Читать книгу GESCHICHTEN AUS DONNAS KASCHEMME - Monika Niehaus - Страница 6
ОглавлениеWenn Sie bisher nicht wussten, was ein »Gnurk« ist, so können Sie diese Bildungslücke nun schließen.
Das Duell
Donnas Kaschemme ist nicht gerade arm an seltsamen Typen, doch ein Gnurk war hier auf Terra am Rand der Milchstraße nun wirklich etwas Besonderes. Gnurks sehen aus wie eine Kreuzung zwischen Erdferkeln und Ferengi. Sie sind Globetrotter und Glücksritter. Und sie gelten als die unverschämtesten Aufschneider in der ganzen Galaxie. Da der Gnurk angeblich von Adel und sein Name für Nicht-Gnurks unaussprechlich war, erlaubte er uns, ihn einfach »Baron« zu nennen.
An jenem Abend hockten wir mit Willi, dem Wurmlochwiesel, zusammen, als sich der Baron zu uns setzte. Willi ist seines Zeichens Kopfgeldjäger und unser lokaler Champion, was fantastische Geschichten angeht. Donna brachte ungefragt eine Runde Bier. Über ihren Gläsern maßen sich die Kontrahenten mit zusammengekniffenen Augen. Allen war klar, dass es zu einem Showdown kommen würde.
»Auf Plutonia hab’ ich mal ein Dreihorn erlegt …«, eröffnete Willi die Partie.
»Dreihörner« – der Baron machte eine wegwerfende Handbewegung – »Dreihörner sind doch trivial! Ja, wenn Sie schon mal einen Paradoxwolf gejagt hätten …« Und an die erwartungsvolle Runde gewandt: »Ich war mit meinem windschnellen Windhund hinter einem besonders flinken Exemplar her, aber je schneller der Hund rannte, desto mehr Vorsprung gewann das Vieh. Schließlich hatte ich einen Geistesblitz: Ich befahl dem Hund, rückwärts zu laufen, und in Nullkommanichts hatte er Meister Isegrim eingeholt. Von den Einheimischen wurde ich sehr gelobt für meinen guten Einfall!«
Und bevor Willi Luft holen konnte, legte der Gnurk nach: »Ein andermal war ich in einer wirklich brenzligen Lage. Ich war von Dorfbewohnern gebeten worden, sie von einer schrecklichen Raubkatze zu befreien, die die Raumzeit im ganzen Sektor unsicher machte. Ich hatte mich kaum umgedreht, als ich plötzlich den heißen Atem der Bestie im Nacken spürte. Ich erkannte sofort, dass es sich um einen dieser Quantentiger handelte. Das Biest hatte sich von hinten herangeschlichen! Und meine Quantenbüchse lag noch im Zelt – ich war so gut wie verloren! Ich zermarterte mir das Hirn … und dann schleuderte ich ihm die Schrödingergleichung entgegen. Und hast du nicht gesehen, lösten sich seine Umrisse auf und das Biest kollabierte wie ein angestochener Luftballon.«
Rundum ertönte beifälliges Gemurmel. Donna stellte dem Gnurk noch ein Bier hin. Der Baron nahm einen tiefen Schluck und warf Willi einen Blick zu, doch der hielt den Kopf gesenkt. Die Partie stand eindeutig zugunsten des Gnurks.
Der beeilte sich, seinen Vorteil zu nutzen: »Und damals Draconia … der König flehte mich an, seine flachsblonde Tochter zu retten, die vor der Drachenhöhle angekettet war. Ich richtete mein Fernrohr auf den Höhleneingang. Der Drache war wirklich ein gewaltiges Vieh, aber ich bin nicht umsonst weit in der Galaxie herumgekommen.« Er grinste selbstsicher in die Runde. »Daher erkannte ich sofort, dass es sich um ein Exemplar der Spezies Draco simulatus handelte, einen sogenannten Scheindrachen. Also wies ich meinen Burschen an, mir zu folgen. Kaum wurde der Drache meiner gewahr, fing er an, Feuer zu spucken, doch ich drehte einfach mein Fernrohr um, und je näher ich kam, desto kleiner wurde er, bis mein Bursche ihn schließlich in seinen feuerfesten Rucksack stecken konnte. Dann führte ich die wunderschöne, flachsblonde Prinzessin heim ins Schloss.«
Der Gnurk machte eine nonchalante Handbewegung. »Ich kann nur sagen, sie war mir wirklich sehr, sehr dankbar … aber der Kenner genießt und schweigt.«
Er grinste Willi siegessicher an, wobei seine Fangzähne aufblitzten: »Sie zweifeln doch nicht etwa an meinen Worten, Willi?«
Willi wischte sich den Bierschaum vom Mund. »Ganz im Gegenteil, Baron. Ich weiß, dass Sie die Wahrheit sprechen!«, entgegnete er kühl. »Mir macht nur Ihr Gedächtnis Sorgen!« Er beugte sich vor: »Erinnern Sie sich etwa nicht mehr daran, dass ich der Bursche war, der Sie da rausgehauen hat, als die Eunuchen der Prinzessin Sie einen Schwanz kürzer machen wollten? Wir sind wirklich im allerletzten Moment davongekommen!«
Einen Augenblick herrschte Totenstille, dann begann die ganze Kneipe wie ein Mann zu klatschen und zu johlen. Als sich die Aufregung endlich legte, war der Platz des Gnurks leer. Er hatte sich offensichtlich aus dem Staub gemacht – natürlich, ohne seinen Deckel zu begleichen.
Donna trägt solche Verluste mit Fassung. Ihr geht eine gute Geschichte über alles. Wenn Sie also gerade in der Gegend sind, schauen Sie doch mal vorbei in unserer Kaschemme. Sie werden sich bestimmt nicht langweilen.
»Invasion der Gnurks«, Hrsg. Thomas Le Blanc und Jörg Weigand, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2012