Читать книгу Luzy Bloom: Ab heute will ich S...x - Sabine Howe, Mizzi Malone - Страница 8

Kapitel 4

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Teile deine erotischen Fantasien mit den Bäumen

Eigentlich könnte ich wieder aufhören zu joggen, denn durch meinen Dating-Plan bin ich über die schlimmste Trauerphase wegen David-Alexander hinweg. Seit drei Tagen verbiete ich mir auch die bildliche Vorstellung davon, wie er mit seiner neuen Flamme alle möglichen erotischen Ideen umsetzt. Wie sie hechelnd im Kino übereinander herfallen, wie er sie an die Bettpfosten fesselt und hart nimmt, wie sie ihm in seinem neuen Büro unter dem Schreibtisch einen bläst, wie … Na ja, das Übliche eben, was man sich vorstellt, wenn man zwar einerseits mangels Erfahrung über eine begrenzte Phantasie verfügt, sich aber andererseits selbst unbedingt quälen will.

Zurück zum Joggen: Der Schmerz ist unter Kontrolle, und die Salsa-Stunde habe ich auch konditionell mit Bravour gemeistert. Ich könnte es also aufgeben. Aber irgendwie habe ich mich daran gewöhnt, morgens vor dem Frühstück eine halbe Stunde durch das nahe gelegene Naturschutzgebiet zu traben, danach wieder in meinen Mini zu steigen, mir um die Ecke meiner Wohnung beim süßen Gary meinen Hafer-Latte zu holen und mich dann nach einer Dusche an den Schreibtisch zu setzen und mir Glückskeks-Sprüche einfallen zu lassen. Die sind übrigens in den letzten Monaten deutlich negativer ausgefallen als in den Jahren zuvor. Nach „Mische dein Gift mit Sorgfalt“ und „Mach kaputt, was dich kaputtmacht“ rief mein Chef mich an.

„Ich kann ja verstehen, dass du schlecht drauf bist, Luzy, aber ‚Mord ist keine Lösung‘ geht einfach nicht.“

Wo er recht hatte, hatte er recht – also habe ich die Arbeit einer ganzen Woche vernichtet und mich wieder den hoffnungsvollen Seiten des Lebens zugewandt. „Findet mich das Glück?“ oder „Wo wartet mein Traumprinz?“

Bevor ich diese Serie meinem Chef geschickt habe, musste ich einsehen, dass sie vor Selbstmitleid nur so troff – also habe ich die Reißleine gezogen beziehungsweise ‚Delete‘ gedrückt. Danach ging es bergauf, mit meinen Sprüchen und meiner Zuversicht.

„Befreie dich von deinen Fesseln“, „Trau dich aus deinem Schneckenhaus“, „Sei offen für neue Erfahrungen“ – wahrscheinlich hat dieser Prozess wie eine Art Selbsttherapie gewirkt, auf jeden Fall hat er mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Glückskeks-Sprüche zu erfinden ist übrigens nicht meine einzige Einnahmequelle. Ich schreibe auch das Wochenhoroskop für eine Frauenzeitschrift. Und ab und zu verschafft mir Dina in ihrer Werbeagentur einen Job als Texterin. Aber mir verträumte Sprüche einfallen zu lassen und mir dabei vorzustellen, wie irgendjemand auf der Welt einen Glückskeks öffnet und mein kleiner Satz ihn oder sie zum Lächeln bringt, macht mir am meisten Spaß. Meine Freundinnen finden meinen Job cool.

„So würde ich auch gern mein Geld verdienen“, sagt Dina, die allerdings in ihrer Werbeagentur viel besser bezahlt wird. Unsere gemeinsame Freundin Elisa, die Pragmatikerin von uns, seufzt.

„Wenn es doch in meinem Job auch so einfach wäre, andere happy zu machen.“

Und die Vierte in unserem Bunde, Carmen – ehemals Carlos – findet: „Du bist selber ein Glückskeks!“

Meine Eltern sind allerdings der Meinung, dass ich unter meinen Möglichkeiten geblieben sei.

