Читать книгу König und Dämon - N. H. Warmbold, Nicole Heuer-Warmbold - Страница 5

Kapitel 3 – Zauberer!

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Davian hatte auch die nächsten Tage vom Mittag bis zum späten Abend Dienst und verbrachte die freien Vormittage damit, Mara im Schwertkampf zu unterrichten. Vor dem eigentlichen Unterricht musste sie, unter seinem aufmerksamen, kritischen Blick, immer das gleiche Programm absolvieren: fünf Durchgänge Basisübungen mit einem ungeschliffenen Schwert – nicht mehr mit einem hölzernen Übungsschwert, wegen des Gewichts –, danach zehn Runden um das Übungsfeld laufen und anschließend noch einmal fünf Durchgänge, aber im doppelten Tempo.

Zurück in dem kleinen Übungsraum fand sie Davian am vierten Tag dann nicht mehr allein vor. Der schlaksige blonde Junge, Jons Sohn Janek, lehnte lässig an der Wand, die Arme über der Brust verschränkt, und grinste sie dreist an. Mara erwiderte knapp seinen nachlässigen Gruß und stellte sich, noch ein wenig außer Atem, in Position.

Mit ausdrucksloser Miene hielt Davian ihr ein Schwert hin, nicht das, mit dem sie die Übungen begonnen hatte, und ignorierte ihren fragenden Blick. „Worauf wartest du? Fünf Durchgänge im doppelten Tempo. Ich will sehen, wie du mit der Länge zurechtkommst.“

„Es ist geschliffen.“

„Dann schneid’ dir nicht die Finger ab.“

Mara beschwerte sich nicht länger. Das Schwert lag gut in der Hand und schon nach kurzer Zeit hatte sie sich an die ungewöhnliche Länge – kein Kurzschwert, aber ganz sicher auch kein Langschwert –, gewöhnt. Sie kämpfte ja auch nicht damit, vollführte bloß grundlegende Bewegungen und Schritte.

Davian beobachtete sie skeptisch. „Schneller, Mädchen. Oder ist es dir zu schwer?“

„Nein. Ungewohnt.“

„Verstehe. Noch mal fünf Durchgänge, Janek passt auf, dass du nicht mogelst.“

„Ich mogele nicht, ich …“

Doch Davian hörte ihr nicht weiter zu und verschwand in Richtung der Umkleideräume.

Finster blickte sie Janek an und begann ein weiteres Mal mit den Basisübungen, verdoppelte das Tempo. Gewöhnte sich an das Schwert, an Länge und Gewicht des Schwertes. Sie achtete nicht mehr auf den Jungen, schaute nicht auf, als sie jemanden in den Saal kommen hörte: nicht Davian, dessen Schritte kannte sie, zwei Personen, danach erst er.

Mara hatte den vierten Durchgang noch nicht beendet und fuhr fort. Es machte tatsächlich Spaß, es war gut.

Davian unterbrach sie. „Das reicht, Mädchen.“

„Ihr sagtet, fünf Durchgänge, Hauptmann, doch das waren erst vier. Fragt ihn.“ Sie deutete auf Janek und verneigte sich höflich vor Jon, dem Schwertmeister, nickte Les zu, der vollständige Schutzkleidung trug.

Davian reichte Mara eine dick gepolsterte Lederweste und half ihr, Arm- und Beinschützer anzulegen. Jon, der schweigend zugesehen hatte, räusperte sich, ein sprödes Lächeln auf den Lippen. „Ich würde Euch gern in einem Zweikampf sehen, Mara. Und der Gardist hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt.“

Das konnte Mara sich allerdings gut vorstellen, bisher hatte Les immer gewonnen. Wenn auch manchmal nur knapp und mit Hilfe reichlich unfeiner Tricks. Sie erwiderte Les’ breites Grinsen. „Ja, sehe ich.“

Sorgfältig prüfte Davian die Riemen der Schutzweste, die ledernen Manschetten um ihre Handgelenke, schnallte sie fester. „Lass dich auf keinen Nahkampf ein, Mädchen, da hast du gegen ihn keine Chance.“

Mara nickte sinnend, in Gedanken schon nicht mehr bei ihm, wandte sich um und griff Les an.

Les war nicht wirklich überrascht, nicht sehr, er kannte Mara schließlich aus dem Training und außerdem war dies sein Beruf. Er parierte Maras überhasteten Angriff und hielt sie erst einmal auf Abstand, bevor er seinerseits angriff. Einen langen Kampf würde sie gegen den Mann, der wesentlich schwerer und kräftiger war als sie, nicht durchstehen.

„Euer Schwert ist nicht geschliffen, Les“, bemerkte Mara.

