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Kaffee

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»Und so übergeben wir seinen Körper der Erde. Asche zu Asche. Staub zu Staub.«

Eine kleine Trauergemeinde hatte sich um ein noch kleineres Grab versammelt. Die Personen, aus denen sie bestand, waren in den letzten Monaten durch die Aufklärung einiger Morde zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt. Pfarrer Jasper Johnson selbst hatte sich dreist in die Ermittlungen der Polizei eingemischt und erfolgreich Mördern nachgespürt. Ebenso die bezaubernde, aber etwas unberechenbare Lucy Parker und Colin Duffot. Colin, der sich selbst vor allem für einen Tanzlehrer hielt, von allen anderen aber als begabter Detektiv eingestuft wurde, war der Dreh- und Angelpunkt dieser kleinen Truppe geworden, nicht zuletzt durch sein Talent, in den Bewegungen eines Menschen zu lesen und auf dessen Charakter und Stimmung Rückschlüsse ziehen zu können. Colin war nicht freiwillig vom Tanzlehrer zum Detektiv mutiert. Seine neuen Freunde hatten ihn mehr oder weniger vor sich her geschubst – bis an den Rand dieses Grabes als Teil einer ungewöhnlichen Trauerfeier.

Jasper, dessen Talar sich im kalten Novemberwind bauschte, sah mit ernstem Blick und gefalteten Händen in die von ihm selbst ausgehobene Grube hinunter, und Lucy, die dicht neben Colin stand, übertraf an diesem kalten Tag alle Anwesenden mit ihrem glamourösen Kostüm aus schwarzem Taft. Niemandem stand die Trauerkleidung besser als ihr. Ihr blondes Haar und ihr Gesicht über dem schwarzen Pelzkragen erschienen Colin an diesem Sonntagnachmittag besonders schön und begehrenswert.

Die wohl traurigste Gestalt aber gab Norma Dooley ab. Die Krankenschwester, deren ungewöhnlich kurz geratene Gestalt gern in allen Farben des Regenbogens erstrahlte, irritierte ihre Umgebung heute durch ein vollkommenes Schwarz vom Scheitel bis zur Sohle. Am offenen Grab ihres treuen Gefährten zerfloss sie in Tränen, und Colin machte sich angesichts der Kälte des Tages bewusst, dass nur Minuten und ein paar von Norma vollgeheulte Taschentücher ihn von einer heißen Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen trennten. Sein schwarzer Anzug war nicht für das Herumstehen an offenen Gräbern gemacht. Der Stoff war dünn und seinen Wintermantel hatte er leichtfertig in Jaspers Wohnzimmer zurückgelassen.

»Louie hat diese Welt verlassen, doch wir bleiben nicht ohne Trost zurück. Wir dürfen jederzeit an sein Grab treten und uns ihm nahe fühlen«, verkündete Jasper gerade feierlich. Norma wimmerte und vergrub ihr Gesicht in einem blütenweißen Stofftaschentuch.

Lucy, die ihr aufmunternd auf die Schulter klopfte, neigte sich Colin zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Jasper macht das wirklich großartig. Sehr ergreifend. Und diese tolle Grabplatte, die er für Louie ausgesucht hat, ist ausgesprochen stilvoll. Ein bisschen zu groß vielleicht. Und auch sehr breit. Aber stilvoll.«

Colin war hocherfreut darüber, dass sie endlich wieder mit ihm sprach. »Dieser Platz ist ja auch als eine Art Familiengrab gedacht«, antwortete er rasch. »Wenn die anderen beiden Spaniels eines Tages folgen, können sie ebenfalls hier beigesetzt werden.«

Mrs Summers, die erst im Mai unfreiwillig das Zeitliche gesegnet hatte, hatte ihre drei Cockerspaniels Hector, Ajax und Attila verwaist zurückgelassen. Jasper hatte sie umgetauft, zwei von ihnen bei seinen Freunden untergebracht und einen bei sich im Pfarrhaus aufgenommen. Nun war Louie, Normas friedlicher Dauergast, ohne Vorwarnung verstorben.

