehr elegant, aber auch gefährlich wie Raubtiere, und ihre Schläge erfolgten blitzschnell. Ihr Kampf wirkte fast so, als folgte er einer Choreografie. Ich war fasziniert.

Als ich Cus das erste Mal in seinem Haus besuchte, ließ er nicht zu, dass ich boxte. Nach meinem Training mit Teddy setzte sich Cus mit mir zusammen, und wir unterhielten uns. Er redete mit mir über meine Gefühle und Empfindungen und über die Boxpsychologie. Er wollte mein Innerstes erforschen. Wir sprachen viel über die spirituellen Gesichtspunkte des Sports. „Wenn du nicht den geistigen Krieger in dir spürst, wirst du nie ein Kämpfer werden. Mir ist egal, wie groß oder stark du bist“, erklärte er mir. Wir unterhielten uns über ziemlich abstrakte Vorstellungen, doch er drang zu mir durch. Cus sprach meine Sprache. Er war ein Straßenkind wie ich und auch in einem asozialen Milieu aufgewachsen.

Als Erstes sprach Cus mit mir über Angst, und wie man diese überwindet.

„Die Angst ist das größte Lernhindernis, ist aber auch dein bester Freund. Die Angst ist wie Feuer. Wenn du lernst, sie unter Kontrolle zu halten, lässt du sie für dich arbeiten. Wenn du nicht lernst, sie zu kontrollieren, wird sie dich und alles um dich herum zerstören. Du kannst auf einem Hügel einen Schneeball in die Hand nehmen und werfen oder sonst was damit machen, bevor er den Hügel hinunterrollt. Wenn er erst am Rollen ist und immer größer wird, wird er dich zu Tode quetschen. Genauso verhält es sich mit der Angst. Man darf nie zulassen, dass die Angst immer größer wird, man muss sie immer unter Kontrolle haben. Wenn es dir nicht gelingt, wirst du nicht in der Lage sein, dein Ziel zu erreichen oder dein Leben zu retten.“

„Stell dir ein Reh vor, das ein offenes Feld überquert. Als es sich dem Wald nähert, wittert es plötzlich Gefahr, vielleicht befindet sich ein Puma in der Nähe. Wenn das der Fall ist, tritt die natürliche Überlebensstrategie in Aktion, was bedeutet, dass Adrenalin ins Blut ausgeschüttet wird, sodass das Herz schneller schlägt. Dies hat zur Folge, dass der Körper zu außerordentlichen Leistungen an Beweglichkeit und Stärke fähig ist. Normalerweise kann ein Reh vier Meter weit springen, aber durch das Adrenalin schafft es das Drei- oder Vierfache, um der drohenden Gefahr zu entrinnen. Beim Menschen verhält es sich nicht anders. Wenn er Gefahr wittert oder Angst hat, beschleunigt das Adrenalin den Herzschlag und treibt den Menschen zu Höchstleistungen.“

„Mike, glaubst du, du kennst den Unterschied zwischen einem Helden und einem Feigling? Nun, bezüglich ihrer Empfindungen besteht kein Unterschied, sondern in dem, was sie tun. Der Held und der Feigling empfinden genau das Gleiche, aber du musst die Disziplin besitzen, das zu tun, was ein Held tut, und darfst nicht wie ein Feigling handeln.“

„Mike, dein Verstand ist nicht dein Freund, ich hoffe, du weißt das. Du musst trotzdem mit dem Kopf kämpfen, ihn kontrollieren, richtig einsetzen. Du musst auch deine Emotionen unter Kontrolle halten. Erschöpfung im Ring ist zu 90 Prozent psychologisch bedingt. Sie dient einem Mann, der aufgeben will, als Entschuldigung. Die Nacht vor einem Kampf tust du kein Auge zu. Denk dir nichts dabei, deinem Gegner geht es genauso. Du trittst zum Wiegen an, und er sieht viel größer aus als du, wirkt eiskalt, wird aber innerlich von Angst verzehrt. Deine Fantasie spricht ihm Fähigkeiten zu, die er gar nicht hat. Denk daran: Bewegung löst Spannung. Wenn dann der Gong ertönt und du deinem Gegner entgegentrittst, wirkt dieser plötzlich wie jeder andere auch, denn deine Fantasie ist ausgeschaltet. Der Kampf als solcher ist die einzige Wirklichkeit, die zählt. Du musst lernen, deinen Willen durchzusetzen und das alles unter Kontrolle zu haben.“

Ich konnte Cus stundenlang zuhören. Er erklärte mir, wie wichtig es sei, intuitiv und sachlich zu handeln, auf eine entspannte Art, und nicht zuzulassen, dass die Emotionen die Oberhand über die Intuition gewannen. Er berichtete mir, er habe einmal mit dem großen Schriftsteller Norman Mailer darüber gesprochen.

„Cus, ohne es zu wissen, praktizierst du Zen“, hatte dieser Cus erklärt und ihm ein Buch mit dem Titel Zen und die Kunst des Bogenschießens gegeben. Cus las mir häufig aus dem Buch vor. Er erzählte mir, dass er bei seinem ersten Kampf tatsächlich höchsten emotionalen Abstand erlebt habe. Er trainierte in einer Turnhalle in der Stadt, weil er Profiboxer werden wollte. Er hatte bereits ein oder zwei Wochen mit dem Sandsack trainiert, als der Manager ihn fragte, ob er einen Boxpartner haben wolle. Er trat in den Ring, und sein Herz schlug wie wild. Sein Gegner griff ihn sofort an, und er wurde mit Schlägen traktiert. Seine Nase schwoll an, sein Auge zu, und er blutete. Sein Gegner fragte ihn, ob er eine zweite Runde machen wolle, und Cus meinte, er werde es versuchen. Er trat in den Ring, und plötzlich war sein Geist von seinem Körper losgelöst. Er beobachtete alles aus der Distanz. Die Schläge, die ihn trafen, fühlten sich an, als kämen sie von weither. Er war sich wohl ihrer bewusst, aber sie schmerzten ihn kaum.

Cus erklärte mir, dass man, um ein großer Boxer zu sein, aus sich selbst heraustreten müsse. Er ließ mich Platz nehmen und sagte: „Transzendiere. Fokussiere. Entspann dich, bis du siehst, wie du dich selbst beobachtest. Sag mir, wenn du so weit bist.“ Das war sehr wichtig für mich. Im Allgemeinen neige ich dazu, zu emotional zu reagieren. Später erkannte ich, dass ich im Ring nur wild um mich schlagen würde, wenn ich mich dort nicht von meinen Gefühlen lösen könnte. Nachher würde ich einem Gegner noch einen harten Faustschlag verpassen, es dann aber mit der Angst zu tun bekommen, wenn er nicht zu Boden ging.

Cus trieb diesen Aus-dem-Körper-herausgehen-Scheiß noch einen Schritt weiter. Er trennte seinen Geist von seinem Körper und blickte dann in die Zukunft. „Alles wird ruhig, und ich befinde mich außerhalb meines Körpers und beobachte mich“, berichtete er. „Ich bin’s, aber bin’s auch wieder nicht, als ob mein Geist und mein Körper nicht miteinander verbunden wären. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie ein Film abläuft. Ich kann das alles wirklich sehen, kann einen Boxer am Anfang des Kampfes sehen und genau beobachten, wie er reagieren wird. Wenn das passiert, kann ich sehen, wie ein Typ boxt, und ich weiß alles über ihn, was man wissen muss, ich kann sogar seine Gedanken lesen. Es ist ein Gefühl, als sei ich dieser Typ, denn ich bin in seinen Körper geschlüpft.“

Er behauptete sogar, er könne mittels seines Geists Ereignisse kontrollieren. Cus hatte Rocky Graziano trainiert, als der noch Amateur war.

Einmal war Cus in Rockys Ecke, und Rocky erlitt eine Schlappe. Nachdem Rocky zweimal zu Boden gegangen war, kehrte er in die Ecke zurück und wollte aufgeben. Aber Cush drängte ihn, zur nächsten Runde anzutreten, und bevor Rocky aufgeben konnte, setzte Cus all seine Willenskraft ein, um Rockys Arm dazu zu bringen, einen Schlag zu landen, und es funktionierte, der Gegner ging zu Boden, und der Ringrichter beendete den Kampf. Das war also das Schwergewicht, das mich trainierte.

