Читать книгу König und Dämon - N. H. Warmbold, Nicole Heuer-Warmbold - Страница 7

Kapitel 5 – Ankunft

Оглавление

Oh ja, es war großartig: großzügig und sehr komfortabel, vielleicht etwas dunkel. Düster. Aber das lag wohl an der Jahreszeit. Doch wenn er noch einer nicht enden wollenden Lobeshymne von Rod zuhören musste, würde Mikkie laut losschreien.

Er wusste nicht, warum er derart schlecht gelaunt und unzufrieden war; es ging doch alles gut. Der König hatte sie – ihn – endlich empfangen und jetzt waren sie sogar ganz nah beim Palast untergebracht. Wenn auch, auf seinen Wunsch hin, denn er wollte eine gewisse Unabhängigkeit wahren, nicht direkt im Palast. Ihnen wurden nicht allein einige Zimmer zur Verfügung gestellt, sondern eine ganze Zimmerflucht, der Großteil einer Etage in einem Gebäude, welches direkt vor dem Brückenhaus lag.

Der alte Mann, Turam, der sie herumgeführt und ihnen alles erklärt hatte, hatte von den Beraterunterkünften gesprochen: hier logierten nämlich die königlichen Berater, oft, aber nicht notwendigerweise Angehörige der großen Familien Manduras. Dieser Turam erzählte und erklärte viel, er hatte auch eine Menge zu erzählen. Mikkie hatte ernsthaft interessiert zugehört und nur einen Bruchteil der Fragen stellen können, die ihm durch den Kopf gingen; er wollte sich ja nicht anbiedern. Am Abend, also gestern, hatte er sich tatsächlich hingesetzt und die wichtigsten, die ihm am wichtigsten erscheinenden Dinge notiert. Ein wenig Ordnung in seine Gedanken gebracht.

Aber Mikkie hatte das hübsche blonde Mädchen nicht angesprochen, als sich ihm die Chance geboten hatte, und darüber ärgerte er sich noch immer. Klar, er konnte nur wenige Brocken Manduranisch und das Mädchen sicher kein Erian, aber er hätte es ja auf Südländisch versuchen können. Das Mädchen war nicht allein gewesen, es wurde von vier anderen im etwa gleichen Alter begleitet, und mindestens zwei hatten natürlich albern gekichert. Bis auf ein gemurmeltes ‚Ich grüße Euch‘ hatte er jedenfalls nichts herausgebracht und fand sich selbst kindisch, dabei kannte er das doch.

Warum bist du so schlecht gelaunt, Mikkie?“, sprach ihn Rod verwundert an. „Wir haben eine wirklich tolle Unterkunft, für die wir nicht einmal zahlen müssen.“ Roddie lachte auf. „Könnten wir wohl auch nicht bezahlen, wenn ich mich so umschaue.“

In den Königspalast wird man üblicherweise eingeladen“, erwiderte Mikkie knurrig. „Das ist eine Ehre. Und nicht bezahlbar.“

Das ist mir schon klar, du brauchst nicht gleich so … Ich wollt‘ das nur noch mal bemerken. Und dieses … dein Zimmer ist riesig, bestimmt größer als so manche Fischerhütte …“ Und um ein Vielfaches größer als Rods kleine Schlafkammer. Doch sein Freund hielt sich ohnehin meist bei ihm oder in den Gemeinschaftsräumen auf.

Ein Eckzimmer mit Fenstern in zwei Himmelsrichtungen, du … Von deinem Bett aus siehst du direkt auf den Palast, du könntest glatt in deren Fenster schauen!“, versuchte Rod ihn zu begeistern. „Also, was ist los? Du bist doch sonst nicht so.“

Mikkie schüttelte abwehrend den Kopf und blickte aus dem Fenster, auf das gegenüberliegende Gebäude. Vom Aussehen her ähnelte es ihrer Unterkunft: eine hohe, etwas streng wirkende schnörkellose, elegante Fassade mit zahlreichen Fenstern, Fensterreihen. „Nebenan, links von uns, liegt der Gardehof“, murmelte er nachdenklich.

Und? Wir können doch rausgehen, wenn du unbedingt den Gardisten bei deren Training zuschauen willst.

Ja. Könnten wir. Morgen?“, schlug Mikkie, etwas versöhnlicher, vor.

Klar, gern“, stimmte Rod begeistert zu, ließ sich aber von seinem Freund nicht ablenken. „Und dein … Problem?

Mein Problem? Ich krieg‘ den Mund nicht auf, steh nur blöd … Die muss mich doch für einen Trottel halten!

Verdutzt sah Rod ihn an. „Wer?

Das ist ja das Problem: ich kenne noch nicht einmal ihren Namen! So ‘ne hübsche, blonde.

Äh … die sind hier fast alle blond“, lachte Rod.