Jaspers Stimme wurde jetzt lauter, und er warf Colin einen strengen Blick zu, woraufhin dieser verstummte und artig weiterfror. Gerade begann er sich zu fragen, ob es wohl unhöflich wäre, die Trauergesellschaft zu verlassen, um seinen Mantel holen zu gehen, da öffnete sich die Terrassentür des Pfarrhauses und Mrs Hobbs, Jaspers Haushälterin, betrat in einem leuchtendroten Arbeitskittel den Garten.

»Sie werden sich da draußen noch alle den Tod holen! Beeilen Sie sich mal, Herr Pfarrer, der Kaffee wird langsam bitter!«

Jasper hob empört die Augenbrauen und rief zurück: »Bitterer Kaffee? Zu einem solchen Anlass? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Dann kochen Sie eben frischen!«

Mrs Hobbs murmelte eine unverständliche Antwort und zog sich wieder ins Pfarrhaus zurück, dessen hell erleuchtete Fenster Wärme und Gemütlichkeit versprachen. Colin sah ihr sehnsüchtig nach, was nicht unbemerkt blieb.

Jasper seufzte. »Gut, machen wir Schluss. Es wird auch schon langsam dunkel. Wenn jeder von euch ein paar Schaufeln Erde hinunterwirft, ist die Arbeit schnell getan«, verkündete er, griff als erster nach der Schaufel und ging mit gutem Beispiel voran.

Als Norma an den Rand der Grube trat, schien der Schmerz sie regelrecht niederzudrücken und ließ die sowieso schon zu kurz geratene Frau noch kleiner wirken. Unter lautem Weinen warf sie ein paar Schaufeln Erde in das klaffende Loch. So elend wie heute hatte Colin sie nie zuvor gesehen. Ihre Trauer schmerzte ihn.

Als Colin von ihr die Schaufel gereicht bekam und er hinabblickte auf den toten Körper, der dort eingewickelt in eine karierte Decke lag, überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl. Eines Tages, und der Tag war möglicherweise nicht so fern, würde es ihn treffen. Dann würde er seinen Huey hier begraben müssen. Noch stand nur Louies Name auf der Sandsteinplatte, die neben dem Grab lag, aber irgendwann, und daran bestand kein Zweifel, würden es drei Namen sein. Und es würde ihm nahe gehen, auch wenn er das vor weniger als einem Jahr noch für unmöglich gehalten hatte.

»Der arme Louie. Schade, dass wir nicht wissen, wie alt er geworden ist. Es steht nur das Todesdatum neben seinem Namen«, sagte Lucy und nahm aus Colins Händen die Schaufel entgegen.

»Ich habe mich überall erkundigt. Die meisten im Dorf sind der Meinung, dass Mrs Summers die Welpen vor mindestens zwölf Jahren gekauft hat. Aber ein genaues Datum wusste leider niemand mehr«, sagte Jasper.

»Er hat jeden Abend auf mich gewartet. Und dann hat er sich bis zur Erschöpfung über mein Kommen gefreut und den Rest des Abends auf meinem Schoß verpennt«, flüsterte Norma.

»Nimm es nicht so schwer, Norma. Louie hatte eine gute Zeit bei dir. Er war bis zu seinem letzten Atemzug ein glücklicher, alter Hund. Und er würde sich wünschen, dass wir jetzt einen Kaffee trinken«, erwiderte Jasper, umfasste Normas Schultern mit den Händen und schob sie unerbittlich auf das Pfarrhaus zu.