Cus glaubte fest an diese Einheit von Geist und Körper. Wenn man Schwergewichtsweltmeister im Boxen werden wollte, musste man anfangen, das Leben eines Schwergewichtschampions zu führen. Damals war ich erst 14, und noch ganz unten. Ständig trainieren, denken wie ein römischer Gladiator, sich geistig in einem ständigen Kriegszustand befinden, aber nach außen hin ruhig und entspannt wirken – darauf kam es an.

Cus war auch groß in Sachen Eigenmotivation. Er besaß ein Buch des französischen Apothekers und Psychologen Emile Coué: Autosuggestion: Wie man die Herrschaft über sich selbst gewinnt. Coué erklärte seinen Patienten, sich immer wieder vorzusagen: „Ich werde jeden Tag in jeder Beziehung besser und besser“ – immer wieder. Cus hatte an einem Auge den grauen Star, wiederholte sich diesen Satz immer wieder und behauptete, dies funktioniere.

Cus wollte, dass wir die Eigenmotivation unserer jeweiligen Situation anpassten. Also ließ er mich formulieren: „Ich bin der beste Boxer der Welt. Niemand kann mich schlagen. Der beste Boxer der Welt. Niemand kann mich schlagen“ – immer und immer wieder. Ich tat es gern und hörte mich gern über mich reden.

Das Ziel all dieser Techniken bestand darin, dem Boxer Selbstvertrauen einzuflößen. Aber um dieses Selbstvertrauen zu bekommen, musste man sich selbst testen und durfte sich nicht verstecken. Dieses Gefühl entsteht nicht durch Osmose und kommt nicht aus der Luft. Es entsteht, wenn man konsequent dieses Bild im Kopf visualisiert, um das Selbstvertrauen aufzubauen, das man anstrebt.

In den ersten Wochen mit Cus machte er mich mit all diesen Dingen vertraut und erläuterte mir seinen Plan. Er übertrug mir eine Aufgabe. Ich sollte der jüngste Box-Schwergewichtschampion der Welt werden. Damals hatte ich noch keine Ahnung, aber nach einer von vier langen Unterhaltungen vertraute Cus Camille an: „Camille, das ist der Boxer, auf den ich mein Leben lang gewartet habe.“

Ich stand kurz davor, nach Brooklyn zurückgebracht zu werden. Da tauchte Bobby Stewart bei mir auf.

„Ich will nicht, dass du nach Brooklyn zurückkehrst, denn ich habe Angst, du könntest etwas Dummes anstellen, getötet oder wieder eingebuchtet werden. Willst du zu Cus ziehen?“

Ich hatte auch keine Lust, zurückzukehren, und sehnte mich nach einer Veränderung in meinem Leben. Es gefiel mir, wie diese Leute redeten und mir ein gutes Gefühl gaben, mir vermittelten, Teil der Gesellschaft zu sein. Also teilte ich meiner Mutter mit, dass ich bei Cus wohnen wolle.

„Ma, ich will bei ihm wohnen und trainieren. Ich will Boxer werden, ich kann der Beste der Welt werden.“ Cus hatte mich mit all seinem Gesülze über den Geist völlig heiß gemacht, wie groß ich werden würde, wie ich mich Tag für Tag in jeder Beziehung verbessern würde. Dieser ganze Bullshit über Selbsthilfe. Meine Mom war wenig begeistert, doch sie erteilte mir schriftlich die Erlaubnis. Vielleicht dachte sie auch, als Mutter versagt zu haben.

Also zog ich bei Cus, Camille und den anderen Boxern ein. Ich erfuhr immer mehr über Cus, da wir nach dem Training immer lange Gespräche führten. Er mochte es, wenn ich ihm all die abgefuckten Geschichten über mein Leben erzählte. Er strahlte dann wie ein Christbaum: „Erzähl mir mehr.“ Ich war der ideale Kerl für seinen Plan – zerrüttete Familienverhältnisse, ungeliebt, bettelarm. Ich war taff und stark, aber auch hinterhältig, und trotzdem ein ungeschliffener Diamant. Cus wollte, dass ich meine Defizite akzeptierte. Er vermittelte mir nicht das Gefühl, dass ich mich wegen meines Backgrounds schämen müsste oder weniger wert war. Ihm gefiel es, dass ich eine große Begeisterungsfähigkeit besaß, ein Begriff, den mir Cus beibrachte.

Da Cus ebenfalls eine schwere Kindheit gehabt hatte, konnte er sich gut in mich hineinversetzen. Seine Mutter war sehr jung gestorben. Als kleines Kind hatte er bei einem Straßenkampf die Sehkraft auf einem Auge eingebüßt. Als er ein junger Mann war, war sein Vater in seinen Armen gestorben. Und ein Bulle hatte seinen Lieblingsbruder erschossen.

Cus hatte in seinem Leben nur ein Jahr lang einen geregelten Job. Dann kündigte er, weil er Streit mit seinen Kollegen bekam. Aber er verbrachte viel Zeit damit, den Leuten in seiner Nachbarschaft zu helfen und ihre Probleme zu lösen – fast wie ein inoffizieller Sozialarbeiter. Es machte ihm viel Freude, anderen zu helfen. Cus trug auch dazu bei, dass die korrupten Politiker in seinem Bezirk abgesetzt wurden, als LaGuardia, ein Reformer, sich als Bürgermeister von New York bewarb. Er stellte sich einem der korrupten Kerle, der eine Waffe auf ihn gerichtet hatte, entgegen und war ohne Furcht.

Aber er war auch verbittert.

„Mein Leben lang habe ich mich für den kleinen Mann eingesetzt“, sagte Cus. „Weil ich mich immer für die Benachteiligten einsetzte, bekam ich viel Ärger. Einige der Menschen, denen ich geholfen habe, verdienten es nicht. Nur sehr wenige Leute sind es überhaupt wert, gerettet zu werden.“

Cus war völlig „farbenblind“. Der beste Freund seines Vaters war ein Schwarzer gewesen. Als er bei der Army im Süden stationiert war, führte er ein Boxteam. Wenn sie auf Reisen waren, wurden seine schwarzen Boxer in den Hotels abgewiesen, also übernachtete er mit ihnen in den Parks.

Er war auch ein überzeugter Sozialist und schwärmte für Che, Fidel und die Rosenbergs. Er hatte mir vom Fall Rosenberg berichtet, und ich zog ihn damit auf.

„Aber Cus, das war nicht richtig, sie waren schuldig“, sagte ich.

„Oh ja“, brüllte er. „Du hast gut reden, aber wenn die Sklaverei wieder eingeführt wird, überlegst du auch nicht, wer schuldig war oder nicht, denn genau das haben sie vor. Kapiert?“

Sein größter Feind war Ronald Reagan. Wenn Reagan einen Fernsehauftritt hatte, schrie Cus aus Leibeskräften: „LÜGNER, LÜGNER, LÜGNER!!!“ Cus war ein Fanatiker, faselte immer davon, wer sterben sollte. „Ein Mann stirbt genau so, wie er gelebt hat“, erklärte er mir.

Eines Tages sagte Cus: „Wenn du viel Geld verdienst, könntest du wirklich jedem helfen, der dir am Herzen liegt. Du könntest auch die Kirchen der Schwarzen unterstützen.“ Er fand, die Kirchen der Schwarzen seien der beste Ausgangspunkt für deren soziales Netzwerk. Er verehrte Martin Luther King. Cus half ständig irgendwelchen Leuten und verschenkte mit der Zeit sein gesamtes Geld.

