Читать книгу Wenn ich tanzen will - Monika Herbrand - Страница 13

Ein Morgen wie jeder andere

Оглавление

Ein Morgen wie jeder andere: Kinder sind zur Schule, bin alleine. Habe nichts vor, was soll ich machen? Keine Ahnung, so viel Energie in mir, doch was mache ich mit ihr, wie leite ich sie aus mir raus? Geschlafen habe ich nicht viel, aber geträumt, und es ist als ob ich eben noch unterwegs war, in meinem alten Haus, bekannte Menschen waren da, aber es war nur ein Traum. Heute Abend geht es zum Tanzen, vielleicht schlafe ich noch was, dann bin ich heute Abend länger fit. Viel zu viel Energie in mir, Unruhe, getrieben vom Feuerwerk in meinem Kopf. Keine Ahnung wo ich anfangen soll, mache Spülwasser, spüle zwei Tassen und Besteck. Die Waschmaschine kann ich anstellen, gehe ins Bad und befülle die Waschmaschine. Meine Gedanken, dass ich die frisch gewaschene Wäsche vom Wäscheständer in den Trockner füllen muss, lässt mich diesen Vorgang abbrechen, hole jetzt erst die Wäsche für den Trockner, sehe die Teller, die noch zu spülen sind, trockne die Gläser und das Besteck ab und gehe wieder ins Bad, um die Waschmaschine anzustellen – Chaos – wo fang ich an, was mache ich zuerst, wo mache ich weiter? Bin müde und trotzdem aggressiv aufgedreht. Es ist langweilig, Haushalt, keine Herausforderung, die meine Energie befriedigt.

Lege mich ins Bett. Ein Anruf macht mich wach, vielleicht jetzt schaukeln, bis ich meinen Sohn von der Schule abholen fahre. Bin immer noch zu stark aufgedreht, wippe auf dem Sofa, es ist stärker spürbar und mehr Energie wird freigesetzt. Wenn ich mit dem Rücken gegen das Sofa schlage, spüre ich wenigstens einen Widerstand. Vielleicht sollte ich laufen gehen, rennen, finde ich super, das mache ich später.

Gekocht, gegessen, Kinder sind von der Schule wieder zuhause, was mache ich jetzt? Gehe ich laufen, renne mir die Energie aus meinem Körper? Ja, das mache ich. Laufen, was für ein befreiendes Gefühl, meine Musik vom MP3-Player ist so laut wie es nur geht, versuche alle anderen Geräusche zu verdrängen, geht nicht, wie immer, mein Handy klingelt, ich gehe dran. Es ist mein Partner, er sagt mir, dass er unterwegs zu mir ist, ok, ich laufe jetzt aber erst, ok. Ein anderer Läufer schaut mich so komisch an, weil ich telefonierend mit Handy laufe, er schüttelt den Kopf. Man muss doch nicht aufhören zu laufen, nur weil man telefoniert, naja egal. Ich laufe weiter, mein Partner wartet dann auf mich, bis ich zu Ende gelaufen habe.

Leider komme ich nicht weit, die nächste Störung, nerv. Meine Nase läuft, Nasenbluten, nehme ein Taschentuch aus meiner Laufjacke und halt es an die Nase, das Blut läuft, ich laufe weiter, das Blut aus meiner Nase auch, muss ich was machen? Was mache ich jetzt, weiter laufen? Bleibe stehen und gehe nur noch, ich rufe meinen Partner an, der kann mir bestimmt sagen, was ich jetzt machen soll. Er sagt mir, ich soll nach Hause gehen und nicht weiterlaufen, das macht mich wütend, war ich doch gerade endlich im Abbau der gewaltigen Energie, die dieses kräftige Feuerwerk in meinem Kopf verursacht. Ich könnte schreien, tue es aber nicht, gehe ein Stück, Taschentuch an der Nase, es ist gar nicht mehr so viel Blut, welches aus der Nase läuft, die paar Meter zurück kann ich doch jetzt auch laufen. Ich laufe, möchte gar nicht aufhören, es tut so gut. Bin an meiner Haustür, laufe vorbei, ich will nicht aufhören, noch zweimal um den Häuserblock und zwar mit Vollgas.

Es tut so gut zu rennen, ich weiß, ich muss jetzt aufhören, mein Partner sagte es mir am Handy, aber morgen, morgen laufe ich wieder.

