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Folgenschwere Begegnungen

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Die erste Sonne ging auf und Cathrina öffnete die Augen. Nach dem

Bad letzte Nacht hatte sie sich erfrischt und wie neugeboren

gefühlt.

Davon war jetzt nichts mehr zu spüren. Sie fühlte sich wie

erschlagen. Jeder Muskel tat ihr weh. Leise stöhnend setzte sie sich

auf. Mia schlief noch, doch einige der Männer waren schon wach.

Kytschuld ging gerade herum und weckte die Verbliebenen, nicht

gerade rücksichtsvoll. Bei Mia jedoch hockte er sich hin und

berührte sanft ihre Schulter. Sofort schlug sie die Augen auf.

Ihr war nicht entgangen, mit welch großem Respekt jeder einzelne

von ihnen die junge Heilerin behandelte.

Cathrina war dankbar dafür.

Soldaten waren nicht gerade für ihre Höflichkeit bekannt. Sie

galten eher als brutale Barbaren. Hier jedoch traf das nicht zu.

Mit ihr wurde meist nicht viel gesprochen und das war Cathrina nur

recht. Belanglose Plaudereien oder oberflächliches Geplänkel

interessierten sie nicht. Wenn sie etwas zu sagen hatte, sagte sie

es. Sonst hielt sie lieber den Mund.

Dieses hirnlose Geschnatter, das einige der jungen Frauen in

Ascardia ohne jeden Zweifel perfekt beherrschten ging Cathrina

lediglich auf die Nerven und bereitete ihr Kopfschmerzen.

Nyze war zum Beispiel eine dieser Kandidatinnen. Sie hasste

Cathrina.

Diese konnte sich das zwar nicht erklären, denn sie hatte ihr nie

einen Anlass dafür gegeben, war aber auch nicht gerade erpicht auf

deren Gesellschaft.

Mia hatte einmal angedeutet, dass sie sich sehr wohl denken

konnte, weshalb Nyze sie nicht ausstehen konnte.

Das hing wohl mit Kristan zusammen, der es nicht müde wurde

hinter Cathrina herzuspringen, wie ein räudiger Köter.

Sie konnte sich aber nicht erklären, was das mit Nyzes Abscheu ihr

gegenüber zu tun haben sollte. Kristan machte jedem Rock in

Ascardia schöne Augen.

Mia meinte aber, dass sie für Nyze eine größere Konkurrenz

darstellte. Kristan hegte Cathrina gegenüber angeblich festere

Absichten.

Cathrina war es einerlei. Von ihr aus konnte sie Kristan gerne

geschenkt haben. Auf seine anzüglichen Bemerkungen konnte sie

getrost verzichten.

Sie wunderte sich über ihre abstrusen Gedanken an diesem

Morgen. Schließlich gab es Wichtigeres, über das sie sich den Kopf

zerbrechen konnte. Kristan und Nyze sollten nicht dazu gehören.

Sie stand auf, kämmte sich mit ihren Fingern mehrmals durch die

dunklen Haare und band sie dann schnell zu einem Pferdeschwanz

zusammen.

Das war einfacher und praktischer als sie offen zu tragen. Einige

der vorderen Strähnen lösten sich wieder eigenwillig aus dem

Lederband. Wie immer.

Cathrina war durch und durch praktisch veranlagt. Sie hielt nichts

davon sich stundenlang vor einem Spiegel zu frisieren, um dann

beim ersten Windstoß einen Nervenzusammenbruch zu

bekommen. Auch das hatte sie schon erlebt und war in schallendes

Gelächter ausgebrochen. Das hatte sie nicht unbedingt beliebter

gemacht. Wer zu viel Wert auf sein Äußeres legte, hatte hier

schlechte Karten. Keiner der Krieger würde sie ernst nehmen, wenn

sie plötzlich mit schillerndem Kopfschmuck durch die Gegend

stolzierte. Und Cathrina wollte ernst genommen werden.

Nicht, dass sie schlecht aussah. Ganz im Gegenteil. Sie war groß,

auch wenn die meisten Männer sie noch immer überragten. Ihre

Figur war schmal und sehnig. Ihr Gesicht war relativ unspektakulär,

wie sie fand. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine zierliche Nase,

doch das Beste waren ihre Augen: sie waren von einem

strahlenden Eisblau, umrahmt von dunklen Wimpern.

Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort, ihre Ausrüstung

einzusammeln. Irgendwie schien sie heute nicht, sie selbst zu sein.