Colin und Lucy folgten ihnen, wobei Colin zögernd den Arm um Lucy legte. Sie ließ es sich zu seiner Erleichterung kommentarlos gefallen, und auch das wertete Colin als Fortschritt. Vor einigen Tagen war zwischen ihm und seiner jungen Freundin die Eiszeit ausgebrochen. Gesprochen wurde seitdem nur das Nötigste, gelächelt gar nicht, und zum ersten Mal seit langer Zeit schlief Lucy wieder in ihrer eigenen Wohnung, in ihrem eigenen Bett. Das bedeutete zwar für Colin, dass er endlich mal wieder sein ganzes Bett für sich beanspruchen konnte, zeigte ihm aber auch, wie wütend Lucy auf ihn war. Und auch wenn ihre jeweiligen Zimmer auf demselben Flur von Mrs Greys Obergeschoss lagen, sie also nur durch ein wenig Stein und Mörtel voneinander getrennt waren, kam es ihm vor, als hätte Lucy einen unsichtbaren Graben zwischen sich und ihm gezogen. Erst Louies Begräbnis und die damit verbunden Trauer schien sie wieder milder zu stimmen.

»Das wurde aber auch Zeit! Ich habe ein Feuer im Kamin angemacht. Und ein gedeckter Apfelkuchen steht auf dem Tisch«, verkündete Mrs Hobbs und sah sich Beifall heischend um.

Jasper tat seiner Haushälterin den Gefallen und klatschte in die Hände. »Mrs Hobbs, Sie sind unsere Rettung. Kaffee und Apfelkuchen und ein knisterndes Kaminfeuer sind genau das, was uns vier jetzt vor einer Lungenentzündung bewahren kann.« Er warf ihr einen Handkuss zu, und Mrs Hobbs errötete unter ihren grauen Locken wie ein Schulmädchen.

Lucy kicherte und nahm auf einem Stuhl neben Colin an der Kaffeetafel Platz. Ein weiteres Friedensangebot. Wenn es seinen beiden Freunden jetzt noch gelang, das heikle Thema nicht anzuschneiden, dann konnte es ein gemütliches Beisammensein werden.

»Louie ist tot, und jetzt willst du uns auch noch verlassen, Colin. Das wird der trostloseste November, den ich je erlebt habe«, brach es in diesem Moment aus Norma heraus.

Colin verkniff sich ein Stöhnen und all sein Hoffen war dahin. Jetzt würde Lucys Laune in Sekundenschnelle unter den Gefrierpunkt sinken. Doch Lucy griff unbeeindruckt nach der Zuckerdose und begann, löffelweise Zucker in ihren Kaffee zu schaufeln. Sie warf ihm nicht einmal einen ihrer vorwurfsvollen Blicke zu. So riskierte Colin es, Norma eine beschwichtigende Antwort zu geben.

»Es sind doch nur ein paar Tage. Und ich kann so einen Job nicht einfach ausschlagen. Es ist eigentlich mehr ein Gefallen als ein Job. Und es ist schnell verdientes Geld. Es ist an der Zeit, für ein eigenes Auto zu sparen, wenn ich hier im ländlichen Raum als Tanzlehrer bleiben will. Die Cotswolds sind eben nicht London. Keine U-Bahn bringt mich mal eben ins Nachbardorf.«

»Richtig. Hier steht man aber auch nicht den halben Tag lang im Stau«, sagte Jasper. »Und das liegt unter anderem daran, dass hier bei uns deutlich weniger Autos als in London unterwegs sind. Was ich persönlich sehr schätze. Wozu brauchst du denn plötzlich einen eigenen Wagen, Colin? Mrs Grey leiht dir ihren, wann immer du sie darum bittest, und ich würde dir ebenfalls jederzeit die Dicke Bertha anvertrauen.«

»Ich mein Leben aber nicht der Dicken Bertha.«

Die Dicke Bertha, ein ausrangiertes Armeefahrzeug, das zum Gemeindebus umfunktioniert worden war, war so ziemlich genau die Art von Gefährt, an die Colin bei seinen zukünftigen Fahrten nicht gedacht hatte. Die Dicke Bertha war schlecht gefedert, störrisch und unpraktisch. Colin wollte mit Jasper nicht über diese Zumutung von Fahrzeug diskutieren.