„Stimmt. Ich will Euch nicht umbringen.“

„Nur verprügeln.“

„Ihr sagt es.“

„Ha! Dazu müsstet Ihr mich treffen.“

Les verzog das Gesicht, zeigte ihr seine Zahnlücke. „Das werde ich, Liebchen. Spart besser Euren Atem.“

Mara wehrte seinen plötzlichen Hieb ab, drehte sich in seinen Angriff hinein und rammte ihm das Schwertheft hart in die Seite. Wandte sich dann in die andere Richtung und schlug zu, traf ihn tatsächlich am Oberschenkel, nur mit der flachen Seite, aber immerhin. Sah … nein, keine Überraschung, aber so etwas wie Respekt in seinen Augen aufblitzen. „Weiter, Liebchen, gönn mir keine Pause. Du musst nachsetzen.“

Doch Mara blieb vorsichtig, auf Distanz, sie wusste, wie hart und brutal Les‘ Schläge waren, wusste, wie wenig sie dem auf Dauer entgegenzusetzen hatte und versuchte es erneut mit einer Drehung. Wich Les’ Tritt und dem anschließenden Fausthieb aus und traf wiederum sein Bein, knapp oberhalb des Knies. „Wolltet Ihr mich nicht treffen, Les?“

„Kannst es kaum erwarten, wie?“ Er grinste noch immer, bedachte Mara mit einem regelrechten Hagel von Schwerthieben, die sie gerade so parieren konnte. Ihre Finger kribbelten. Und dann traf sie doch ein Schlag gegen den Oberarm. Kurz erwog sie, die Schwerthand zu wechseln, nicht wegen des Treffers, ließ es aber und schwang das Schwert rasch in einem weiten Bogen in Hüfthöhe – nicht sehr raffiniert, trotzdem wich Les lachend einen Schritt zurück. „Das ist doch keine Streitaxt.“

„Nein, ein Schwert.“ Mara stieß zu, doch er wich seitwärts aus, befand sich mit einem Mal in ihrem Rücken und schlug seinerseits zu, mit der flachen Seite des Schwertes hart auf ihren Hintern. Jedenfalls hatte er das wohl vor. Aber Mara riss ihr Schwert zurück, während sie sich gleichzeitig drehte, und begegnete schwungvoll seinem Schlag. Verbiss sich ein Ächzen, ließ sich einfach gegen Les fallen, der sie intuitiv festhielt, zog das Knie hoch und traf, nicht sehr fest, seine Leiste.

Immerhin ließ er sie los und Mara hob erneut das Schwert, keuchend, ein wenig geduckt, bereit zum Angriff. Zur Abwehr, denn Les war schneller, ein hochangesetzter Angriff, Mara hechtete zur Seite, rollte sich ab und erwartete seinen nächsten Angriff.

So langsam ging ihr die Luft aus. Sie wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß vom Gesicht und wechselte jetzt doch die Schwerthand. Was Les offenbar verwirrte, er stand völlig falsch, bekam ihren nächsten Schlag mit voller Wucht gegen die Brust und taumelte rückwärts. Mara war überrascht, setzte aber nach. Hieb nach ihm, mehr wild als gezielt, drängte ihn weiter zurück, stieß nach seiner Schwerthand, traf sogar. Ein zweites Mal, gegen den Ellenbogen seines rechten Arms, seines Schwertarms, traf noch besser, Mara hörte ihn mit den Zähnen knirschen, seitlich gegen sein Knie, er bekam das Schwert nicht rechtzeitig hoch, um ihren Schlag zu parieren, noch ein Stoß mit aller Kraft gegen die Schulter. Les stolperte, Mara hatte ihn, rammte ihm die Schulter gegen die Brust, als er fiel, fiel schwer auf ihn, ihr Knie auf seinem Brustkorb, hatte aber das Schwert noch fest in der Hand und setzte es ihm an die Kehle. „Ha!“

„Ihr seid brutal, Liebchen. Nehmt das Schwert weg.“

Schwer atmend musterte Mara ihn, misstrauisch, und wusste, ohne zu wissen woher, dass er in einer solchen Situation immer sein Messer zog, rührte sich nicht. „Ich traue Euch nicht, Les.“

Es war dann Davian, der den Kampf für beendet erklärte, mit der flachen Hand vorsichtig Maras Schwertspitze beiseite drückte und sie auf die Beine zog. „Nicht schlecht, Mädchen. Aber du hörst nie auf das, was ich sage.“

„Doch. Ich nutze Gelegenheiten.“

Er lachte. Jon trat zu ihnen. „Ihr habt da eine ganz erstaunliche Schülerin, Hauptmann.“

„Ja, allerdings.“

Jon wandte sich direkt an Mara. „Ich hörte, Ihr habt bei Malin gelernt?“

„Das ist richtig.“

„Und davor? Wie viele Jahre habt Ihr schon Unterricht?“

Irritiert sah Mara ihn an. „Seit diesem Sommer, also rund vier Monate.“

„So?“ Er runzelte die Stirn, blickte sie forschend an. „Seid Ihr morgen auch wieder hier?“

„Ja.“

Jon nickte und sah zu Davian. „Wenn Ihr nichts dagegen einzuwenden habt, Hauptmann. Ich habe schon lange keinen guten Linkshänder mehr gesehen.“

„Es wäre mir eine Ehre, Meister.“

* * *

Lucinda hätte nicht fragen sollen. Es war doch nur ein alberner, dummer Scherz unter Freundinnen gewesen, gar nicht ernst gemeint.

Und sie hätte schreien sollen, laut werden, als Hauptmann Alek nach ihrem Arm gegriffen und sie zur Seite gezogen hatte – als noch jemand sie hätte hören können. Auch wenn es entsetzlich peinlich gewesen wäre. Er würde ihr wehtun, würde sie … misshandeln, ihr Gewalt antun, sie brutal missbrauchen. Und dann würde er immer wieder kommen, und sie konnte nichts, gar nichts dagegen tun!

Sie sah Gespenster, ihre Angst ließ sie Dinge sehen, die … Es war doch überhaupt nichts gewesen, nichts passiert.

„Geht es Euch gut?“ Hauptmann Alek musterte sie irritiert, die fein gezeichneten Augenbrauen zusammengezogen.

