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Unerwartete Begegnungen
ОглавлениеSie trafen Hawke und den Rest der Gruppe an der Pforte zu
Ascardia, die von zwei großen Eichen gesäumt wurde.
„Sind alle bereit? Vor uns liegt ein langer Weg.“
Er wartete die Antwort nicht ab: „Kytschuld, Embrico, Ihr bildet die
Spitze. Jakoff und Melchior, Ihr reitet hinterher. Melissa, Ihr haltet
Euch direkt hinter ihnen, zusammen mit Ticzco. Cathrina, ihr folgt
mit Balthasar. Leupold, Ihr bildet mit mir den Schluss.
Haltet immer schön die Augen offen. Solange wir noch in Kalides
sind, droht uns wenig Gefahr. Die Patrouillen machen ihre Arbeit
sehr gründlich. Doch wenn wir erstmal die Grenze überschritten
haben, beschützt uns niemand mehr. Fertig? Gehen wir!“
Sie folgten rasch seinen Anweisungen und ritten zügig los. Sie
zogen Richtung Westen und nahmen den direkten Weg durch den
Wald.
Es war sehr still und lange Zeit sagte niemand ein Wort.
Als sie ungefähr drei Stunden über einigermaßen befestigte
Straßen geritten waren, ging die erste Sonne langsam auf und der
Wald erwachte zum Leben. Cathrina behielt ihre Umgebung im
Auge.
Auch wenn die Soldaten die meisten Unholde von hier fernhielten.
In Eutheria lebten noch immer wilde Tiere: Bären und Wölfe. Sie
hielten sich größtenteils von Ascardia fern, aber so weitab der
kleinen Stadt, konnte niemand ahnen, ob ihnen nicht doch der eine
oder andere über den Weg lief. Cathrina betrachtete Mia, fast ein
wenig besorgt. Sie hatte gestern nicht mehr die Möglichkeit
gehabt mit ihr zu sprechen, doch sie spürte, dass sie irgendetwas
beschäftigte. Dann war da noch die Tatsache, dass sie es nicht
gewohnt war, so lang auf dem Rücken eines Pferdes zu
verbringen. Cathrina kannte nichts anderes. Oft waren sie
Stunden durch den Wald geritten, hatten Tiere verfolgt oder
Abschaum aus Kalides verjagt. Nur selten wurden Gefangene
gemacht. Wenn sie sich nicht verjagen ließen, wurden sie getötet.
Für solche Menschen war in Ascardia kein Platz.
Hawke schloss zu Kytschuld auf und gab ihm Anweisungen. Als sie
auf eine Lichtung kamen, hielten sie an.
„Wir werden hier kurz rasten. Den nächsten Teil müssen wir zu Fuß
zurücklegen.“
Cathrina war in dieser Gegend nur einmal gewesen. Sie sah den
Hang hinauf. Es würde ein schwerer Anstieg werden. Der Boden
war von Kiefernnadeln, Ästen und derlei übersät.
Sie schwang sich aus dem Sattel und führte Pollux, wie die anderen
Krieger auch, an einen kleinen Bach. Sie füllte ihre Wasserflasche
auf und machte einige große, wohltuende Schlucke. Sie mussten
trinken, solange sie konnten. Nicht immer würden sie soviel Glück
haben und auf Wasser stoßen. Hawke ging an Cathrina vorbei,
nickte ihr ohne ein Lächeln zu, um ein paar Worte mit Mia zu
wechseln.
„Wie geht es Euch, Heilerin?“
Sie konnte ihre Überraschung sehen, als Hawke sie ansprach.
„Es geht schon. Ich muss mich wohl erst daran gewöhnen.“
„Wenn wir eine Pause einlegen sollen, Ihr müsst es nur sagen. Es
ist nicht mein Wunsch Euch zu quälen.“, er schenkte ihr ein
seltenes Lächeln.
Cathrina konnte sehen, wie sich dabei sein Gesicht veränderte. Er
schien plötzlich um einige Jahre jünger zu sein. Seine Züge wirkten
weicher und in seinen rauchgrauen Augen erschien ein einzigartiger
Glanz.
