Читать книгу Neuland - Monika Murmann - Страница 3
Heisse Wut
ОглавлениеKaltes Köln Trübes und kaltes Winterwetter erstickte jegliche Lebensfreude im Keim. Wie üblich in Köln, fiel kein Schnee. Es war nur nasskalt und eklig und wirklich jeder wollte in der frühen Dunkelheit nur schnell nach Hause. Selbst die Karnevalszeit war an solchen Tage für die meisten Menschen nicht von Interesse. Erschöpft von der Arbeit und frustriert von ihrer derzeitigen Situation, parkte Marilotta Schäfer den blauen Kombi in der Einfahrt vor ihrem Reihenhaus in Köln. Das ungemütliche Februarwetter war für ihre Laune nicht gerade förderlich. Übergangsweise, bis sie wusste wie ihr Leben weitergehen würde, arbeitete sie Teilzeit in einer Pralinenfabrik in der Nähe ihres Wohnortes. Die Arbeit an dem elenden Fließband fiel ihr schwer. Es war viel zu niedrig für ihre Größe. Davon bekam sie schlimme Rückenschmerzen. Nur für die etwas kleiner geratenen Kolleginnen hatte es die ideale Höhe.
Einen bösen Blick warf sie auf den Straßenanfang, wo das Auto ihres Ex-Mannes Jürgen vor dem Haus ihrer Nachfolgerin stand. Sie wohnte noch immer in der Straße in Köln, wo sich die spießigen Reihenhäuser schön parallel gegenüberstehen. Selbst nach der Scheidung vor gut drei Monaten und den davor stattgefundenen Dramen, wie bei einer Trennung wohl üblich, konnte sie sein Verhalten immer noch nicht verstehen.
Sie griff nach ihrer großen Tasche auf dem Beifahrersitz, in der frau allen nötigen und unnötigen Besitz mitschleppt. Jetzt lagen oben auf noch ein paar blasse Tomaten, Aufschnitt und zwei Brötchen. Als Single brauchte man nicht mehr so viel einzukaufen. Sie kochte kaum noch und holte sich lieber im Vorbeigehen etwas Warmes zum Essen. Während sie ins leere, dunkle Haus ging, nahm sie noch die Post aus dem Briefkasten mit. Das Haus roch nicht mehr wie früher nach Essen, Sportklamotten, frischer Wäsche - nach Familie eben. Ein großes Kuvert war diesmal in der Post. Nun, das war auch nichts Neues. Durch die Trennung, die Aufgabe des gemeinsamen Schreibwarengeschäftes und den Verkauf des Hauses gab es ständig große Briefe. Meist von Anwälten oder dem Finanzamt. Marilotta setzte sich ins Esszimmer, belegte die Brötchen mit der Wurst und biss herzhaft hinein. Noch kauend befasste sie sich mit dem Brief. „Moment“, dachte sie“ der kommt ja gar nicht aus Deutschland“. Der Briefmarke nach kam er aus England! Oh, die Queen schreibt mir? Nein, Quatsch beiseite, es ist wohl ein Anwalt oder Notar? Lawyer ist doch Anwalt oder? Dann muss notary wohl Notar heißen! „Was will der denn von mir? Ich kenne doch niemanden in England?“ dachte sich Marilotta.
Neugierig öffnete sie das gut verklebte Kuvert. Sie sah die verschiedenen Unterlagen durch und dachte sich, dass da jemand richtig gut mitgedacht und von dem Originalbrief eine deutsche Übersetzung beigelegt hatte. Sie las den Brief durch, einmal, zweimal und saß wie vom Blitz getroffen da. Sie hatte geerbt, von einem Onkel väterlicherseits. Aber ihr Vater war doch Einzelkind gewesen, wie sie auch! Noch nie hatte sie etwas von einem Bruder ihres Vaters gehört. Allerdings war er nach dem Krieg allein bei seiner Mutter aufgewachsen und es wurde nie viel über den Tod des Vaters gesprochen. Sein Vater war im Krieg gefallen, fertig. Nachdem es zu der Zeit leider sehr vielen Kindern ähnlich ging, war es halt so. Traurig, aber nicht zu ändern. Es gab ein schlechtes Bild in Uniform und mehr nicht. Marilotta konnte aber weder ihren Vater noch die Mutter dazu befragen konnte, da beide im Laufe der letzten Jahre verstorben waren. Das war für sie damals sehr schlimm gewesen. Sie vermisste die Eltern immer noch. Die Großmutter war schon sehr viel länger verstorben.