„Geld ist etwas, das man mit vollen Händen ausgibt“, erklärte er mir. „Geld bedeutet Sicherheit, und für mich bedeutet Sicherheit Tod, also kümmerte ich mich nie um Geld. Alles, was mir etwas bedeutet, kann ich nicht mit Geld erwerben. Geld hat mich noch nie beeindruckt. Zu viel Geld befindet sich in den falschen Händen – eine Verbindung, die nicht gesund ist. Eigentlich gehe ich nicht leichtsinnig mit Geld um. Ich habe es Menschen in Not geschenkt, und das war keine Verschwendung.“

Er hielt auch nichts davon, unter einer konservativen Regierung Steuern zu zahlen. Als er 200.000 Dollar besaß, erklärte er sich gegenüber dem Finanzamt für insolvent.

Wie Cus zum Boxen kam, ist ein großes Geheimnis. Er tauchte irgendwann aus dem Nichts auf und erklärte: „Ich bin Boxtrainer.“ Keiner kannte ihn. Er hatte keine Ahnung von Verträgen und Boxern, doch er behauptete, Manager zu sein. Er begann damit, einen vielversprechenden jungen Schwergewichtsboxer namens Floyd Patterson zu managen und zu trainieren. Auch er stammte aus ärmlichen Verhältnissen in Brooklyn. Damals wurde der Boxsport vom IBC, dem International Boxing Club, beherrscht. Dieser bestand aus reichen Unternehmern, in deren Händen die Vermarktung der Meisterschaftskämpfe lag. Cus sorgte dafür, dass Floyd die Meisterschaft gewann, und dann flickte er dem IBC am Zeug, was bedeutete, er ging gegen den Mob an, weil Frankie Carbo, ein Mitglied der Familie Lucchese, mit dem IBC paktierte. Cus trug dazu bei, den IBC zu Fall zu bringen, und Carbo landete wegen Verschwörung, Erpressung und unerlaubter Betriebsführung im Gefängnis.

Cus’ Herz wurde gebrochen, als Roy Cohn, ein konservativer Anwalt, Patterson abwarb, indem er den frisch konvertierten katholischen Boxer mit einem Dinner mit New Yorks Kardinal Spellman lockte. Nie wieder betrat Cus daraufhin eine katholische Kirche. Er schien jetzt überhaupt zunehmend paranoid zu werden und behauptete, jemand habe versucht, ihn vor die U-Bahn zu stoßen. Er besuchte auch keine Bars mehr, weil er Angst hatte, jemand könnte ihm etwas in den Drink tun. Er ließ die Taschen seiner Mäntel zunähen, damit ihm niemand Drogen in die Taschen schmuggeln konnte, um ihn reinzulegen. Schließlich zog er ins Hinterland von New York City, nach Catskills.

Auch im Haus verhielt er sich paranoid. Niemand durfte sein Zimmer betreten, und er arrangierte ein paar Streichhölzer so, dass er feststellen konnte, ob jemand in seiner Abwesenheit in seinem Zimmer war. Wenn er mich in der Nähe seines Zimmers entdeckte, sagte er: „Was tust du denn hier oben?“

„Cus, ich wohne hier oben“, antwortete ich.

Einmal waren Tom, Frankie und zwei weitere Boxer, die im Haus wohnten, ausgegangen. Cus vertraute niemandem von uns die Hausschlüssel an, da er Angst hatte, wir könnten sie verlieren und ein Fremder so ins Haus gelangen. Als wir heimkamen und an die Tür klopften, öffnete uns niemand. Ich schaute durchs Fenster: Cus war in seinem Lieblingssessel eingeschlafen, und der Fernseher lief auf vollen Touren, weil er schlecht hörte. Tom meinte, wir sollten in dem Moment ans Fenster klopfen, wenn die Werbung kam und ein paar Sekunden Stille herrschte. Genau in diesem Augenblick klopften wir dann alle ans Fenster und brüllten „Cus, Cus!“ In einer Tausendstel Sekunde vollzog Cus eine 180-Grad-Drehung, ließ sich auf den Boden fallen, stützte sich mit der linken Hand ab und war bereit, mit der rechten Hand hochzuschnellen, um den Eindringling niederzuschlagen. Wir bogen uns vor Lachen.

Einmal ging einer der Sparringspartner, die in Cus’ Haus wohnten, abends aus, um die Nacht in der Stadt zu verbringen. Tom und ich wachten am nächsten Morgen früh auf und gingen hinunter zum Frühstück. Wir warfen einen Blick ins Wohnzimmer, und Cus lag auf dem Boden und robbte, mit dem Gewehr in der Hand, ganz stilecht vorwärts. Der Typ war nach Hause gekommen und hatte ans Fenster geklopft, aber Cus nahm vermutlich an, irgendein IBC-Mitglied sei hinter ihm her. Tom und ich stiegen über ihn, um uns in der Küche ein Müsli zu genehmigen.

Es gibt unzählige solcher Storys über Cus. Er war einfach einmalig und eine schillernde Persönlichkeit. Aber die beste Beschreibung von Cus hörte ich in einem Interview, das der große Schriftsteller Gay Talese einem jungen Mann, Paul Zuckerman, gab, der Recherchen über Cus anstellte, um eine Biografie über ihn zu schreiben.

„Er war ein römischer Krieger, der 2.000 Jahre zu spät zur Welt kam. Krieger lieben den Krieg, brauchen den Krieg, in dieser Atmosphäre fühlen sie sich am wohlsten. In Friedenszeiten halten sie sich für ruhelose und nutzlose Objekte. Sie machen gern viel Wirbel. Cus, wie auch Patterson, fühlten sich lebendig, wenn Verwirrung, Intrigen, Kampfstimmung herrschten. Dann war er voll gefordert, seine Nervenenden und sein Gehirn waren voll in Aktion, und wenn alles in Bewegung war, dann war er zufrieden. Wenn dies nicht zutraf, musste er eine entsprechende Atmosphäre schaffen oder alles dramatisieren, musste das Feuer schüren, um sich lebendig zu fühlen. Das gab ihm einen Kick. Er war ein Aktionist, benötigte Action.“

Cus war ein General, und ich war sein Soldat. Und wir waren bereit, in den Krieg zu ziehen.


Ich war ein nutzloser Nigga, bei dem nicht mal Thorazin wirkte, und galt als geistig zurückgeblieben, und da kam dieser alte Mann, ein Weißer, und verpasste mir ein Ego. Einmal sagte Cus zu mir: „Mike, wenn du bei einem Psychiater im Sprechzimmer sitzt, und er fragt dich: ‚Hören Sie Stimmen?‘, antwortest du ihm: ‚Nein.‘ Aber die Stimmen flüstern dir zu, Nein zu sagen, ist es nicht so?“ Cus war ein tiefsinniger Mensch. Niemand hat mir je deutlicher zu Bewusstsein gebracht, dass ich ein Schwarzer bin. Er war so hartgesotten und sprach mit mir, wie es ein verbitterter Schwarzer getan hätte. „Mike, sie glauben, sie seien besser als du“, sagte er. Wenn er jemanden mit einem Fiat oder einem Rolls Royce sah, warf er mir einen Blick zu und sagte: „Den könntest du auch haben. Es ist nicht das Schwierigste im Leben, reich zu werden. Du bist diesen Leuten überlegen. Sie können nie und nimmer das tun, wozu du fähig bist. Du hast es im Blut. Meinst du, ich würde dir das sagen, wenn du’s nicht im Blut hättest? Vermutlich könnte ich dich zu einem besseren Boxer machen, aber ich könnte keinen Boxweltmeister aus dir machen.“

Wow. Ich hatte immer angenommen, ich sei Scheiße, weil mir das meine Mutter immer wieder vorgeleiert hatte. Nie fand jemand ein gutes Wort für mich oder über mich. Und da kam dieser Kerl und sagte: „Ich wette mit dir, dass du einen Oscar gewinnen könntest, wenn du es versuchen würdest. Du wärst als Schauspieler bestimmt genauso gut wie als Boxer. Willst du Rennfahrer werden? Ich wette, du wärst der Beste der Welt, denn du bist cleverer und taffer als die anderen Jungs in dieser Branche. Du könntest überall Erfolg haben. Du darfst dir nie sagen, ich kann das nicht. Ich kann nicht, gibt’s nicht.“

Wenn ich mutlos war, was häufig der Fall war, munterte mich Cus damit auf, mir eine exotische Welt voller Schätze vorzustellen. Alles, was er mir erzählte, war so fremd für mich, aber es gefiel mir.