Sie wandte den Blick ab, denn es sollte nicht der Eindruck
entstehen, dass sie die beiden belauschen würde.
Sie hörte Mia lachen.
„Ich möchte nicht, dass Ihr Euch meinetwegen Umstände macht,
Kommandant. Ich werde etwas sagen, wenn es gar nicht anders
geht. Vorher nicht.“
Er nickte: „Ich verlasse mich darauf.“
Cathrina schraubte ihre Flasche zu und steckte sie zurück in die
Satteltasche. Als Hawke an ihr vorbei ging hielt sie den Blick
gesenkt.
„Es geht weiter!“, rief Kytschuld.
Wie Cathrina erwartet hatte, stellte sich das Erklimmen des Hangs
als äußerst schwierig und zeitaufwändig heraus. Der Hügel war
zwar nicht sehr steil, doch die Hufen der Pferde fanden auf dem
unebenen Boden kaum Halt und gerieten immer wieder ins
Rutschen.
Sie brauchten fast eine ganze Stunde und als sie endlich oben
ankamen, waren sie außer Atem und schweißüberströmt. Die
Sonnen waren in der Zeit vollends aufgegangen und brannten
unbarmherzig.
Cathrinas rechte Schulter schmerzte unangenehm. Als Pollux
abermals ins Rutschen geriet, hatte sie sich an einem Baum
abgestützt, um nicht in die Tiefe gerissen zu werden. Der plötzliche
Widerstand hatte so unglücklich an ihrem Arm gezerrt, dass es ihr
den Atem verschlagen hatte.
Nun hatten sie die Anhöhe erreicht.
„Wenn wir weiter Richtung Westen reiten, haben wir heute
Nachmittag die Grenze erreicht.“
„Ich hatte keine Ahnung, dass Kalides so groß ist.“ Einige der
Männer sahen Ticzco ungläubig an.
„Wollt Ihr mir etwa erzählen, dass Ihr hier draußen noch nie auf
Patrouille wart!?“, fragte Embrico leicht entrüstet.
„Nein. Noch kein einziges Mal.“
„Pah! Ich bin mindestens drei Mal in der Woche hier! Ich glaube,
ich sollte mal ein ernstes Wort mit unserem Kommandanten
sprechen. Irgendwas scheint mit den Plänen nicht so ganz
hinzuhauen.“
Einige der Männer lachten amüsiert.
„Ruhe, Männer.“ Sofort war es leise.
„Könnt Ihr das hören?“
Cathrina wechselte einen Blick mit Hawke und Kytschuld. Sie hatte
es auch gehört und ohne, dass sie sich absprachen gingen sie in
einigem Abstand in die Richtung aus der es kam.
Sie ließ ihre linke Hand über dem Gürtel liegen, während in ihrer
Rechten bereits Dextra ruhte. Sie bewegte sich wie ein Schatten.
Das war ihre größte Stärke. Man konnte sie nicht hören. Auch nicht
auf einem von Ästen und Laub überzogenen Waldboden, wie
diesem hier.
Bald erreichte sie die Lichtung von der das Geräusch gekommen
war. Hawke und Kytschuld kamen von den Seiten auf sie zu.
Wie die anderen beiden richtete auch sie den Blick in die Bäume.
„Ist das ein Klangspiel?“, fragte Kytschuld fast ein wenig
enttäuscht. Mit einem zischendem Geräusch fuhr seine Klinge
zurück in die Scheide.
„Was hat das hier zu suchen?“, Cathrina konnte sich nicht
vorstellen, welchem Zweck es dienen sollte. Und dann sah sie sie.
Von allen Seiten stürmten sie auf die kleine Gruppe zu.
Es waren nicht viele. Doch sie wirkten gefährlich, wild und
heruntergekommen.
Den Ersten streckte Cathrina mit Dextra nieder, der schnell und
leise an Hawke vorbei zischte. Dieser hatte bereits sein Schwert
gezogen und kümmerte sich in der Zwischenzeit um die zwei
anderen, die es auf Cathrinas Rücken abgesehen hatten.
