Читать книгу Wenn ich tanzen will - Monika Herbrand - Страница 9

Ich habe geträumt

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...ein Regenbogen entstand, hell buntglitzernde Farbenpracht in ihrer ganzen Schönheit entfaltet sich über mich. Dort, wo der Regenbogen die Erde sanft berührt, stand ich mit erhobenem Kopf, meine Augen schauten zum Himmel hoch – umhüllt und durchschwebt von lieblichen Tonreizen. Es schien, als ob mich Engelsgesang durchflutet. Dankbare Traumempfindung und mit meinem Seelenlächeln machte ich mich auf, um nach Hause zu gehen. Um zu leben, geboren am 12. April 1969.

Meine Mutter hatte mir immer wieder erzählt, dass es an diesem Tag schneite. Ich liebe Schnee, verzauberte Welt hier auf Erden, leuchtendes Hell, zart ruhend auf Dunkelndem. Schwebend tanzende Eissterne, jeder in seiner Einzigartigkeit und doch alle dasselbe. Denselben Ursprung, dieselbe Entstehung, der Weg mit all seinen ungleichen Möglichkeiten und unterschiedlichen Zielen, doch verschwinden werden sie alle auf dieselbe Art und Weise.

Eissterne – wie Menschen. Der unantastbare geschlossene Kreis des Lebens. Ein Kind, welches immerzu wippt, sich in Musik lebendig fühlt und nicht versteht, weshalb andere Menschen, ob groß oder klein, jung oder alt, es nicht tun. Ich mochte die Schule nicht. In mir einsam, ertrug ich die beängstigende fremde Wirklichkeit, ohne je hätte erahnen zu können, weshalb ich es so empfand. Ich war still, leise, in mich gekehrt, meine Anwesenheit kaum bemerkbar. Sich im Unterricht zu melden, um einen mit Worten sprechenden Beitrag zum Unterrichtsgeschehen zu erschaffen, blieb impulslos. Zuhause lernen mochte ich nicht, was meine Augen in der Schule gesehen hatten, blieb sowieso in meinem Kopf. Malen, Zeichnen, Basteln und Werken war mir eine Freude. Das Fach Deutsch wurde zum Grauen, so wie später Englisch auch. Bis heute verstehe ich die englische Sprache nur, wenn ich Musik höre. In Musiktexten erkenne ich die Bedeutung englischer Worte und ihre Aussage. Vor dreißig Jahren begegnete ich in der Schule meiner einzigen ewigseienden Freundin. Bis heute und für unser ganzes Leben waren, sind und bleiben wir in tiefer Freundschaft miteinander verbunden. Sie war und ist an meiner Seite in den Momenten, wo ich ihr meine Hand entgegen strecke und streckte, damit sie mich führt und begleitet in einer unbekannten Wirklichkeit.

Meine Berufsausbildung als Schuhfachverkäuferin hat mich oft verzweifeln lassen. Im Lager zu arbeiten war begeisternd, Schuhmodelkartons in Regale zu sortieren. Die Kartons akkurat einzubauen und verschieben.

Kundenkontakt war mir sehr unangenehm, starke Angstgefühle umhüllten mich, ich scheute mich davor und hatte doch keine Wahl.

Ich arbeitete in all den Jahren in mehreren Firmen. Wenn mich meine Arbeit, Tätigkeit erfüllte, erbrachte ich, so sagte man mir, sensationelle Leistungen.

In meiner Ehe entstanden und wuchsen zwei bezaubernde Seelen heran. A. und K., ein unbeschreibliches Glück der Empfindungswahrnehmung. Nach vielen Jahren zerbrach die Ehe, doch in meinem Herzen bleibt die Erinnerung eines lehrreichen und erfahrenden Lebensabschnittes.

Mein „Anderssein“, eine auffällige Lebensweise, die mir zur „Unauffälligkeit“ erzwungen wurde.

Nach erfolglosen Lebenskämpfen ergab ich mich der Aussage „Du bist irre im Kopf“. Auffallend anders, kein anderer wie ich. Bin ich ein defekter Mensch?

Sehend „unauffällig“, überanstrengend meiner selbst, gequält von Verzweiflung und nicht verstehend, gab ich auf. Unbelebt weiter lächelnd, verlor sich meine Lebenszeit, bis zu meinem Alter von 37 Jahren. Mein „Anderssein“ bekam ein Wort.

Das Wort „Autismus“. Das Wort hat vieles erklärt, manches einfacher zu verstehen gemacht, doch die verlorene Zeit, die bleibt.

Es war und ist mein Weg von der „Irren“ zur normalen „Autistin“. Es erinnert mich an das Märchen „Das hässliche Entlein“. Erst als die kleine Ente wusste, dass sie in Wirklichkeit ein Schwan ist, fand sie nach Hause.

... und so bin auch ich auf dem Weg nach Hause...

Wenn ich tanzen will

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