Ja. Fast alle.“ Mikkie konnte nicht ernst bleiben und stimmte in Rods Lachen ein. „Sie ist … wirklich hübsch, schlank und recht groß. Etwa meine Größe. Du hast die fünf Mädchen heute Morgen doch auch gesehen.

Rod rieb sich überlegend die Nase. „Nicht die kleine, üppige mit den Locken? Die fand ich wirklich sehr hübsch.

Nein, die mit dem glatten, langen Haar, die Farbe … wie Weizenfelder im Sonnenschein.

Du hörst dich ja richtig verliebt an“, zog Rod ihn auf.

Manchmal erschien ihm sein Freund sehr kindisch und deutlich mehr als nur zwei Jahre jünger. „Quatsch, verliebt, ich versuche die Farbe ihres Haars zu beschreiben. Eher Honig denn Gold.

Wo liegt denn da der Unterschied?“, fragte Rod verwirrt.

Honig ist wärmer“, befand Mikkie knapp. „Bestimmt duftet es.

Nach Honig?

Nee, ich weiß nicht. Aber ich würde es gern wissen …“ Er sprach nicht zu Rod, sondern vielmehr zu sich selbst. „Wie ihr Haar, ihre Haut duftet. Sie. Ich würde gerne ihre Stimme hören.

Dann hast du ja morgen was vor“, meinte Rod keck.

Mikkie nickte und lächelte schwach. Das war gut, wenigstens ein kleines Vorhaben … für morgen, die nächsten Tage.

Staunend und mit wachsender Begeisterung sah Mikkie den bestimmt mehr als sechzig Männern – Gardisten! – auf dem schneebedeckten Feld zu. Erst war er ja enttäuscht gewesen, weil diese ‚nur‘ mit dem Stock trainierten, doch seine ziemlich alberne Reaktion war schnell verflogen, als er mitbekam, wie gut, wie präzise und wie rasend schnell die Nordländer waren.

Juckt es Euch schon in den Fingern, da mitzumachen?“, sprach Roderick den neben Mikkie stehenden Lennart an.

Das wär‘ mal was“, lachte Lennart. „Obwohl der Stock ja nicht meine bevorzugte Waffe ist. Aber ich würde, fürchte ich, Prügel beziehen. Das sind wirklich erstklassige Kämpfer, jeder von denen. Und das ist nur ein kleiner Teil, ich hab‘ gehört, es gibt zehn solcher Garde-Einheiten. Mit jeweils zweihundert Gardisten.

Wer hat Euch das denn verraten?“, fragte Mikkie neugierig nach.

Musst nur die richtigen Leute ansprechen“, grinste Lennart. „Scheint kein Geheimnis zu sein, die Leute sind stolz darauf. Gardist zu sein ist hier wohl das Höchste, Größte.“

Und dann sind diese Kerle auch noch richtig groß“, meinte er grimmig, auf einen der Gardisten deutend, der ihn bestimmt um Hauptes Länge überragte.

Groß und gut aussehend“, stimmte Lennart ihm zu. „Ich könnt‘ ja glatt neidisch werden.“ Eher halbherzig imitierte er die letzte Bewegungsfolge der Männer, brach aber bereits nach kurzer Zeit kopfschüttelnd ab. „Ich bezieh nicht nur Prügel, ich blamiere mich bis auf die Knochen. Das sieht sehr viel einfacher aus, als es ist.

Lennart wandte sich um und nickte den drei ausgesprochen hübschen jungen Mädchen, die sich ihnen näherten, grüßend zu.

„Wie schade“, lachte eins der Mädchen, die kleine, üppige, die Roddie so gefallen hatte, frech. „Und ich hoffte, Ihr würdet uns jetzt Eure Künste zeigen.

Entschuldigend hob Lennart die Hände. „Nicht mit die Stock, ich kämpfe mit Schwert.“ Raunte ihr noch einige Worte zu, und das Mädchen errötete, hob die Hand vor den Mund.

Die mittlere, seine hübsche, blonde … – und sie war tatsächlich fast so groß wie er selbst –, streckte ihm mit entschlossener, ein wenig angespannt wirkender Miene die Hand entgegen. „Ich bin Tessa Domallen.“

Und sie stellte ganz bestimmt noch ihre Begleiterinnen, Freundinnen vor, doch das überhörte Mikkie völlig, ergriff nur diese zarte, liebliche kleine Hand. Tessas Hand. Erwiderte ihr schüchternes Lächeln.

* * *

Zu gern wäre Tessa dem jungen Mann, Mikkie, noch ein weiteres Mal über den Weg gelaufen. Ohne drei, vier kichernde Mädchen um sich. Wieso erwies sich das als so kompliziert, sie wollte doch gar nichts … wollte einfach nur mit ihm reden, sich mit ihm unterhalten, ihn näher kennenlernen. Nur das. Doch am Rande des Übungsfeldes, um den Gardisten beim Training zuzusehen, war er heute offenbar nicht, auch nirgends auf dem Gardehof. Wahrscheinlich hockte er warm und zufrieden in seiner Unterkunft, während sie durch den eisigen Wind stapfte, sich kalte Hände und Füße, gar den Tod holte.