„Du brauchst nur auf mich zu hören“, sagte er. „Menschen königlicher Abstammung werden deinen Namen kennen. Junge, hörst du mir auch zu? Die ganze Welt wird erfahren, wer du bist. Der Name deiner Familie wird in aller Munde sein. Man wird deine Mutter, deine Familie, deine Kinder respektieren. Wenn du einen Raum betrittst, werden die Leute aufstehen und dir Beifall spenden.“

Cus würde mich nicht im Stich lassen. Wenn ich mutlos war und am liebsten aufgegeben hätte, gab er mir neuen Mut. Cus predigte immer: „Meine Aufgabe besteht darin, die Schäden, die dein wahres Talent daran hindern, sich zu entfalten und dein Potenzial zu verwirklichen, Schicht für Schicht abzutragen.“ Er vollzog diesen Schälungsprozess an mir, und es tat weh. Ich schrie: „Lass mich allein. Aarggh!“ Er quälte meinen Geist. Er beobachtete mich beim Training mit einem älteren Jungen, und ich bildete mir ein, ich sei müde, und schlug deshalb nicht zurück. Mein Kontrahent drangsalierte mich. Später redete Cus mit mir darüber, konfrontierte mich mit meinen Ängsten. Er war ein Perfektionist. Ich trainierte am Sandsack alle möglichen Schläge, und Cus stand da und beobachtete mich.

„Es ist gut, aber es ist nicht perfekt“, murmelte er in seinem breiten Bronx-Slang.

Cus wünschte sich den gemeinsten Boxer, den Gott je erschaffen hatte, jemanden, der seine Gegner zu Tode erschreckte, noch bevor diese in den Ring stiegen. Er brachte mir bei, mich innerhalb und außerhalb des Rings wild und brutal zu verhalten. Zu der Zeit brauchte ich das. Ich war so unsicher, so ängstlich. Als kleines Kind war ich von Menschen traumatisiert worden, die immer auf mir herumhackten. Ich hasste diese Demütigung, schikaniert zu werden. Dieses Gefühl lässt einen den Rest des Lebens nicht mehr los. Sie werden es nie vergessen, sowas vergisst man nie, denn dies hinterlässt ein übles Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Deshalb vermittelte ich diesen Leuten immer den Eindruck, dass ich ein gemeiner, wilder Scheißkerl sei.

Aber Cus vermittelte mir das Selbstvertrauen, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, je wieder schikaniert zu werden. Ich wusste, niemand würde sich je wieder physisch mit mir anlegen.

Cus war viel mehr für mich als nur ein Boxtrainer. Er brachte mir so viel Wertvolles bei. Er war wie ein Guru und sagte immer Dinge, die mich zum Nachdenken brachten:

„Egal, was jemand sagt, egal, welche Entschuldigung oder Erklärung dieser vorbringt, das, was er letztlich tut, entspricht dem, was er eigentlich schon immer tun wollte.“

„Nun, ich bin kein Gott, ich entdecke nur und decke auf. Meine Aufgabe besteht darin, den Funken zu entzünden, das Feuer zu schüren, bis es lichterloh brennt.“

Selbst in den banalsten Situationen verhielt er sich weise. Camille war immer darauf bedacht, dass die Jungs im Haus ihre Aufgaben erfüllten. Ich hasste Hausarbeit und war ganz auf mein Boxtraining konzentriert. Eines Tages sagte Cus zu mir: „Du weißt, Camille will unbedingt, dass du bei der Hausarbeit hilfst. Wenn du sie machen würdest, müsste ich mir weniger Gedanken machen. Es könnte mir egal sein, aber das trägt auch dazu bei, dich zu einem besseren Boxer zu machen.“

„Wie soll ich ein besserer Boxer werden, wenn ich den Müll raustragen muss?“, spottete ich.

„Etwas zu tun, was man hasst, ist eine gute Vorbereitung für jemanden, der nach Größe strebt.“

Danach musste Camille mich nie wieder an meine Pflichten im Haushalt erinnern.

Eines Tages rief mich Cus in das Zimmer, in dem er sich gerade aufhielt.

„Hast du Angst vor Weißen?“, fragte er unvermittelt. „Gehörst zu der Sorte? Hast du Angst vor Schnauzern und Bärten? Ich kannte schwarze Boxer, die Angst davor hatten, weiße Kontrahenten zu schlagen. Du gehörst besser nicht dazu.“

Es war seltsam. Cus sagte mir freiweg, ich solle mich nicht einschüchtern lassen, aber die Art, wie er mir das vermittelte, schüchterte mich ein.

Cus war immer tiefernst und lächelte nie. Aber er behandelte mich nicht wie einen Teenager, sondern vermittelte mir immer das Gefühl, dass wir eine Aufgabe zu erfüllen hatten. Er setzte mir ein Ziel. Ich trainierte Tag für Tag und dachte über diese verdammte Aufgabe nach. Noch nie zuvor hatte ich in meinem Leben so empfunden. Eine Ausnahme bildeten lediglich meine Überlegungen zum Stehlen.

Manchmal geschahen auch Dinge, die unser Ziel greifbar erscheinen ließen. Einmal kam Wilfredo Benitez, um in Catskill zu trainieren. Ich war einfach überwältigt, denn ich war ein Fan von ihm. Ich hatte einen Kampf von ihm im Fernsehen gesehen; es lohnte sich, ihn anzuschauen. Er wirkte wie radargesteuert, verteilte seine Schläge mit geschlossenen Augen. Ein wahrer Meister! Und er hatte seinen Weltmeisterschaftsgürtel dabei. Tom Patti, einer von Cus’ anderen Boxern, war auch da. Benitez zog eine kleine Schachtel heraus, in der der Gürtel aufbewahrt wurde, und ich durfte ihn berühren. Ich hatte das Gefühl, den Heiligen Gral zu sehen.

„Mann o Mann, Tommy, schau dir das an, es ist der Mann mit dem Gürtel“, sagte ich. „Ich muss auch einen haben und werde hart dafür trainieren. Wenn ich ihn gewinne, werde ich den Gürtel nie wieder abnehmen.“

Ich war sehr gern mit Benitez zusammen. Er inspirierte mich und weckte in mir den Wunsch, noch engagierter und hingebungsvoller zu werden.

Dank Cus kam ich auch mit Ali ins Gespräch. Im Oktober 1980 fuhren wir alle nach Albany, um eine Übertragung von Ali, die nur auf einem Privatkanal lief, anzuschauen. Er versuchte, seinen Titel von Larry Holmes zurückzugewinnen. Ali wurde von ihm aufs Übelste vermöbelt. Cus war fuchsteufelswild, noch nie hatte ich ihn so wütend erlebt. Nach dem Kampf verzog er keine Miene, da er Interviews geben und Hände schütteln musste. Aber als wir im Auto saßen, konnte man seine negative Energie geradezu fühlen. Auf der 45 Minuten langen Heimfahrt wechselten wir kein Wort.

Am nächsten Morgen war Alis Berater Gene Kilroy am Telefon und verband Ali mit Cus.

„Wie hast du dich von diesem Penner besiegen lassen? Er ist ein Penner, Muhammad, wirklich. Warum hast du dich von diesem Dreckskerl so vermöbeln lassen?“

Ich lauschte Cus’ Gespräch, und jedes Mal, wenn er „Penner“ sagte, ging es mir durch Mark und Bein. Ich fing an zu weinen. Das war ein schlimmer Tag in meinem Leben.

Dann machte Cus ein mentales Experiment mit mir.

Ich hörte, wie er sagte: „Hier wohnt ein schwarzer Junge, und er wird Schwergewichtsweltmeister. Er heißt Mike Tyson. Bitte, Muhammad, rede mit ihm. Sag ihm, er soll auf mich hören.“

Cus reichte mir den Hörer.

„Tut mir leid, was mit Ihnen passiert ist“, sagte ich. Ich war ein kleines Arschloch.