Lucinda schauderte und zog die Schultern hoch. Sah blinzelnd zu dem großen, schlanken Mann vor ihr auf. „Es ist nichts, nur … Gar nichts.“

Er nickte, etwas mürrisch, wandte sich bereits ab. „Ihr wisst, wo Ihr mich findet.“ Und er wusste, wo er sie fand. Wie ein jeder im Palast.

Lucinda presste die Lippen zusammen, sah sich gehetzt um und eilte in die Gegenrichtung davon. Hastete über Umwege, was für ein Unsinn, völlig sinnlos, zu ihren Zimmern, und lehnte sich keuchend rücklings gegen die eilig verriegelte Tür. Quiekte auf, als es an eben jene Tür klopfte, und wich zitternd zwei, drei Schritte zurück, die Hände in ihren Rock gekrallt. „Wer … wer ist da?“

„Lu, was ist los? Mach die Tür auf!“

„Sandar?! Oh, Sandar, du …“ Hektisch zerrte Lucinda am Türriegel, wobei sie sich fast die Finger klemmte, und riss die Tür auf. Zog Sandar eilig ins Zimmer und schloss sofort wieder die Tür. „Du bist es.“

„Ja, ich bin es. Was ist denn los mit dir, du …“ Besorgt und zunehmend irritiert musterte er sie. „Du rennst durch die Flure, als wäre …“

„Er wird kommen …“, rief sie gequält aus, zerrte an ihrem Kleid. „Und dann wird er mich …“

„Wer wird kommen?“ Sandar packte sie hart an den Schultern und forderte eine Antwort. „Wer will dir etwas antun, Lu?“

„Der … Oh, Sandar, ich habe solche Angst, ich …“ Sie heulte verzweifelt, brachte kein klares Wort heraus. „In … in der Nacht, und dann …“

Sandar zog sie fest in seine Arme und strich ihr besänftigend übers Haar. Als wäre sie ein kleines Kind. „Lu, beruhige dich. Das ist der Palast, du bist hier sicher, keiner wird dir etwas antun. Auf den Hauptkorridoren, das weißt du, patrouillieren Wächter, auch nachts. Du … verflucht noch mal, Lu, was ist denn in letzter Zeit los mit dir? Diese kopflose, unsinnige Angst vor … vor was denn?“

„Ich weiß nicht, vor …“ Sie biss sich auf die Lippen und drückte sich an ihn, schlang die Arme um seine Mitte. „Sandar …“

„Was?“

„Willst du nicht …“ Sie hob eine Hand an sein Gesicht, streifte seine Lippen. „Möchtest du nicht bleiben, bei mir, für die … nur diese Nacht?“

„Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?“ Grob machte er sich von ihr los und stieß sie von sich. „Du hast unsere Hochzeit abgesagt, meine Liebe, aus den fadenscheinigsten Gründen, du hast mich … Und nun soll ich die Nacht bei dir, mit dir verbringen, bloß weil du … Nein.“

„Sandar!“ Verzweifelt schlang sie ihm die Arme um den Hals, versuchte ihn zu küssen, doch entwand er sich ihr sofort. „Führ dich nicht auf wie eine läufige Hündin, Lucinda. Du hast es doch so gewollt.“ Krachend schlug die schwere Tür hinter ihm zu.

Lucinda schob eilig den Riegel wieder vor, so fest sie konnte, schluchzte hemmungslos. Verkroch sich in ihrem Schlafzimmer, in ihrem Bett, zitternd, bitterlich weinend.

Sie fand ewig keinen Schlaf, wälzte sich stöhnend herum, nur halbwegs beruhigt von Sandars Worten. Enttäuscht, ja gedemütigt von seiner Ablehnung. Er wollte sie nicht, wollte nichts mehr von ihr, dabei hatte er doch immer … Aber sie hatte seine Zärtlichkeiten zurückgewiesen.

Irgendwann schlief sie, träumte wirr, von Sandar, von Hauptmann Alek, und beide, einer von ihnen … äußerst grob und rabiat, gemein … Nur ein Traum.

* * *

Mara gähnte unterdrückt und blinzelte in der rauchgeschwängerten, stickigen Luft. Es stank nach altem, schalem Bier, verdorbenem Essen und zu vielen ungewaschenen Leibern. Die ‚Traube‘, das Gasthaus in der Nähe des Hafens, wo Jula und Ron die Priester des Jägers gesehen haben wollten, war trotz oder auch gerade wegen der späten Stunde gut besucht. Viele der Gäste, in der Mehrzahl finster aussehende, grobschlächtige Kerle, waren bereits betrunken und dementsprechend laut. Die wenigen Frauen, ein paar hatten Mara sehr abschätzig gemustert, waren recht offenherzig gekleidet und trugen dünne, tief ausgeschnittene Blusen unter eng geschnürten Miedern, hoch geraffte Röcke in vormals bunten Farben. Fast jeden Abend gab es hier eine Schlägerei, hatte Les erzählt, der wohl nicht allein aus diesem Grund dagegen gewesen war, dass Mara sie begleitete, um mehr über die Priester in Erfahrung zu bringen.

Davian, Jula, Marten und Ron, ebenfalls Davians Zweiter, ein ständig schlecht gelaunter, hochgewachsener junger Mann, waren einige Zeit nach Les und Mara gekommen. Sie hatten sich ein Stück entfernt an einen Tisch im erhöhten und durch eine Balustrade abgetrennten Teil des Raumes gesetzt, würfelten und tranken Bier. Sie waren bewaffnet, wie auch Les und Mara bewaffnet waren, doch das fiel hier nicht weiter auf. Die meisten Gäste trugen deutlich sichtbar Messer an den Gürteln, manch einer auch ein Schwert.