Im Laufen ließ diese sich fallen, rutschte unter einer herab
sausenden Streitaxt hindurch, zog Dextra aus der Leiche und
rammte ihn ihrem nächsten Angreifer ins Auge. Der Junge mit der
Axt hatte das Interesse an ihr verloren und wendete sich nun
Hawke zu, der immer noch mit den zwei anderen beschäftigt war.
Der eine war ein verdammt großer Brocken und schien nicht
müde zu werden seinen Morgenstern zu schwingen. Der Kleinere
hingegen schien nur dazu da Hawke abzulenken.
Cathrina warf einen Blick auf Kytschuld. Auch dieser war
beschäftigt, schien jedoch gut klar zu kommen. Also zögerte sie
nicht lange und sprintete los. Im gleichen Moment, in dem der
Junge seine Axt in Hawkes Rücken versenken wollte, hatte sie ihm
Manus in die Kehle gestoßen. Gurgelnd und Blut spuckend brach er
zusammen.
Hawke, einen Moment von ihrem plötzlichen Auftauchen irritiert,
reagierte nur einen kurzen Augenblick zu langsam. Der
Morgenstern streifte seine Schulter und riss einen Fetzen Stoff
mit sich. In stillem Einvernehmen kümmerte sich Cathrina um den
Schmächtigen. Ihr Gegner war schnell und versuchte sie immer
wieder aufzufordern, ihn anzugreifen. Doch Cathrina bezweifelte,
dass er fair spielen würde. Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln,
hob das Kinn in einer trotzigen Geste und schlich um ihn herum.
Schon bald verlor er die Geduld, wie sie es sich gedacht hatte. Er
machte einen unkontrollierten Schritt auf sie zu, streckte dabei den
Arm aus, um nach ihr zu greifen. Er verfehlte sie, allerdings hatte er
sich in ihrem Haar festgekrallt.
Sie biss die Zähne zusammen, machte eine ruckartige Bewegung
und hatte das Gefühl, als würde ein Teil ihrer Kopfhaut ausgerissen
werden.
Sie verlor keine weitere Zeit, machte einen Ausfallschritt und
während ihr Gegner dachte, er hätte sie erwischt, ließ sie sich auf
ein Knie fallen und rammte ihm Manus bis zum Anschlag unter das
Brustbein.
Der junge Mann kreischte auf, Cathrina drehte den Dolch und riss
ihn dann in einer fließenden Bewegung wieder heraus. Blut ergoss
sich auf ihr Gesicht und schnell wandte sie sich ab. Als sie ihn mit
ihrem rechten Arm abwehrte, sodass er nicht auf sie fiel,
bemerkte sie, dass sie die Letzte war, die noch gekämpft hatte. Sie
richtete sich auf und bemerkte, wie Kytschuld und auch Hawke
sie angafften.
„Nette Vorstellung.“, bemerkte Kytschuld, Hawke jedoch wandte
sich ab.
„Was war denn hier los?“, Ticzco erschien auf der Lichtung. Dicht
gefolgt von den anderen.
„Ein Hinterhalt, wie ich vermute.“, Hawke wischte sein Schwert an
dem Fell des Toten ab. Dann deutete er damit auf das Klangspiel.
„Es ist absolut windstill. Sie müssen uns gehört haben und wollten
zumindest einen Teil von uns hierher locken, dann wollten sie uns
überwältigen und sich in aller Ruhe den Rest von uns vornehmen.“
„Zu dumm nur, dass sie uns unterschätzt haben.“, meinte Kytschuld
mit einem fiesen Grinsen, das mehr einem Zähnefletschen gleich
kam.
„Seid Ihr verletzt?“, fragte Mia leise und betrachtete besorgt
Hawkes Schulter. Sie vermied es Cathrina anzusehen, wie ihr
auffiel. Und das wohl zu Recht. Sie musste furchteinflößend
aussehen, mit all dem Blut.