„Ich war krank“, erklärte Ali mir. „Ich nahm Medikamente, die mich schwächten, und deshalb konnte Holmes mich schlagen. Ich erhole mich aber und trete erneut gegen ihn an, und dann besiege ich ihn.“

„Machen Sie sich keine Sorgen, Champ“, sagte ich. „Wenn ich groß bin, schlage ich ihn für Sie.“

Viele Leute meinen, Ali sei mein Lieblingsboxer gewesen. Aber in Wahrheit war es Roberto Durán. Ali bewunderte ich, weil er gut aussah und redegewandt war. Und ich war klein und hässlich und hatte eine Sprachstörung. Als ich Durán boxen sah, war er noch ein Straßenjunge. Seinen Gegnern gab er zu verstehen: „Du Dreckskerl, blas mir einen. Nächstes Mal landest du in der verdammten Leichenhalle.“ Nachdem er Leonard in ihrem ersten Kampf geschlagen hatte, begab er sich zu Benitez’ Platz und sagte: „Fuck. Du hast weder den Mumm noch die Eier, mich zu besiegen.“

„Mann, dieser Kerl ist wie ich“, dachte ich. Genau das wollte ich tun. Er schämt sich nicht, dass er so ist, wie er ist. Mit ihm war ich auf einer Wellenlänge. Als meine Karriere in Schwung kam und man anfing, über mich zu reden, wurde ich voller Bewunderung als Wilder gelobt. Ich wusste, wenn man als Tier bezeichnet wurde, war dies das höchste Lob, das man einheimsen konnte.

Als ich wieder in der Stadt war, ging ich in Victor’s Café, weil ich gehört hatte, dort würden Aufnahmen von Durán hängen. Ich setzte mich an einen Einzeltisch, betrachtete Duráns Fotos an der Wand und malte mir meinen Traum aus.

Ich war traurig, als Durán bei dem No-Más-Kampf gegen Leonard aufgab. Cus und ich schauten uns den Fight in Albany an, und ich war so außer mir, dass ich zu heulen anfing. Aber Cus hatte es gewusst.

„Er wird es kein zweites Mal schaffen“, hatte er vorausgesagt.


Als ich in Cus’ Haus zog, war ich bereits fester Bestandteil seiner Pläne. Jeden Tag hatte ich ein hartes Training vor mir. Ich besaß nie das Privileg, Boxen als Sport oder als Freizeitvergnügen zu genießen. Cus war ziemlich extrem, aber ich war es ja auch. Ich wollte damals unbedingt Achilles sein. Ich war der Typ, über den man spottete: „Gib ja dem Nigga kein Seil, sonst will er gleich Cowboy spielen.“ Ich war einer, der keine Hoffnung hatte. Aber wenn man mir auch nur einen Schimmer Hoffnung in Aussicht stellte, dann Gnade dir Gott, denn ich hebe ab.

Gewöhnlich musste Cus die Boxer morgens wecken. Doch zu der Zeit kam ich schon vom Joggen zurück. Cus wollte den Tisch fürs Frühstück decken, aber ich hatte es bereits erledigt. Er wurde wütend. „Wer hat meinen Tisch gedeckt?“, bellte er. Er war bestürzt, dass ich schneller gewesen war als er. Dann machte mir Cus das Frühstück. Er warf eine ganze Packung Speck, ungefähr 20 Scheiben, in die Bratpfanne und briet die Spiegeleier in diesem Fett. Ich trank keinen Kaffee, aber Tee. Jeden Morgen vollzog er dieses Ritual, auch wenn er wütend auf mich war.

Wir beide erkannten, dass wir den Wettlauf mit der Zeit aufgenommen hatten. Cus war in den Siebzigern und kein junger Spund mehr, also bemühte er sich, all sein Wissen in mich hineinzustopfen. Saug den ganzen Scheiß in dich auf. Wenn du es in dich einsaugst, verinnerlichst du es, sofern du kein völliger Idiot bist. Ich wurde immer erfahrener im Boxsport, aber meine Reife, mein Gehirn hielten nicht Schritt mit meinen boxerischen Fähigkeiten. Es war nicht so, als ginge ich zur Schule und würde meinen Charakter formen, um ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. Nein, ich tat es, um Weltmeister im Schwergewichtsboxen zu werden; dessen war sich Cus voll und ganz bewusst.

„Wenn ich nur mehr Zeit mit dir hätte“, sagte er. Doch dann fuhr er fort: „Ich bin jetzt seit 60 Jahren im Kampfsport und habe noch nie jemanden erlebt, der so viel Interesse zeigt wie du. Du redest ununterbrochen übers Boxen.“

Ich war auch extrem. Wenn wir eingeschneit waren, trainierte Cus mich im Haus. Nachts blieb ich stundenlang auf und trainierte Schattenboxen. Mein Leben hing vom Erfolg ab. Würde ich keinen Erfolg haben, wäre ich lediglich ein nutzloses Stück Scheiße. Außerdem tat ich es auch für Cus. Er hatte ein hartes Leben hinter sich, mit vielen Enttäuschungen. Ich war also hier, um das Ego und den Stolz dieses alten Italieners zu verteidigen. Für was zum Teufel hielt ich mich?

Wenn ich nicht beim Training war, sah ich mir mindestens zehn Stunden am Tag alte Boxfilme an, oben in meinem Zimmer, die ganze Nacht hindurch. Das war mein Wochenendvergnügen. Ich drehte die Lautstärke auf, sodass man es im ganzen Haus hörte. Cus kam dann hoch in mein Zimmer und fragte: „Was zum Teufel tust du da?“

„Ich sehe mir Filme an“, erwiderte ich.

„He, du musst jetzt schlafen gehen. Alle wollen jetzt hier schlafen“, sagte er. Dann ging er wieder die Treppe hinunter, und ich hörte ihn murmeln: „Noch nie habe ich so ein Kind erlebt. Schaut sich die ganze Nacht Filme an und weckt damit das ganze verdammte Haus auf.“

Manchmal sahen wir uns die Filme gemeinsam an, und Cus gab mir Tipps, wie ich Dempsey, Jeffries und Louis schlagen könnte.

Ich war so aufs Boxen fixiert, dass ich manchmal sogar mit meinen Boxhandschuhen ins Bett ging. Ich war ein Tier und träumte, dass Mike Tyson ein großer Boxer wäre. Für dieses Ziel opferte ich alles. Keine Frauen, kein Essen. Ich hatte eine Essstörung, bekam regelrechte Fressattacken. Und zudem befand ich mich in der Pubertät. Ich bekam Akne, meine Hormone spielten verrückt, ich wollte ständig Eis essen, aber ich durfte mein Ziel, Weltmeister zu werden, nicht aus den Augen verlieren. Ich redete mit Cus über Mädchen, und er tat das Thema ab, erklärte mir, dass ich alle Frauen der Welt haben würde.

Einmal war ich etwas trübsinnig.

„Cus, werde ich denn nie Spaß mit einem Mädchen haben?“

Cus schickte jemanden los, um etwas zu besorgen. Er kam mit einem dieser Miniatur-Baseballschläger zurück und zeigte ihn mir. „Es werden dich so viele Mädchen umschwärmen, dass du das hier brauchst, um sie abzuwehren.“

Also konzentrierte ich mich auf mein Training und holte mir ab und zu einen runter. Ich stellte mir vor, wenn ich Weltmeister wäre, hätte ich jede Menge Geld und könnte mir so viele Tussis besorgen, wie ich Lust hatte.

Cus hatte einige ungewöhnliche und unorthodoxe Techniken auf Lager. Einige machten sich über seinen Stil lustig, aber nur deshalb, weil sie ihn nicht wirklich begriffen. Sie bezeichneten ihn als Guckguck-Stil. Er war stark auf die Abwehr ausgerichtet. Man hielt beide Fäuste vors Gesicht, immer bereit, zurückzuschlagen. Hände und Ellbogen bewegten sich im selben Rhythmus. Und wenn der Gegner zum Angriff überging, blockte man mit den Fäusten den Schlag ab und konterte mit einem Gegenschlag.