Ein seltsames Gefühl, ein Schwert zu tragen; das Gewicht an der Hüfte ungewohnt. Davian hatte Mara den Schwertgürtel umgebunden, ihr formlos das Schwert überreicht – nach dem Unterricht, lange nachdem sie Les das erste Mal besiegt hatte und Jon längst gegangen war.

Mara hatte noch eine Weile allein weiter trainiert, Davian hatte ja Dienst, und Janek hatte ihr weiterhin Gesellschaft geleistet, jedoch kaum ein Wort gesagt. Sie hatte den Jungen anschließend zum Essen in den Speisesaal der Garde mitgenommen.

Ein beunruhigender Gedanke, das Schwert zu ziehen in dem Wissen, sie konnte damit umgehen, besser als viele andere.

Vorsichtig nippte Mara an ihrem Bier, es war bitter und ziemlich stark, musterte Les. „Seid Ihr noch immer ärgerlich?“

„Weil Ihr mich besiegt habt, vor dem Jungen?“ Er zuckte die Achseln, verzog das Gesicht zu einem Grinsen und zeigte ihr seine Zahnlücke. „Das nächste Mal gewinne ich.“

„Das glaubt Ihr. Hier gibt es vermutlich keinen Tee?“, ahnte sie.

„Nee, nur Bier oder Branntwein, aber der ist … Und der Hauptmann macht mich fertig, wenn ich Euch so starkes Zeug trinken lassen.“

„Ihr trinkt das aber? So starkes Zeug?“

„Manchmal. Warum?“

Mara zuckte die Achseln. „Nur so. Seid Ihr öfter hier?“

„Kommt vor.“ Offenbar hatte Les keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten.

Mara trank einen weiteren Schluck, schob den Krug zurück und schaute sich im Schankraum um, der sich inzwischen gefüllt hatte. Sie hielt Ausschau nach den Kapuzenträgern … Priestern. An den Tischen waren kaum mehr Plätze frei.

„Les?“

Er brummte nur mürrisch, hob gerade mal den Kopf.

„Fünf Männer in grauen Kapuzenmänteln, Kutten, und einer ist ganz eindeutig ein Priester des Jägers.“ Sie erkannte Jo’quin, der sich die Kapuze vom Kopf geschoben hatte.

„Wo?“

„Haben einen guten Platz gefunden. An der Balustrade.“

Les grinste, hob seinen Krug und sah unauffällig zu Davians Tisch hinüber. „Ach nee. Mit so einem Gesicht sollte der sich hier besser nicht herumtreiben.“

Mara ahnte, dass Les von Jo’quin sprach. „Was stimmt nicht mit seinem Gesicht?“

„Zu hübsch. Gibt nur Ärger, und er sieht nicht danach aus, als könnte er sich wehren.“

„Ach? Aber …“

„Jula ist ein großer, starker Mann, Liebchen, gefährlich, die Leute kennen ihn.“ Seine Augen glitzerten. „Und an Euch lasse ich niemanden ran, keine Sorge.“

„Wie fürsorglich von Euch. Ihr würdet Euch meinetwegen schlagen?“

Sein Grinsen wurde breiter, das Glitzern in seinen Augen schien sich zu verstärken. „Hatte schon schlechtere Gründe. Noch ein Bier?“

„Danke, ich bin versorgt.“

Er nickte, erhob sich. „Ich hol mir noch eins, lauft nicht weg. Und lasst Euch nicht von fremden Kerlen ansprechen.“

Mara grinste nur, legte die Beine auf den Tisch und lehnte sich zurück, die Arme über der Brust verschränkt, betrachtete müßig das Gedränge an der Tür. Noch mehr Gäste. Offenbar regnete es wieder und hier drinnen war zwar die Luft schlecht, aber wenigstens war es trocken und warm. Ein junger Mann, sicher kaum älter als zwanzig, mager und nicht besonders groß, fast zart gebaut, der hier völlig fehl am Platz schien, schob sich seltsam unentschieden auf Maras Tisch zu.

Vor dem unvermutet Sakar aufragte. Der dunkelhaarige Mann im offenen, langen schwarzen Mantel setzte sich unaufgefordert. „Ihr gestattet doch? Euer … Aufpasser scheint sich ja anderweitig zu amüsieren.

Mara runzelte die Stirn, der junge Bursche hatte sich eilig abgewandt und war in der Menge verschwunden, musterte den Mann kühl. „Er holt sich noch ein Bier.

Sieht ganz so aus.“ Überheblich lächelnd schaute der Mann zum Tresen, wo Les in ein sehr enges Gespräch mit einer üppigen, aufreizend gekleideten und nicht mehr ganz jungen Frau verwickelt schien.

Mara zuckte die Achseln und trank einen Schluck. Bemerkte durch den Raum Davians aufmerksamen Blick.

Gibt es hier wirklich bloß dieses scheußliche Bier?“, fragte Sakar, auf ihren Krug deutend.

Branntwein, wenn Euch der lieber ist.“

Vermutlich ebenso mies wie das Bier und diese grauenhafte Musik.

Die war in der Tat schlecht, über dem Lärm allerdings kaum zu vernehmen. „Für gute Musik müsst Ihr in andere Tavernen.