»In allererster Linie tue ich mit diesem Job einem alten Freund und Kollegen einen Gefallen«, fuhr er mit seiner Rechtfertigung fort. »Er hat einen Todesfall in der Familie.«

»Den hab ich auch«, warf Norma ein. »Trotzdem willst du einfach wegfahren.«

»Paddy hat mich gebeten, für ihn einzuspringen. Es wäre nicht nur unkollegial, ihm nicht zu helfen, sondern darüber hinaus auch noch dämlich. Ich war noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff. So eine Gelegenheit ergibt sich nicht alle Tage«, sagte er mit Nachdruck und wagte nicht, Lucy anzusehen.

Paddy Lore, ein langjähriger Freund und Weggefährte Colins, hatte seine Arbeit auf dem Ozeanriesen kurzfristig unterbrechen müssen, um heim nach London zu eilen, wo er die Beerdigung seiner Mutter organisieren musste. Doch die gut betuchten Gäste der Mermaid waren nicht gewillt, für die Dauer einer Atlantiküberquerung auf ihre Tanzstunden zu verzichten. In seiner Not hatte Paddy sich an Colin gewandt, mit dem er in den vergangenen Monaten einen lockeren Kontakt gehalten hatte, und ihn gebeten, ihn für die Dauer einer Überfahrt zu vertreten. Die Aussicht auf acht Seetage an Bord eines luxuriösen Kreuzfahrtschiffes erschien Colin wie ein Freundschaftsdienst, den er Paddy gerne tat.

»Du willst also wirklich nach New York fliegen? Wir können dich nicht umstimmen?«, fragte Norma und nahm sich das zweite Stück Apfelkuchen.

»Er will vor allen Dingen ohne mich nach New York fliegen. Das ist die eigentliche Dreistigkeit«, ließ sich jetzt Lucy vernehmen. Aber ihre Stimme klang dabei nicht ganz so verärgert wie in den letzten Tagen. Im Gegenteil. Sie klang ausgesprochen ruhig. Colin studierte ihr Gesicht und fragte sich, wie lange das gut gehen konnte. Lucy war nicht gerade für ihre Selbstbeherrschung bekannt. Doch sie rührte teilnahmslos in ihrer Kaffeetasse und sah nicht einmal auf. Es schien ihm das erste Mal zu sein, dass sie bei dem Wort »New York« keinen Wutanfall bekommen hatte.

»Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen. Ich bekomme den Flug bezahlt, weil ich auf der Mermaid arbeiten werde. Würden wir einen Flug nach New York für dich aus eigener Tasche zahlen, liebe Lucy, und dazu noch die Rückreise nach Southampton auf dem Luxusliner, dann würden wir beide Weihnachten von Katzenfutter leben müssen, denn so eine Reise ist für uns einfach nicht erschwinglich.«

»Stattdessen gedenkst du, acht Tage auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen, Cocktails zu schlürfen und mit reichen Erbinnen zu flirten, während ich hier an Jaspers Ofen hocke und sehnsüchtig in die Ferne starre«, stellte Lucy fest. In ihrer Kaffeetasse bildete sich ein Strudel. Ihr Rühren legte an Tempo zu. Colin bemerkte zudem, dass der spitze Unterton, den er seit Tagen ertrug, jetzt in ihre Stimme zurückgekehrt war.

»Ich bin dort auf dem Schiff, um zu arbeiten«, beeilte er sich zu versichern. »Ich habe keine Zeit für Cocktails. Die Mermaid bietet ihren Gästen ein ansprechendes Bordprogramm. Ich werde den lieben langen Tag unterrichten und abends Tanzshows zur Unterhaltung der Gäste geben. Vermutlich komme ich so gut wie nie an Deck!«

»Tanzshows. Was für ein passendes Stichwort. Wie heißt die Dame noch gleich, die dich auf dem Luxusliner erwartet? Daphne?« Lucy erdolchte eine Rosine, die sich leichtsinnig aus ihrem Apfelkuchen auf den Teller gestürzt hatte.