„Ist das nicht schrecklich anspruchslos? Warum wechselst du nicht in den Journalismus?“ Typisch meine Mutter.

„Willst du nicht wenigstens einen Roman schreiben?“, fragt mein Vater gern.

Aber mein älterer Bruder Vincent, der als Performance-Künstler in Paris mit anderen Künstlern irgendwelche Schrei-Videos produziert, ist der Meinung, dass Arbeit den Menschen glücklich machen soll und in der Welt etwas bewirken muss.

„Ist doch toll – irgendjemand steht vielleicht morgens auf, hat wieder einen total langweiligen Tag in seinem Bullshitbüro mit seinem Bullshitjob vor sich, überlegt schon auf dem Bahnsteig, ob er sich heute oder doch erst morgen vor die Bahn werfen soll, geht zufällig an diesem Mittag mit seinen Bullshitkollegen in ein Bullshitchinarestaurant, und noch bevor Nummer 114 auf der Karte ihm ein wenig Linderung in seinem Bullshitleben verschafft, liest er: ‚Es gibt einen Weg aus diesem Bullshitleben‘. Das kann alles verändern.“

Ich liebe dich, Vincent.

Gut, ganz so einflussreich bin ich wahrscheinlich nicht, aber ich mache mit meinen Glückskeks-Verheißungen auf jeden Fall niemanden unglücklich, und ich schade auch keinem.

Zurück zum Thema Joggen. Ich werde es vorerst nicht aufgeben, weil ich mich, wie gesagt, daran gewöhnt habe und weil ich mich für meine Abenteuerreise in Schuss halten will. Der kleine Schock neulich in der Umkleidekabine hat mir unmissverständlich klargemacht, dass man spätestens ab Mitte 30 anfangen muss, mehr für sich zu tun. Das heißt auch: Der abendliche Becher Schokoladeneis beim Binge-Watchen, wofür ich ja hoffentlich ab jetzt eh keine Zeit mehr haben werde, ist tabu, ebenso der Pizzaservice. Wobei, einer der Boten, der wohl Italiener ist – wieder so ein süßer Akzent – kommt immer total flirtiv rüber.

„Bella, ich habe halbe Stunde, willst du wirklich Pizza essen oder lieber mich vernaschen?“

Ich weiß zwar nicht, wie er heißt, aber ich könnte es im Rahmen meines Experiments mal drauf ankommen lassen. Dadurch würde ich mir nebenbei die eine oder andere Pizza Hawaii in die Wohnung schummeln. Gute Idee!

Neuerdings ziehe ich zum Joggen jeden Tag mein neues Sportoutfit an, denn es ist Sommer und ich finde mich damit eindeutig anziehender als mit langen Leggings. Ich fahre mit meinem Mini etwa zehn Minuten zu dem Naturschutzgebiet. Erst geht es durch die Straße, in der ich wohne. Hier mischen sich sämtliche Baustile der Jahrzehnte nach 1900 – ich selbst wohne in einem modernen Neubau mit Holzfußboden, offener Küche, einem schicken, schwarz gefliesten Bad und viel Glas. Je näher man dem Naturschutzgebiet kommt, umso edler werden die Immobilien. Am Ende stehen einzelne Villen mit großen, prächtigen Gärten, in denen wahrscheinlich große, prächtige Gärtner arbeiten. Danach geht es rechts in einen schmalen Feldweg, wo ich in einer Allee mit wunderschönen Platanen parke. Ich klemme mein Handy an meinen Oberarmhalter, stecke meine Airpods in die Ohren, mache „The Weekend“ an – wobei ich am Anfang „Blinding Lights“ fünfmal und am Ende meiner Runde noch dreimal höre – und dann geht’s los. Nicht allzu schnell, zunächst vorbei an einer Wiese voller Wildblumen, die gerade anfangen zu blühen, dann durch ein längeres schattiges Waldstück aus Eichen und Kastanien, einen Hügel hinauf, auf dem ein kleiner Holzunterstand steht. Dort hängen immer ein, zwei Zettel mit Telefonnummern.