Tessa beschloss, ihre nutzlose, erfolglose Suche aufzugeben und wollte gerade wieder zum Palast zurück, als sie drei Gestalten, drei Männer über die unteren Höfe kommen sah, einer unzweifelhaft Mikkie … Mikkelaus von Jasa. Und sie stand hier frierend und wartend, zunehmend verärgert herum, fühlte sich … Aber dafür konnte er ja nichts.

Die drei grüßten sehr höflich, verbeugten sich übertrieben förmlich – dieser Lennart, es wäre überzeugender, hätte er dabei nicht so breit gegrinst.

„Ihr wartet nicht auf uns …“, begann Mikkie.

„Doch“, platzte Tessa heraus, selbst überrascht von ihrer Heftigkeit. „Ich warte auf Euch, Mikkelaus von Jasa. Hier in der Kälte, im Wind und ohne auch nur zu wissen, ob sich die blöde Warterei…“ Sie biss sich auf die Lippen, senkte einen Moment den Blick. „Entschuldigt, es ist …“

„Kalt?“, antwortete Mikkie vorsichtig.

„Kalt, ja.“ Sie nickte, rieb sich die eisigen Finger. „Ich hätte mir vielleicht Handschuhe anziehen sollen.“

„Kann … helfen“, bot der junge Mann an und griff seinerseits nach ihren Händen, barg sie in seinen und hauchte fürsorglich darauf. „Ist besser … wärmer?“

Verdutzt nickte Tessa, damit hatte sie nun nicht gerechnet. „Ein wenig.“

„Ah, nur wenig?“ Er hauchte erneut auf ihre Finger, das Gesicht dicht über ihre Hände gebeugt. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Lennart und der große, dicke Junge sich entfernten. „Mandura ist sehr, sehr kalte Land.“

„Na ja, jetzt … zu Beginn der kalten Jahreszeit“, gestand Tessa. „Im Sommer hatten wir einige sehr heiße Tage, so dass Ihr am liebsten alles von Euch geworfen hättet.“

„Alles… ?“ Fragend sah er sie an, sichtlich irritiert.

„Jacke und Hemd, am liebsten auch Schuhe und Strümpfe. Mögt Ihr noch ein Stück mit mir gehen, einfach nur … Es wird ohnehin bald dunkel.“

„Sehr gern“, stimmte Mikkie zu und gab ihre Hände frei. „Wohin? Ich kenne nicht … äh, gute Orte?“

„Wie auch“, lachte Tessa, trotz des widrigen Wetters plötzlich vergnügt. „Wir könnten … am Arsenal vorbei auf die Obstwiesen, da habt Ihr einen weiten Blick über die Stadt. Und …“ Sie redete zu viel, plapperte aus lauter Nervosität und Aufregung. „… falls der Wind zu arg ist, gehen wir einfach in den Palast, ich kann Euch ein bisschen herumführen. Wenn Ihr mögt?“

„Ja“, nickte Mikkie knapp.

„Rede ich zu viel?“

„Nein, nein, nur … ich versteh‘ nicht sehr gut deine … Manduranisch. Und meine Sprech ist…“

Hastig griff sie seine Hand und führte ihn am wuchtigen Gebäude des Arsenals vorbei. „Ich mag, wie Ihr redet. Mikkie.“

Er nickte, lächelte ihr zu und drückte ihre Hand. „Ich mag, wie Ihr redet, Tessa. Könnte immerzu zuhören.“

„Sonst plappere ich ja nicht so viel, aber …“, sie seufzte, zuckte dann die Achseln. „Ich bin etwas … nervös, aufgeregt.“

„Weil … allein mit fremde Mann?“

„Nein.“ Sie wagte ihn nicht anzusehen, schaute stattdessen über die Stadt, die sich schneebedeckt unter ihnen ausbreitete. „Allein mit Euch.“

„Oh. Ihr …“

„Ich bin albern, entschuldigt, ich … ich weiß auch nicht, und außerdem wollte ich … mit Euch reden, Euch besser kennen lernen und … Ich war noch nie in einem anderen Land.“

„Ja …“ Er musterte sie eindringlich und hielt ihre Hand, strich sacht mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Ich kenne nur meine Heimat und klein wenig Mandura, ist großartiges Land. Mein Heimat … Inseln sind kleiner, kleine Land. Und Wetter ist mild und lieblich, wenn nicht …“, er lachte, „manchmal es regnet viel, viel Regen. In Frühjahr.“

