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2. Christus geht auch durch die Gefängnisse
Оглавление• Lied: Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16)
• Ansprache
Christus geht auch durch die Gefängnisse. Dietrich Bonhoeffer hat das aus dem Gefängnis an seine Verlobte geschrieben1. Sie machte sich Sorgen, wie er diese Tage überstehen würde. Unerträglich muss man sich diese Zeit im Nazigefängnis doch ohnehin schon vorstellen für den Pfarrer, der sich in seiner Tätigkeit für den Widerstand gegen die Diktatur verdächtig gemacht hatte und nun gefangen gehalten wurde. Und nun auch noch Weihnachten, ein Weihnachtsfest, von dem die Verlobten gehofft hatten, es vielleicht doch noch gemeinsam feiern zu können, in Freiheit.
Das wird wohl ein stilles und sehr ernstes Weihnachten werden, aber Christus geht auch durch die Gefängnisse, antwortet Dietrich Bonhoeffer seiner Verlobten. Er ist nicht nur da, wo Menschen unbesorgt und fröhlich Weihnachten feiern können, gewärmt von der Liebe ihrer Familie, geborgen und heiter im Licht besonderer Tage. Da ist er auch, ganz bestimmt, Gott ist da in der Tiefe unseres Glückes, und wer solches Glück erlebt, soll dem Stern seiner Freude folgen und zur Krippe gehen. Aber Christus geht auch durch die Gefängnisse. Er geht auch an die Orte, wo es ganz dunkel ist, wo das Licht nicht hinreicht. Die Krippe stand nicht in einem Königspalast, wo Reichtum und Macht glänzten oder auf dem Marktplatz, wo die Menschen miteinander fröhlich waren. Das Kind wird in einem Stall geboren, draußen am Rand der Gesellschaft, bei denen, die bangen müssen um ihr Brot, das Dach, das sie schützt, die Liebe, die sie trägt, die Zukunft, die ihnen schwindet. Er wurde geboren bei denen, die ganz viel Sehnsucht haben nach einer Wende in ihrem Leben, die schon nicht mehr an den neuen Anfang glauben und die Hunger haben, Hunger nach Brot und nach Leben. Zu ihnen gehen die Engel mit einer Botschaft, die sich der Angst entgegenstemmt: Siehe, ich verkünde euch eine große Freude; euch ist der Retter geboren, – und zwar gerade euch, höre ich mit.
Christus geht auch durch die Gefängnisse. Er geht auch durch die Häuser, wo Menschen alle Kräfte sammeln müssen für das erste Weihnachtsfest ohne den geliebten Menschen, der alle Freude mit sich genommen hat. Christus geht auch durch die Wohnungen, wo Paare sich anschweigen und Kinder sich ängstlich ducken. Christus geht auch durch die Krankenhäuser, wo Menschen mit ihrer Krankheit, ihren Schmerzen, ihrer Angst ringen. Christus geht auch an die ganz stillen Orte, wo Menschen alleine mit sich sind, die Seele voll Sehnsucht nach vergangener Zeit.
Christus geht auch durch die Gefängnisse. Er kommt auch zu mir. Er kommt auch in meine Sorgen, in meine Ängste, in meine Not. Vielleicht ist das dann ein ganz stiller Advent, den ich da erlebe. Nicht die lärmende Fröhlichkeit der Weihnachtsmärkte und nicht die Eile großer Vorbereitungen. Ein ganz stiller Advent, in dessen Tiefe etwas zu glühen beginnt: ein Funke, der Licht und Wärme gibt. Nicht mehr. Aber doch wenigstens das. Mein Advent. Christus geht auch durch die Gefängnisse. Christus geht auch durch mein Haus. Er kommt auch zu mir.
• Gebet
Mein Herz ist ein Kind,
wenn deine Schritte sich entfernen
und ich mich bang frage, wann du wieder kommst.
Mein Herz ist ein Kind, Gott,
wenn die Angst kommt,
sie lauert wie früher
die Monster unter dem Bett.
Mein Herz ist ein Kind, Gott,
wenn ich mich nach einem Wort sehne,
der den Panzer meiner Erstarrung sprengt.
Mein Herz ist ein Kind, Gott,
wenn mir der Glaube zerbricht,
dass es gut werden kann.
Mein Herz ist ein Kind.
Bergen will ich mich
nahe an deinem Herzen,
Mutter Gott.
• Lied: Von guten Mächten (EG 65, 1. 5. 7)
• Segen
• Musik zum Ausgang
1 Der Brief Dietrich Bonhoeffers vom 13.12.1943 ist nachzulesen in: Dietrich Bonhoeffer/Maria von Wedemeyer: Brautbriefe Zelle 92, hrsg. v. Ruth Alice von Bismarck/Ulrich Kabitz, München 1997, S. 95.