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Kapitel 2: Herkulesaufgaben

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Schon mal was von „Herkules“ gehört?

Sicher, werdet ihr sagen, oh meine Schwestern und Brüder, den kennt doch jeder:

 „Herkules“, den alten Langeweiler aus der griechischen Antike, der nur noch us-amerikanische Filmproduzenten hinter dem Ofen hervorlockt und im Gegensatz zu „Conan“, dem Barbaren, in der deutschen Synchronfassung, einwandfreies Deutsch spricht. Aber das kann man von so einem Barbaren ja wirklich nicht verlangen.

 Herkules, dem Sklaven und Chefkoch von George Washington.

 Hercule Poirot, den belgischen Privatdetektiven, kennt man/frau vielleicht auch noch und

 natürlich, wie eh schon erwähnt den Film aus Hollywood, der zum Schulbeginn bei uns im Kino läuft.

Es geht also immer um einen superschlauen Muskelprotz, der alle irgendwie raushaut, wenn es brennt.

Soweit alles klar im Hinterstübchen? Kann euer IQ meinen Gehirnergüssen folgen?

Nein? Na ja, man/frau kann ja nicht alles wissen, aber tröstet euch, mir ist zunächst auch noch überhaupt nichts klar an dieser Herkulesgeschichte und gar völlig unklar ist mir, wieso überhaupt einer in diesen US-Film reingeht und auch noch dafür bezahlt.

Okay, kleine Kinder kann man/frau mit so einem Kitsch im fernen Amerika vielleicht noch beeindrucken, aber nicht eine erwachsene österreichische Frau wie mich, das versteht ihr doch, oh meine Schwestern und Brüder?

Na gut, kommen wir zur Sache. Ich habe heute gleich mal außerordentlich schlecht geschlafen und so einen furchtbaren Unsinn von irgendwelchen Polizeisirenen und Schießereien geträumt, dass ich am liebsten gleich die Schule schwänzen wurde, um auf andere Gedanken zu kommen.

Leider ist Mom die Schulinspektorin für den Bezirk und Dad der Kriminalkommissar vom Dienst und so werde ich in Handschellen gelegt und zur Schule abgeführt. Ein kräftiger Klaps aufs Hinterteil bringt meinen Kreislauf etwas in Schwung, aber nur etwas, versteht sich.

Einem guten Vormittagsnickerchen am zweiten Schultag steht also nichts im Wege, heute spielt sich sowieso noch nichts Wesentliches in der Penne ab.

Der Tag ist noch jung, da kommen die ersten spannenden Nachrichten via WhatsApp an.

Schon in der vorvergangenen Nacht hat irgendein armer Irrer einen Lastwagen in den Strassengraben gesetzt und ist, wieso auch immer, zum Teufel gegangen. Der Lenker wird in der Zwischenzeit per Haftbefehl gesucht, weil es sich bei der Ladung um einen illegalen Transport von exotischen Tieren gehandelt hat.

Soweit so ungut. So etwas gibt es heutzutage leider oft.

Obacht, oh meine Schwestern und Brüder: bei der heißen Fracht handelte es sich nicht nur um die üblichen Taranteln, Riesenschlangen und Kaimane, die die Feuerwehr und die Mitarbeiter des Tierschutzhauses inzwischen schon wieder eingefangen haben, nein es soll sich um einen oder mehrere Löwen gehandelt haben.

Löwen. Ja, ihr habt richtig gelesen, oh meine Schwestern und Brüder.

„Panthera leo“, wie der alte Lateiner, oder die alte Schachtel von einer Zoologielehrerin, sagen würde, um sich mit ihren paar Wörtern Latein wichtig zu machen.

Gegen Mittag tauchen Feuerwehrmänner im Gymnasium auf und bitten die Direktion doch ein paar Freiwillige abzustellen, die an der fieberhaften Suche nach den Großkatzen mithelfen sollen.

Sofort melden sich über hundert Freiwillige, ich gehöre natürlich auch zu den Wagemutigen, die mit einem Stock bewaffnet durch den Wald schleichen, um der sagenumwobenen Großkatze nachzustellen, die sich hier angeblich versteckt halten soll.

Wie immer finden die Abenteuer wo anders statt und nicht in einem hinterwäldlerischen Nest wie unserem.