„Hier auch. Wie viele Inseln gehören zu … Erian Jasa?“

„Es sind drei größere Inseln, die Hauptinsel, die West- und die Südinsel, von wo Lennart ist. Eine ganze Menge sehr, sehr kleine Inselchen.“ Mikkie hockte sich hin und begann mit den Fingern in den Schnee zu zeichnen. „Hier, auf Hauptinsel, ist Jasa, Hof des Königs“, er markierte den Ort, „hier Mircabor, Schule der Zauberer, hier … Débar, Tempel und Heiligtum des Jägers.“

„Und du … Ihr stammt von der Hauptinsel?“

„Genau“, er grinste unterdrückt, „wie Roddie. Roderick. Und Meister Dibistin … glaube ich. Meister Sakar ist von Westinsel, nur Wind und Wetter und große Steine … sehr felsig und hart.“

„Eine Schule für Zauberer? Seid Ihr etwa …“

„Nur klein wenig“, Mikkie sah sie von unten her verschmitzt an, rieb sich die schneekalten, geröteten Finger. „Zauberer. Ist schlimm?“

Verdattert schüttelte Tessa den Kopf, reichte Mikkie die Hand und half ihm aufzustehen. „Nein, ich glaube … Keine Ahnung. Deine Hände sind ja eisig!“

„Der Schnee ist eisig, tut mir … Was macht Ihr?“

Sie hatte seine Hände in ihre Achselhöhlen geklemmt. „Deine Hände wärmen.“

„Auf die Art …“, fassungslos sah er sie an, neigte ihr den Kopf zu. „Das ist nett.“

„Nicht wahr?“, lachte Tessa ihn an und errötete nicht. Fast nicht.

* * *

Es hatte etwas Einschläferndes, Beruhigendes, den rieselnden Schnee zu betrachten. Es wirkte so friedlich. Und hier in den Zimmern im Gasthaus – sehr viel bessere und sauberere Zimmer als die in der billigen Absteige nahe der ‚Traube‘ – war es sogar angenehm warm und trocken.

Bruder Bahadir?“

Bahadir wandte den Blick vom Fenster, dem fallenden Schnee, und nickte Bruder Jo‘quin auffordernd zu.

Die junge Frau, sie … Wie kann sie …“ Jo‘quin senkte den Kopf.

Sie ist und sie ist nicht, gefangen im Körper einer Sterblichen, mächtige Zauberin, schwaches Kind, Göttin. Ich weiß nicht, ob es ihr überhaupt bewusst ist.“

Wie kann sie es denn nicht wissen?

Oh, sie weiß es, tief drinnen, da bin ich mir sicher. Habt Ihr ihr mal in die Augen gesehen? Doch sie kämpft gegen das Wissen, das Begreifen an und … das ist schwer, nahezu unmöglich und kann sie leicht ihren Verstand kosten.“

Das … Ich mag sie.“ Jo’quins Worte standen wie eine Herausforderung im Raum. „Sehr.“

Bahadir schloss seufzend die Augen. Aber wie konnte er dem jüngeren einen Vorwurf machen? Wie hätte Jo’quin, jeder Mann, sie nicht mögen, ja begehren können? Wie hätte er selbst sie nicht vom ersten Augenblick an lieben können? „Ja. Natürlich.

Ihr gehört mein Leben, Bruder, mein letzter Atemzug, mein allerletzter Tropfen Blut, meine verkommene, verlorene Seele.

Doch hat sie nicht nach Euren Blut verlangt.

Jo‘quin zuckte die Achseln, sein Blick seltsam abwesend. „Es wird eine andere Gelegenheit geben.“ Räusperte sich. „Und die andere Sache?

Meister Sakar ringt momentan mit der Erkenntnis, dass er eine Tochter hat, dass er ihr Vater ist. Wird ihn eine Weile beschäftigt halten, neben allem anderen, was die Zauberer anbelangt. Ich denke, er wird uns keine Probleme machen.“ Bahadir lächelte verhalten, sie sprachen von Sakar. „Keine großen Probleme. Gut, der Mann hat Fehler …“ Er zuckte die Achseln. „Einige Fehler, doch mit denen weiß ich umzugehen.

Aber er verachtet uns Priester. Er verachtet Euch!“, begehrte Jo‘quin auf.

Was Euch aufbringt, Bruder, ich weiß. Verschwendet Eure Kraft nicht sinnlos an jemanden wie Sakar, Jo‘quin, wir stehen vor schwereren Aufgaben. Dieses Land wird Krieg führen.“

Und sie?