Laut den beglaubigten Unterlagen soll er Frank Römer geheißen haben, rund zehn Jahre jünger als der Vater gewesen sein und die letzten Jahre in einem kleinen Dorf im Süden Englands gelebt haben.
„Moment mal“, dachte Marilotta, „zehn Jahre jünger? Wie soll das gehen?“ Der Großvater war kurz nach der Geburt ihres Vaters gefallen. Allerdings waren die Informationen von damals vielleicht nicht immer sehr zuverlässige Tatsachen.
Vor rund sechs Wochen, so hieß es weiter, soll er durch einen Autounfall ums Leben gekommen sein. Dadurch, dass Notar Winters vom verstorbenen Onkel Informationen über die Verwandtschaft in Deutschland bekommen hatte, konnte der Notar Marilotta überhaupt so schnell finden. Warum hatte der Onkel einem Notar solche Infos gegeben? War er vielleicht krank gewesen und wollte seine Angelegenheiten ordnen? Wusste er von seinem älteren Bruder? Wusste ihr verstorbener Vater von seinem Bruder? Lebt die Mutter von Frank Römer noch? War der Unfall ein Zufall? Warum lebte er eigentlich in England? Hatte er eine Frau oder wenigstens Kinder? Wie sah er eigentlich aus?
Ihr Hirn begann zu arbeiten, besonders, als sie las, dass er ihr ein kleines Haus und seinen gesamten restlichen Besitz hinterlassen hatte.“ Meine Güte“, dachte sie,“ das ist ja wie im Kino! Was mache ich denn jetzt?“
Am Ende des Briefes stand noch, dass der Notar unter Umständen sogar einen Käufer hätte, der bei einem vernünftigen Preis das Haus kaufen würde. Sicherlich, so schrieb er, hätte sie eine Familie, Arbeit und ihren Lebensraum, den sie doch nicht verlassen möchte. So wäre das doch eine praktische Lösung und würde ein nettes Sümmchen aufs Konto bringen. Die Konten des Onkels könnte er auflösen und die Möbel in ihrem Auftrag verkaufen.
Schon als sie den Vorschlag vom Verkauf las, spürte sie dagegen heftigen Widerwillen. Als würde man ihr den gerade präsentierten Onkel sofort wieder wegnehmen. Wäre ihre Situation „normal“ gewesen, wäre das sicherlich eine gute Lösung gewesen. Aber gerade jetzt mit ihren 42 Jahren stand sie an einem Wendepunkt ihres völlig zusammengebrochenen Lebens und war tatsächlich für eine große Veränderung bereit.
Was hielt sie hier noch? Vom Mann geschieden, das Haus war verkauft und in vier Wochen musste sie ausziehen und hatte noch nichts anderes. Zwei mögliche kleine Wohnungen hatte sie sich angesehen und wartete auf die Zusage der Vermieter. Da waren noch ihre „lieben“ Kinder, Julia und Fabian, Zwillinge und 22 Jahre alt. Seit gut einem Jahr studierten beide in Düsseldorf Maschinenbau. Julia war in Mathe, Physik und Chemie so gut wie ihr Bruder. Beide hatten ein richtig gutes Abitur hingelegt. Nach einem Aufenthalt in Australien begannen sie ihr Studium.
