Читать книгу Das Leben kommt auf sanften Pfoten - Monica Armstrong - Страница 7
Kapitel 5: Amerika oder Afrika? Wo würdet ihr Ferien machen?
ОглавлениеMein Dad kann NICHT zuhören. Zerknautsch nach einer langen Nacht im Kino erscheine ich am Frühstückstisch. Dad, ganz der Bulle vom Dienst, kommt gleich zur Sache.
„Was höre ich da für Geschichten?“
„Was denn für Geschichten?“
„Nicht klugscheißen, Baby, wo ist der Löwe?“
„Was für ein Löwe?“
„Bitte hör sofort mit dem kindischen Theater auf und rück den kleinen Löwen raus. Wo hast du ihn versteckt?“
Darf denn das wahr sein? Hat uns der Verrückte doch glatt verpfiffen!
„Ich weiß nicht, wie und wo ich einen Löwen verstecken sollte? Nähere Infos wären schon nötig!“
„Darf ich auch mal wissen, worum es geht?“ meldet sich Mom.
„Ein Blick ins Netz genügt und du weißt alles.“ Mein Vater trinkt unbeeindruckt seinen Frühstückskaffee. „Also zum letzten Mal, wo ist der Löwe?“
„Ja was für ein Löwe? Monica, was hast du mit der Sache zu tun?“
„Sie ist wieder mal der Star im Netz. Angeblich haben sie und ihre Weiber einen kleinen Löwen irgendwo aufgegabelt und versteckt. Man muss nicht von vorgestern sein, um zu wissen, dass es sich um den letzten Überlebenden aus dem Tiertransporter handelt, den ein Oberlump vor ein paar Tagen in den Strassengraben gesetzt hat. Es stand in der Zeitung“, lustvoll faselt Dad sein Bürokartendeutsch.
„Hast du den Löwen im Kino versteckt?“ fragt Mom.
Aha, scheinbar hat der Verrückte Dad doch nicht informiert.
„Wie auch immer, ich gebe den kleinen Herkules nicht her!“
„Ach, Herkules, heißt er. Das wird ja immer besser. Einen Namen hat er also auch schon“, feixt mein Vater.
„Ja selbstverständlich! Jede kleine Katze hat einen Namen. Mich habt ihr ja auch Monica genannt! Schon vergessen?“
„Mom, bitte unternimm etwas gegen deine Tochter!“, bestimmt Dad und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Soviel Ignoranz muss bestraft werden. Ich lege mit einem meiner berüchtigten Supermarcati los.
Dad ignoriert mein Geschrei und Gekeife völlig. Mom kann sich das Lachen kaum verbeißen.
„Was hat die denn? Spinnt die?“ fragt Dad und frühstückt unbeeindruckt weiter.
„Das sind nur die Nerven. Das gibt sich wieder. Typisch, siebzehnjähriges Mädchen“, antwortet Mom spitzbübisch.
„Na wenn das so ist, dann ist ja alles in Ordnung“, sagt Dad und trinkt seinen Kaffee.
Na mehr brauchen die beiden alten Schwerenöter nicht.
„Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiih!“ kreische ich los. „Kann mir denn einmal jemand in diesem Haus zuhören! Hier handelt es sich um ein ganz kleines, wehrloses Tierchen, das ganz allein ist und dringend Unterstützung braucht! Euer ignorantes Geschwätz bringt nichts! Absolut nichts! Davon wird der kleine Herkules auch kein großer!“ donnere ich los.
„Nicht dieser Ton!“ mahnt Mom mich ein.
„Ganz recht. Ein Löwe gehört nach Afrika in die Savanne und nicht in ein Kino. Ist das logisch? Und da wir nicht in Afrika sind, sondern in der EU, ist der Herr Herkules sicher aus einem Drittland und kommt a) ins Tierheim und wird b) wieder dorthin abgeschoben wo er hergekommen ist. Natürlich nicht bevor er c) etwas auf Kosten der Steuerzahler aufgepäppelt worden ist“, macht sich der Oberbulle wichtig.