Sie wird ihre Wahl treffen.“

* * *

Mara musterte erstaunt den Gardisten. „Wo ist Les?“

Ron verzog abfällig das Gesicht. „Ihr müsst heute mit mir vorlieb nehmen, Mara I’Gènaija.“

„Verstehe.“ Mara nickte bestätigend, zog die Jacke über und schnappte sich den Beutel. „Gut, dann kommt.“

„Was?“

„Glaubt Ihr, ich sitze den ganzen Tag im Haus? Ich muss auf den Markt, ein paar Dinge einkaufen.“

„Verfluchter Mist, Ihr wollt jetzt irgendwelchen Kram einkaufen? Und dafür …“

„Lebensmittel“, fiel sie ihm ins Wort. „Werden die Euch geliefert?“

Daraufhin hielt Ron den Mund, schwieg verbissen auch während des gesamten Weges durch das Ostviertel bis zum großen Markt, sein Gesichtsausdruck grimmig, missmutig. Da war Les ein wesentlich angenehmerer Zeitgenosse. Sicher, der Mann war mitunter rüpelhaft, nicht selten anzüglich und derb, doch er war nicht betont mies gelaunt. Und weder er noch Marten, der nun wirklich ein schweigsamer Mensch war, gaben sich derart angestrengt Mühe, so schlecht gelaunt zu wirken wie Ron. Der im Grunde … Mara vermied ein Grinsen und betrachtete Ron von der Seite; er hatte ganz und gar kein hässliches Gesicht, im Gegenteil, seine fast hager zu nennenden Züge waren durchaus reizvoll. Anziehend, wie auch seine gertenschlanke Gestalt mit den schmalen Hüften, seine mühelosen, geschmeidigen Bewegungen.

Das Getümmel auf dem Markt war wie üblich groß, Menschen, wohin sie auch schaute: Die Leute drängten sich in den engen Gassen zwischen den Ständen, vor den zum Marktplatz geöffneten Ladengeschäften, behinderten die zahlreichen Fuhrwerke und vereinzelten Reiter, welche auf der Straße, die um den großen Platz herum führte, vorwärts zu kommen versuchten. Und über allem Stimmengewirr, sich überlagernde, widerstreitende Gerüche, Düfte und Geräusche, Geschrei und Gezeter, eine Fülle von Bewegungen und Gegenbewegungen; überwältigendes Durcheinander, Miteinander. Ein Tummelplatz für Händler und Kunden, Käufer und Verkäufer, Gauner und Taschendiebe. Ron rückte mit finsterer Miene näher.

Eine Weile ließ Mara sich einfach nur in der Menge treiben, verärgerte Ron damit vermutlich noch mehr, doch sie mochte den Markt, das geschäftige Treiben auf dem Markt. So viele Menschen, alle mit ihren eigenen Sorgen, Ängsten und Hoffnungen beschäftigt. Und sie selbst …

Sinnend betrachtete Mara den Verband um ihre Rechte, ballte die Hand zur Faust und ging eilig weiter zu einem Ladengeschäft an der Südseite des Platzes, um Brot zu kaufen. Danach zum Stand eines Bauern, der alle halben Monate in die Stadt kam, um Eier und Geflügel zu verkaufen; sie erstand jedoch nur ein Dutzend Eier. Kartoffeln, Wurzelgemüse und Linsen an einem anderen Stand, Mara feilschte ein wenig um den Preis, um nicht aus der Übung zu kommen. Direkt daneben ein halboffenes Zelt mit Getreide und Mehl, zum Vorzugspreis, wie der Händler Mara lächelnd versicherte und ein kleines Säckchen mit Hafer draufgab.

Ohne ein Wort nahm Ron ihr den Beutel mit den Einkäufen ab, völlig unnötig, so schwer war er wirklich nicht, und hängte ihn sich über den Rücken. „Wohin jetzt?“

„Ich wollte noch … Das ist nicht notwendig, ich kann meine Einkäufe selber tragen.“

„Sagt Ihr.“ Ron sah sie nicht mal an. „Also, wohin?“

„Ein kleiner Laden, Richtung Westtor“, antwortete Mara und fügte erklärend hinzu: „Ich brauche noch ein paar Kräuter.“

„Gar keinen Tand, Schmuck, bunte Bänder und dergleichen?“ Er hatte sich gerade die Auslagen eines solches Standes angesehen.

„Nein, wieso?“

„Ich dachte nur.“ Ron zuckte die Achseln. „Frauen kaufen doch so etwas, wenn sie auf den Markt gehen.“

„Ich habe mir noch nie bunte Bänder gekauft.“ Mara biss sich auf die Unterlippe. „Aber … nun, mitunter einen Apfel oder ein Gebäckstück, zählt das?“

„Ihr macht Euch über mich lustig, Mara I’Gènaija.“ Ärgerlich musterte Ron sie, packte ihren Arm und schob sie unsanft vorwärts. Bedachte jeden, der ihnen nicht sofort eiligst Platz machte, mit einem mehr als eisigen Blick.

