Читать книгу Mhou - Miriam C. Förster - Страница 9

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Wie das Sträußchen zu seinem Namen kommt

„Mami, Papi, was machen wir heute Nachmittag?“, fragte der kleine Strauß seine Eltern.

Stella, die Mutter, lächelte. „Du und ich, wir gehen heute zur Kükenärztin.“

„Küken... was?“, stotterte das kleine Sträußchen verwirrt. „Was ist das überhaupt?“

„Kükenärztin heißt es“, wiederholte Aaron, der Vater, geduldig. „Die Kükenärztin versorgt kleine Sträußchen wie dich, wenn es euch nicht gut geht. So etwas nennt man eine Krankheit. Es gibt viele verschiedene Krankheiten.“

„Welche denn?“

„Fieber, Grippe, Ohrenentzündung, Windpocken. Es gibt auch Allergien …“

„Was sind denn Allergien?“

„Allergien, mein Liebes, sind Reaktionen deines Körpers auf etwas, das er nicht gut verträgt. Da kann es dir dann auf einmal nicht mehr so gut gehen. Und damit du dann wieder gesund wirst und dich wohlfühlst, dafür ist die Kükenärztin da. Die Kükenärztin wird dich heute kennenlernen und untersuchen.“

Direkt nach dem Frühstück ging die Mutter mit ihrem Sträußchen los. Die Kükenärztin war sehr nett zu dem Kleinen und bat ihn, sich auf den Untersuchungstisch zu setzen. Dann nahm sie ein Stethoskop und horchte sein Herz ab.

„Hmmmm“, murmelte sie.

„Was machst du denn da?“, fragte das Küken.

„Ich höre dein Herz ab. So kann ich deine Herztöne hören!“ Als sie das Stethoskop wieder wegnahm, sagte sie: „Alles perfekt! Du bist rundum gesund! Und nun zum letzten Test für heute. Sag mal ganz laut: Mhou!“

„Mhou“, sagte das Kleine, „mhou, mhou …“

„Etwas lauter, bitte.“

„Mhouuuuuuuuu“, sagte es ganz lang.

„Nein, ich meine ja nicht nur lang, sondern auch laut!“

„Also gut“, sagte das Küken leise, holte einmal tief Luft und brüllte durch die ganze Praxis: „MHOUUUUUUUU, MHOU MHOUUUUUUUUU!“

„Scht, nicht so laut!“ Die Mutter legte ihm beschwörend den Flügelfinger auf den Schnabel. „Du weckst ja noch die anderen Babys in der Nachbarschaft auf!“

„Aber die Kükenärztin hat doch gesagt, ich soll ganz laut mhou sagen, und das hab ich getan.“

Als die Mutter mit ihrem Küken nach Hause kam, antwortete sie fröhlich: „Heissa, wir haben etwas über unser neues Kind herausgefunden! Erstens: Es hat keine gesundheitlichen Schäden. Zweitens: Es ist ein Junge. Und drittens kann er ganz laut mhouen.“

„Zeig das mal, mein Sohn!“, sagte der Vater.

„MHOUUUUUUU“, schrie er wie in der Kükenarztpraxis, „MHOU MHOUUUUUUU, MHOU MHOUUUUUU!“

Aaron hielt sich die Ohren zu. „Jetzt mach mal langsam. Für ein kleines Söhnchen schreist du schon ganz stark.“

„Und nun, hast du dir auch schon einen Namen für ihn ausgesucht?“, fragte der Vater und sah die Mutter neugierig an.

„Nein, noch nicht“, sagte die Mutter lächelnd, „ich meine ... eigentlich doch! Aber es ist ein Geheimnis. Ich sage es dir erst“, flüsterte sie ihm ins Ohr, „wenn er schläft.“

Das junge Sträußchen hatte natürlich nichts gehört und war ratlos. „Wann erfahre ich denn, wie ich heiße?“, fragte es und machte große Augen.

„Bei deiner Taufe! Die ist gleich morgen“, antworteten die Eltern gleichzeitig.

