Читать книгу Sektion 3 I Hanseapolis - Schlangenfutter - Miriam Pharo - Страница 10
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ОглавлениеDer Tatort befand sich in der verseuchten Zone jenseits des großen Damms. Traurig und wütend zugleich saß Louann in ihrem orangeweißen Schutzanzug zwei Meter von Elias entfernt und starrte auf ihre Füße. Seitdem sie ins MEC eingestiegen waren, hatten beide kein Wort miteinander gesprochen. Auch die zaghaften Versuche des Bordcomputers, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, blieben erfolglos. So wurde es ein kurzer, frostiger Flug direkt ins Grauen hinein!
Der Anblick, der sich ihnen bot, als sie den Tatort betraten, brannte sich für alle Zeiten in Louanns Gehirn ein. Das Opfer hing kopfüber und blutig rot an einem schwarzen, verkrüppelten Ast. Es war nackt. Der Oberkörper war mit Bisswunden übersät, das Fleisch an Armen und Händen hing in Fetzen herunter. Die Finger fehlten ganz. Der Schädel war eine einzige blutige Masse aus Knochensplittern und klebrigem schwarzem Haar.
Louann drehte sich der Magen um: Das Opfer war enthäutet worden! Panisch versuchte sie die Galle, die ihr hochkam, herunter zu schlucken. Jetzt bloß nicht übergeben!Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Sie durfte nicht schon beim ersten Mal zusammenbrechen.
Elias, der einige Meter neben ihr stand, verlor nur kurz die Fassung. „Mein Gott!“, hauchte er entsetzt. „Welches kranke Arschloch macht so was?“ Angeekelt starrte er auf die Leiche.
Gut, dass es nur eine rhetorische Frage war, denn Louann hätte nicht antworten können. Ihr Kopf war wie leergefegt. Die Kollegen der Tatortsicherung waren bereits vor Ort, und als einer von ihnen Elias vertraulich zur Seite nahm, wandte sie sich erleichtert ab. Sie gab vor, nach ihrem Equipment zu suchen. Ihre Hände zitterten. Gerade als sie das flache, handflächengroße CS/X aufklappte, um ihre ersten Eindrücke verbal aufzuzeichnen, kam Elias herüber. Als Senior Detective hatte er im Team das Sagen.
„Hör zu, Marino. Das hier ist eine echte Sauerei! Danny und ich wollen uns das Opfer etwas genauer ansehen. Such du in der Zwischenzeit die Umgebung nach Hinweisen ab.“ Seine Worte waren freundlich gemeint, sein Ton allerdings bar jeder Wärme. Und dieser Blick …
Froh, sich den blutigen Anblick der Leiche ersparen zu können, nickte Louann und suchte nach einer Antwort, doch Elias hatte sich bereits abgewandt.
Über den Nördlichen Distrikten hatte die Sonne geschienen, hier aber hing der Nebel wie ein giftgrüner Schleier über dem Sumpf und verschluckte jegliche Geräusche. Louanns Füße versanken regelrecht im Morast. Die Feuchtigkeit ignorierend, die durch die defekten Protektoren des Schutzanzuges drang, stapfte sie vorsichtig von der Leiche weg. Mit einem flauen Gefühl schaute sie sich um. Die bizarre Landschaft erinnerte an ein Höllengemälde von Hieronymus Bosch. Dornige Büsche sprenkelten den moosbewachsenen Boden; graue Bäume reckten ihre verdorrten Äste flehend gen Himmel. Der giftige Schlamm hatte alles Leben darin erstickt. Leuchtender Mittelpunkt war das blutig rote Pendel am Baum, das früher ein Mensch gewesen war.
Louann lief es eiskalt den Rücken runter. Sie war nicht besonders religiös. Auch wenn sie gern an die Götter geglaubt hätte, die Sache mit dem Himmel und der Hölle war für sie lediglich eine billige Story, ausgedacht von dummen, alten Männern.
Doch in diesem Moment spürte sie, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, die Anwesenheit des Bösen. Ihr Herz jagte. Es gelang ihr nicht, die irrationale Furcht zu vertreiben, mit der sie dieser Anblick erfüllte.
Einige Minuten stand sie wie betäubt da, dann riss sie sich zusammen. „Du Idiotin!“, schimpfte sie leise. „Das alles hier ist von menschlicher Hand inszeniert. Mit übernatürlichen Phänomenen hat das nichts zu tun.“ Sie würden den Typen, der das getan hatte, schon festnageln.
Wir kriegen das Schwein! Davon war sie überzeugt. Idiotin, die sie war!
Langsam, die Augen starr auf den Boden gerichtet, durchmaß sie den Tatort im Umkreis von 50 Metern. Sie fror, die Feuchtigkeit legte sich auf ihr Visier und nagte wie eine üble Krankheit an ihrem Schutzanzug. Den Infrarotscanner an ihrem CS/X hatte sie aktiviert, trotzdem blieb ihre Suche erfolglos. Der Boden war nass und matschig und hatte scheinbar alle Spuren aufgesogen. Nein! Das durfte nicht sein!Sie durfte nicht mit leeren Händen zurückkehren! Also ging sie die Gegend ein weiteres Mal ab und lenkte diesmal ihre Aufmerksamkeit auf den Bereich einen bis eineinhalb Meter über dem Boden. Louann tastete mit dem Infrarotscanner jeden Ast und jeden Strauch einzeln ab. Und tatsächlich, nach kurzer Zeit wurde sie fündig!