„Es ist nichts. Er hat nur das Hemd erwischt.“
Cathrina ging zurück zu Pollux um sich wenigstens ein bisschen
sauber zu machen.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Mia legte ihr eine Hand auf den Arm.
„Mir fehlt nichts.“
„Du siehst entsetzlich aus.“
„Ich weiß. Ich hätte jetzt auch nichts gegen ein Bad.“
„Passiert dir so was öfter?“
„Was meinst du?“
„ … auf deinen Patrouillen?“
„Du fragst mich, ob ich schon oft töten musste, richtig?“
„Ich denke, ja.“
Cathrina wandte sich zu Mia um und sah ihr direkt in die Augen.
„Ich bin gut, in dem was ich tue. Und ich tue, was ich tun muss.
Das heißt nicht, dass es mir immer Freude bereitet. Du solltest dir
darüber wirklich nicht allzu viele Gedanken machen.“
„Ich weiß … Es ist nicht so, als ob ich nicht vorher gewusst hätte,
dass du Soldatin bist. Es ist nur so, dass ich mir noch nie darüber
Gedanken gemacht habe, in welche Situationen du dabei gerätst
und wie du dann reagieren musst. Und das dann mit eigenen Augen
zu sehen, ist noch einmal etwas ganz anderes.“
„Ich weiß, dass du erschrocken bist. Aber das ist es nun mal, was
ich bin. Ich bin Soldatin. Das ist es, was ich kann. Deswegen bin ich
kein anderer Mensch.“
„Das weiß ich! Das wollte ich damit auch nicht sagen! Im Gegenteil.
Ich bin mehr beeindruckt, als erschrocken. Ich meine, du genießt in
Ascardia einen gewissen Ruf: Es heißt, es gibt niemanden in ganz
Kalides, der so flink und geschickt wäre, wie du.“
„Blödsinn!“
„Nein, das ist mein voller Ernst. Zu sehen, dass sie Recht haben,
erfüllt mich unerklärlicherweise mit einem gewissen Stolz.“
Cathrina sah Mia an, dass sie es ernst meinte. Und es bedeutete
ihr viel, dass diese sie nicht verurteilte oder gar angewidert von
ihr war.
„Wäre es nicht klüger, ihr Lager zu suchen?“
Mia und Cathrina drehten sich um. Ticzco lief in einigem Abstand
hinter Hawke her und redete auf ihn ein.
„Das halte ich für keine gute Idee. Die uns überfallen haben,
waren nur ein geringer Teil einer größeren Gruppe. Niemand kann
vorhersagen wie viele uns in ihrem Lager erwarten.“
„Aber wäre es klüger sie zu ignorieren? Was ist, wenn sie auf die
Leichen stoßen und nach Rache sinnen? Ich denke, wir sollten ihr
Lager auskundschaften und ihnen zuvor kommen.“
Unter den Männern war es still geworden.
Hawke war ihr Kommandant und sein Wort war Gesetz. Ihm so
unverfroren zu widersprechen hatte sich, solange Cathrina sich
erinnern konnte, noch keiner getraut.
Hawke drehte sich vollends zu Ticzco um.
„Und was dann? Sollen wir in ihr Lager stürmen wie die Wilden und
alles und jeden abschlachten, der uns vor die Klinge springt?“,
seine Augen funkelten vor unterdrücktem Zorn, seine Stimme
nahm einen bedrohlichen Unterton an, der Ticzco signalisieren
musste, nun endlich still zu sein. „Mal davon abgesehen, dass wir
nicht wissen können wieviele uns erwarten würden oder wie gut
sie bewaffnet sind, leben dort mit Sicherheit auch Frauen und
Kinder. Habt Ihr das in Euren Plänen miteinbezogen?“
„Sie sind das Risiko eingegangen, als sie uns angegriffen haben …“
Für einen Sekundenbruchteil verschlug es Hawke tatsächlich die
Sprache und es sagte mehr über Ticzco aus, als er ihnen je über
sich hätte erzählen können.
„Die Antwort ist nein. Und ich dulde keine weiteren Diskussionen!