Cathrina legte sich den Gürtel um die Hüfte und sicherte gerade die

Dolche als sich Mia zu ihr gesellte.

„Gut geschlafen?“

„Soweit. Und du?“

„Ja ich war hundemüde.“

„Das habe ich gesehen. Du hast sofort geschlafen.“

„Männer,“, Hawkes Stimme donnerte über die Lichtung, „wir

werden heute den Wald hinter uns lassen und die weiten Wiesen

und Felder von Lu’yasa erreichen. Ich bin mir nicht sicher, was

genau uns dort erwarten wird. Lu’yasa ist ein freies Gebiet.

Niemand herrscht über dieses Land und es wäre gut möglich, dass

wir die eine oder andere unangenehme Überraschung erleben

könnten. Seid also auf alles vorbereitet. Haltet die Augen offen und

bleibt wachsam. Wenn alle bereit sind, reiten wir los.“

Sie machten sich wieder an die Arbeit und es dauerte einige

Minuten bis alles zusammengepackt war.

„Embrico, Ihr überprüft die Gegend. Solltet Ihr irgendetwas

Ungewöhnliches bemerken, egal was es ist, kommt Ihr zurück. Ich

traue dieser Ruhe nicht. Irgendjemand muss wissen, dass wir da

sind. Es wundert mich, dass wir bisher noch keinen Besuch hatten.“

Hawkes Worte taten ihre Wirkung, auch auf die anderen Krieger

und versetzte sie in höchste Alarmbereitschaft.

Kurze Zeit später brachen sie auf.

Es war noch nicht Mittag, da zogen allmählich dunkle Wolken auf

und verdüsterten die Sonnen. Es sah nach Regen aus. Der Wald

begann sich zu lichten als ihnen auf einmal ein kalter Wind über

das Gesicht fegte.

Er wurde innerhalb kürzester Zeit so stark, dass sie Mühe hatten

voranzukommen. Bald regnete es in Strömen und man konnte die

Hand vor Augen kaum noch sehen.

Hawke hatte kein Erbarmen. Er schien fest entschlossen den Wald

so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

Kytschuld ließ sich zurückfallen und wartete auf ihn.

„Kommandant, wir sollten uns schnell einen Unterschlupf suchen,

bevor dieser Sturm noch schlimmer wird.“, wie zur Bestätigung

zuckte ein Blitz über den schwarzen Himmel. Hawke sah seinen

ersten Heerführer genervt an.

„Er wird schlimmer. Daran besteht kein Zweifel. Es fängt gerade

erst an.“

„Wovon sprecht Ihr?“

„Das ist kein gewöhnlicher Sturm. Das Wetter in Kalides ist

beständig. Dieser Sturm kam viel zu plötzlich, um natürlich zu sein.“

Kytschuld sah ihn verständnislos an.

„Sie weiß, dass wir auf dem Weg zu ihr sind.“

Noch bevor Kytschuld fragen konnte, was sein Kommandant damit

meinte, tauchte Embrico auf. Durchnässt bis auf die Knochen.

„Hauptmann!“, er ritt auf Hawke zu und schien Mühe zu haben

seine Gedanken zu ordnen.

„Beruhigt Euch, Embrico und sagt mir was los ist.“

„Es sind die Wilden. Sie verfolgen uns.“

Die Reiter blieben in respektvollem Abstand stehen und lauschten

auf Embricos Bericht.

„Es sind viele, mindestens zwanzig Mann und bewaffnet bis an die

Zähne.“

„Ich wusste es! Genau davor hatte ich Euch gewarnt! Wir hätten

das verhindern können, wenn Ihr nur auf mich gehört hättet!“

„Haltet endlich den Mund!“, fauchte Cathrina ihn an. Nicht nur

Ticzco war von ihrem Ausbruch überrascht, „Als ob das jetzt noch

eine Rolle spielen würde! Viel wichtiger ist doch, wie viel Vorsprung

wir noch haben.“

Embrico, nicht sicher, ob er antworten sollte, sah Hawke fragend

an. Dieser nickte nachdenklich.

„Ja Embrico. Wie lange dauert es noch, bis sie uns einholen?“

„Zwei, vielleicht drei Stunden.“ Das war nicht viel.