Ja, sie waren eine Bilderbuchfamilie gewesen, zumindest nach außen. Marilotta und ihr Mann Jürgen hatten sich früh selbständig gemacht und arbeiteten beide in ihrem Schreibwarenladen. Anfangs war sie wegen der Kinder öfter zuhause geblieben, aber die dadurch höheren Personalkosten machten das Geschäft nicht mehr rentabel. So kamen die Kinder zu einer lieben Tagesmutter und sie arbeitete praktisch ganztags. Abends kochte sie noch, kontrollierte die Hausaufgaben und erledigte die Wäsche. Für das Grobe kam zwei Mal wöchentlich eine Putzfrau. Marilotta hatte sich große Mühe gemacht, um es besonders den Kindern recht zu machen. Leider ging die Rechnung nicht so auf, wie sie sich das vorgestellt hatten. Die Kinder bildeten eine Einheit und waren hauptsächlich dem Vater zugetan. Vielleicht weil sie nie Zeit gehabt hatte? Es musste doch die Buchhaltung für den Steuerberater vorbereitet werden und die ständigen Bestellungen. Um so etwas kümmerte sich ihr Mann nicht, aber an den Kegelabend dachte er schon! Ebenso an Fußball in Fernsehen, den er mit seinen Kumpels ansah. Zu Fußballspielen nahm er wenigstens die Kinder mit, so hatten sie das Gefühl, das er sich um sie kümmerte. Die Wochenenden waren manchmal schlimmer als der Rest der Woche, da sie leider feststellen musste, dass die Kinder lieber in ihren Zimmern blieben, als unten bei der Mutter. Dann standen noch regelmäßig am Sonntag Jürgens Eltern auf dem Programm. Oma und Opa kamen zum Kaffee und es musste natürlich ein selbstgebackener Kuchen sein. Kaufen kam nicht in Frage! Diese Nachmittage mit den dummen Fragen seiner Eltern, brachten sie an den Rand des Wahnsinns. Sie fühlte sich, als wenn sie gleich implodieren würde. Eigentlich bräuchte sie jede Minute, um mit ihren Kindern zu sprechen, zu fragen und zuzuhören. Wen interessierten schon deren Nachbarn und die dazugehörigen Urlaubsorte? Oder die tollen Tipps der Schwiegermutter zu neuen Diäten.
Manchmal konnte sie sich nur mit ein paar Runden joggen abreagieren. Ein paar Urlaube leisteten sie sich in den letzten Jahren mit den Kindern. Einige fröhliche Bilder an der Wand zeugten davon, dass wenigstens die Kinder ihren Spaß hatten. Sie und ihr Mann hatten immer weniger privates miteinander zu reden. Trotzdem wäre sie niemals auf die Idee gekommen, dass ihr Mann sie betrügt!
Um die Zeit besser einzuteilen, hatte jeder 1-2 Nachmittage in der Woche frei, weil es nachmittags immer ruhiger war und dann eine Arbeitskraft zur Bewältigung der Kundschaft reichte. An ihren Nachmittagen erledigte sie die Einkäufe, Arzttermine, Besorgungen für Geburtstage, Weihnachten uä. Ab und zu reichte die Zeit für einen Kaffee mit Freundinnen. Wenn Jürgen frei hatte, so musste sie in letzter Zeit feststellen, wenn sie abends heimkam, war absolut nichts gemacht und noch nicht mal etwas fürs Abendessen eingekauft. Dafür war er stets bester Laune und bestellte was vom Chinesen. Das gab es sonst nur an besonderen Tagen oder wenn ganz viel Stress war. Nach ein paar Nachmittagen dieser Sorte wurde sie misstrauisch. Roch er abends nicht besser als sonst? Hatte er nicht morgens ein anderes Hemd angehabt? Sie merkte es am Bügelberg, der auch höher war als normal. Als sie ihn darauf ansprach, reagierte er sofort zickig und raunzte sie deswegen an. Es wäre wohl seine Sache, wie oft er seine Hemden wechseln würde. Er hätte sich eben verschwitzt gefühlt. Eine logische Erklärung, aber ein merkwürdiges Gefühl blieb. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und bestellte für den nächsten freien Nachmittag ihres Mannes eine Aushilfe.