Nach dem Duschen gehe ich mit meinem Partner noch in die Stadt, er muss einen Pullover umtauschen. Ich brauche noch eine Strumpfhose für heute Abend, zum Tanzen, weiß jetzt was ich anziehen werde. Wir sind nun in diesem Geschäft, wo er seinen Pullover umtauschen muss, er ist ihm zu klein, ich soll ihm behilflich sein, einen neuen auszusuchen. Es ist schwer. Wenn die Pullover im Regal liegen, wirken sie anders, als an einem Körper. Mein Partner schaut und probiert einige Pullover an. Währenddessen richtet sich mein Blick zum Ausgang hin, dort gehen Menschen vorbei, was wohl in ihnen vorgeht? Ich wiege mich hin und her, starre weiter zum Ausgang. Viele Gedanken spulen sich unaufhörlich ab – ich muss eine Strumpfhose kaufen, mein Sohn möchte etwas von Mc Donalds mitgebracht bekommen, was brauche ich noch für morgen, ich muss mich noch fertig machen fürs Tanzen.

Mein Gedankenbereich läuft heiß, werde immer unruhiger, was mache ich eigentlich, mir ist so langweilig und doch komme ich nicht zur Ruhe. Energieüberschuss. Gerne würde ich etwas tun, was mich herausfordert, was anstrengend ist und mein Energiepotenzial vermindert.

Seit einem halben Jahr gehe ich nicht mehr arbeiten und jetzt fehlt es mir sehr. Damals war ich k.o. – Burnout – und jetzt ist mir langweilig, meine überschüssige Energie wird zur Gefahr, als ob man Öl ins Feuer schüttet. In meiner Aggressivität würde ich am liebsten meinen Kopf gegen die Wand schlagen, damit das Feuerwerk im Kopf nicht mehr spürbar ist. Wie soll ich zur Ruhe kommen, wenn mein Kopf zu explodieren scheint, das Feuer der Energie mich in Flammen stehen lässt, kann mich jemand löschen? Wohl kaum. Ich denke ständig daran, mir eine neue Arbeit zu suchen, ob dann ein neuer Teufelskreis anfängt – ich kann es nicht abschätzen, ich weiß es nicht.

Wieder zuhause fange ich an, mich aufs Tanzen vorzubereiten, ich bin gereizt, es gibt so viele verschiedene Geräusche in meiner Wohnung und dann auch noch so laut. Ich weise an, den Fernseher endlich leiser zu machen, diese Unruhe durch Bewegen von Gegenständen lässt meine Gereiztheit weiter ansteigen, ich will nichts mehr hören – leider unmöglich, alle Geräusche dringen zu mir durch, obwohl ich mittlerweile Musik über Kopfhörer von meinem MP3-Player höre. Ich schrecke so oft auf und bevor ich jetzt anfange um mich zu schlagen vor lauter Überreizung, entscheide ich mich dafür, mein Notfallmedikament zu nehmen, 0,25 mg Risperidon.

Endlich werde ich ruhiger, bin nicht mehr aggressiv, aber auch irgendwie nicht mehr komplett impulsiv funktionsfähig, das merke ich besonders beim Tanzen.

Es ist heute sehr voll hier, ungewohnt, trotzdem macht es mich nicht unruhig. Ich stehe oder sitze an der Tanzfläche, schaue mir die tanzenden Menschen an. Mein Blick zieht immer öfters an die Decke, ganz viele Lichter, Lampen, Neonröhren, dieses Farbspiel fasziniert mich, es ist als ob die Lichtreize mit meinem Sehnerv spielen, ruhig, harmonisch, die Musik ist laut, sie passt nicht zum Lichtspiel.

Das Tanzen fällt mir schwer, ich habe sehr große Mühe, die antrainierten Schritte und Schrittfolgen mit Tanzfiguren im Kopf abzuspulen, ich kann sie nur schwer abrufen. Dafür erscheine ich aber ruhig und ausgeglichen, es gibt keine Gefahr, dass ich um mich schlage, tun würde ich es eh nie, nur ist es oft schwer zu ertragen, diese Gedanken daran, wenn ich mich in einer überreizten, aggressiven Situation befinde – auch meinen Kopf würde ich dann niemals gegen die Wand schlagen, doch dieses zu beherrschen ist eine wahnsinnige Anstrengung der Selbstbeherrschung. Es kostet Kraft und Stärke, nur leider keine überschüssige Energie, oder kaum spürbar. Der Tanzabend geht ohne große Aufmerksamkeit an mir vorbei, naja, beim nächsten Mal ist hoffentlich wieder alles so wie immer.