„Gay? Lust auf einen Fick? Ruf mich an!“ oder „Schwul und geil? Wähle diese Nummer!“

Ich frage mich, woran das liegt, dass schwule Männer so offensiv mit ihrer Sexualität umgehen. Ist es das Testosteron? Halten sich heterosexuelle Männer nur wegen uns Frauen zurück? Sind sie eigentlich wilde Tiere, die über die Jahrhunderte gezähmt wurden? Ich nehme mir vor, demnächst meinen Bruder Vincent dazu zu befragen. Der ist schwul und kennt sich aus. Jedenfalls ist das Naturschutzgebiet offenbar ein schwuler Sex-Treffpunkt, aber ich muss sagen: Die Jungs sind wirklich diskret. Ich habe bisher noch kein Pärchen gesehen, geschweige denn irgendwelche erotischen Aktionen zwischen den Bäumen beobachtet. Oder stammen die Aufrufe von Verzweifelten, die alles dafür tun, um endlich mal einen ab- beziehungsweise reinzukriegen? Sorry, der musste sein …

Die nächsten 200 Meter hasse ich mich für meine Überheblichkeit. ‚Du bist doch keinen Deut besser, Luzy. Du willst doch neuerdings auch nur Sex. Und wenn du dir noch so sehr einredest, das alles im Rahmen einer persönlichen Sozialstudie zu unternehmen. Am Ende geht’s dir doch auch nur um das Eine.’ Nach 200 Metern sage ich mir: ‚Ja, stimmt. Ich will Sex. Na und?‘

Hinter dem Hügel führt ein Weg nach links durch ein Mohnfeld – wenn ich den wähle, bin ich nach rund dreißig Minuten wieder bei meinem Auto. Biege ich nach rechts ab, bin ich zwanzig Minuten länger unterwegs, und die Strecke führt an einem kleinen See vorbei, an dessen Ufer eine uralte Trauerweide steht, die ich im Rahmen der David-Alexander-Verarbeitungswochen sehr in mein Herz geschlossen habe. Immer, wenn mich die Verzweiflung zu überwältigen drohte, habe ich mich an ihren kräftigen Stamm gelehnt und mich von ihrer rauen Schale trösten lassen, während ihre langen Weiden meine Arme gestreichelt haben.

Heute bin ich fit und übermotiviert, also entscheide ich mich für die längere Strecke. Ich wechsle die Musik zu meiner melancholischen Playlist – „Love Hurts“ – und schwöre mir, dass ich sie heute aus rein sentimentalen Gründen zum letzten Mal hören werde. Zum Abschluss, sozusagen. Als ich den See mit meiner Trauerweide erreiche, läuft gerade „Everybody Hurts“ von R.E.M. Bei diesem Song könnte ich immer heulen, ganz gleich, ob ich Liebeskummer habe oder nicht. Aber heute zwinge ich mich dazu, an Ramon zu denken, und statt Tränen des Selbstmitleids durchfahren mich hitzige Schauer. Ich schalte die Musik ab, stöpsele meine Airpods aus, lehne mich an meine vertraute Trauerweide und umarme ihren Stamm. Ich drücke meine Wange gegen die Rinde, schließe die Augen und denke an alles, was vor mir liegt – und manches, was hinter mir liegt. Stichwort Ramon. Dabei atme ich tief ein und aus. So stehe ich etwa fünf Minuten lang, als eine sehr ruhige und tiefe Stimme neben mir raunt:

„Darf ich mitmachen?“

Ich öffne die Augen und blicke in ein Paar warme braune Augen, die von dichten Wimpern umrandet werden. Darunter ein voller, sanfter Mund.

„Klar“, sage ich, nicht sonderlich überrascht.