„Was schlagt Ihr vor, Hauptmann?“

Hawke blickte Richtung Himmel: „Vielleicht ist das Gewitter

genau das, was wir brauchen … Embrico, wir brauchen einen

Platz, an dem wir sie erwarten können.“

„Einen Hinterhalt? Ihr schlagt einen Hinterhalt vor? Das ist Euer

grandioser Plan?“ Hawke hatte genug von Ticzco.

„Wenn Ihr Euch meinen Anforderungen nicht gerecht fühlen solltet,

dann sagt es jetzt. Sofort!“

Wie auf einem stummen Befehl hin zogen die Krieger, die Ticzco

am nächsten waren ihre Waffen und hielten sie ihm entgegen.

Cathrina eingeschlossen. Pollux wieherte leise. Er schien das

nahende Unheil zu spüren.

„Wir dienen unserem Vaterland …“, begann Kytschuld den Eid der

Kompanie.

„und unserem König! …“, Melchior.

„Wir werden sie verteidigen und ehren! …“, Balthasar.

„Mit unserem Schweiß und unserem Blut! …“, Leupold.

„Und wenn wir dafür unser Leben lassen müssen, …“, Jakoff „soll es

so sein und wir werden mit Stolz und Würde in den Tod gehen!“,

endete Cathrina feierlich und funkelte Ticzco zornig an.

„Entscheidet Euch, Ticzco. Wenn Ihr nicht mit uns kämpft, seid Ihr

gegen uns.“

Dieser schluckte schwer. Er hatte einen gewaltigen Fehler

begannen. Kytschuld und die anderen kämpften schon sehr lange

an Hawkes Seite und waren ihm treu ergeben. Cathrina, die selbst

zwar erst seit ein paar Jahren in der Kompanie diente nahm ihren

Schwur nicht auf die leichte Schulter. Sie diente ihrem König und

somit Hawke. Und wenn es ihr Leben kosten würde, dann sollte es

eben so sein.

„Nun, Ticzco? Uns läuft langsam die Zeit davon.“

„Natürlich kämpfe ich an Eurer Seite!“, seine Stimme zitterte leicht

und er räusperte sich schnell als er es bemerkte.

„Seid Ihr Euch sicher? Ich weiß nicht, ob ich meine Männer das

nächste Mal zurückhalten kann …“

„Ich bin sicher, Hauptmann! Verzeiht, dass ich Eure Entscheidung

angezweifelt habe.“

„Nun gut.“, er nickte seinen Soldaten zu und bedeutete ihnen, die

Waffen sinken zu lassen, doch sie ließen Ticzco noch einige

Sekunden warten. Schließlich steckten sie sie zurück.

„Ich behalte Euch im Auge.“, zischte Kytschuld Ticzco noch zu,

bevor er sich wieder Hawke zuwandte.

„Nun, Embrico?“

„Es gibt eine Stelle, weiter nördlich von hier. Dort ist eine kleine

Senke. Wir könnten unsere Männer auf den Anhöhen postieren,

um sie zum richtigen Zeitpunkt angreifen zu lassen.“

„Darf ich einen Vorschlag machen, Ser?“

„Nur zu, Cathrina.“

„Ich schlage vor, dass Ihr, Kytschuld und ich der Köder sein

sollten. Schließlich waren wir hauptsächlich an der Schlacht

beteiligt.“

„Das scheint mir eine gute Idee zu sein. Der Regen dürfte die

meisten unserer Spuren verwischen. Embrico, Ihr reitet mit den

anderen zu dieser Senke. Verteilt Euch gleichmäßig auf den

Anhöhen. Versteckt Mia. Wir reiten zurück und werden sie dorthin

locken. Unternehmt nichts! Wartet dort auf uns, ich werde Euch

ein Zeichen geben, wenn Ihr losschlagen sollt.“

Sie stoben auseinander.

Mia und Cathrina wechselten einen Blick, um sich zu sagen: Pass

auf dich auf.

Sie ritten lange in die entgegengesetzte Richtung und der Regen

hatte kein Erbarmen mit ihnen. Er ließ nicht nach. Unentwegt

peitschten ihnen Tropfen ins Gesicht und sie wirkten wie feine

Nadelstiche.

Der Sturm machte es ihnen fast unmöglich etwas zu hören, was

das Ganze noch gefährlicher machte.

An einer Weggabelung hielten sie an und lauschten.

„Dort vorne.“, zischte Kytschuld.