Cus’ Angriff begann mit einer guten Abwehr. Er fand, es sei für seine Boxer von größter Bedeutung, keinen Schlag abzubekommen. Um zu lernen, wie man Fausthieben auswich, verwendete er einen Slipbag, einen Segeltuchsack, der mit Sand gefüllt war und um den ein Seil gewunden war. Man musste ihm ausweichen und vermeiden, dass er einen am Kopf traf. Ich wurde richtig gut darin.

Dann verwendete er etwas, das „The Willie“ genannt wurde, nach dem Boxer Willie Pastrano. Es war eine Segeltuchmatratze in einem Rahmen, auf die ein Oberkörper skizziert war. Der Körper war in verschiedene Zonen aufgeteilt, und jede Zone war mit einer Zahl gekennzeichnet. Die ungeraden Zahlen galten für Schläge mit der linken Hand und die geraden Zahlen für Schläge mit der rechten. Dann spielte Cus eine Kassette ab, auf der er verschiedene Zahlensequenzen aufgenommen hatte. Also hörte man „fünf, vier“ und versetzte dem Körper sofort einen linken Haken und einen rechten Uppercut gegen das Kinn. Die Idee, die dahinterstand, war: Je häufiger man diese Aktionen als Reaktion auf die Zahlen wiederholte, desto instinktiver und roboterhafter würde man sie ausführen und müsste nicht mehr darüber nachdenken. Nach einer Weile würde man die Schläge mit geschlossenen Augen verteilen.

Cus war der Meinung, dass die Boxer deshalb von der Rechten getroffen wurden, weil sie unbeweglich waren und ihre Fäuste zu tief hielten. Also lehrte er mich, eine U-förmige Bewegung einzubauen und die Arme nicht nur auf und ab zu bewegen. Er hielt mich ständig in Bewegung, seitwärts, vorwärts, seitwärts, vorwärts. Cus meinte, man erziele mit den Schlägen die höchste Wirkung, wenn man einen Doppelschlag setzen könne. Je mehr man dies verinnerlichte, desto höher die Chance, dass dies in einem K.o. enden würde.

Auch wenn Cus die Abwehr sehr wichtig fand, wusste er genau, dass defensive Boxer langweilig sein können.

„Boxen ist Unterhaltung. Wenn ein Boxer erfolgreich sein will, darf er nicht nur gewinnen, sondern muss den Sieg auf unterhaltsame Weise erringen. Er muss Schläge mit bösen Absichten verteilen“, pflegte Cus immer zu sagen. Er sah mich als aggressiven Counter-Puncher, der seine Gegner zwang, zuzuschlagen oder zu laufen. Cus versuchte immer, den Kontrahenten im Ring zu manipulieren. Wenn man ständig ihren Schlägen auswich, wurden sie frustriert und verloren ihr Selbstvertrauen. Und dann waren sie fällig. Weich dem Schlag aus und kontere. Beweg dich und schlag gleichzeitig zu. Erzwinge den Ausgang. Er vertrat die Meinung, kurz angesetzte Schläge könnten wirkungsvoller sein als lange.

Cus heuerte die besten Sparringspartner für mich an. Mein Lieblingspartner war Marvin Stinson, ein ehemaliger Olympiasieger. Er war Holmes’ bester Sparringspartner gewesen, und Cus brachte ihn dann mit mir zusammen. Er war ein fantastischer Mentor für mich, instruierte mich über das Geheimnis der Bewegung und das Verteilen von Schlägen.

Als wir mit unserem ersten Training fertig waren, nahm er mich zur Seite und gab mir seine Laufhandschuhe, da es morgens, wenn ich joggte, immer so kalt war. Er hatte bemerkt, dass ich keine besaß.

Meine Sparring-Sessions waren der totale Krieg. Bevor wir gegeneinander antraten, nahm Cus mich zur Seite: „Hör zu, du nimmst das nicht auf die leichte Schulter, du gehst da raus und gibst dein Bestes“, sagte er. „Du machst alles so, wie du es gelernt hast, und das in voller Geschwindigkeit. Ich will, dass du dem Kerl alle Rippen brichst.“

Die Rippen brechen? Beim Sparring? Er wollte, dass ich auf die Kerle, gegen die ich antreten würde, vorbereitet war und wollte sicherlich, dass ich ihnen bei einem echten Kampf die Rippen brach. Wenn Cus einen guten Sparringspartner für mich fand, behandelte er ihn besonders zuvorkommend, da er wusste, dass die Arbeit mit ihnen mir guttun würde. Er bezahlte die Sparringspartner immer sehr großzügig.

Aber das war keine Garantie, dass sie bleiben würden. Häufig kam ein Sparringspartner in Cus’ Haus, mit der Absicht, drei Wochen zu bleiben. Aber dann konnte es passieren, dass wir nach der ersten Trainingseinheit nach Hause gingen und sie sich aus dem Staub gemacht hatten. Manche verdufteten so schnell, weil ich die Scheiße aus ihnen rausgeprügelt hatte, dass sie sich nicht mal die Mühe machten, ihr Gepäck mitzunehmen. Wenn dies geschah, gingen Tom und ich schnurstracks in ihr Zimmer und durchwühlten ihre Kleider, Schuhe und ihren Schmuck. Wenn wir Glück hatten, fanden wir Gras oder zumindest Schuhe, die uns passten.

Manchmal schleppte Cus etablierte Boxer an, die mit mir trainieren sollten. Ich war 16, als er Frank Bruno nach Catskill brachte. Bruno war damals 22. Wir trainierten zwei Runden.

Bevor ich mit einem etablierten Boxer trainierte, nahm Cus diesen zur Seite.

„Hör zu, er ist noch ein Junge, aber mach es ihm nicht zu leicht. Gib dein Bestes“, sagte er ihm.

„Okay, Cus“, erwiderte dieser. „Ich arbeite mit dem Jungen.“

„He, hör mir gut zu. Arbeite nicht mit ihm, sondern gib dein Bestes.“

Wir kämpften, um Menschen zu verletzen, nicht nur, um zu gewinnen. Wir unterhielten uns stundenlang über das Verletzen von Menschen. Das bläute Cus mir ein. „Mike, der Champ wird von dir hören“, sagte Cus zu mir. „Er wird dich beobachten.“ Aber auch die anderen hörten von uns, die Trainer, die Manager, die Promoter und der gesamte Boxbetrieb. Cus war wieder an Bord.

Ich sah mir nicht nur die alten Filme an, sondern verschlang auch alles, was ich über diese großen Boxer in die Finger bekam. Kurz nachdem ich bei Cus eingezogen war, las ich in besagter Box-Enzyklopädie, die er mir gegeben hatte, und fing an zu lachen, als ich las, dass ein Champ seinen Titel nur ein Jahr lang behalten hatte. Cus blickte mich mit seinen alten durchdringenden Augen an und sagte: „Den Meistertitel ein Jahr zu halten, ist mehr wert, als ein Leben lang unbedeutend zu sein.“

Als ich anfing, das Leben der großen alten Boxer zu studieren, erkannte ich viel Ähnlichkeit zu dem, was Cus predigte. Sie waren alle üble Drecksäcke. Dempsey, Mickey, Walker, sogar Joe Louis waren miese Kerle, auch wenn der taffe Louis ein introvertierter Mensch war. Ich richtete mich darauf ab, böse zu sein. Wenn ich zur Schule ging, war ich böse und fauchte jeden an. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich böse sein musste, denn wenn ich versagte, würde Cus mich fallenlassen und ich würde verhungern.

Cus hatte mir ein Buch zum Lesen gegeben, In This Corner. Ich konnte es nicht aus der Hand legen. Ich sah, wie diese Boxer mit ihren Emotionen umgingen, wie sie sich auf die Kämpfe vorbereiteten. Dieses Buch vermittelte mir tiefe Einblicke in die Psychologie des Menschen. Es faszinierte mich, wie hart die Boxer damals gearbeitet hatten, wie hungrig sie waren. Ich las, dass John L. Sullivan trainierte, indem er fünf Meilen joggte und dann diese Strecke zurücklief und 20 Sparringsrunden absolvierte. Ezzard Charles trainierte, indem er nur drei bis vier Meilen pro Tag joggte und sechs Runden boxte. Ich dachte: Verdammt, Sullivan trainierte in den 1880ern härter als der Typ in den 1950ern. Ich fing also an, die zwölf Meilen bis zur Sporthalle zu Fuß zu gehen, absolvierte mein Sparring und ging dann wieder zu Fuß zurück nach Hause. Ich fing an, den Typen der alten Schule nachzueifern, da sie richtig cool waren. Und sie hatten eine lange Karriere hinter sich.