Colin wusste, dass nichts, was er jetzt sagte, sie noch besänftigen konnte. Er versuchte es trotzdem. »Für Kreuzfahrtschiffe bucht man bevorzugt Tanzlehrerpaare für den Unterricht, so hat man gleichzeitig auch ein Showprogramm. Daphne ist die Partnerin von Paddy, ich kenne sie gar nicht. Aber wir werden ganz professionell zusammenarbeiten. Und darüber hinaus wird sich nichts abspielen.«

»Hoffentlich weiß Daphne das auch«, gab Lucy zurück. Die Rosine hatte sich ihr kampflos ergeben. Colin warf Jasper einen hilfesuchenden Blick zu, doch sein Freund dachte gar nicht daran, das Thema zu wechseln.

»Ich bin mir sicher, dass man dich ab und zu aus dem Tanzstudio herauslassen wird«, sagte Jasper. »Aber das Interessanteste an Deck werden vermutlich trotzdem die reichen Erbinnen sein. Wie du schon so treffend bemerktest, viele unterhaltsame Zwischenstopps kann man bei einer Atlantiküberquerung nicht einlegen.«

Lucy knirschte bei Jaspers Worten hörbar mit den Zähnen und Colin warf seinem Freund einen finsteren Blick zu. Er wandte sich wieder an Lucy, als er antwortete: »Acht Tage. Es muss doch möglich sein, dir und diesem Dorf acht Tage lang den Rücken zu kehren, ohne deshalb zur Strafe zerfleischt zu werden. Daphne ist sicher ein liebes Mädchen, das vermutlich einen festen Freund auf dem Festland hat. Und die reichen Erbinnen werden ihr Augenmerk eher auf reiche Erben richten als auf den Tanzlehrer.«

Es war Norma, die Colin einen verbalen Rettungsring zuwarf. »New York im November. Ob die wohl schon auf Weihnachten eingestellt sind?«, überlegte sie laut und griff nach dem dritten Stück Apfelkuchen. Ihre Trauer schien sie hungrig zu machen.

»Ich weiß es nicht, aber wenn ich die Zeit haben sollte, es herauszufinden, bringe ich dir von dort etwas Nettes mit«, gab Colin zurück und stopfte sich ebenfalls ein großes Stück Kuchen in die Backen. Vielleicht würde jemand ein ganz neues Thema anschneiden, wenn er ihnen mit vollem Mund nicht mehr Rede und Antwort stehen konnte.

Normas Gedanken verweilten jedoch beim vorweihnachtlichen New York. »Ich hätte gern ein leuchtendes Rentiergeweih auf einem Haarreif oder Elfenohren. Die kann ich im diesjährigen Krippenspiel benutzen.«

»An der Krippe stand aber gar kein Elf, Norma. Und das Rentier war ein Esel«, korrigierte Jasper sie nachsichtig.

»Sei doch nicht immer so langweilig. Das gäbe deinem Krippenspiel neuen Schwung. Darf ich dir ein Drehbuch schreiben?«, schlug Norma vor.

Jetzt war es Jasper, der rasch das Thema wechseln wollte. Und schon waren sie wieder bei Colins Kreuzfahrt angelangt. »Das ist bestimmt die langweiligste Strecke, die man sich für eine Kreuzfahrt aussuchen kann. Genau genommen ist es überhaupt keine Kreuzfahrt. Es geht stur geradeaus über das Wasser. Kein Wunder, dass sie dafür Tanzlehrer an Bord brauchen. Die Leute wollen ja nicht tagelang aufs Meer hinausstarren und nichts sehen außer Wasser. Ist diese Kreuzfahrtroute wenigstens billiger als andere?«