Wo auch Essen und Getränke besser wären?“ Sakar winkte herrisch der Bedienung, einer knochigen, müde wirkenden Frau, bestellte zwei Gläser Branntwein. „Ich darf Euch doch einladen?

Solange Ihr nicht erwartet, dass ich das Zeug auch trinke. Ich vertrage nicht viel.

Sakar lachte spöttisch. „Was macht Ihr dann hier, in einer solch schäbigen Umgebung?

Vielleicht das gleiche wie Ihr? Ich schaue mich um.

Er nickte, musterte sie eingehend. Beinah schon zu eindringlich. „Ihr … seid keine Manduranerin. Aus dem Süden?

Von jenseits der Tameran-Kette, aus dem Grenzgebiet zu Kalimatan. Ihr sagtet, Ihr stammt von Erian Jasa, Sakar?

Das ist richtig, von der westlichsten der Inseln. Falls Euch das etwas sagt.

Mara verneinte. „Und was führt Euch den weiten Weg nach Mandura, nach Samala Elis? Etwa Geschäfte?

Im weitesten Sinne, obwohl wir, Meister Liz-Rasul und ich, eher mit Wissen handeln denn mit weltlichen Gütern.

Sie nahm die Beine vom Tisch und beugte sich interessiert vor. „Meister?“

Ja, Meister. Die Ehrenbezeichnung für einen Könner seines Faches“, erläuterte Sakar unnötigerweise.

Und das seid Ihr auch, ein Meister?“, mutmaßte Mara.

Sakar lächelte arrogant. „Das bin ich allerdings, Kind, ein Meister. Magier der neunten Stufe.

„Aye …“ Zufrieden lehnte sich Mara zurück, sie hatte es geahnt: die beiden Männer, Liz-Rasul und Sakar, waren Zauberer. Magier der neunten Stufe. „Und das bedeutet?

Er lachte verdutzt. „Das bedeutet? Das zu erklären ist hier wohl kaum der richtige Ort und die richtige Zeit, Kind.

Na ja, dann morgen. Wir könnten uns ja am Nachmittag treffen, im ‚Stier oder meinetwegen auch im ‚Schlauen Fuchs‘, obwohl der ziemlich teuer ist. Aber günstig gelegen … wo Ihr wollt, und dann könnt Ihr mir auch …

Wie bitte?“, unterbrach Sakar sie schroff. „Warum, beim Schwanz der sechszehigen Echse, sollte ich dir irgendetwas erklären?

Weil ich …“ Mara biss sich auf die Lippen, wollte zum Krug greifen, schob ihn aber, ernüchtert ob des Geruchs, schnell zur Seite und blickte Sakar offen an. „Ich könnte Euch helfen.“

Wovon redest …“ Sakar wirkte mehr als nur irritiert und schien kurz davor, ärgerlich zu werden. „Wobei willst du mir denn bitte schön helfen?

Die knochige, ältliche Bedienung stellte wortlos zwei kleine Gläser auf den Tisch. Mara tunkte, nach einem Blick auf Sakar, den Finger in ihr Glas, leckte ihn ab und verzog das Gesicht; das Zeug schmeckte widerlich bitter, am liebsten hätte sie ausgespuckt. Grinste, als sie Sakars Blick bemerkte, grinste sehr breit, als sie die Gestalt hinter Sakar erblickte. Sakar zog nicht die Schultern hoch, er sah sich auch nicht um, wirkte aber plötzlich überaus angespannt. „Er steht direkt hinter mir?

„Aye.“ Mara konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Davian griff sehr dicht an Sakars Kopf vorbei zu dem kleinen Glas vor Mara, trank jedoch nicht, sondern roch lediglich am Inhalt. „Wolltest du das trinken?“

Mara verneinte und Davian hielt Sakar ein Blatt Papier vor die Nase. „Schon mal gesehen?“

Eilig übersetzte Mara Davians Frage. Der Mann zuckte die Achseln, runzelte dann die Stirn. „Darf ich mir das … diese Zeichnung genauer anschauen?“, fragte er, bevor er zu dem Blatt griff und es eingehend studierte. „Das kommt mir in der Tat bekannt vor, allerdings … Wart Ihr schon mal auf den Inseln, Hauptmann?

Doch Davian winkte ab, ging nicht auf die Frage ein.

Auch gut … Die Zeichnungen, wirklich gut gemacht, könnten den Tempel in Débar darstellen. Besonders diese Inschrift am Altar spricht dafür. Der Haupttempel des Jägers auf den Inseln“, fügte Sakar erklärend hinzu. „Was mich allerdings stört: vor rund zwanzig Jahren sah es dort exakt so aus. Heute nicht mehr.“ Er musterte Mara grimmig. „Übersetz das deinem Hauptmann, Kind. Wörtlich.

Verwundert schüttelte Mara den Kopf. „Was ist falsch?

Nicht falsch, bloß veraltet. Er versteht mich ziemlich gut, oder nicht? Die Lampen vor allem. Wie kommt er an eine Zeichnung … und die scheint mir recht neu zu sein, des alten Innenraums des Tempels?