„Warum seid Ihr eigentlich derart mies gelaunt?“

„Stört es Euch, Mara I’Gènaija? Es macht mir schlicht keinen Spaß, hinter Euch her zu rennen, während Ihr Eure Einkäufe erledigt. Das ist eine verfluchte Zeitverschwendung, ich bin doch kein Kindermädchen!“

„Und mir macht es verdammt noch mal keinen Spaß, von Euch wie ein Verbrecher über den Markt gezerrt zu werden“, schimpfte Mara zurück. „Ich habe nicht um Eure Begleitung gebeten, Ron, wirklich nicht, ich könnte sehr gut darauf verzichten. Aber Davian hält es offenbar für notwendig. Ihr handelt auf seinen Befehl hin, also beschwert Euch …“

„Oh, ja, ich vergaß.“ Höhnisch verzog Ron das Gesicht. „Hinterhältige Ostländer, die Euch in finsteren Gassen auflauern. Nur sehe ich keine. Der einzige, der mehr als das übliche Interesse an Euch zeigt, ist dieser Kerl, angebliche Magier, da rechts am Gebäckstand. Guckt schon ’ne ganze Weile zu Euch rüber.“

Mara sah in die angegebene Richtung. „Sakar.“

„Ist der Kerl tatsächlich Euer Vater oder behauptet er das nur?“

Wortlos schüttelte sie den Kopf, das Thema behagte ihr nicht. Sicher, möglich war es, aber … „Ich weiß es nicht.“

„Ihr könntet ja die Wahrscheinlichkeiten einschränken.“

„Wie bitte?“ Sie runzelte die Stirn. „Das kann Euch doch gleich …“

„Stimmt“, gab Ron ihr Recht und sah Sakar, der in ihre Richtung geschlendert kam und Mara grüßend zunickte, mit kalter Miene entgegen.

Mara, wie schön. Heute in Begleitung von … Ron. Verzeiht, wenn ich Euren Namen nicht mehr richtig … Aron Endor Ligoban?“

Fast“ erwiderte Ron äußerst knapp, korrigierte den Mann jedoch nicht.

„Dabei ist das so ein schöner Name“, murmelte Mara leise und bemerkte sehr wohl das wütende Aufblitzen in Rons Augen, tat aber ungerührt. „Was führt Euch auf den Markt, Meister Sakar, etwa auch Einkäufe?

Das weniger, ich … wandere so herum. Die Stimmung der Leute hat sich ja merklich geändert. Gebessert.

Sie nickte bestätigend. „Er ist bald da.

Wer?“, fragte Sakar stirnrunzelnd nach. „Etwa dieser Namenlose?

Mara verzichtete darauf, das zu erklären. „Der Winterkönig.“

Ah, der Winterkönig“, wiederholte der Magier. „Endlich, ist man versucht zu sagen. Darf ich dich, und natürlich deinen Begleiter, anlässlich dieser guten Neuigkeit denn einladen? Wäre ein bisschen passender für ein Gespräch als hier auf der Straße. Ich sehe gerade, dort drüben in der ‚Schlaue Fuchs‘.

Der ist aber teuer“, erinnerte Mara ihn.

Das sagtest du, Kind“, Sakar lächelte, grinste fast. „Und ich danke dir für deine Fürsorge, meine Liebe, doch ich nage nicht am Hungertuch.

Sie warf Ron einen kurzen Blick zu, ihre Neugierde, was Sakar anbetraf, war noch lange nicht gestillt, und zuckte die Achseln. „Gut.“

Im ‚Schlauen Fuchs‘ wählte Sakar, nachdem er sich interessiert umgeschaut hatte, eine Nische im vorderen Bereich des Speiseraums, nicht zu nah am Eingang, und setzte sich Mara gegenüber an den Tisch. Ron nahm neben ihr Platz.

Und du behauptest zu wissen, wann er … der Winterkönig kommt?“, wollte Sakar wissen.

Ich weiß es“, antwortete Mara schlicht.

Nun, das kann jeder behaupten …

Ja“, fiel Mara ihm ungeduldig ins Wort. „Das ist langweilig, Sakar.

Er betrachtete sie, unterdrückte ein Schmunzeln. „Weil du weißt.“

Weil ich weiß.“

Reißt du mir den Kopf ab, wenn ich andeute, es besteht eine Verbindung zwischen Euch?

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte gern eine Tasse Rotbuschtee und ein Stück Obstkuchen.

Sakar nickte bestätigend und bestellte auf Südländisch. „Und wann wäre bald? Oder verrätst du mir das nicht?

In drei, vier Tagen.“ Mara grinste kurz und verspürte mit einem Mal Freude: weil Reik bald zurückkehren würde und weil dieser Mann, ein Magier, der behauptete, ihr Vater zu sein, immer interessanter wurde.

Schätze ich. Könnt Ihr mir …“ Sie begann erneut. „Wenn ich … wie stelle ich es an, mich zu schützen?

Das …“ Sandar runzelte, sie ernst musternd, die Stirn und lehnte sich ein wenig vor. „Ganz so einfach kann man … ich das nicht erklären. Zumal ich dich kaum kenne, die Art, wie du denkst, mit Problemen umgehst. Und das ist keine Ausrede, kein Versuch, mich zu drücken; ich habe nichts dagegen, dir etwas beizubringen.

