Читать книгу Freut euch, der Herr ist nahe! - Monika Lehmann-Etzelmüller - Страница 5
I. Andachten 1. Der widerspenstige Gott – Andacht im Chor der Kirchengemeinde
Оглавление• Lied: Macht hoch die Tür (EG 1, 1-4)
• Ansprache
Wissen Sie eigentlich, was unser Adventsgesang und goldener Nagellack gemeinsam haben?
Das war so: Vor einigen Tagen traf ich sie vor den Toren der Schule. Ich hatte eben meine winterlich vermummte Tochter verabschiedet, da kam sie: eine Frau, offenbar eine Muslima, ein Kopftuch, ein weites schwarzes Gewand, so brauste sie im Auto heran. Direkt vor mir stieß sie die Autotür auf und das erste, was ich sah, waren ihre Füße, die aus dem Auto krabbelten. Sie trug Flip Flops an den nackten Füssen, die Zehen waren goldfarben lackiert. Das sah hinreißend aus, bildete aber auch einen seltsamen Kontrast zu dem in Eisschockstarre erfrorenem Boden. Ich sah an mir herunter: Meine Füße steckten in dicken Winterstiefeln, oben schauten die extrawarmen Wollsocken heraus. Sie sah meinen verdutzten Blick, sah erst an mir, dann an sich herunter und lachte. Es ist schon wieder so kalt, da muss man einfach widerspenstig bleiben, sagte sie. Wir lachten uns an, dann lud sie ihre Tochter ab, stieg wieder ins Auto und brauste davon. In Gedanken malte ich mir aus, wie sie jetzt nach Hause kommt und widerspenstig dem kalten Winter trotzt, vielleicht mit ihren fröhlich goldfarben lackierten Füssen durch eine wohlig geheizte Wohnung tanzt, in der viele Blumen blühen, und dass sich ihr verbeulter Fiat draußen in der Garage in ein Kamel verwandelt, das vom Wüstensand träumt.
Im Winter auf die Kälte zu pfeifen, den kleinen Tiegel mit dem goldfarbenen Lack aus dem Spiegelschrank nehmen und einfach mal die Flip Flops anziehen, das ist widerspenstig. Ist der Advent nicht überhaupt eine Zeit, die zum Widerspenstig sein reizt? Blumen blühen im Schnee. Statt die vollen Einkaufszentren noch weiter zu verstopfen, kann ich eine Adventsgeschichte lesen, einen Stern basteln oder Zimtsterne backen oder: in den Chor gehen und singen! Ich kann mich der Hektik verschließen, die alle verbreiten und einfach nichts tun. Widerspenstig sein, das tut mal richtig gut.
Im Advent ist Gott widerspenstig. Alle Erwartungen bürstet er gegen den Strich. Er kommt zu uns, aber nicht als ferne Majestät, die in Palästen wohnt, sondern als ein Kind, das im Leib der Mutter dem Leben entgegen getragen wird. Er schickt keine Herolde aus, die die Nachricht vom Umsturz bringen, er schickt einen Stern, der über den Himmel wandert. Er schickt Engel, deren Stimmen im Wind wispern und die nur die hören, die draußen allein im Dunkeln sind, wo es ganz still ist. Advent ist die Widerstandszeit Gottes.
Und was haben nun der Tiegel mit Goldlack und das Singen von Adventsliedern und Musizieren im Advent gemeinsam? Das ist doch klar: Die Adventsmusik ist der goldene Nagellack der Kirchenmusik. Wer singt, ist widerspenstig. Das gemeinsame Singen ist der Feind jeder Vereinzelung. Singen ist sich Stemmen gegen die Sprachlosigkeit, gegen die Kälte und gegen eine Vorbereitung auf Weihnachten, die sich nur noch im Äußerlichen verliert. Wir singen Gott herbei, weil wir ihn so nötig brauchen, für uns und für diese Welt, in der es oft so kalt ist. Wer Adventslieder singt, der will nicht, dass die Welt so bleibt wie sie ist, diese Erde, auf der noch immer einzelne Menschen und ganze Völker durch Finsternis gehen. Wir loben Gott, aber die Töne bleiben oft verhalten und leise, es ist nicht immer Jubel, das Lob im Advent ist ein Trotzdem-Loben. Es ist nicht alles gut, aber trotzdem lobe ich dich, Gott, mit meinem Lied. Singen ist widerspenstig sein. Weil die Lieder manchmal etwas herbei singen, was noch gar nicht da ist, aber im festen Vertrauen, dass es kommt. Ja, der widerspenstige Gott kommt.
• Lied: Macht hoch die Tür (EG 1, 5)
• Gebet
Ja, die Tür will ich öffnen für dich,
die Tür meines Herzens, die oft so verschlossen ist.
Die Tür meiner Wohnung für andere.
Die Tore sollen weit aufschwingen,
Jesus,
für dich.
• Segen
• Musik zum Ausgang