Wir haben hier schon genug Zeit vergeudet.“ Cathrina konnte
Hawkes Wut förmlich spüren. Sie loderte hell wie die Sonnen.
„Und der Nächste, der meine Entscheidungen in Frage stellt,
muss mit Konsequenzen rechnen! Haben wir uns verstanden!?“, es
antwortete niemand und das war auch nicht nötig.
„Aufsitzen! Es geht weiter!“
Sie ritten ewig weiter und wie Embrico vorhergesagt hatte,
hatten sie am späten Nachmittag Kalides Grenze erreicht.
Die erste Sonne ging gerade unter und tauchte den Wald in ein
herrlich warmes Licht. Bald erreichten sie eine Lichtung und sie
hielten an.
„Hier werden wir heute Nacht unser Lager aufschlagen.“, meinte
Hawke und stieg von seinem Rappen.
„Ticzco, Balthasar, ihr kümmert euch um das Abendessen. Der Rest
kümmert sich um Brennholz!“ Sie stoben auseinander und
machten sich an ihre Aufgaben. Als sich Cathrina, im Gegensatz zu
den anderen, in Richtung Norden aufmachte, hörte sie ein leises
Plätschern.
Erleichtert entdeckte sie einen kleinen Bach, nicht mehr als ein
Rinnsal. Sie ließ sich auf die Knie sinken und wusch sich ihr Gesicht.
Das getrocknete Blut hatte irgendwann angefangen unangenehm
auf ihrer Haut zu prickeln. Umso befreiender war es jetzt, es
herunter waschen zu können. Sie gab sich kurz diesem Moment
hin, bevor sie aufstand und dem winzigen Bachlauf folgte. Es
dauerte nicht lange, da mündete er in einem kleinen See.
Cathrina wollte jubeln vor Freude. Vielleicht konnte sie zu späterer
Stunde doch noch ein kurzes Bad nehmen.
Sie sammelte im Vorbeigehen einige trockene Zweige auf und ging
dann zurück ins Lager. Außer Hawke und Mia war noch niemand
dort.
„Kommandant, ich habe nördlich von hier einen kleinen Bach
entdeckt, der nach kurzer Zeit in einem See endet.“
„Das sind gute Neuigkeiten, Cathrina.“
Nach und nach kehrten auch die anderen Krieger zurück ins Lager.
Embrico und Ticzco hatten eine stolze Beute vorzuweisen. Sie
hatten ein junges Reh erlegt.
Kytschuld kümmerte sich um das Feuer, während Mia etwas in
ihrem Mörser zerrieb.
„Was tut Ihr da?“
„Ich mische einige Kräuter, das macht das Reh noch
schmackhafter.“
„Das klingt gut. Und was ist das?“ ,Kytschuld hielt einen grünen
Stängel hoch, den Mia wohl kurz zuvor im Wald gefunden haben
musste.
„Das ist Rosmarin. Riecht mal.“
„Oh.“, er nieste und einige der Männer, die sie beobachtet hatten,
lachten, „Riecht aber seltsam.“
„Mag sein. Aber es schmeckt wirklich ausgezeichnet. Wartet ab.“
Es wurde spät. Der Himmel war wolkenlos und zeigte sich in seiner
ganzen Pracht. Es war Vollmond. Nun das war nichts
Ungewöhnliches. Einer der drei Monde war meistens voll. Aber sie
spendeten ein angenehmes Licht und ließen die Nacht weniger
finster erscheinen.
Das Reh war endlich fertig und dank Mias Kräutermischung
schmeckte es wirklich vorzüglich. Schon bald wurde es still im
Lager. Cathrina war in dieser Nacht von der Wache verschont
geblieben. Ticzco würde die erste Schicht übernehmen. Sie
vermutete, dass Hawke ihn damit bestrafen wollte. Er schien
unendlich müde, musste nun aber noch weitere drei Stunden
ausharren, bevor er sich hinlegen konnte.
Sie wartete noch eine Weile ab und sah sich dann um. Mia atmete
gleichmäßig auf ihren Fellen. Sie war sofort eingeschlafen. Auch
von den anderen Männern rührte sich niemand. Hier und da
schnarchte jemand.