„Ich werde dir was sagen! Mein Herkules wird bestimmt nicht im Tierheim landen und wie die armen Kids mit ausgelaufenem Schülervisum abgeschoben! Soll er etwa auch zur IS gehen? Willst du das?!“ brülle ich meinen Vater an.
Dad haut die flache Hand auf den Tisch. „Still jetzt! Noch ein Wort und es setzt was!“
Das sind keine leeren Drohungen. Zwölfte Klasse hin, Maturajahrgang her, jetzt heißt es die Klappe halten, oh meine Schwestern und Brüder.
„Schon mal nachgedacht, was die Aufzucht von so einem Löwen kostet? Ganz abgesehen davon, dass wir hier weder den Platz, noch den geeigneten Ort haben, um einen Löwen artgerecht zu halten? Hinterstübchen einschalten, Baby!“
Jetzt kommt das „guter Polizist, böser Polizist“-Spiel, das kenne ich bis zur Genüge.
Mom spielt die gute Bullenrolle. Sie nimmt meine Hand. „Ach Baby, du bist jetzt in der Maturaklasse, so ein kleiner Löwe lenkt dich doch nur vom Lernen ab und die Vorbereitungen für die Matura sind umfangreich, das weißt du doch.“
„Hör auf deine Mutter, die ist vom Fach!“ stimmt Dad zu.
Mir bleibt die Spucke weg. Da wollen mir die beiden Oberschlauen doch glatt mit der dummen Penne den kleinen Herkules abspenstig machen. Niemals!
„Ich pfeife auf die Matura!“ schreie ich.
Autsch! Fettnäpfchen. Ganz dickes, tiefes Megafettnäpfchen.
Mom und Dad tauschen bestätigende Blicke aus, das kommt ja nun wirklich nicht in die Tüte.
Die Anführungszeichen werden bemüht.
„Na, wenn das so ist, dann ist jede Diskussion sofort beendet“, sagt meine Mutter.
Dad sagt nichts, brummt nur zustimmend und zeigt auf meine Mutter.
„Sofort wird der Löwe abgegeben und von Dad ins Tierheim gebracht“, legt Mom unvorsichtig nach.
Dad räuspert sich.
Merke: dem alten Bullenfuchs ist es gar nicht recht, dass die Polizei die Schutzarbeit erledigen muss.
„Nur nichts überstürzen, das muss von uns gemeinsam erledigt werden“, rudert Dad zurück.
Das ist meine Chance!
„Also, wenn es nur um den schnöden Mammon geht, dann sehe ich da gar kein Problem. Was kann die Aufzucht von so einem kleinen Löwen für ein Jahr kosten? Mehr als 5000 Euro bestimmt nicht, oder?“, lege ich los.
„Spinnst du? Das ist eine schöne Stange Geld!“ fährt Dad mich an.
„Schon vergessen, dass ich liquid bin? Ich habe 20.000 Euro auf der hohen Kante“, belle ich zurück.
„Die du bei deinem zweifelhaften Sommerjob zusammengeschnorrt hast, bei dem ich dich dann rausboxen musste!“ setzt mein Vater nach.
„Dad!“ schreie ich.
Dad rührt kräftig weiter in meiner unrühmlichen Vergangenheit: „Wie war das doch noch mal? 5 Euro der Kuss? Bis zu 300 Euro für das ganze Service, Extras inbegriffen …“
So nicht! So wirklich nicht! So lasse ich wirklich nicht mit mir reden.
Huhuhuhuhuhuhuhuh, heule ich wie die Sirene los. „Sag doch gleich, dass ich eine Nutte bin“, schluchze ich und heule herzzerreißend wie der größte Schlosshund von Schloss Neuschwanstein.
Dad verteilt wütende Blicke, dass er eigentlich Recht hat, aber natürlich bei dem Affentheater, das ich abziehen, nichts sagen kann.
Mom nimmt mich in die Arme, ich helfe zusätzlich mit den wohl erprobten Armschlingen und noch lauterem Geheule nach.
„Aber nein, mein Baby, das hat Dad doch wirklich nicht so gemeint“, versucht Mom mich zu trösten.
Jetzt nur nicht lockerlassen, Eltern sind mit allen Wassern gewaschen und kennen jeden Trick.