Der Fremde lehnt sich an die gegenüberliegende Seite des Stammes und breitet seine Arme ebenso aus wie ich. Unsere Fingerspitzen berühren sich. So stehen wir eine Weile lang da, ohne etwas zu sagen, als ich plötzlich bemerke, wie seine Energie meinen Körper erreicht. Es fühlt sich aufregend an, und während ich noch überlege, wie es wohl wäre, hier und jetzt mit diesem Mann, dessen Namen ich nicht einmal kenne, Sex zu haben, spüre ich seine linke Hand über meine rechte gleiten. Sie fühlt sich warm und trocken an. Ich bin völlig entspannt, als er mich entschlossen, aber ohne ein Wort auf seine Seite der Trauerweide zieht. Ich lasse es geschehen. Erregung breitet sich in mir aus, mein Atem geht schneller, mein Puls hämmert. Er greift meine Schultern, drückt mich gegen den Stamm, und sein sinnlicher Mund drängt sich auf meinen. Ich öffne die Lippen, und unsere Zungen umspielen sich – da ist keine Zurückhaltung, keinerlei Zögern. Ich will mich an ihn drücken, seine Erektion spüren, aber er umfasst meine Handgelenke mit hartem Griff und dreht mich um, sodass ich mich statt an ihn an die Weide dränge. Seine Hände gleiten langsam unter mein T-Shirt, weiter unter meinen Sport-BH. Er umfasst meine Brüste von hinten, drückt meine Nippel, bis sie sich steif aufrichten, und atmet in meinen Nacken. Mein Körper lädt sich mit seiner Energie auf.

Ein Beben durchläuft mich, und mein erogenes Zentrum stellt sich auf empfangsbereit. Es ist, als würde er eine direkte Leitung zwischen meine Beine legen. Ich spüre, wie ich feucht werde und schiebe meinen Hintern in seine Richtung. Er lässt von meinen Brüsten ab und knetet mit einer Hand meine Rückseite. Mit der anderen entblößt er seinen erigierten Schwanz. Dann schiebt er meine Joggingpants herunter, spreizt mit beiden Händen entschlossen meine Schenkel, hebt mich an der Taille hoch, zieht mich ein bisschen zurück und setzt mich auf seinen steifen Penis. Ich halte mich an der Weide fest, während er mich hoch und runter schiebt. Sein Griff ist entschlossen und hart, sein Penis groß und fordernd. Ich kann mich in dieser Position nicht selbst bewegen, meine Hände schmerzen an der rauen Rinde der Weide, aber ich fühle mich ihm aufregend ausgeliefert. Er löst eine Hand und schiebt sie mir von vorn zwischen meine Beine. Er umspielt meine Klit und stößt heftiger zu. Ich fühle seinen pulsierenden, heißen Schwanz in meine Möse drängen und will ihn tiefer, fester. Er scheint das zu spüren, dringt noch weiter in mich ein. Sein Atem geht schneller, mein Atem geht schneller – er stöhnt, ich stöhne. Ich pendele zwischen leichtem Schmerz und lustvoller Hingabe. Ich will, dass er mich ‚nimmt’, ich will, dass er sich an mir erregt. Ich will, dass er in mir kommt, und ich will mit ihm zusammen kommen. Er wird immer heftiger, bewegt mich wie eine Puppe auf und ab, und ich spüre, wie er pumpt und pumpt und pumpt … und zwischen meinen Schenkeln zündet das Feuerwerk.

Er hebt mich von sich herunter, stellt mich auf den Boden, und ich bleibe atemlos an die Weide gelehnt stehen, mit dem Rücken zu ihm. Ich höre, wie er sich hinter mir wieder ankleidet.

„Das war geil“, sagt er. „Vielleicht bis zum nächsten Mal.“

Ich sage nichts, und er verschwindet ebenso plötzlich, wie er aufgetaucht ist. Noch eine Weile stehe ich an meine Weide gelehnt, halbnackt, aber das ist mir egal. Dann frage ich meinen Baum:

„Hab ich das jetzt nur geträumt?“

Ein Luftzug durchstreift die Weide, und ihre Äste hauchen mir zu:

„Was macht das für einen Unterschied?“

Luzy Bloom: Ab heute will ich S...x

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