Ticzco, der am Feuer saß, beachtete sie nicht, als sie vorsichtig
aufstand. Da Cathrina über einen ausgezeichneten
Orientierungssinn verfügte, hatte sie schon bald und ohne Umwege
den See erreicht.
Sie blickte sich noch einmal um. Niemand war zu sehen. Also
schnürte sie ihr Korsett auf, streifte ihr Hemd von den Schultern,
schälte sich aus ihrer engen Hose und lies sich ganz langsam ins
Wasser gleiten.
Sie konnte nicht ahnen, dass sie zu diesem Zeitpunkt gleich von
zwei Männern beobachtet wurde.
Er verbarg sich im Dunkel der Bäume. Sie war nicht die einzige, die
sich leise durch den Wald bewegen konnte.
Er sollte nicht hier sein. Das wusste er. Nicht auszudenken, wie
sie reagieren würde, wenn sie mitbekam, dass ausgerechnet er sie
beobachtete.
Das hatte er eigentlich auch gar nicht vorgehabt. Er hatte bemerkt,
wie sie sich aus dem Lager davon stahl und wollte wissen wohin sie
ging. Natürlich hätte er sich denken können, dass es ihr nach einem
Bad verlangte.
Cathrina mochte zwar eine Kriegerin sein, aber sie war immer
noch eine Frau. Und nach der heutigen Schlacht war es ihr nicht zu
verdenken.
Sie hatte ihn tief beeindruckt. Mehr, als er sich selbst
eingestehen wollte. Sie war wie eine Kriegsgöttin auf dem
Schlachtfeld umher gejagt. Vollkommen ohne Angst und
wunderschön. Außerdem war sie fähig. Er hatte noch niemanden
gesehen, der so gut mit einem Dolch umgehen konnte wie sie.
Eine kleine Waffe, die die meisten nicht einmal ernst nahmen, in
ihrer Hand so tödlich, wie eine Streitaxt.
Sich in ihrer Nähe aufzuhalten brachte ihn an seine Grenzen.
Dabei hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was er für sie empfand.
Und sie würde es auch nie erfahren, dafür musste er nur sorgen.
Und dann hielt er sich hier auf, an diesem Ort!? Wo er nur eine
falsche Bewegung machen musste und entdeckt werden konnte!?
Töricht. Überaus töricht.
Er stellte sein Glück wahrhaft auf die Probe, das war ihm klar. Und
doch konnte er nicht anders. Seit er sie das erste Mal sah, hatte er
sie schon begehrt. Und mehr.
Er konnte viele Frauen haben. Er war ein Krieger. Doch keine dieser
Frauen war Cathrina.
Er beobachtete, wie sie sich langsam ins Wasser gleiten ließ. Das
Mondlicht schimmerte silbern und ließ ihren Körper strahlen. Sie
wirkte so verletzlich, wie aus einem dünnen, kostbaren Glas, das
jeden Moment zerspringen konnte.
Ein Grund mehr, sich von ihr fern zu halten.
Auch wenn es ihm noch solche Qualen bereiten mochte. Er musste
sich von ihr fern halten.
Es stand zu viel auf dem Spiel.
Ein anderer Schatten nicht weit entfernt betrachtete belustigt das
Schauspiel, das sich ihm bot. Er hätte brüllen mögen vor Entzücken.
Er hatte seine Befehle und gerade war ihm ein Wink des Schicksals
ins Haus geflattert. Eine Schwäche, von der er zuvor noch keine
Ahnung hatte.
Das Glück war auf seiner Seite.
Er wusste noch nicht, wie er es zu seinem Vorteil nutzen konnte.
Doch er würde es tun.
Und Cathrina DuPuis war sein Schlüssel.
Sie war seine Schwäche. Und sie wusste es nicht einmal! Wie
überaus köstlich!
Er musste gehen, bevor sein Verschwinden bemerkt wurde.
Vorsichtig zog er sich zurück.