Natürlich ohne dass er es merkte, verließ sie kurz nach ihm den Laden. Sie fuhr vorsichtig hinter ihm her und wunderte sich, dass er einfach nach Hause fuhr. Schon machte sich ein fürchterlich schlechtes Gewissen in ihr breit. Was hatte sie sich nur dabei gedacht! Sie blieb mit dem Auto in der gegenüberliegenden Nebenstraße stehen und überlegte erst mal. Ihr Mann war ganz normal ins Haus gegangen. Was, wenn er jetzt im Laden anrief? Oh je, er konnte sehr aufbrausend und cholerisch werden. Als sie einmal einen kleinen Autounfall hatte und es beichtete, schmiss er vor Wut die volle Kaffeetasse an die Wand. Langsam wurde ihr übel und sie legte sich Bruchstücke einer möglichen Ausrede zurecht. Auf einmal kam Jürgen wieder aus dem Haus und – verdammt – er hatte ein anderes Hemd an. Heute hatte sie sich eine gedankliche Notiz gemacht, das Hemd von morgens gleich in die Sammlung zu geben, weil es am Bauch doch recht spannte. Nun hatte er das schöne Rote an und kam in ihre Richtung gelaufen. Sie wohnen in einer Straße mit lauter gleichen langweiligen Reihenhäusern auf beiden Seiten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war eine Reihe mit Häusern genau spiegelverkehrt angeordnet. Ein Herzanfall bahnte sich bei ihr an, denn sie wusste nicht, was wohl geschehen würde. Er ging zum Eingang des ersten Hauses der Straße und klingelte. „Was will er denn bei Vera?“ dachte Marilotta verwundert und bekam die Antwort sofort. Die Nachbarin Vera öffnete und fiel ihm um den Hals. Nach einem nicht jugendfreien Geknutsche zog sie ihn ins Haus. Marilotta blickte zur Haustüre und hatte plötzlich nur noch Rauschen in den Ohren und einen schlechten Geschmack im Mund.
Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Letztens ging er doch am Sonntag rüber, weil bei der frisch geschiedenen “armen“ Frau wohl die Waschmaschine nicht funktionierte und sie ihn um Hilfe gebeten hatte. Was die Zwei da gemacht hatten, brauchte man jetzt nicht groß erklären. Sie hatte währenddessen in der Küche gestanden und einen Kuchen für seine Eltern gebacken. Nun wurde ihr so manches klar. So einige Anrufe in den letzten Wochen, wo sofort wieder aufgelegt worden war, wenn sie den Hörer abnahm, zum Beispiel. Wenn Jürgen ans Telefon ging, waren es seine Freunde vom Fußball. Ja, wer das glaubte! Dabei hatten sie die Vera erst vor ein paar Monaten kennengelernt, als das jährliche Straßenfest war und sie sich als Neue überall vorstellt hatte. Niemals hätte sie die unsympathische, dürre Blondine als irgendeine Gefahr eingeschätzt. Sie hatte mit ihr nichts zu tun und es bestand von ihrer Seite auch kein Interesse an einem näheren Kennenlernen. Wenn sie sich mit ihr verglich, schnitt sie ihrer Meinung nach viel besser ab. Sie hatte schöne kastanienbraune Locken, wozu sie sich ab und an rote Strähnchen gönnte. Mit ihren 1,70m und knappen 20 Kilo Übergewicht, gut verteilt, machte sie trotzdem mehr her. „Was will er mit diesem Bügelbrett von Frau?“ dachte Marilotta “die hatte ja nicht mal was in der Bluse, was ihrem Mann doch angeblich so wichtig war?“
Jetzt wuchs eine Wut ihn ihr, die sie so noch nicht gekannt hatte. Ihr wurde heiß und sie wollte in irgendetwas reinschlagen und kaputt machen. Das war also der Lohn für die vielen Jahre Ehe und Schufterei? Gerade lief es etwas leichter und die Kinder waren fürs Studium in eine gemeinsame WG gezogen. Sie beide hätten es nun einfacher haben können, denn der große Kredit fürs zweite Auto war komplett und die Hypothek fürs Haus fast abbezahlt. Was sollte das jetzt! Ohne nachzudenken fuhr sie mit quietschenden Reifen über die Straße und vor das Haus der Nebenbuhlerin mit den Vorderreifen bis tief ins Blumenbeet rein. Sie hupte so lange, bis beide aus dem Haus kamen, notdürftig angezogen! Alles was sie ihm und ihr an den Kopf werfen wollte, blieb ihr im Halse stecken. „Bis heute Abend hast Du Deine Sachen aus dem Haus geholt“, flüsterte sie ihm zu. Vor Wut versagte fast ihre Stimme, “Dich will ich nie mehr sehen!“ Von ihm kamen keine weiteren Einwände, nur ein betretener Blick und das bestätigte sie in ihrem Verdacht, dass das Verhältnis schon länger ging. Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem großen Karpfen. Kein Mucks kam über seine Lippen. Das Gesicht war ähnlich ausdrucksstark wie bei einem Fisch. Veras Gesicht war hochrot, allerdings mit einem siegessicheren Ausdruck. Ein Großteil der Nachbarn stand inzwischen auf der Straße und genoss die Szene. Egal! Sie fuhr mit dem Auto zum nächsten Supermarkt auf den Parkplatz und machte den Motor aus. Ihr Kopf schien zu platzen. Brauchte sie jetzt Kaffee, Schnaps oder lieber Kamillentee? Sollte sie nicht weinen, Heulkrämpfe kriegen? Ihr ganzes Leben lag in Trümmern vor ihr. Eheberatung und Versöhnen? Sie überlegte kurz, aber die Verletzung war zu stark. Nein, im Leben nicht! Nein, wenn dieses Weib ihren Mann haben wollte, mit seinen ganzen Macken und Launen – gut, viel Spaß dabei!
