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Kapitel 2 Butterfly, Butterfly
ОглавлениеEine meiner frühesten Erinnerungen stammt aus der Zeit, als ich etwa zwei oder drei Jahre alt war. Ich befinde mich auf der Blumenwiese vor unserem Haus in Kongsberg. Die Sonne scheint, feine Gräser umhüllen mich sanft, ich bin wunderbar dösig und doch vollkommen präsent. Ein Gefühl von Ruhe und Frohmut umgibt mich, Schmetterlinge flattern an mir vorbei. Ich bin ein Entdecker, bin wie eine straff gespannte Saite bereit zu reagieren. Die Insekten um mich herum faszinieren mich. Wie unterschiedlich sie alle aussehen, obwohl sie doch ganz klar miteinander verwandt sind – eine vollkommen andere Welt, die dennoch auch Teil meiner Welt ist!
Dass all das existierte, beeindruckte mich sehr. Es erfüllte mich mit Stolz und Freude. Ich weiß nicht genau, wann ich zum ersten Mal die wunderschönen wilden Stiefmütterchen entdeckte, die dort wuchsen. Ich erinnere mich nur, wie ich dastand und in dieses überwältigende, prächtige Leuchten eintauchte, das alle Dinge umfasste und ein intensives, lang anhaltendes Hochgefühl in mir auslöste. Für mich ist dieser ausgedehnte Moment der Maßstab für jegliches sinnliche Empfinden geblieben. Hierher rührt mein tief empfundener Respekt für die überwältigende Kraft der Natur.
Diese Erfahrung führte auch zu einer Einstellung, die ich seitdem beibehalten habe: Nichts wird mich daran hindern, die Dinge selbst zu entdecken! Ich möchte nicht, dass mir etwas beigebracht wird – ich möchte die Dinge selbst entdecken! Gute Lehrer wissen das. Sie führen ihre Schüler in eine bestimmte Richtung und lassen sie die Entdeckungen dann selbst machen. Nur so kann man Mathematik begreifen: indem man zulässt, dass die Mathematik sich einem offenbart. Aber vielleicht wünscht man sich, dass jemand einem währenddessen die Hand hält. Die wilden Stiefmütterchen offenbarten sich mir von ganz allein – nur durch ihr pures Dasein.
Im Laufe meiner Kindheit lernte ich die Natur weiter kennen und lieben; eine Pflanze hat es mir dabei besonders angetan: die Orchidee. Diese Begeisterung entspringt einem Roman, den ich vor langer Zeit las: Er handelt von einer älteren Frau, die in Nepal lebt, einer Aquarellmalerin, die die einheimischen Pflanzen des Landes für eine Publikation malt. Die Frau sitzt im Rollstuhl und schickt einen Jungen los, der für sie die Pflanzen sucht, die sie malen möchte. Eines Tages bringt er die Pflanze mit, die die Frau von allen am meisten malen will – eine Orchidee. Als ich das las, löste es etwas in mir aus. Ich verspürte den unbändigen Wunsch, eine Orchidee zu sehen.
Mein Interesse an Orchideen weitete meinen Wissensdurst über die Natur Norwegens hinaus auf die Tropen aus. Ich fing an, mich mit exotischeren Biotopen zu befassen, darunter Regenwälder und Korallenriffe. Ich las über diese Orte und fühlte mich irgendwie heimisch. Obwohl es auch norwegische Orchideen gibt, verfiel ich also eher den tropischen Exemplaren, zum Beispiel der Phalaenopsis, einer fernöstlichen Orchidee, die man heute überall findet, die in den Siebzigerjahren aber eine ziemliche Rarität war. Oder der Cattleya, die in Mittel- und Südamerika wächst. Diese Blumen haben eine Ausstrahlung, die mich fasziniert.
Ich besorgte mir Pflanzen, wenn nötig aus dem Ausland, und verbrachte viele Stunden damit, sie zu hegen und zu pflegen. Einen Raum in unserem Keller verwandelte ich in eine Art Gewächshaus: Dorthin karrte ich Erde und Steine, um eine Urwaldatmosphäre zu erschaffen, in der die Pflanzen sich wohlfühlen würden. Ich setzte auch Moos und Farne und installierte zusätzliches Licht und einen Dampfkochtopf, um die Luft zu befeuchten. Meine Eltern waren rückblickend sehr verständnisvoll. Ich hörte kein „Hey, Morten, was zum Teufel machst du da?“ Sie erkannten meine Leidenschaft und ließen mir freien Lauf.