Cathrina konnte nichts hören. Erst als sie sich fest konzentrierte,

bemerkte auch sie das Gebrüll. Eigentlich war es nicht zu

überhören. Sie machten einen Lärm als hätten sie nichts zu

befürchten. Die drei warteten noch einige Minuten angespannt und

Cathrina rechnete damit, sie jeden Moment zwischen den Bäumen

hervorkommen zu sehen.

Irgendwann gab Hawke ihnen ein Zeichen und sie ritten los.

Zügig. Denn wenn sie langsamer geritten wären, hätte das

möglicherweise verdächtig ausgesehen. Sie mussten sich einfach

darauf verlassen, dass die Wilden ihnen folgen würden.

Und wie sie am Donnern der Hufen bemerkten, lagen sie damit

richtig.

Cathrina blickte über die Schulter nach hinten. Der Mann, der

vorneweg ritt war der Größte und sah am gefährlichsten aus.

Vermutlich ihr Anführer.

Sein Brustkorb, Hals und Gesicht waren mit seltsamen blutroten

Zeichen übersät. Cathrina konnte nicht sagen, ob sie nur aufgemalt

oder in die Haut eingebrannt waren. Sie gab Pollux die Sporen und

folgte Hawke und Kytschuld.

Nach einer Weile erreichten sie die Senke. Es sah aus, als wären sie

blind in eine Falle getappt. Ihre Verfolger waren ihnen dicht auf den

Versen.

Hawke hielt an und stieg vom Pferd.

Kytschuld und Cathrina taten es ihm gleich. Sie postierten sich an

seiner Seite. Es dauerte nicht lange, dann waren sie da.

Langsam kamen sie näher. Misstrauisch.

„Wieso verfolgt Ihr uns?“ Hawkes Stimme klang fest. Er war auf

alles vorbereitet.

Einen Moment lang schien es, als würde der Anführer kein Wort

verstehen. Cathrina sah nun, das die Zeichen nicht aufgemalt

waren.

Sie wurden ihm ins Fleisch gebrannt.

Er hatte mehr Brandmale als seine Gefährten. Unter ihnen waren

auch Frauen. Sie sahen kaum anders aus, als ihre Gefährten. Sie

hatten wilde Frisuren und Federn im Haar, ansonsten

unterschieden sie sich durch nichts von den Männern.

„Ihr seid des Todes!“, zischte der Anführer mit einem starken

Akzent.

„Ist dem so?“

„Ihr habt meine Männer getötet und nun werdet auch Ihr sterben.“

„Eure Männer haben uns angegriffen! Wir verteidigten uns

lediglich.“

„Das spielt keine Rolle … Ihr werdet sterben.“

„Wir werden sehen.“, Hawke zog sein Schwert und streckte es in

die Höhe. Das war das Zeichen für Embrico und die anderen.

Sie schossen im sauberen Halbkreis den Hang hinab. Jetzt saßen die

Wilden in der Falle.

Es war ein ungleicher Kampf. Die Männer des Königs waren in der

Unterzahl, doch das hinderte sie nicht daran bis aufs Blut zu

kämpfen.

Sie waren mächtige Krieger, jeder einzelne von ihnen.

Cathrina verlor schon bald den Überblick über das Schlachtfeld.

Sie konnte nicht einmal genau sagen, wer noch am Leben war … ob

überhaupt noch jemand am Leben war!

Sie kämpfte verbissen. Sie hatte Manus verloren.

Irgendwann hatte sie ihn nach einem Wilden geworfen. Mit

einer Klinge war sie wesentlich langsamer und lange nicht so

effektiv.

Sie brauchte ihn wieder. Also orientierte sie sich neu und versuchte

sich zu erinnern, in welche Richtung sie ihn geworfen hatte, was

gar nicht so leicht war, wenn man gleichzeitig zwei Wahnsinnige

davon abhalten wollte, ihr das Fleisch von den Rippen zu fressen.

Ja richtig.

Eine von den Frauen hatte sie vorhin tatsächlich in die Schulter

gebissen und dabei ein gutes Stück aus ihr herausgerissen. Die

Wunde blutete stark. Sie hatte genug.

Sie packte die Haare des Miststücks und ließ sie mit dem Gesicht

voraus gegen eine Baumstamm krachen. Die würde niemanden

mehr beißen.

Sie wirbelte herum, hielt Dextra dabei so in der Hand, dass die

Klinge an ihrem rechten Unterarm lag und schlitzte dabei dem

anderen die Kehle auf.

Sie spürte jemanden hinter sich.