Mom wirft Dad giftige Blicke zu, so von der Art: wir hätten sie im Sack gehabt und du vermasselst alles mit deiner dummen Schnauze.
Dad bleibt nichts weiter als ein Stoßgebet gegen den Himmel und ein Riesenseufzer in meine Richtung zu schicken.
„Na gut, hör bitte mit der Heulerei auf. Wir fahren ins Kino rüber und holen den Löwen her“, sagt Dad halbherzig.
Obacht: noch ist Dad nicht weichgeklopft.
„Und was machen wir dann? Darf ich ihn behalten?“ wimmere ich.
„Weiß nicht. Sag du was“, sagt Dad ziemlich entnervt zu Mom.
Mom straft ihren Mann mit dem bösen Blick.
„Also was ist, Mom“, bettle ich, mit dem treuherzigsten „kleines Entleinblick“.
„Also gut, aber nur übers Wochenende. Und dann ist Schluss mit dem Unfug, kapiert?“
„Darüber müssen wir noch verhandeln. Also was das Finanzielle betrifft, sind wir schon mal drei. Bernadette und Sarah sind auch dabei und wir legen bestimmt zusammen.“
„Sind die Ladies informiert?“ will Dad sofort wissen.
„Claro!“ fauche ich zurück.
„Na wer weiß? Wenn es ums Geld geht, sind Frauen oft ziemlich vergesslich.“
Bingo. Jetzt hat Dad sich total ins Abseits gekickt.
Mom drückt mich fester an sich und streichelt mich, ich schmiege mich an Mom.
„So ein Unsinn, die Mädels sind total okay“, gibt Mom zurück, „du solltest eher stolz sein, was für eine couragierte Tochter wir zu Hause haben und ihre Freundinnen sind es auch.“
„Na ja.“, Dad sagt nichts mehr.
Mom setzt noch einmal zur Moralpredigt an.
„Das mit dem Finanziellen ist ein echtes Problem, du darfst da nicht kneifen, wenn es ernst wird.“
„Ja, ja, so ein Löwe frisst dich arm, der verputzt fünf Kilo Fleisch am Tag. Lungenbraten und Steaks, also alles was gut und sehr teuer ist“, hakt Dad sofort nach, um seine Chancen in dieser absoluten Verlierergeschichte zu verbessern.
„Übers Wochenende kommen wir sicher mit etwas Milch, Holundersaft und Marillenkuchen durch“, meine ich.
„Verstehe, die Damen kennen sich schon aus“, sagt Dad.
„Auf Holundersaft und Marillenkuchen steht Herkules ganz schwer“, sage ich, gleich ein freches Lächeln nachschieben und die Locke aus dem verheulten Gesichtchen wischen, das wirkt immer.
„Nun gut, das Wochenende wird uns nicht gleich ins Armenhaus bringen. Aber was ist dann? Darf ich dich erinnern, dass du mit dem Ersparten eigentlich nach der Matura in die USA aufbrechen wolltest?“ moralapostelt Mom.
Hm? Tja, das stimmt natürlich. Die USA. Traumland Amerika. Dort ist es bekanntlich nicht gerade billig, besonders dann nicht, wenn man als gestandener Filmfreak das klassische Hollywood abklappert.
„Los Angeles, die Universalstudios, Hollywood, der american way of life“, flötet Dad. Vielleicht, vielleicht, vielleicht kann er mich doch noch in die Pfanne hauen! Man/frau/Dad/Mom muss es nur versuchen.
„Also, wenn ich es mir recht überlebe, dann laufen 300 Millionen Amis nicht so schnell davon, aber einen kleinen Löwen hat man nur einmal im Leben. Ich will Herkules behalten“, sage ich mit der Gewissheit, wie bei einem Schwur auf die Bibel.
Mom und Dad bleibt nichts anderes übrig als die Sache abzuwinken.
„Na gut, bring den kleinen Kerl her, und zwar dalli!“ bestimmt mein Vater.
Ich freue mich riesig. Sofort werden dicke Bussis an meine Eltern verteilt und weg bin ich.