Meine allererste Orchidee war eine Eulophia guineensis aus Afrika. Als ich sie bekam, fand ich keine Zeit mehr, etwas für die Schule zu tun. Stattdessen saß ich einfach da und sah diesem Ding beim Wachsen zu. Dabei lernte ich, dass man die Pflanze in Ruhe lassen sollte. Die Versuchung war groß, sich an ihr zu schaffen zu machen, aber am besten überlässt man sie sich selbst. So viele Zimmerpflanzen werden unwissentlich von uns gekillt, indem wir die armen Dinger zu Tode gießen oder erst austrocknen lassen und dann ertränken, sodass sie schließlich im Topf verfaulen. Diese erste Orchidee war der Anfang einer ganzen Sammlung, aber weil ich kein richtiges Gewächshaus hatte, konnte ich die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen nur bedingt nachahmen. Mit zunehmendem Wissen verschwand mein Wunsch, Orchideen selbst zu besitzen. Seitdem liebe ich sie für das, was sie sind, und will sie dort gut versorgt sehen, wo sie von Natur aus wachsen.
***
Meine Faszination für Orchideen war nur ein Teil meiner Liebe zur Natur: Ich verehrte nicht nur Pflanzen, sondern auch Insekten und andere Tiere. Schmetterlinge fand ich einfach wunderschön – ich liebte ihre Zartheit und Komplexität, die Tatsache, dass sie so leicht, fast schwerelos sind.
Als ich dreizehn oder vierzehn war, machte meine Familie eine Europareise: meine Eltern, mein älterer Bruder Gunvald, mein jüngerer Bruder Håkon und ich. Das war meine erste Auslandsreise überhaupt, und ich war sehr aufgeregt. Meine Eltern planten, uns einige der kulturellen Highlights des Kontinents zu zeigen, aber ich hatte andere Dinge im Kopf. Zu den Karten und Reiseführern, die sie neben das Familienzelt in den Kofferraum stopften, fügte ich nur einen einzigen Gegenstand hinzu, der meine persönlichen Reiseziele verkörperte: mein Schmetterlingsnetz.
Ich wollte einfach nur Schmetterlinge sehen, und meine Erwartungen diesbezüglich waren gigantisch. Wir starteten unsere Reise in Schweden, von dem ich immens enttäuscht war, weil es dort – aus meiner jugendlichen Sicht – nicht viel anders aussah als in Norwegen. Auf keinen Fall würde ich dort die tropischen Schmetterlinge zu Gesicht bekommen, die mich am meisten interessierten. Meiner Familie muss ich auf dieser Reise unglaublich auf die Nerven gegangen sein. Ich erinnere mich noch, dass ich in Versailles mit dem Schmetterlingsnetz in der Hand durch das Schloss wanderte, das so viel Geschichte atmet. Aber ich hatte kaum Augen für all die Säle voller Bilder und Ornamente: Ich wollte so schnell wie möglich die Gärten erreichen. Weiß der Himmel, was die Wärter von diesem seltsamen Jungen mit seinem Netz dachten. Als ich endlich im Schlosspark war – der zu den schönsten in ganz Europa zählt – dachte ich nur: Wie, das war’s? Ich konnte weder die Historie noch die Gartenarchitektur mit ihren berühmten Orangenbäumen und den akkuraten Beeten würdigen. Wo waren die Pflanzen, die Schmetterlinge anzogen, hinter denen ich her war? Was für ein blöder Garten.
Wir bereisten in drei Wochen halb Europa: Schweden, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Belgien, Holland und Frankreich. Mehr noch als alle Sehenswürdigkeiten ist mir der Schwalbenschwanz, den ich eines Tages entdeckte, in Erinnerung geblieben. Ein wunderschönes Lebewesen, schwarz und gelb mit zwei Schwanzspitzen, das selten und – zumindest damals – nur in Südeuropa zu finden war. Ich war furchtbar aufgeregt, als ich ein Exemplar fing. Mit dem Netz war ich inzwischen ziemlich geschickt, beherrschte mühelos das Manöver, bei dem es durch die Luft geschwenkt und umgestülpt wird, um den Schmetterling festzusetzen. Schmetterlinge beruhigen sich entweder recht schnell im Netz oder geraten in Panik. Wenn einer weg wollte, ließ ich ihn immer fliegen. Dieser Schwalbenschwanz wurde aber sehr schnell ruhig, und so konnte ich seine Schönheit ein paar magische Momente lang aus der Nähe betrachten. Diese kostbaren Minuten waren für mich das Highlight der gesamten Reise.
