Читать книгу GESCHICHTEN AUS DONNAS KASCHEMME - Monika Niehaus - Страница 13
Оглавление»Brandschutz« ist ein Thema, das in der SF eher selten thematisiert wird – ganz zu Unrecht.
Der Modell-Bürokrat
Wir saßen wie üblich beim Bier, und Willi, das Wurmlochwiesel, gab eine seiner Geschichte zum Besten, als uns ein Räuspern aufschauen ließ. An der Tür stand ein vertrocknetes Männchen, und wenn etwas auffällig an ihm war, dann seine Unauffälligkeit: angestaubte Klamotten, mausgraues, in der Mitte gescheiteltes Haar, runde Brille, verkniffener Mund.
»Ehem!« Der Kleine räusperte sich erneut. »Ich möchte den Chef dieses Etablissements sprechen …«
Donna stellte ihr Tablett ab. »Die Chefin bin ich! Was wollen Sie – ein Bier?«
»Nicht, solange ich im Dienst bin!«, wehrte der Angesprochene ab. »Gestatten, Chuzzlewit.« Er hielt einen Ausweis hoch. »Ich bin Beamter der terranischen Gewerbeaufsicht und soll den Brandschutz überprüfen – Feuerlöscher, Notausgänge, Rauchmelder, eben die ganze Palette!«
»Auweia, das riecht nach Ärger!«, raunte Willi mir zu.
Donna baute sich vor dem Kleinen auf, die Arme in die Seite gestützt. »Wie Sie sehen, besteht meine Kneipe aus einem einzigen Raum! Notausgänge sind da völlig überflüssig, Rauchmelder würden bei gewissen Gästen« – sie warf Quoxx einen Du-weißt-schon-wer-gemeint-ist-Blick zu – »ständig anschlagen, und als Feuerlöscher habe ich einen Aquarianer, der jederzeit Wasser spucken kann!«
Das Männchen schüttelte fast mitleidig den Kopf. »Sie haben das Wesen der Bürokratie nicht verstanden, gute Frau. Es kommt nicht darauf an, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, sondern dass sie durchgeführt wird, und zwar Paragraf für Paragraf.«
Er öffnete seine Aktentasche, zog eine Liste hervor, rückte seine Brille zurecht und befeuchtete seinen Bleistift mit der Zungenspitze. »Dann woll’n wir mal …«
Die beiden ließen sich an einem Nebentisch nieder.
Während wir uns wieder ins Gespräch stürzten und uns bemühten, das Gemurmel am Nebentisch zu überhören, schien es Willi die Sprache verschlagen zu haben. Stumm kaute er an seiner Unterlippe, die Augen auf den Kleinen gerichtet …
»Wenn ich die Verstöße kurz überschlage« – irgendwann schnitt Chuzzlewits scharfe, hohe Stimme durch den Geräuschpegel – »dürften sich die Bußgelder auf rund fünfzigtausend Credits belaufen …«
Donna lehnte sich stöhnend zurück. »Das war’s dann wohl mit der Kneipe!«
»Wenn Sie jetzt eine Anzahlung von, sagen wir, fünftausend Credits leisten, sorge ich dafür, dass Sie den Rest über die nächsten Monate abstottern können … wir Bürokraten sind schließlich keine Unmenschen …« Chuzzlewit lächelte schmallippig und hielt die Hand auf.
In diesem Moment verlor Willi offenbar den Verstand. Er sprang auf, riss die Gabel aus dem Rollmopsglas und nagelte Chuzzlewits Hand an die Tischplatte. Wir hielten entsetzt die Luft an. Und dann geschah etwas wirklich Unglaubliches. Statt zu bluten, verwandelte sich die Hand in eine Art Glibber, floss zwischen den Zinken der Gabel hindurch und vereinte sich wieder. Sekunden später lag die Hand des Kleinen neben der Gabel, als sei nichts geschehen.
»Wusste ich es doch!« Willis Stimme klang triumphierend. »Sie sind kein Terraner, Master Chuzzlewit. Nicht einmal ein Humanoid!« Er kniff die Augen zusammen. »Ein Formwandler, nicht wahr?«
Der Kleine nahm seine Enttarnung bemerkenswert gelassen hin. »Es kann nicht jedes Mal klappen – woran haben Sie’s gemerkt?«
»Nun, zunächst ist mir eine gewisse … Unschärfe aufgefallen. Ihre Umrisse flimmern, Verehrtester! Und dann Ihr Outfit! Es versprüht einen geradezu viktorianischen Charme. Nickelbrille und Ärmelschoner sind vollkommen démodé!«
»Wir Formwandler richten es so ein, dass unser Äußeres den Klischees der heimischen Bevölkerung entspricht!«, verteidigte sich der Angesprochene pikiert. »Ich gebe allerdings zu, dass unser Hintergrundmaterial für das Modell ›Bürokrat‹ von einem gewissen Master Dickens stammt … vielleicht sollten wir es auffrischen!« Er grinste Donna an. »Nun, da wir das Geschäftliche hinter uns haben, kann ich ein Bier bekommen?«
Donna, hinter deren Stirn sich ein Sturm zusammengebraut hatte, verschlug es ob dieser Unverschämtheit sekundenlang die Sprache. Dann musste sie ebenfalls grinsen. »Für einen Glibberklumpen hast du wirklich Nerven, Kleiner!«
Zum Dank unterhielt uns der Kleine mit einigen recht gewagten Transformationen, bis seine Umrisse infolge reichlichen Biergenusses zu verschwimmen begannen und er schließlich in Donnas Putzeimer entschlummerte.
Als wir am nächsten Abend in die Kneipe zurückkehrten, staunten wir nicht schlecht. Quoxx hatte neben seinem Stammplatz einen rostigen roten Feuerlöscher aufgehängt, auf den er sichtlich stolz war. Und Willi hatte sich als Elektriker betätigt, denn über der Tür erstrahlte der Schriftzug »Notausgang« in blauem Neonlicht. Wir applaudierten begeistert, und Donna gab eine Runde Freibier aus. Niemand soll behaupten, dass wir Brandschutz in Donnas Kaschemme am Rande der Milchstraße nicht ernst nehmen, davon können Sie sich bei Ihrem nächsten Besuch gern selbst überzeugen.
»Brandschutz«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2014