„Gute Frage“, Davians Grinsen war nicht gerade freundlich. Er wandte sich an Mara. „Komm mit. Dein neuer Bekannter hat übrigens ähnlich geantwortet. Das sähe aus wie der alte Tempel des Jägers in Débar.“

Nachdenklich erhob sich Mara, schnappte sich ihre Jacke. „Und Les?“

„Der kommt allein zurecht.“ Mit einem Blick auf Sakar fügte er hinzu. „Er sollte gleichfalls mitkommen.“

* * *

Der Berg lag vor ihnen, scheinbar zum Greifen nah. Morgen wären sie da, doch das Wetter wurde immer schlechter. Heftige Schneeschauer wechselten sich ab mit Hagelgüssen, Nebel zog auf und wogte auf den Flanken, wand sich verspielten Girlanden gleich um gewaltige Felstrümmer.

Und die Stimmen in seinem Kopf, die keine Stimmen waren; Schatten und Schemen, immer am Rande seines Gesichtsfeldes. Als würde jemand dicht hinter ihm stehen, ihm in den Nacken hauchen oder ins Ohr atmen.

Ungeduldig trieb er sein Pferd den steinigen Abhang hinan, zwischen den vereinzelten knorrigen, vom beständig wehenden Wind gemarterten Bergfichten hindurch. Zerrte das Pferd der Frau, seiner Beute – er sollte nicht so von ihr denken, roch sie –, am Führseil hinter sich her. Sie war müde, erschöpft. Furchtsam. Die Kälte brutal.

Der Nebel wurde immer dichter, narrte sie, schien mit gierigen Fingern nach ihnen zu greifen; Fratzen mit weit aufgerissenen Mäulern in endloser Pein, fast glaubte er, ihre klagenden Schreie zu hören. Das Heulen des eisigen Windes, der die Nebel zerriss und wie eine panische Viehherde über die schroffen Berggrate trieb.

Und plötzlich, in einer Mulde an die Nordflanke geschmiegt, der karge kleine Unterstand, in dem sie die kurze Nacht, geschützt vor Wind und Niederschlag, verbringen würden. Keine ruhige oder gar friedliche Nacht, wie er ahnte; er würde nicht schlafen, würde wachen, und spürte die Nähe der Wölfe.

Die Pferde waren unruhig, sie rochen die Jäger. Er wusste um ihren Hunger; auch sein Hunger, seine Gier.

* * *

Sakar dachte einmal mehr an Priska, wie so oft in diesen letzten Tagen, Wochen, und starrte blicklos aus dem Fenster ins Schneetreiben.

In der Prophezeiung, die den Alten, Liz-Rasul und ihn letztendlich nach Mandura geführt hatte, wurde Prisca schlicht als ‚die Frau vom Meer‘ bezeichnet, nicht sehr prägnant. Sakar war ihr damals, vor gut achtzehn Jahren, in Jasa begegnet. Eine entfernte Verwandte von Kora, die er aus Mircabor kannte; egal, Kora hatte später ja ebenfalls die Inseln verlassen. Wie Prisca. Eine nette, richtig niedliche Frau, die so bemüht war, so bedacht und behutsam in allem, was sie tat. Immer ein wenig furchtsam. Er hätte mehr mit ihr reden, auf ihre Ängste und Befürchtungen eingehen sollen, aber er … Sakar schüttelte seufzend den Kopf. Er hätte sie wenigstens noch einmal aufsuchen sollen: die Frau hatte Angst gehabt, fürchtete sich vor der Zukunft, ihrer aller Zukunft, ihrem Schicksal.

Was dachte er jetzt daran, es war ein halbes Leben her. Er hatte genügend andere Frauen getroffen, interessantere, aufregendere Frauen. Wie die Kleine … Nein! Die ganz sicher nicht. Außerdem war das Mädchen viel zu jung, sie könnte glatt … das Kind, das er und Prisca hätten haben sollen, der Gedanke zu abwegig, um ihn auch nur zu formulieren.

Der Abend, einmal mehr in der ‚Traube‘, doch diesmal ohne Liz oder den Alten, war völlig anders verlaufen, als Sakar das erwartet hatte, und die junge Frau … Vielleicht war sie doch keine Hure, wie er anfangs vermutet hatte, obgleich ihr Verhalten … immer ein bisschen zu sehr, zu intensiv dem Gegenüber zugewandt, viel zu offen. Eine kleine Möchtegern-Kriegerin, wie ihr Aufzug nahelegte? Dieser versoffene Hauptmann hatte sie offenbar ernst genommen, ebenso die anderen Kerle, allesamt Gardisten, an dessen Tisch.

Sakar konnte sich nicht wirklich erklären, warum er die junge Frau mit ‚Kind‘ tituliert hatte, er hegte sicher keine väterlichen Gefühle für sie. Die ihn fraglos interessierte, in mehr als einer Hinsicht, und nicht allein, weil sie tatsächlich schön war. Von einer wilden, gefährlichen Schönheit, er konnte verstehen, warum der Priester, Jo’quin, derart von ihr angetan war und sie nicht einen Moment aus den Augen gelassen hatte.

Doch irgendwas nagte an ihm, steckte ihm wie ein Stachel im Fleisch, und er versuchte, sich genau an ihr Bild zu erinnern. Die Art, wie sie ihr Schwert … Sie trug es auf der falschen Seite, an der rechten Hüfte. Und sicherlich nicht aus Versehen. Sie war Linkshänder, wie er selbst, hatte auch den Bierkrug … Hatte sie? Er war sich nicht sicher, ein Glas besagte nicht viel, wohl aber das Schwert. Doch was brachte ihm dieses Wissen? Nichts. Sie war also gleich ihm Linkshänder und hatte ihre Hilfe angeboten. Bloß war er nicht mehr dazu gekommen, nach der Art ihrer Hilfe zu fragen.