Wieder zurück in Norwegen fing ich an, Schmetterlinge aus dem Ausland zu bestellen. Sie wurden als Eier, Larven oder Kokons angeliefert: Der Zoll war dabei immer das größte Problem, da die Tiere starben, bevor sie überhaupt bei mir ankamen, wenn es zu lang dauerte. Ich bewahrte sie im Badezimmer auf, da dies klimatisch der beste Raum dafür war. Einmal kaufte ich einen Atlasspinner, einen der größten Schmetterlinge der Welt: Er hat eine auffällige orange-rote und weiße Musterung und eine erstaunliche Flügelspanne von bis zu 30 Zentimetern. Meine Mutter saß gerade in der Badewanne, als er schlüpfte, und beobachtete von dort aus ungläubig, wie er seine Flügel ausbreitete.
Das war nicht die einzige Kreatur, die meine Mutter aufgrund meiner Naturliebe erdulden musste. Für eine Weile hielt ich Eidechsen, die sich von lebenden Grillen ernährten. Was kein Problem gewesen wäre, wenn diese schön brav in ihrem Terrarium ausgeharrt hätten. Aber einige entwischten und vermehrten sich munter weiter: Bald war das ganze Haus voll davon. Überall hörte man dieses nur allzu bekannte Zirpen. Und die Viecher konnten springen. Meine Mutter rastete aus, immer wenn sie eine Grille fand, doch sobald ich sie einfangen wollte – Boing!, – sprang sie auf die andere Seite des Zimmers.
Die Eidechsen selbst waren auch sehr interessant. Ich weiß noch, wie ich eines Tages eine zu fassen bekam und sie ihren Schwanz abwarf, um vor mir zu flüchten. Das war ein merkwürdiges Erlebnis: Der in meiner Hand zurückgebliebene Schwanz war lebendig – er war warm und bewegte sich. Danach durfte ich Schildkröten halten – griechische Landschildkröten –, die den Vorteil hatten, dass sie langsam waren und auch keine Körperteile abwarfen. Ich schaffte es, dass meine Exemplare Eier legten, ein spannender Moment. Noch aufgeregter war ich, als ich etwa sechs Monate später im Fernsehen einen Bericht über die erste Schildkröte sah, die in Norwegen in Gefangenschaft Eier gelegt hatte. Von wegen, dachte ich.
Ich hatte einen Schulfreund, dessen Menagerie meine bei weitem in den Schatten stellte. Was er alles im Keller hielt! Die ganze Familie war außergewöhnlich: Zum einen waren sie alle Vegetarier, was damals in Norwegen noch total abwegig war. Außerdem hatten sie eine Schmetterlingssammlung (Schwärmer), neben der meine verblasste. Mit Larven und Kokons, aus denen in einem immerwährenden Zyklus neue Schmetterlinge schlüpften. Dann gab es da noch sieben Alligatoren – wirklich! –, die im Keller lebten, einen zahmen Waschbären im Garten und dazu Taranteln, Skorpione und diverse giftige Schlangen. Für einen Naturinteressierten wie mich war das Haus eine wahre Schatzkammer. Ich weiß noch, wie ich mich einmal mit der Mutter meines Freundes unterhielt, während sie in den Keller ging, um ein Brot aus der Gefriertruhe zu holen. Auf ihrem Weg lag eine Anaconda, die sie, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach zur Seite schob, während sie die Unterhaltung fortsetzte.
