Читать книгу Die Frau im Mond - Milena Agus - Страница 10
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Zu jener Zeit in der Via Sulis waren Großmutters Nierenkoliken so schlimm geworden, dass man um ihr Leben fürchten musste. Sicherlich lag es an diesem Steinleiden, dass sie auch jetzt kein Kind bekam, da man etwas mehr Geld in der Tasche hatte.
Sie unternahmen Spaziergänge in die Via Manno, um das klaffende Loch in Augenschein zu nehmen, wo sie hofften, bald ein neues Haus errichten zu können. Das war ein Grund mehr, zu sparen. Wenn sie wieder einmal schwanger war, gefiel es Großvater ganz besonders, sich den Krater anzuschauen, den die Bombe hinterlassen hatte, doch jedes Mal führten die vielen Steine in Großmutters Bauch dazu, dass aus der Freude Schmerz wurde und alles voller Blut war.
Bis 1947 dauerte die Hungersnot an. Großmutter erinnerte sich gern, wie glücklich sie war, wenn sie ihr Dorf aufsuchte, von wo sie immer reich beladen zurückkam; ausgelassen sprang sie dann die Treppe hinauf und in die Küche, in der stets Kohlgeruch hing, denn durch den Lichtschacht drang kaum frische Luft herein. Sie legte zwei frisch gebackene civràxiu – sardische Brote – und hausgemachte Nudeln und Käse und Eier und ein Suppenhuhn auf den Marmortisch, bis die herrlichsten Düfte den Kohlgeruch überdeckten und die Nachbarinnen sie hochleben ließen und ihr sagten, wie schön sie sei, weil sie eine gute Frau sei.
In jenen Tagen war sie glücklich, obwohl sie noch immer nicht die Liebe kennengelernt hatte. Sie war glücklich über all die Dinge, die die Welt ihr bot, auch wenn Großvater sie nie anfasste, bis auf jene Male, da sie die Leistungen der casa chiusa erbrachte. Ansonsten schliefen sie an den gegenüberliegenden Rändern des Bettes, jeder darauf bedacht, den anderen nicht zu berühren. Wie bisher sprachen sie nichts, außer:
»Habt eine gute Nacht.«
»Habt ebenfalls eine gute Nacht.«
Die schönsten Momente für Großmutter waren, wenn Großvater sich nach ihren erbrachten Leistungen im Bett eine Pfeife anzündete und sie unschwer an seiner Miene erkennen konnte, wie zufrieden er war. Wenn sie ihn von ihrem Matratzenrand aus betrachtete und lächelte, fragte er: »Lacht Ihr mich aus?«
Aber niemals fügte er etwas hinzu oder zog sie liebevoll an sich, stets wahrte er den üblichen Abstand. Und jedes Mal sagte sich Großmutter dann, wie seltsam es doch mit der Liebe war: Wenn sie sich nicht einstellen wollte, dann kam sie auch nicht im Bett, selbst dann nicht, wenn man noch so freundlich zueinander war und sich Gutes tat; es war wirklich seltsam, dass sich ausgerechnet die wichtigste Sache der Welt nicht herbeizwingen ließ.