Sie drehte den Dolch blitzschnell in ihrer Hand, fuhr zu ihrem

Angreifer herum und wollte ihm die Klinge gerade durch den Kiefer

stoßen, als sie in letzter Sekunde innehalten konnte. Es war

Kytschuld.

„Himmel!“, stieß er atemlos hervor, „Jetzt hätte ich mir doch

beinah in die Hosen gemacht.“ Cathrina stöhnte erschrocken,

wandte sich von Kytschuld ab und kämpfte sich weiter vor.

Sie entdeckte Manus im Herzen eines verwahrlosten Wilden, keine

zehn Schritte von ihr entfernt. Überall wurde gekämpft. Eine

Sekunde lang beobachtete sie Hawke. Sie war überrascht von der

Anmut, mit der er kämpfte. Seine Bewegungen waren fließend und

absolut tödlich.

Seine Schläge waren von einer unglaublichen Präzision, die kein

einziges Mal ihr Ziel verfehlten. Es war kein Wunder, dass er

Kommandant der Elitetruppe des Königs war.

Sie hatte noch keinen Krieger jemals zuvor so furchtlos kämpfen

sehen. Cathrina riss sich von diesem Anblick los.

Sie waren noch immer in der Unterzahl.

Einige der Männer mussten sich gleich gegen mehrere zur Wehr

setzen. Sie machte sich nichts vor. Ihre Chancen standen sehr

schlecht.

Kurz bevor sie Manus erreichen konnte tauchte eine Frau auf. Sie

war größer, als die anderen und ihre Male ließen vermuten, dass

sie die Frau des Anführers war.

Ihre Augen blickten wild und entschlossen. Sie grinste Cathrina an,

die darauf hin eine Gänsehaut bekam. Sie hatte etwas

Wahnsinniges an sich.

Sie ging leicht in die Hocke, hielt etwas in der Hand, das an ein

großes Küchenbeil erinnerte und bleckte abermals die verfaulten

Zähne.

Dann winkte sie Cathrina zu sich heran.

„Tu das nicht!“, es war Kytschuld, der das Schauspiel mit

angesehen hatte, „Sie wird dir die Haut abziehen.“

„Das soll sie ruhig versuchen.“, murmelte Cathrina und ging der

Frau entgegen. Sie atmete tief durch und ihr war bewusst, dass

dies ihr bisher schwerster Kampf werden würde.

Sie brachte sich in Position, fixierte ihre Gegnerin, reckte das Kinn

vor und machte sich bereit. Noch immer hatte sie Manus nicht

erreichen können. Also beschloss sie den Überraschungseffekt zu

nutzen und tat etwas, womit ihre Kontrahentin sicherlich nicht

rechnen würde; Sie rannte geradewegs auf sie zu.

Bevor diese etwas tun konnte, schlug Cathrina einen Haken. Sie

riss Manus aus dem Herzen des Gefallenen und stellt sich ihr nun

mit beiden Dolchen gegenüber.

Cathrina konnte sehen, dass es ihrer Gegnerin nicht sonderlich

gefiel, dass diese nun besser bewaffnet war, als noch zuvor.

Sie stürmte auf Cathrina zu, das Beil hoch über dem Kopf erhoben.

Diese konnte sich gerade noch rechtzeitig bewegen, sie kreuzte die

Klingen und versuchte mit aller Macht die Waffe von ihrem Gesicht

fern zu halten.

Ihre Gegnerin war unglaublich stark. Cathrina hatte große Mühe,

nicht nachzugeben. Mit allerletzter Kraft schaffte sie es, das Beil

von sich abzulenken. Es streifte dennoch ihre linke Wange. Sie

spürte, wie warmes Blut von ihrem Kinn tropfte.

Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte sie es weg. Sie biss

die Zähne zusammen. Die Frau lachte. Es war ein kehliges Lachen,

das einem die Haare zu Berge stehen ließ.

Cathrina weigerte sich, diese Demütigung hinzunehmen und holte

aus. Mit schnellen Bewegungen hieb sie auf ihre Gegnerin ein, die

sie geschickt, aber nicht sonderlich elegant abwehrte. Einige Male

fügte sie ihr tiefe Schnittwunden zu und sie konnte die

Überraschung in ihren Augen sehen. Cathrina war flink und schaffte

es bald die Bewegungen ihrer Kontrahentin vorherzusehen.

Sie machte einen Ausfallschritt, wirbelte Dextra in ihrer Hand

herum und ließ sie, noch während sie sich zu ihr umdrehte, quer

über das Gesicht zischen.

