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Einleitung

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Vor mehr als 1.400 Jahren rief ein Mann namens Muhammad ibn Abdallah in einem entlegenen Winkel der Welt, nämlich der Arabischen Halbinsel, seine henotheistischen Zeitgenossen zu dem Glauben an den einen und einzigen Gott auf, den er in seinen Predigten als den Erbarmer, den Barmherzigen beschrieb.

Gleich, wie man Muhammads Wirken bewerten mag, sein Aufruf, seine spirituellen Übungen, Ethik und Taten haben die Welt verändert. Nach einigen Historikern leitete jener Mann, der heute im Allgemeinen unter Muslimen und Nichtmuslimen schlicht als „der Prophet“ bekannt ist, die Zeitenwende von der Antike zum Mittelalter ein. Nach dem französischen Schriftsteller und Politiker Alphonse de Lamartine (gest. 1869) war Muhammad „Gründer zwanzig irdischer Imperien und eines geistigen Reiches“1, sodass seine Gestalt in einer nahezu erstaunlichen Weise bis heute global präsent ist.

Seine Weltbedeutung provoziert. Zahlreiche Muhammad-Bilder kursieren unter Muslimen und Nichtmuslimen. Seine Bekanntheit und das scheinbare Wissen, wer Muhammad war, erschweren eine Annäherung an ihn und seine Botschaft, insbesondere zu einer Zeit, in der weite Teile der Welt, und damit Nichtmuslime als auch Muslime, sich mit der Herausforderung eines islamisch verbrämten Terrorismus konfrontiert sehen. Für Muhammad-Verehrer und -Sympathisanten hat der Islam nichts mit Gewalt zu tun. Für Muhammad-Gegner wurzelt die Gewalt in der Botschaft des Propheten und seinen Handlungen.

Für die in diesem Buch vorgestellten Gelehrten, Denker, Aktivisten und Bewegungen einer islamisch begründeten Gewaltfreiheit beginnt das Nachdenken über Gewaltlosigkeit mit einer Reflexion über Muhammad. Sie gelangen zu einem Bild vom Propheten, der in einer gewaltsamen und grausamen Gesellschaft lebte, in der das Primat des Stärkeren dominierte, und dagegen Nichtaggression, Barmherzigkeit durch Nächstenliebe und das Primat des Rechts lehrte. Muhammad ist für sie alle Identifikationsfigur für ein spirituelles Leben vor Gott und den Menschen, das sich durch inneren Frieden auszeichnet, der in die Welt hinausgetragen wird. Muslim zu sein, bedeutet für sie, Botschafter des Friedens zu sein und dort, wo Konflikte vorherrschen, zu ihrer Deeskalierung beizutragen.

Doch dieses Muhammad-Bild, darin sind sich alle in diesem Buch vorgestellten Persönlichkeiten einig, wurde nach dem Ableben des Propheten nach und nach zugunsten der Expansionsbestrebungen muslimischer Dynastien verdrängt. Es entstand das geschichtsmächtige Bild eines Propheten, der Staatsmann und Militärführer war, obwohl er selber niemals persönlich gekämpft hat oder bewaffnet in eine Schlacht zur Verteidigung Medinas zog, so der Muhammad-Biograph Syed Ameer Ali.2

Konfrontiert mit einem islamisch verbrämten Terrorismus und Totalitarismus infolge der Ideologisierung des Islam Anfang des 20. Jahrhunderts sehen sie es als ihre Pflicht durch Wort, Schrift und Tat, der Friedensbotschaft des Propheten in der Welt abermals Gehör zu verschaffen und umzusetzen. Damit befinden sie sich inmitten eines Deutungsstreites mit Gewalttätern muslimischen Glaubens, aber auch passiven Gläubigen über das „richtige“ Muhammad-Bild und somit über das Erbe des Propheten und die Zukunft seiner Gemeinschaft.

Ob sie erfolgreich sein werden? Veränderungen geschehen niemals plötzlich. Veränderungen sind kein einfaches Unterfangen. Nie frei von Kontroversen und herben Rückschlägen. Veränderungen brauchen Nachdruck, Beständigkeit und Entschlossenheit. Die Saat wurde gesät. Sie kann aufgehen und schließlich Veränderung bewirken. Genau hiervon erzählt dieses Buch.

1 Vgl. Haikal, Muhammad Hussain (1987: 7).

2 Vgl. Ali, Syed Ameer (1873: 95).

Gewaltlosigkeit im Islam

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