Ich rausche mit dem Fahrrad ins Kino hinüber, dort werde ich schon von Herkules sehnsüchtig erwartet. Mit den Pfoten steht er an der Glastür und schaut ganz erwartungsvoll auf die Hauptstrasse hinaus. Kaum bin ich im Foyer springt er auch schon hoch und schnurrt und leckt mir das Gesicht.
Ich packe ihn ins Körbchen und bringe ihn zu meinem Fahrrad hinüber. „So jetzt geht es ab nach Hause, mein Lieber“, sagte ich.
Ich stelle meine wertvolle Fracht in den Fahrradkorb am Gepäcksträger und los geht’s.
Natürlich lasse ich mir eine Hauptplatzrunde nicht nehmen, Herkules soll ja gleich wissen, wo in diesem Kuckucksnest von Kleinstadt der Bär brummt.
Die alten Hunde über zwanzig lassen das Maul hängen, die Kinder freuen sich und winken, ganz die alten Knacker halten Maulaffen feil.
Selbst Schuld, der Löwe gehört den Powergirls, ihr Halunken!
Schon bin ich zu Hause.
Ich weiß nicht ob es der Duft der Bratwürste ist, unserem üblichen Samstagsmenü, oder der Geruch der Bratkartoffeln, kaum steht das Fahrrad, springt der kleine Herkules, kühn wie sein großer Fetter in der fernen Antike, aus dem Körbchen und saust mit Siebenmeilenstiefel zur Haustür hinüber.
Mom, neugierig wie sie ist, hat natürlich hinter dem Küchenfenster Ausschau nach uns gehalten und stürmt aus dem Haus, der kleine Racker weiß, wie man Frauen bezirzt. Er springt an Mom hoch und ihr bleibt nichts weiter übrig, als den kleinen Löwen im Flug aufzufangen und an die Brust zu drücken. Sofort beginnt der Schwerenöter zu schnurren und die große Katzenmutti abzulecken.
Mom freut sich riesig. Keine Rede mehr von Moralpredigten der Art, so einen Löwen können wir uns gar nicht leisten, sie streichelt und knuddelt den kleinen Kerl, so, als wäre er schon immer bei uns gewesen.
Dad pantoffelt auch daher. Aufgepasst Genossen, jetzt wird es ganz heikel!
Ach was. Alle Sorge war vergeblich. Dad nimmt den kleinen Löwen seiner Frau ab und spielt mit ihm, wie ein kleiner Lauser aus der ersten Klasse, der sich bis über beide Ohren freut, dass er eine kleine Katze haben darf.
Wer von uns beiden wohl der/die kindischere ist?
„Monica, wieso hast du das süße Tierchen nicht früher hergebracht“, ist der elterliche Tenor.
Na super, jetzt bin ich natürlich wieder an allem schuld. Gerade vorhin wollten mich die beiden Komplizen des Kapitals nach Strich und Faden fertig machen und jetzt steht der neue Mitbewohner außer jeder Diskussion.
Wir drei, tut mir schrecklich leid, wir vier gehen ins Haus, die Bratwürste warten. Herkules bekommt seine Milch und einen guten Teller Katzenfutter.
Allen schmeckt es prima.
Bei Tisch nörgelt Dad herum, dass Mom die Biolehrerin rausschmeißen soll, weil es ihr offensichtlich nicht gelungen ist einem Teenager in der letzten Klasse beizubringen, dass Löwen in die Savanne gehören und in Österreich (noch) nicht heimisch sind.
Mom kontert, dass das eher ein Fall für die Zivilgesellschaft und nicht für das Gewaltmonopol des Staates ist.
Ich funkle meine Eltern an, als hätten sie wieder mal zu viel Gras geraucht, weil sie so viel Unsinn quasseln.
Dad besteht drauf, mit unserem Herkules zum Tierarzt zu gehen, schon aus Sicherheitsgründen für den kleinen Löwen, man weiß nie, ob er sich in den letzten Tagen nicht irgendwas eingefangen hat, was ihm so gar nicht recht bekommt und je früher eine mögliche Krankheit erkannt wird, umso besser für uns alle.