Aber dies hier ist natürlich kein passender Ort?

Er wiegte den Kopf. „Nun, eine kleine Lektion wäre vielleicht … Versuche dich, so weit es dir möglich ist, zu entspannen. Atme ruhig und gleichmäßig, schließe die Augen, der Gardist passt ja auf, und konzentriere dich nur auf meine Stimme.“ Und Sakar hatte eine sehr angenehme, wohlklingende Stimme, er war offenbar ein geübter Redner.

Mara tat, wie ihr geheißen, das hatte sie oft genug mit Lorana oder auch mit Malin gemacht; Entspannungsübungen.

Du machst das nicht zum ersten Mal“, erkannte auch Sakar, seine ruhige Stimme, seine Präsenz jetzt sehr nah, Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. „Wenn ich jetzt die Hand auf deine Hand lege, nur das, wirst du nicht erschrecken, nicht zurückweichen; du bleibst. Genau hier, direkt vor mir.

Sie spürte seine Hand, nur die Finger, leicht auf ihrer Hand.

Du musst nicht antworten, Kind, und lässt die Augen geschlossen; du bist sicher. Kannst du mich sehen?

Ein mittelgroßer Mann, nicht viel größer als sie selbst, mehr als doppelt so alt, mit vollem, dunklem welligen Haar. Er stand auf Armes Länge vor ihr und trug einen offenen, schwarzen Mantel, ums rechte Handgelenk einen schweren, goldenen Armreif.

‚Aye‘, antwortete sie ihm in Gedanken und spürte sein Erstaunen.

Du gehst nicht weiter, Mara, wahre diesen Abstand. Und nun … siehst du dich?

Eine junge, sehr schlanke rotgelockte Frau in Hosen, ein wenig gehetzt wirkend, ein wunderschönes, stilles Gesicht, um ihren Hals die Kette mit dem Jägermond; Versuchung, Verlockung und Versprechen … von Gefahr, Schmerz und Leid.

So seht Ihr mich?‘, flüsterte sie verwundert.

Wohl nicht nur ich‘, erwiderte Sakar in ihren, seinen Gedanken und warnte sie erneut, nicht weiter zu gehen, zu verharren. ‚Ich werde dich heute nicht bitten, mir Zutritt zu deinem Geist zu gewähren, und ich werde dir auch keinen Zugang zu meinem Geist gewähren. Dies ist wirklich kein geeigneter Ort … und dein Gardist mehr als nur ein bisschen misstrauisch, mehr als bereit, mir den Schädel einzuschlagen, Kind‘, bemerkte Sakar. ‚Stell deine Frage.

Sie musste nicht lange überlegen. ‚Wann genau seid Ihr ihr begegnet, wann habt Ihr sie getroffen?‘

Deine … Prisca?‘ Er lächelte ungewollt ob der Erinnerung. ‚Im Frühjahr, die ersten Frühlingsstürme hatten noch nicht eingesetzt, vor achtzehn Jahren. Es gab nur zwei kurze Begegnungen und die Nacht. Ein paar Tage später erfuhr ich, dass sie Jasa, dass sie die Inseln verlassen hatte. Ich könnte dir zig Erklärungen geben, warum ich ihr nicht gefolgt bin, nicht reagiert habe, keine befreit mich von meinem … Versagen. Ich hielt meine Belange für bedeutender als eine junge, verwirrte Frau voller Ängste, die sich vor ihrem, unser aller Schicksal fürchtete. Die Frau vom Meer, wie sie in der Prophezeiung genannt wird. Somit bist du das Kind der Frau vom Meer.

Mara entzog ihm ihre Hand, und nicht allein, weil der Wirt heran kam, blickte Sakar mit schmal zusammengekniffenen Lidern an. „Das heißt?

Du bist brutal, Kind“, warf Sakar ihr mit belegter Stimme vor. „Meister Dibistin wird dich über die Bedeutung der Prophezeiung in Kenntnis setzen.

Wieso … Könnt oder dürft Ihr nicht, Meister?“, wollte sie wissen und griff hastig nach der Tasse, schlürfte dankbar den viel zu heißen Tee. Es war brutal, auf diese Art aus dem gedanklichen Gespräch auszusteigen, fast schmerzhaft.

Oder schlicht: ich will nicht?“ Sakar verzog den Mund, vielleicht ein Lächeln. „Das war die sechste Stufe, ich gratuliere. Du bist wirklich sehr, sehr gut … talentiert. Aber das weißt du ja. Und du besitzt die Arroganz eines jeden guten Zauberers.

Sollte das ein Lob sein?