Ich machte Cus verrückt, weil ich ihn ständig nach diesen alten Boxkämpfen ausfragte. Ich weiß, er liebte es, übers Boxen zu reden, aber manchmal übertrieb ich es wohl auch. Ich las alle Bücher übers Boxen, die Cus hatte. Wenn wir also beim Essen saßen, und Cus den anderen Jungs die Boxgeschichte näher brachte und nach einem Namen oder einem Datum suchte, beendete ich den Satz für ihn.

„Dieser Junge weiß alles“, sagte er. „Man könnte meinen, er sei dabei gewesen.“

Ich nahm die Boxgeschichte so ernst, weil ich so viel von den alten Boxern lernte. Was musste ich tun, um so zu sein? Was konnte dieser oder jener Boxer Besonderes? Cus klärte mich darüber auf, wie böse und gemein sie außerhalb des Rings waren. Aber wenn sie im Ring standen, waren sie entspannt und ruhig. Ich war ganz aufgeregt, wenn Cus über diese Jungs redete, und erkannte, dass er sie sehr schätzte. Ich wünschte mir, dass jemand so über mich sprach. Ich wünschte mir so sehr, Teil dieser Welt zu sein, schaute mir die Kämpfe im Fernsehen an und sah, wie die Boxer mit verzerrter Miene ihre Schläge austeilten und dass ihre Körper sehr muskulös waren. Ich wünschte mir, es würde sich um mein Gesicht und meinen muskulösen Körper handeln.

Wir unterhielten uns über die Boxsportgrößen. Ich schwärmte für Jack Johnson. Was für ein mutiger Kerl. Er war tatsächlich der erste Junge, der stolz darauf war, schwarz zu sein. Und ich mochte seine Überheblichkeit. Er wurde um die Jahrhundertwende wegen eines Strafzettels von der Polizei angehalten und sollte zehn Dollar bezahlen. Er gab dem Polizisten 20 Dollar und sagte: „Nehmen Sie das, denn ich werde auf dem Rückweg nochmal hier vorbeikommen.“

Er war ein Meister der Manipulation. Wenn er trainierte, umwickelte er seinen Penis, bevor er seine Boxerhosen anzog, um ihn größer und die Weißen minderwertiger erscheinen zu lassen. Während der Boxkämpfe demütigte er seine Gegner. Er war ein richtiger Maulheld. „Ich gebe dir 10.000 Dollar, wenn es dir gelingt, meine Lippe aufzureißen“, sagte er. Während einer Runde lachte er seinem Kontrahenten ins Gesicht, sprach mit seiner Frau und erklärte ihr, wie sehr er sie liebe, während er dem Kerl, gegen den er antrat, die Seele aus dem Leib prügelte. Gern hätte ich mit ihm herumgehangen. Er beherrschte mehrere Sprachen und feierte mit den königlichen Familien von Russland und England.

Dempsey war der erste Ein-Million-Dollar-Champ. Er führte Showbusiness und Glamour in den Boxsport ein. Ich fühlte mich ihm am meisten verbunden, weil er ein sehr unsicherer Junge war. Er hatte immer Angst, überwand sie aber stets, um sein Ziel zu erreichen.

Cus’ Favorit war Henry Armstrong. Der griff seinen Gegner konstant an und zermürbte ihn. „Konstanter Angriff, keine Unterbrechung“, erklärte Cus mir. „Armstrong bewegt immer seinen Kopf und hat eine gute Abwehr. Brich den Willen des Gegners, zerstöre seinen Kampfgeist, lass all seine verdammten Anstrengungen ins Leere laufen.“

All seine verdammten Anstrengungen ins Leere laufen lassen? Wow! Dann starrte Cus mich an.

„Wenn du auf mich hörst, dann gehörst du bald zu den Göttern. Schau, wie interessiert du bist und wie du über all diese alten Boxer sprichst. Der einzige Grund, weshalb die Menschen von diesen Jungs erfahren, ist der, dass du ihr Andenken lebendig hältst. Du wirst alle diese Boxer überstrahlen. Als Junge habe ich mal Jack Dempsey gesehen. Ich habe diese Boxer kennengelernt und ihnen die Hand geschüttelt. Sie können dir aber nicht das Wasser reichen. Du bist ein Riese, ein Koloss unter den Männern.“

Ich verschlang diesen Scheiß. Aber all das Gerede über Engagement, Disziplin und harte Arbeit reichte nicht aus, mich davon abzuhalten, nach Brooklyn zurückzukehren und wieder zu klauen und Leute auszurauben. Ich spielte ein doppeltes Spiel. In Catskill mimte ich den Chorknaben und in Brooklyn den Teufel.

Dem Himmel sei Dank, dass ich nie festgenommen wurde. Das hätte Cus das Herz gebrochen.


Cus verstand es, mir ein gutes Gefühl zu vermitteln, ein Gefühl, als könnte ich die Welt erobern. Aber er wusste auch, wie er mir das Gefühl vermitteln konnte, ein Stück Scheiße zu sein. Manchmal sagte er zu mir: „Du lässt deinen Verstand die Oberhand gewinnen.“ Das war sein ungeschriebener Geheimkode, um zu sagen: „Du bist ein scheiß Schwächling. Du besitzt nicht genug Disziplin, um einer der Großen zu werden.“ Die großen Boxer konnten den besten Kampf ihres Lebens abliefern, auch wenn gerade ihr Kind entführt oder ihre Mutter umgebracht wurde. Die Großen sind emotional völlig eigenständig. Auch Sänger und Schauspieler sind so, nicht nur die Boxer. Wie ich gelesen habe, waren einige der legendärsten Künstler fähig, eine rekordverdächtige Performance hinzulegen, auch wenn sie high von irgendwas waren. Manchmal konnten sie nicht mal mehr gehen und fuhren direkt von der Bühne in die Klinik, aber sie besaßen extrem viel Disziplin und Entschlossenheit. Ich wollte einer dieser Boxer und Performer werden.

Vom ersten Tag an, als ich bei Cus einzog, fing er an, mich entsprechend zu bearbeiten und zu testen, wie weit er mich ohne ersichtlichen Grund drangsalieren konnte. Zum Beispiel tauchte er in meinem Zimmer auf und fragte: „Was hast du heute in der Schule gemacht? Nun, du musst ja wohl was gemacht haben, denn du warst den ganzen Tag in der Schule. Was hast du gelernt? Wo sind deine Hausaufgaben? Hast du welche auf?“

Die anderen Jungs behaupteten immer, Cus bevorzuge mich, aber sie wussten nicht, wie er mit mir redete, wenn wir allein waren.

Ich hatte immer Gewichtsprobleme. In meiner Vorstellung war ich ein fettes Schwein, auch wenn die anderen bei meinem Anblick nicht auf den Gedanken kamen. Wenn ich trainierte, schmierte ich mir Abolene, ein Mittel zum Fettabbau, auf die Haut und trug ein bis zwei Wochen lang einen Saunaanzug, den ich lediglich abends zum Baden auszog. Damit konnte ich noch ein paar Pfunde zum Schmelzen bringen. Dann ging ich zu Bett. Am nächsten Morgen streifte ich ihn wieder über, ging zum Joggen und trug ihn den ganzen Tag. Mein Gewicht war ebenfalls ein Punkt, der Cus Anlass zum Kritteln gab.