Jemand, mehrere Kerle hatten eine wüste Schlägerei angefangen, Sakar hatte noch das laute, schrille Kreischen einer Frau, die sich am Rande des Getümmels befunden hatte, im Ohr, und der Hauptmann hatte ihm und den Priestern deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die ‚Traube‘ schleunigst verlassen sollten. Kurz hatte er sich gewundert, dass weder der Hauptmann noch seine Männer mitgemischt hatten; das passte gar nicht zu dem Bild, das er von Nordländern hatte.

Und er erinnerte sich, wie das Mädchen, Mara, in dem Moment ausgesehen hatte: sehr wach, sehr gegenwärtig und … Er runzelte die Stirn, da war noch etwas anderes. Die Art, wie sie einen Menschen, auch ihn, ansah, als wolle sie alles …

Nein, das war es nicht! Sakar raufte sich die Haare, ihm war schon bei jener ersten Begegnung klar gewesen, dass sie ein gewisses magisches Talent, schwer einzuschätzen, haben musste, aber das erklärte nicht seine Verwirrung. Er erinnerte sich an sein Bedürfnis, sie unbedingt beschützen zu wollen, seinen Unwillen, eher noch Widerwillen, sie neben dem Hauptmann zu sehen, sie mit diesem Kerl mitgehen zu lassen. Aber was machte er sich darüber Gedanken, es konnte ihm doch gleich sein? Dieses Kind, von dem er nichts, überhaupt nichts wusste, konnte ihm völlig gleich sein! Sie war aus dem Süden, dem östlichen Grenzland südlich der Tameran-Kette, das hatte sie gesagt. Sonst nichts. Und ihr Alter, falls er diesen absurden Gedanken doch einmal in Erwägung … Nein. Nein! Das war nicht wahr, sie war nicht … Sie war seine Tochter.

Am liebsten hätte Sakar laut losgebrüllt, fuhr sich zum wiederholten Male durchs Haar; er hatte keinerlei Beweis, nur … Seine Tochter! Er war sich sicher, er brauchte keine Bestätigung, nicht ihre Aussage, dass der Name ihrer Mutter … Er sollte sie fragen, jetzt, sofort! Griff nach seinem Mantel, notwendig in diesem kalten Land, dieser eisigen Nacht, und verbot sich los zu rennen.

Seine Tochter, das Kind der Frau vom Meer. Nur eine, kleine Antwort.

Dann stand Sakar vor dem Haus des Hauptmanns, der Weg war ja nicht weit, und schalt sich innerlich einen Idioten, hier mitten in der Nacht aufzutauchen. Der Kerl würde ihn hochkant wieder rauswerfen, der würde ihn …

Sakar klopfte ungeduldig an. Er machte sich lächerlich, er wusste nicht einmal, ob sie hier lebte. Und er hätte den Alten … Wütend, weil ihm keiner öffnete, und weil er, was sonst nicht seine Art war, zauderte und zweifelte, wummerte Sakar erneut gegen die Tür. Wäre fast zurückgezuckt, als ihm ein Gardist öffnete. Einer der Männer, die am Tisch des Hauptmanns gesessen hatten, jener Kerl, dem er neulich schon begegnet war, und der ihn nun wortlos musterte.

Ich … muss Hauptmann Davian sprechen.“

Hinter dem Mann näherte sich bereits der Hauptmann. „Worum geht es?“ Der Mann wiederholte, als er Sakar erkannte, seine Worte auf Südländisch, sprach mit einem ihm ungewohnten Akzent. „Was ist so dringend, Meister Sakar?

Sakar nickte zufrieden, seine Ahnung hatte ihn nicht getrogen. „Das … Entschuldigt die doch sehr späte Störung, aber es ist wirklich wichtig: ich muss unbedingt die junge Frau, Mara, sprechen. Sie wohnt … sie lebt doch bei Euch?

Der Hauptmann brummte etwas Unverständliches, bat ihn aber wenigstens hinein. „Geht einfach durch in die Küche und setzt Euch, sie kommt sicher gleich. Wollt Ihr auch einen Becher Tee?

Irritiert drückte Sakar sich auf dem engen Flur an dem Mann vorbei und betrat eine wohnliche, angenehm warme Küche. Er nickte dem jungen Gardisten, der ihm geöffnet hatte und nun am Tisch saß, höflich zu und setzte sich auf die Bank, die Wand im Rücken. „Danke, gern.

Sakar bezwang seine Ungeduld, seine Unruhe, und bemühte sich, weder den Gardisten noch den Hauptmann auffällig zu betrachten. Beide schlank und dennoch muskulös, groß, deutlich größer als er selbst. Wie die Mehrzahl der Männer in diesem Land, selbst manche Frau überragte ihn. „Wieso …“

Neugierde, sie kriegt mit, wenn jemand … Ihr hier seid.“ Der Hauptmann beobachtete ihn unverhohlen und lehnte scheinbar gelassen neben dem Herd an der Wand, hemdsärmelig, die Arme über der Brust verschränkt. „Um Eure Frage zu beantworten: Ja, Mara lebt hier bei mir.