„Was ist denn eine Taufe?“, fragte der kecke Kleine. „Tut das weh?“

„Aber nein, im Gegenteil! Es ist eine schöne Feier! Da wirst du sehen, wie du wirklich heißen sollst.“

„Das ist aber toll!“, antwortete das kleine Sträußchen. „Aber wieso darf ich mir meinen Namen denn nicht selber aussuchen?“

Doch darauf antwortete die Mutter nur mit einem leisen Lächeln: „Alte Straußentradition!“

Der kleine Strauß war erst einmal sauer, erstens, weil er seinen Namen noch nicht wissen durfte, und zweitens, weil er nicht wusste, was eine Tradition war. Aber er war viel zu sauer, um seine Eltern noch einmal zu fragen.

Erst nach dem Abendessen befragte er seine Mutter dann doch noch einmal: „Du Mami, was macht man bei der Taufe?“

„Bei der Taufe, mein Kleiner, setzen wir dich auf einen kleinen Tisch, der mit einem Kissen ausgepolstert ist. Dann musst du ganz stillhalten, denn dann kommt der Pfarrer herein mit der Schüssel Weihwasser. Das ist eine spezielle Wasserart, die gießt er dir dann vorsichtig auf deine kleinen Stirnlocken.“

„Geht das auch wieder weg?“, fragte er alarmiert. „Ich will nicht, dass da immer etwas an meinen schönen Locken klebt.“

„Weihwasser klebt nicht, mein Sohn“, antwortete die Mutter, „und außerdem haben wir festgestellt, dass du nur leicht wellige Haare bekommen wirst und keine richtigen Locken.“

„Aber woher erfahre ich dann endlich meinen Namen?“, fragte er.

„Den sagt der Pfarrer.“

In der Nacht schlief das Sträußchen zwar unruhig, weil es so gespannt war auf seinen Namen, aber es hatte auch weiterhin Angst um seine Stirnlocken. Als es dann am nächsten Morgen früh aufstehen musste, wollte es sich am liebsten mit dem Hals im Kopfkissen verankern.

„Wieso muss ich schon so früh aufstehen?“, protestierte es verschlafen.

„Wach auf, Kleines, deine Taufe! Wenn du sie verschläfst, dann erfährst du deinen eigenen Namen nicht!“

Die Taufe, die Taufe! Mit einem Mal war der kleine Strauß hellwach. Ohne Widerworte ließ er sich von seiner Mutter in ein weißes Taufkleid stecken. Dabei flüsterte er: „Iiih, warum muss ich denn ein Kleid anziehen?“

„Das ist bei allen Straußen so, auch bei den Jungs.“

Der Straußenknabe starrte genervt Löcher in die Luft. „Hoffentlich halten die mich nicht noch für ein Mädchen! Wenn mein Name doch nur einigermaßen ein Jungenname ist!“

Doch schließlich war es soweit! Die Mutter trug ihn herein. Obwohl er sich bemühte, still da zu sitzen, konnte er es nicht lassen, mit den Armen zu rudern und mit den Füßen zu strampeln.

„Wieso vibrierst du denn so?“, flüsterte die Mutter. „Pass jetzt mal auf, die Taufe fängt gleich an!“

Die Taufe! Bei dem Wort war er wieder ganz angespannt! Gleich würde er seinen richtigen Namen erfahren, der ihn ein Leben lang begleiten sollte!

Die Mutter überreichte das Sträußchen feierlich dem Vater. Dieser setzte es wiederum auf den kleinen Tisch im Raum.

Tatsächlich: Es sah zwar eher wie ein Nachtkästchen aus, aber es war ein kleiner Tisch mit Polsterung.

„Und nun mein lieber Junge“, hallte nach endlos scheinenden Liedern und Segenssprüchen die Stimme des Straußenpfarrers zu ihm. „Ich taufe dich auf den Namen ...“

Jetzt waren alle gespannt, nur die Mutter zwinkerte ihrem Mann leise zu: „Wenn die wüssten! Die halten jetzt ja schon die Luft an!“

„Ich taufe dich auf den Namen ...“

Endloses Warten, endloses Schweigen.

„... MHOU!“

Mhou?

Was soll das heißen? Mhou – wer nannte denn schon sein Küken Mhou?

Einige kicherten, einige flüsterten, doch der frischgetaufte Mhou schrie begeistert durch den ganzen Saal: „MHOUUUUUUUU, MHOU MHOUUUUUUUU!“

Da waren alle der Meinung, dass dieser Name am besten zu dem Kleinen passte.


Mhou

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