»Nicht billig genug, sagt ein gewisser Tanzlehrer«, antwortete Lucy. »Nicht so billig, dass ein gewisser Tanzlehrer seine Freundin Lucy mitnehmen könnte.«

Colin spürte, wie sein Geduldsfaden porös wurde. »Ich arbeite dort! Die anderen sitzen an der Bar und baden im Pool! Die anderen haben Urlaub! Nicht ich! Wie oft muss ich das denn noch sagen, bis es endlich einmal bei euch ankommt?«

»Wir sind trotzdem neidisch, mein Guter«, sagte Jasper. »Obwohl auf einem Kreuzfahrtschiff oft genug eine Krankenschwester oder ein Seelsorger benötigt wird, haben weder Norma noch ich je so einen Job angeboten bekommen. Ich wünschte, ich könnte dabei sein. Es wird eine tolle Erfahrung, über den Ozean zu schippern. Weißt du, ob du zur Seekrankheit neigst?«

»Ich hatte keine Gelegenheit, das in London zu testen.«

»Hoffentlich nicht. Ein blassgrüner Tanzlehrer, der sich an die Reling klammert, ist sicher nicht das, was die Passagiere erwarten. Und dann könntest du auch das tolle Essen nicht wirklich genießen. Du musst uns alles haarklein erzählen, wenn du wiederkommst«, sagte Jasper.

»Er nimmt meinen Laptop mit und wird euch täglich über Skype auf dem Laufenden halten«, sagte Lucy bestimmt und wirkte schon wieder etwas ruhiger als nur wenige Augenblicke zuvor.

»Ich nehme den Laptop mit?«, fragte Colin überrascht. »Na, gut. Hoffentlich ist das Kabel lang genug für eine Atlantiküberquerung.«

Lucy tippte sich demonstrativ an die Schläfe. »Internet gibt es auch auf einem Kreuzfahrtschiff. Es kann also nicht so schwer für dich werden, dich regelmäßig bei Jasper und Norma zu melden.«

»Und bei dir soll ich mich nicht melden?«, fragte Colin.

Lucy blinzelte kurz und antwortete dann hastig: »Doch, doch. Bei mir natürlich auch. Komische Frage. Ist nur etwas schwieriger, wenn du meinen Laptop mitnimmst, nicht wahr? Aber wir werden uns schon finden.«

Ihr Tonfall ließ Colin stutzen. Er warf ihr einen prüfenden Blick zu, dem sie mühelos standhielt. Sicherheitshalber nahm er daraufhin Jasper und Norma ins Visier. Jasper schien sich ein Lachen verkneifen zu müssen. Norma trank hastig aus ihrer Tasse und verschluckte sich dabei. Colin hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie alle ihm etwas verheimlichten, und wollte gerade nachbohren, als Norma ihren Hustenanfall überwand und sagte:

»Ich vermisse Louie jetzt schon. Wie soll ich die einsamen Abende überstehen? Ohne sein Hecheln und Schnaufen ist es so leise im Haus. Ich denke, ich werde anfangen müssen, Selbstgespräche zu führen.«

Jasper tätschelte ihr tröstend den Handrücken und Colin schlug vor: »Du kannst dir jederzeit meinen Huey ausleihen. Lucy wird sich freuen, wenn sie in meiner Abwesenheit nicht rund um die Uhr den Hundesitter spielen muss.«

Zu Colins Verwunderung stürzte sich Norma erneut auf ihre Kaffeetasse und verschluckte sich zum zweiten Mal. Jasper brach dass Tätscheln ihrer Hand ab und klopfte ihr stattdessen auf den Rücken. Da ging Normas Husten plötzlich nahtlos in albernes Gekicher über. Ratlos sah Colin zwischen seinen Freunden hin und her und fing schließlich Jaspers Blick auf.

Der zuckte die Achseln und sagte schlicht: »Nervenzusammenbruch. Das wird schon wieder. Wann geht noch gleich dein Flug?«

Der Drink des Mörders

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