Bei Einbruch der Dunkelheit wird die Löwentreibjagd ergebnislos abgebrochen, ich habe schon etwas früher das Weite gesucht, um rechtzeitig ins Kino zu kommen und den „Herkules“ und „Den letzten der Ungerechten“ zu starten. Dieser ‚Ungerechte‘ ist eindeutig der beeindruckendere Zeitgenosse, als der dickleibige Herkules, obwohl auch der „letzte Ungerechte“ eine echte Herkulesaufgabe gegen Eichmann zu stemmen hatte. Der kalte Schauer läuft mir über den Rücken bei diesem Film und zur Pause schleiche ich mich mit dem Vorwand aus dem Kinosaal, die zweite Vorstellung im Kino 1 starten zu müssen, in Wirklichkeit hat mich das Grauen bis in die Knochen gepackt.

Na ja, gewisse Filme sollte man erst ab Mitte Zwanzig ansehen. Der Verrückte hat den Film mit „ausnahmslos Jugendverbot“ angekündigt und eine sehr gute Einführung zu dem Film gehalten, was bei uns im Kino üblich ist, oft sitzen die Filmfreunde nach dem Film noch im Foyer zusammen und reden über den Film.

Weder in Mailand noch in Berlin, noch in den Staaten habe ich so etwas wieder erlebt, aber bei uns hinter den Bergen, bei den Zwergen, da wird nach dem Film über den Film gesprochen und am Donnerstag andächtig „Synchron“ im Radio gehört.

Nicht ablenken, Baby, hier geht es um den alten Herkules und nicht um die Filmkunst und schon gar nicht um den gewissen Herrn Eichmann und seine Mordkomplizen. Wer das ist? Das erkläre ich hier nicht, den findet ihr sicher im Netz. Nur so viel von mir. Ich würde dem Mörderpack den wütenden Hulk an den Nacken hetzen, einem echten Herkules sind diese Leute unwürdig.

Also, ich verkaufe Karten und etwas Kuchen und guten Holundersaft und eine Kiste Bier, dann starte ich den Film. Ich riskiere noch einen Blick ins Kino 2, aber dort wird das Grauen immer entsetzlicher, dass ich lieber schnell das Weite suche.

Ich schnappe mir die Gieskanne und widme mir sinnvollen Tätigkeiten, ich gieße unseren „Gustav“ und den feinen „Dagobert“, der so gut duftet, und die elegante „Daisy“, sowie die beiden Weinstöcke „Felix“ und „Vali“, selbstverständlich genehmige ich mir eine ordentliche Portion Weintrauben, die wirklich sehr gut und ganz süß sind.

Höre ich nicht wieder etwas rascheln?

Hm?

Ich sehe mich um.

Nichts. Rein gar nichts.

Wieder raschelt es unter den langen Trieben des schönen „Gustav“. Wenn man neun Meter hoch ist, dann hat man/frau, schon ganz schön ein Volumen unter dem sich so manche Untiere, wie Mäuse, Ratten, Eidechsen, verstecken können.

Ich will es gar nicht wissen. Besser ich halte den Mund, bevor der Verrückte wieder den Rattenköder auslegt und ich womöglich morgen die Leichen einsammeln muss.

Ich esse lieber noch ein paar Weintrauben und verdrücke mich in die Vorführkabine.

Bernadette und Sarah kommen und berichten, dass von dem vermeintlichen Löwen, sollte er tatsächlich da gewesen sein, keine Spuren gefunden werden konnten.

Wahrscheinlich ist er schon über alle Berge und in Richtung Italien unterwegs, denn, das ist logisch, Italien ist näher bei Afrika als Österreich und wärmer ist es dort auch, besonders im Winter, der zwar noch ein paar Monate entfernt ist, aber schneller kommt, als einem lieb ist, besonders dann, wenn man auf Pfoten durch den Wald schleicht und in Höhlen oder im Unterholz wohnt.

Wir lustigen Weiber vom Kino witzeln noch ein bisschen rum, wie doof doch alle sind, dass man/frau die Löwengeschichte überhaupt so ernst nimmt.

Gegen elf sind die Filme aus, wir schmeißen alle raus und sperren ab. Bevor es nach Hause geht, genehmigen wir uns noch einen Drink in der Pizzeria an der Hauptstrasse, die brechend voll ist mit Treibern, die das Jägerlatein kräftig spinnen, wie nahe man dem Löwenviech schon gewesen sein will.

Also nichts war’s. Runter mit dem Bierchen und jetzt ab ins Bett. Herr/Frau Herkules und Gesellinnen und Gesellen müssen bis morgen warten.

Das Leben kommt auf sanften Pfoten

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