Tief in ihr formte sich etwas Hartes, Neues, Unbeugsames. „In ein paar Monaten, wenn die frische Liebe vorbei ist, wird sie schon sehen, was hinter der Fassade steckte“.
Sie sah auf die Uhr, es war schon später Nachmittag und die Kinder waren vermutlich mit den Vorlesungen für heute durch und wären wohl bei ihnen zuhause. Ihre Tochter Julia war am Telefon. „Julia, ist Dein Bruder da? Stell bitte auf laut, dann muss ich es nicht zweimal erzählen. Es ist eh schon schlimm genug!“ Sie erzählte den Kindern von dem eben passierten Drama. Am anderen Ende war Totenstille. Wie, keine Reaktion? Noch bevor sie zum Denken kam, räusperte sich die Tochter und erklärte, dass sie schon von der Beziehung – aha, jetzt war es schon eine Beziehung - des Vaters wussten. Er hätte es ihnen schon vor gut zwei Wochen telefonisch mitgeteilt. Auch, dass die Ehe, seiner Meinung nach, am Ende war und er nur noch auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um sich zu trennen. Julia sagte, dass sie zwei sich auf keine Seite schlagen wollen, die Eltern sollten das unter sich ausmachen. Marilotta hörte nur noch Klingeln in den Ohren. Ohnmächtig umfallen wäre eine Möglichkeit, um sich aus dieser Situation rauszubringen. Aber wie immer war kein gutaussehender netter Mann da, der sie auffangen würde. „Julia, Fabian, warum habt ihr mich nicht angerufen? Warum habt ihr nichts gesagt? Was habe ich Euch denn getan? Ihr seid doch meine Kinder! Ihr könnt mir doch nicht so in den Rücken fallen! Das ist ja Verrat!“, schrie sie fast schon in den Hörer. „Wir können den Papa schon verstehen. Du hast ja nie Zeit für ihn. Die Vera nimmt sich die Zeit, die arbeitet ja auch und hat trotzdem Zeit für ihn“, kam es laut von Fabian zurück. Vera war Single, ohne Kinder, arbeitete halbtags im Büro und hatte natürlich alle Zeit der Welt für ihren neuen Geliebten! Marilotta war sprachlos, einfach nur sprachlos. War es so verdammt einfach zu erklären? Sie hat doch nur versucht, es allen recht zu machen. Wann bitte schön, war der Zug ihrer Ehe und Familie ohne sie abgefahren? Das Gespräch mit den Kindern beendete sie, durch das Drücken der Taste am Handy. Egal was sie sagen würde, es klänge wie eine Rechtfertigung und das hatte sie nicht nötig. In ihrer Not fuhr sie zu ihrer einzigen Freundin Katja. Die andere Freundin Anna-Lena war vor ein paar Monaten mit Familie nach Kanada gezogen, weil ihr Mann da ein „Schweinegeld“ im IT-Bereich verdiente. Vielleicht kamen sie, wie geplant in drei Jahren wieder zurück, wer weiß? Die Whatsapp Mitteilungen kamen schon jetzt nur noch vereinzelt. Christine war keine Freundin mehr, weil Marilotta ihr letztes Mal die Meinung gegeigt hatte, als sie von Arbeitsüberlastung sprach. Sie hat einen Halbtagsjob in der Gemeinde, einen „staubfreien“ Mann, einen Sohn der nicht Fußball spielt und eine Putzfrau.
Jeden zweiten Monat machte sie zusätzlich mindestens 3 Tage krank. Ja Herrgott, sollte sie die Andere vielleicht noch bedauern in ihrem „Elend“? Da war ihr dann der Kragen geplatzt. Danach war sie aufgestanden und gegangen. Seitdem hatte sie von Christine nichts mehr gehört.