Verstehe“, nickte Sakar. „Das war neulich kein Scherz.“

Nein. Seit dem Herbstfest trägt sie meinen Ring und das macht sie zu meiner Frau. Was Euch Eure Priester sicherlich bestätigen werden. Allerdings …“, der Mann war nicht einen Moment abgelenkt, als die junge Frau ins Zimmer kam, wusste offenbar genau, was sie tat, „wünscht sie sich eine Zeremonie in den Tempeln von Samala Elis, und natürlich eine anständige Feier, und die bekommt sie.“

Ich verstehe“, konnte Sakar nur mit gepresster Stimme wiederholen. Der verdammte Kerl sprach von der Hochzeit seiner Tochter. Mit der er bereits unter einem Dach lebte, Tisch und Bett teilte. Und die sich jetzt, kurz nur, aber sehr selbstverständlich, an den Mann drückte, ihn auf die Wange küsste. „Du lädst Meister Sakar zu unserer Hochzeit ein?“ Die junge Frau lachte verblüfft. „Dann solltest du auch den … die anderen Magier einladen.

Sie runzelte die Stirn und blickte ihn auffordernd an. „Was führt Euch zu dieser Stunde her, Meister Sakar, das nicht auch Zeit bis morgen hätte?

Ich muss wirklich dringend mit Euch sprechen, Mara, es … geht um eine persönliche Angelegenheit.“ Er schluckte, bemerkte den argwöhnischen Blick des Gardisten. Zum Hauptmann wollte er gar nicht erst sehen.

Wie bitte? Ich kenne Euch doch gar nicht.

Eine Sache, die Euch und mich sehr direkt betrifft, besser?“, wandelte er seine missverständlichen Worte ab. „Zuvor sollte ich Euch jedoch eine Frage stellen, dann können wir uns vielleicht den Rest …“ Aber er wusste es doch, fuhr sich durchs Haar und hätte zu gern … Sie stand noch immer an den Hauptmann gelehnt, weit weg, ihr Blick abweisend.

Wie lautet der Name Eurer Mutter?“

Wieso … wozu wollt …“, stammelte sie und starrte ihn an, sprach nicht weiter.

Bitte, Kind, nur den Namen deiner Mutter, mehr brauche ich …

Das Mädchen hatte sich von dem Hauptmann gelöst, hatte wie dieser die Arme vor der Brust verschränkt, doch bei ihr kam es einer Barriere aus Fels und Eis gleich, hinter der Flammen loderten. Er spürte ihre Anspannung, roch den Gestank der Magie, es hätte Sakar nicht gewundert, hätte der Boden geruckt oder …

Ihre Stimme nur ein Flüstern. „Prisca.“

Ja. Ja! Er schloss die Augen und hob die Hand vor die Stirn, wusste zum ersten Mal in seinem Leben nicht, wie und was er weiter …

Der Gardist durchbrach grob die ausufernde, endlose Stille. „Warum fragt Ihr nach ihrer Mutter, nicht aber nach ihres Vaters Namen …

Weil ich den besser als jeder andere kenne: Sakar, eigentlich Oktavo, wie meine Eltern mich nannten, doch habe ich den Namen schon in meiner Jugend abgelegt … Verstehst du, warum wir reden müssen?

„Nein!“, brüllte Mara und Sakar zuckte ob der Lautstärke und der immensen Kraft in ihrer Stimme zusammen. „Ihr seid nicht … Ich habe einen Vater, auch wenn der wie meine Mutter tot ist. Ich habe einen Vater!

Bitte, Kind …“ Er wollte sie nicht weinen sehen und war schon halb aufgestanden, als er die Bewegung des Gardisten aus den Augenwinkeln wahrnahm. Aber er konnte sie nicht so allein und verlassen und verzweifelt stehen lassen, wollte nicht vor dem jungen Kerl zurückweichen und machte eine abwehrende Geste mit den Händen, nur ein kleiner Zauber … Im Haus des Hauptmanns, der ja längst den Arm um Maras Schultern gelegt hatte, Sakar gewahrte dessen harten, kalten Gesichtsausdruck. „Habt Ihr Beweise, Zauberer?

Er verneinte, stand reichlich nutzlos zwischen dem Tisch und dem Mädchen. „Es war nie meine Absicht, dich zu verletzen, Mara. Sie …. Deine Mutter, Prisca, hatte die Inseln verlassen, bevor ich noch einmal mit ihr reden konnte, und …“ Zu viele Dinge, die er vor diesen Männern nicht ansprechen konnte und wollte. Prisca hatte zu dem Zeitpunkt unmöglich gewusst haben können, dass sie schwanger war. „Es tut mir aufrichtig leid, Kind, und wenn mir damals klar gewesen wäre, wie groß ihre Angst …

Wovor hatte sie Angst? Warum hättet Ihr … Ihr kanntet sie gar nicht? Meine Mutter?“ Ein einziger Vorwurf, ihr Blick war eisig. Verletzt.

Nicht besonders gut“, gab Sakar zu. „Wir …“

Warum sollte ich dann mit Euch reden, wenn Ihr meine Mutter doch gar nicht kanntet?“, fiel ihm das Mädchen grob ins Wort.

Na ja, gar nicht ist vielleicht untertrieben. Aber wir sollten nicht jetzt und hier …

Weshalb seid Ihr dann hergekommen?“ Sie musterte ihn fragend. „Nur um … Der Gedanke gefällt Euch?

Er nickte nur, leckte sich die Lippen. Studierte ihr Gesicht. „Mara …“

Ihr seid nicht mein Vater“, beharrte sie trotzig.

Doch.“ Und er hatte fast achtzehn Jahre nachzuholen, bemerkte verblüfft ihr Grinsen.

Aber nicht mehr heute Nacht, Zauberer.“

(Ende 216. Tag)

König und Dämon

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