Die Frau kreischte auf und glich nun mehr einer wild gewordenen

Furie. Brüllend vor Schmerz und Zorn stürzte sie sich auf Cathrina.

Diese reagierte einen Sekundenbruchteil zu langsam und wurde

unter ihrem schweren Gewicht begraben.

Sie wurde an den Armen gepackt und blickte nun in die

schwarzen Abgründe der Frau. Blut tropfte ihr ins Gesicht und sie

schüttelte angewidert den Kopf.

„Runter von mir!“, knurrte sie und wand sich, doch die Frau war zu

schwer. Sie grinste Cathrina an, zog den Rotz in ihre Kehle, bevor

sie ihn ihr ins Gesicht spuckte.

Cathrina spürte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben. So

wollte sie nicht sterben.

Eingekeilt unter dem dicken Leib dieser Wahnsinnigen. Wenn sie

starb, dann mit einer Waffe in der Hand.

Die linke hatte einen Hauch mehr Spielraum, als die rechte. Sie

bewegte sie vorsichtig und spürte Manus Knauf.

Mit einem Gefühl, als würde ihre Hand brechen, schaffte sie es

den Dolch soweit zu ihr zu bewegen, dass sie den Griff fühlen

konnte.

Mit einigen ruckartigen Bewegungen brachte sie ihre Gegnerin kurz

aus dem Gleichgewicht. Die Zeit genügte ihr, Manus fest zu packen.

Sie zog ihren Arm unter der Wilden hervor und stieß ihn ihr seitlich

in den Hals.

Die Frau glotzte sie an, als könne sie nicht glauben, was Cathrina

da getan hatte. Sie war sich ihres Sieges doch schon so sicher

gewesen.

Es war einfach unmöglich!

Cathrina hatte alle Mühe unter dem Gewicht der Frau

wegzukommen und als sie es endlich geschafft hatte, war sie so

erschöpft, dass sie es sich kurz erlaubte einen Moment liegen zu

bleiben. Dann stand sie auf und wischte sich schnell über das

Gesicht.

Sie sah auf.

Es wurde nach wie vor gekämpft.

Der Boden war übersät mit Leichen und Verletzten.

Sie konnte auf der einen Seite Jakoff und Leupold sehen, die

Seite an Seite kämpften und sich gegenseitig den Rücken

freihielten.

Kytschuld hatte mit einer jungen Frau zu kämpfen, die ihm immer

wieder an die Kehle sprang. Ticzco lag am Ende der Senke verletzt

am Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite.

All das war ein Furcht einflößender Anblick.

Wie hatten sie nur in diese Situation geraten können!?

Sie sah, dass Balthasar von drei Männern gleichzeitig in Schach

gehalten wurde und entschied, dass er ihre Hilfe am Nötigsten

hatte.

Sie setzte sich in Bewegung. Niemand nahm von ihr Notiz.

Sie legte sich Dextra in ihrer Hand zurecht und ließ ihn durch die

Luft sausen. Er blieb in der Schulter des zweiten Mannes stecken.

Balthasar drehte sich überrascht zu ihr um, nun war sie an seiner

Seite. Gemeinsam kämpften sie weiter.

„Genug!“, brüllte es von der Anhöhe herunter.

Cathrina, die gerade zum Stich angesetzt hatte, hielt inne. Erst jetzt

fiel ihr auf, dass es noch immer in Strömen regnete.

Sie war nass bis auf die Knochen. Eine Mischung aus Schweiß, Blut

und Regen.

„Wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Gefährtin stirbt, lasst Ihr

augenblicklich Eure Waffen fallen!“, Cathrina fing an zu zittern.

Im ersten Moment war ihr nicht klar, wovon der Anführer der

Wilden da sprach. Ihre Gefährtin?

Und dann fiel der Groschen. Mia!

Als sich ihr Blick geklärt hatte, erkannte sie, dass er nicht allein auf

der Anhöhe stand.

Außer ihm standen noch zwei weitere Männer dort und der eine

hielt ihre Schwester fest umklammert, während der andere ihr

einen Dolch an die Kehle hielt.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Hawke langsam sein Schwert

fallen ließ und seine Krieger ihm in stillem Einvernehmen folgten.

Cathrina ließ Manus und Dextra fallen. Die Wilden hatten Mia …

Sie waren verloren.


Die Legende von Ascardia

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