Als ich schon von zu Hause ausgezogen war und eine Wohnung mit meinem Bruder Gunvald teilte, rief mich dieser Freund einmal an. Er hatte sich einen Kaiman zugelegt – eine kleine Art aus der Familie der Alligatoren –, aber die anderen sieben Alligatoren, die er schon hatte, waren wenig begeistert. Weil er kleiner war, wurde der Kaiman von ihnen drangsaliert. Ob ich mich wohl um ihn kümmern würde. „Klar“, antwortete ich, ohne groß darüber nachzudenken. Wir konnten ihn ja in der Badewanne halten …
Das Tier lebte dann eine Weile wahlweise auf unserem Badezimmerboden oder in der Wanne. Wenn er auch kleiner als ein Alligator war, durfte man ihn nicht unterschätzen. Sein Blick ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er bei der erstbesten Gelegenheit seine Zähne in dir versenken würde. Kurz nachdem er zu uns kam, nahm ich einen Besenstiel und spielte ein wenig mit ihm, um zu sehen, wie er reagieren würde. Ich stupste ihn nicht damit an oder so, sondern legte den Besen einfach vor ihn hin. Das Tier schoss nach vorne, biss in den Besen und brach ihn entzwei. Das zersplitternde Holz machte einen ohrenbetäubenden Lärm. Der Kaiman war ein aggressiver und stolzer kleiner Kerl. Ich liebte es, wie er sich versteifte, auf den Vorderbeinen hochzog und dann ganz langsam und gleichmäßig auf einen zukam. Ein echter Charakter. Man überlegte sich allerdings zweimal, ob man nachts aufs Klo ging!
***
Unter all den Tieren bei uns zu Hause gab es eines, das wichtiger war als alle anderen: unsere Familienhündin Sheeba, ein Saluki (persischer Windhund). Sie war kein Haustier, sondern ein vollwertiges Familienmitglied.
Ich besaß Bücher und ganze Enzyklopädien über Hunderassen und kannte die Namen und Eigenschaften von über einhundert verschiedenen. Ein Hundetyp hatte es mir besonders angetan: der Windhund. Afghanen oder Greyhounds gefielen mir schon gut, aber für Salukis war ich richtig Feuer und Flamme. Sie sind so anmutig und elegant. Außerdem gehören sie zu den ältesten Hundearten überhaupt: Die Rasse ist seit Tausenden von Jahren unverändert und lässt sich bis ins Persien und Ägypten der Antike zurückverfolgen. Die Tatsache, dass diese Hunde damals in Norwegen ziemlich selten waren, steigerte meine Begeisterung natürlich noch.
Ich erinnere mich bis heute an den Abend, an dem wir Sheeba mit nach Hause brachten; da war sie ein sechs oder sieben Wochen alter Welpe mit samtweichem Fell. Salukis werden ziemlich groß, können sich aber auch in ausgewachsenem Zustand unglaublich klein zusammenrollen. In dieser ersten Nacht ging ich nicht ins Bett. Ich blieb mit Sheeba unten und schlief schließlich mit dem auf meinen Waden zusammengerollten Hund ein.
Sheeba wurde schon bald zum absoluten Liebling der Familie. Sie war ein erstaunliches Tier: so schnell, leicht und wendig. Salukis können bis zu 100 km/h erreichen, und Sheeba war nicht faul. Nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch ihre Fähigkeit, in vollem Lauf abrupt abzubremsen, war beeindruckend. Ein Auto hätte dabei einen unglaublich langen Bremsweg. Im nächsten Moment schoss sie dann wieder los. Wenn wir Ski fuhren, rannte sie neben uns her und hinterließ kaum Abdrücke im Schnee. Sheebas Tempo wurde sogar zu einem Problem: Alle Hunde jagen aus Instinkt Katzen, aber normalerweise sind die Katzen schneller oder schlau genug, um zu entkommen. Sheeba war aber so schnell, dass sie die Katzen einholte, die sich um 180 Grad drehten und versuchten, ihr die Augen auszukratzen. Wir mussten dann nicht das gejagte Tier, sondern Sheeba retten.
Eine ihrer Paradeszenen spielte sich immer dann ab, wenn mein Vater die Zeitung lesen wollte. Er saß im Sessel, die Zeitung vor sich aufgeschlagen, um sich über die aktuellen Geschehnisse zu informieren, als Sheeba sich vorlehnte und – Patsch! – die Zeitung mit einem gezielten Pfotenhieb zerknüllte. Dann saß sie da und sah meinen Vater auffordernd an: Los, komm, lass uns spielen. Mein Vater glättete die Zeitung und las weiter. Patsch! Wieder wurde ihm sein Lesestoff aus der Hand geschlagen. An diesem Punkt sah der Rest von uns gebannt zu und versuchte, nicht zu lachen.