Der nächste Morgen: Ich werde wach, mal wieder aus einem Traum, fühle mich gerädert, schlafen möchte ich nicht mehr, bin in Gedanken schon dabei abzuspulen, was ich jetzt alles machen muss bzw. will. Wieder spülen, Wäsche waschen? Wie sieht das Wohnzimmer aus? Was muss ich einkaufen? Meine Gedanken überschlagen sich. Irgendwie ist mir übel, schlecht im Bauchbereich, wovon oder wieso, ich weiß es nicht. Mein Bauch macht Geräusche, jetzt erkenne ich sie, ich soll was essen.

Mein Partner und ich frühstücken zusammen, das machen wir selten, alleine frühstücken mag ich lieber, da brauche ich auf keinen anderen Menschen achten, sonst muss man aufmerksam sein und so viel beachten, das irritiert mich nur, Essen – fertig.

Wir essen Frühstückseier, es gibt braune und weiße Eier. Essen kann ich mittlerweile beide, früher hat es mich irritiert. Bei einem weißen Ei bekam ich von meinem Gehirn das Signal „Ei“, bei einem braunen Ei nicht. Heute ist es egal, was für eine Farbe das Ei hat, es gibt ja auch bunte Eier. Mein Gehirn gibt mir das Signal „Ei“, egal welche Farbe es hat, nur essen tue ich nicht jedes, ich weiß nicht warum.

Wir haben einen Frischkäse gekauft, mit Schokoladengeschmack, er soll richtig gut sein, würde ihn gerne probieren, geht nicht. Der Frischkäse und die Verpackung von ihm ist mir vertraut, den esse ich oft. Die Schokoladenmarke ist mir auch vertraut, die esse ich auch, dieser Markenname und sein Emblem sind auch auf der Frischkäseverpackung. Mein Gehirn gibt mir das Signal: Frischkäse – Ja – erkannt, Schokolade – Ja – erkannt.

Jetzt sind die zwei klaren „Ja`s“ aber zusammen gemischt in einem Produkt, ich habe das Gefühl, mein Gehirn erleidet gleich einen „Error“. Diesen Schokoladenfrischkäse kann ich nicht essen, bekomme kein Signal, keinen Auslöser um das Produkt zu probieren, geht nicht, habe nur die beiden Bilder im Kopf, von Schokolade essen und Frischkäse aufs Brot streichen, zusammen essen, da gibt es kein Bild. Der Schokoladenfrischkäse bleibt unberührt von mir. Frühstücke meine gewohnten Produkte und Lebensmittel.

Wir unterhalten uns ein bisschen, ich höre ein helles Geräusch und schaue neben mir auf den Boden und unter den Tisch, ich schaue nach meiner Katze, weil ich denke, dass von ihr das Geräusch stammt, sie ist aber nicht da. Mein Partner bemerkt es und sagt zu mir „ Das kommt von Dir, das Geräusch!“, ich schaue ihn fragend an und sage „Mein Körper?!“, Mein Partner fängt an zu lachen, er findet es lustig und ich weiß jetzt, wo das Geräusch herkam. Langsam fange ich an wieder unruhig zu werden, aufzudrehen, vielleicht laufen gehen, geht nicht, mein linkes Fußgelenk tut weh. Beim Tanzen gestern trat aus Versehen ein Mensch gegen meinen Fuß, hatte nichts gespürt, dafür merke ich es jetzt beim Auftreten. Mein Partner sagt mir, ich solle eine Salbe auftragen und nicht laufen gehen, ich sage zu ihm: „Wenn ich laufe, merke ich das doch nicht, dann laufe ich“. Trotzdem habe ich seinen Rat befolgt, wir sind noch zusammen einkaufen gefahren und dann war ich alleine in meiner Wohnung, Stille, Ruhe, tausend Ideen und Gedanken in meinem Kopf - was mache ich jetzt... Zwei Tage, die viel erzählen, ich fange an zu schreiben und das habe ich jetzt gemacht...

Wenn ich tanzen will

Подняться наверх