„Dein Arsch wird immer fetter“, sagte er. „Du verlierst wohl das Interesse, oder? Du willst das alles wohl nicht mehr mitmachen, denn es ist zu anstrengend für dich, nicht wahr, Mike? Du hast dir wohl vorgestellt, dass wir hier oben Spielchen machen, oder? Hast gedacht, du bist wieder in Brownsville, rennst herum und treibst deine Spielchen?“ Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich das anhören. Und zwar genau in dem Augenblick, wenn Sie sich ein Eis gönnen, was Sie sich sowieso nur am Wochenende zugestanden, müssten Sie das über sich ergehen lassen. „Nicht viele Kids können das tun, was wir hier machen, deshalb ist es etwas ganz Besonderes. Ich hatte wirklich angenommen, du könntest es“, fuhr er fort.

Teilweise tadelte mich Cus, und ich hatte keinen Schimmer, weshalb. Er nahm mich auseinander und machte mich nieder. „Mit deinem kindischen Getue und Verhalten wirst du nie den Gipfel erreichen, nach dem wir streben.“ Manchmal, wenn Cus mich mal wieder niedergemacht hatte, konnte ich nicht anders als verzweifelt zu schreien: „Ihr könnt mir alle gestohlen bleiben. Aggh!“

Ich konzentrierte mich dann auf die positiven Dinge, die er zu mir sagte, und erklärte ihm: „Ich werde alles daransetzen zu gewinnen. Ich würde mein Leben opfern, um Champion zu werden, das darfst du mir ruhig glauben, Cus.“ Und statt zu erwidern: „Mike, du schaffst es“, musste er mir unbedingt noch einen Seitenhieb versetzen: „Überleg dir genau, worum du bittest, du könntest es bekommen.“

Er krittelte auch an meinen Klamotten herum. An Feiertagen kamen manchmal Gäste, Camilles Schwester oder andere Besucher. Ich schlüpfte in eine hübsche Hose, ein Hemd mit Weste und band mir eine Krawatte um. Ich saß ganz entspannt da, und die Damen bemerkten: „Mike, du siehst gut aus.“ Und dann kam Cus herein.

„Wie bist du denn herausgeputzt? Deine Hose ist so eng, dass sich deine Eier und dein Arsch abzeichnen. Was ist los mit dir?“

Camille wollte mich verteidigen, aber Cus fiel ihr ins Wort.

„Verschone mich mit deiner Meinung. Camil-lee, bitte. Dieser Aufzug ist unmöglich.“

Aber Cus bedachte mich nie mit Schimpfworten wie „Hurensohn“. Er nannte mich lediglich faule Tomate oder Penner. Das hieß in der Boxersprache, dass ich ein schmutziger, versiffter Nigga sei. Ich heulte jedes Mal wie ein Baby. Er wusste, dass ich am Boden zerstört war, wenn er das zu mir sagte.

Ich empfing von ihm so viele unterschiedliche Botschaften, dass ich unsicher wurde, wie er mich in Wirklichkeit als Boxer einschätzte. Einmal, als Tom Patti und ich gerade aus der Sporthalle kamen, verspätete sich Cus einen Moment. Ich schlüpfte auf den Rücksitz und versteckte mich.

„Sag Cus, ich sei zu Fuß heimgegangen. Und wenn er einsteigt, frag ihn bitte, wie er eigentlich zu mir steht.“ Tom war dazu bereit. Dann stieg Cus ein.

„Wo zum Teufel steckt Mike?“, fragte er.

„Ich glaube, er bleibt in der Stadt“, erwiderte Tom.

„Okay, dann fahren wir. Er wird später nachkommen.“ Also fuhren wir los. Ich lag auf dem Rücksitz und flüsterte mit Tom, da Cus halb taub war und schlecht hörte.

„Hör zu, Tom, frag Cus, ob er findet, dass ich harte Schläge verpasse“, sagte ich.

„He, Cus, findest du, dass Mike hart zuschlägt?“, fragte Tom.

„Tut er. Ich will dir mal was sagen: Dieser Junge schlägt so hart zu, dass er eine Ziegelmauer entzweischlagen könnte. Er schlägt nicht nur hart zu, sondern auch effektiv. Er kann sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand den Gegner k.o. schlagen“, sagte Cus.

„Frag Cus, ob er glaubt, ich könne in Zukunft wirklich ein großer Boxer werden“, flüsterte ich.

Tom stellte Cus die Frage.

„Tommy, wenn Mike seine fünf Sinne beisammenhält und sich auf das angestrebte Ziel konzentriert, wird er einer der größten Boxer, wenn nicht gar der größte Boxer in der Geschichte des Boxsports.“

Das hörte ich gerne. Inzwischen waren wir bei Cus’ Haus angelangt. Als wir ausstiegen, entdeckte mich Cus auf dem Rücksitz.

„Du hast gewusst, dass er mit uns fuhr?“, wandte er sich an Tom.

Tom spielte den Unschuldigen.

„Versuch nicht, mich zu verschaukeln. Du hast genau gewusst, dass er hinten auf dem Rücksitz lag. Ihr beide seid wirklich nicht auf den Kopf gefallen, das kann ich euch sagen.“

Cus fand es nicht lustig, aber wir schon.

Das Lustige daran war, dass er seine eigenen Emotionen nicht kontrollieren konnte. Cus war einfach ein total verbitterter Mann, der nach Rache sann. Roy Cohn, Kardinal Spellman, diese Männer verfolgten ihn im Schlaf. J. Edgar Hoover? „Oh, wenn ich ihm nur eine Kugel in den Kopf jagen könnte, denn das verdient er.“ Er faselte ständig davon, wie er jemanden umbringen würde, und dabei waren einige der Kerle bereits tot. Aber er hasste sie abgrundtief.

Als ich einmal etwas Nettes über Larry Holmes sagte, geriet Cus außer sich.

„Was glaubst du denn? Er ist ein Nichts. Man muss diesen Mann demontieren. Es ist unser Ziel, ihn auseinanderzunehmen und ihm die Meisterschaft abzunehmen. Er ist nichts für dich.“

Manchmal brüllte Cus bei einem Fernsehauftritt wie ein Tier. Eigentlich wirkte er nicht wie ein bösartiger alter Mann, doch er war es. Wenn man nicht bereit war, sein Sklave zu sein, hasste er einen abgrundtief. Er war immer auf Konfrontation aus. Den größten Teil des Tages hörte man ihn sagen: „Oh, dieser Hundesohn, oh, ich kann es nicht glauben, dieser Kerl aus, du weißt schon, wen ich meine … Was für ein Dreckskerl!“

Die arme Camille sagte dann: „Cus, beruhige dich. Dein Blutdruck steigt.“

Cus herrschte in dem Haus mit eiserner Faust und beherrschte sogar Camille, obwohl es ihr Haus war. Cus besaß keinen Cent. Er hat sich nie richtig um Geld gekümmert und das meiste einfach weggegeben. Camille wollte das Haus verkaufen, weil es so teuer war, es zu unterhalten, doch Cus überredete sie, es zu behalten. Er wies sie darauf hin, dass er eines Tages einen Stall guter Kämpfer haben und dann alles besser werden würde. Er hatte aber schon fast die Hoffnung verloren, als ich des Weges kam.

Ich glaube nicht, dass Cus damit rechnete, in absehbarer Zeit einen Boxweltmeister präsentieren zu können. Die meisten Boxer, die nach Catskill kamen, waren bereits etablierte, die den Mädchen und den Versuchungen der Stadt entfliehen wollten. Außerdem mochte zu der damaligen Zeit keiner seinen Boxstil. Sie fanden ihn überholt. Dann tauchte ich dort auf, völlig unwissend, jemand, der noch zu formen war. Ich konnte nicht begreifen, warum Cus sich dermaßen über mich freute. Wenn er mich ansah, fing er an, hysterisch zu lachen. Er griff nach dem Hörer und erzählte aller Welt: „Das Wunder ist zum zweiten Mal geschehen. Ich habe einen neuen Champ im Schwergewichtsboxen.“ Dabei hatte ich noch nie einen Amateurkampf ausgetragen. Ich habe keine Ahnung, was ihn bewog, so etwas zu sagen, aber irgendwie scheint er wirklich diesen Weltmeister in mir gesehen zu haben.

Unbestreitbare Wahrheit

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