Sheeba liebte es, Teil unserer Familie zu sein. Bei uns wurde immer viel musiziert, und sie war fest entschlossen mitzumachen. Manchmal setzte sich mein Vater ans Klavier, und wir spielten mit ihm zusammen – auf der Posaune, der Trompete oder was immer gerade griffbereit war. Sheeba kam dann angelaufen und fing an, zur Musik zu jaulen. Am Anfang dachten wir, dass sie nur auf Blechbläser reagierte; wir vermuteten, dass sie der Krach störte! Aber nach einer Weile erkannte sie bestimmte Lieder wieder und jaulte mit, auch wenn mein Vater allein Klavier spielte.
Sheeba konnte es nicht ertragen, von uns getrennt zu sein. Für unseren ersten Europatrip – den, auf dem ich Schmetterlinge fing – brachten wir sie in ein nahe gelegenes Tierheim. Das hasste sie. Obwohl man sie in einen Zwinger sperrte, gelang es ihr auszubrechen. Sie verbrachte drei Nächte im Freien, bis Kinder sie im Wald fanden. Zurück im Tierheim sperrte man sie daraufhin in einen angeblich sichereren Zwinger, aber irgendwie gelang es ihr, auch aus diesem zu entkommen.
Ein paar Jahre später gingen meine Eltern erneut auf große Europareise, diesmal nur mit meinen drei jüngeren Geschwistern – Gunvald und ich lebten zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Kaiman in einer eigenen Wohnung. Anstatt erneut das Tierheim zu riskieren, brachten meine Eltern Sheeba diesmal zu meiner Tante, in der Hoffnung, dass dieses Arrangement besser funktionieren würde. Doch der Hund zwängte sich durch einen winzigen Fensterspalt im ersten Stock, sprang auf das Verandadach und von dort nach unten. Meine Tante wohnte nicht in unserer Nähe, aber irgendwie – ich weiß bis heute nicht, wie – schaffte Sheeba es, den Weg nach Hause zu finden. Als sie ein verlassenes, abgeschlossenes Haus vorfand, war sie offensichtlich zutiefst erschüttert. Ein Nachbar rief mich an und teilte mir mit, dass der Hund vor dem Haus sitze und herzergreifend jaule. Als ich dort ankam, hatte sie sich mit dem Kopf voran in einer Hecke versteckt. Nur die zuckenden Hinterbeine staken daraus hervor.
Ich hob sie hoch und tröstete sie. Sie war total von der Rolle. Anschließend brachte ich sie wieder zu meiner Tante zurück, wo wir die Fenster sorgfältig verschlossen. Am nächsten Tag brach sie durch die Tür des Zimmers, in dem sie eingesperrt war. Es war eine ganz normale, solide Tür, aber mit einer Kombination aus Scharren und Beißen schaffte sie es durchzubrechen. Als meine Tante nach Hause kam, hatte Sheeba alles auf den Kopf gestellt. Von diesem Tag an nahmen wir sie immer mit, wenn wir verreisten.
***
Meine Liebe zur Natur, die sich in der Kindheit entwickelte, hat mich nie verlassen und sich auf überraschende Weise sogar ausgeweitet. Jahre später fühlte ich mich zutiefst geehrt, als eine neu entdeckte Orchideenart nach mir benannt wurde: Die Pflanze wurde von einem Team deutscher Wissenschaftler in Ruanda gefunden, und ich war sehr gerührt, dass man beschloss, ihr meinen Namen zu geben: Sie heißt Liparis harketii. Ich habe im Laufe der Jahre jede Menge Preise gewonnen, aber diese Auszeichnung ist die größte von allen.
Einige der Blumen, die ich als Kind aufzog, befinden sich immer noch im Haus meiner Eltern. Da gibt es zum Beispiel ein hübsches Büschel Cypripedium calceolus, eine norwegische Wildorchidee, die ich vor 37 Jahren pflanzte, sie war ein Geschenk von einem Orchideenfreund. Sie wächst und gedeiht immer noch! Am Anfang waren es nur drei oder vier Blüten, jetzt sind es vierzig oder fünfzig. Fühlt sich schön und irgendwie symbolisch an.