Das war ein Lob, Kind. Du solltest auch von dem Kuchen essen, das … hilft. Gegen all die unschönen Begleiterscheinungen: Magie zu wirken kostet viel Kraft, und machtvolle Magie …“ Neugierig sah Sakar sie an. „Bist du, hinterher, schon mal umgekippt?

Mara kaute an ihrem Kuchen und nickte gedankenvoll. „Ihr auch?

Sicher.“ Er lachte kurz. „Ich befasse mich mit Wetterzaubern, der höchsten, schwierigsten Richtung der Magie überhaupt, da fangen die einfacheren Zauber nicht vor der siebten Stufe an.

„Wetterzauber?“

Ja, ich befehle den Winden, rufe den Nebel, solche Dinge.“

Sie bemerkte Rons verdrießlichen, reichlich abschätzigen Gesichtsausdruck und lächelte ihm aufmunternd zu, bevor sie sich wieder an Sakar wandte. „Ihr logiert noch immer im Gasthaus am Osttor, gar nicht mit den anderen in den Beraterunterkünften beim Palast?

Es gefällt mir dort recht gut und außerdem ist es näher …“ Sakar stockte kurz und sagte nicht: ‚zu dir‘. „… zur Stadt.

Habt herzlichen Dank für die Einladung.“ Mara erhob sich. „Was ich Euch noch sagen wollte: Am Morgen nach der Wintersonnenwende.

Einen Moment schien Sakar irritiert, dann lächelte er.

* * *

Gerade, als Lucinda sich Tee einschenkte – sie wollte das Gebäck, das sie aus dem Tempelbezirk mitgebracht hatte, probieren –, klopfte es energisch an ihrer Zimmertür. Verwundert, sie erwartete zu dieser Stunde keinen Besuch, öffnete sie und war überrascht, fast erschrocken, Hauptmann Alek vor sich zu sehen.

„Sekassne …“ grüßte er sie lässig und nicht sonderlich höflich. So hatte er sie vor Tagen schon genannt, danach dann allerdings kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Es hatte ja auch keinen Anlass gegeben.

Nervös leckte sie sich die Lippen. „Hauptmann …“ Und verstummte.

„Ich störe hoffentlich nicht? Nicht, dass Ihr Euch bereits zur Ruhe begeben wolltet und ich Euch jetzt aufschrecke.“

Aber das sah er doch. „Nein. Nein, ich …“ Sie gab sich innerlich einen Stoß und öffnete die Tür etwas weiter. „Ich hatte mir gerade noch einen Tee gemacht, und wenn Ihr wollt …“

„Gern …“ Sich sichtlich ein Grinsen verkneifend trat Alek ins Zimmer, streifte sie fast. „Ich wollte Euch lediglich davon unterrichten, dass Domallen … der Winterkönig morgen zurückkehren wird. Und jetzt bekomme ich Tee und sogar Gebäck?“

Sie lachte ungewollt und bot ihm einen Platz an. Bemerkte seinen spöttischen Blick und versuchte eilig, das vollgeräumte, mit Möbeln überladene, eigentlich aber großzügige Zimmer zu rechtfertigen. „Ich bin immer unsicher: diese schweren Sessel sind eigentlich viel zu wuchtig, andererseits aber auch sehr bequem. Doch gut essen lässt es sich besser an einem Tisch, mit Stühlen, daher …“ Drängte sich auch noch ein relativ großer Tisch an die Fensterwand, umringt von sechs Stühlen, zwei zusätzliche fanden sich willkürlich im Zimmer verteilt, „Und …“

„Ihr könnt nie wissen, wie viele Leute kommen?“

Sie stimmte erleichtert in sein Lachen ein. „Genau. Schlimm?“

„Ihr müsst hier leben.“ Er zuckte die Achseln und nahm in einem der Sessel am Kamin Platz. „Der is‘ aber tatsächlich sehr bequem, notfalls könnt Ihr in dem Ding schlafen.“

„Oh, dafür habe ich nebenan …“ Sie schlug die Hand vor den Mund, die Bemerkung wäre wohl unpassend.

„Davon gehe ich aus. Sogar mit Vorhängen und Himmel, würde ich vermuten.“

Lucinda räusperte sich verlegen und schob Alek den Teller, auf dem sie sorgsam das Gebäck drapiert hatte, zu. „Bitte, greift … bedient Euch.“

Jedes ihrer Worte erschien ihr plötzlich mehrdeutig. Mit zittrigen Händen goss sie eine zweite Tasse Tee ein, glaubte seinen Blick zu spüren. Nur Einbildung. „Das Gebäck … Bes, die Köchin im Tempelbezirk, wo ich seit dem Sommer … helfe, ab und an aushelfe, ist sehr großzügig und hat mir die Stücke praktisch aufgedrängt.“

„Schmeckt sehr gut. Ihr habt das zubereitet?“

Eilig wehrte sie ab. „Ich habe nur mitgeholfen, die einfacheren Arbeiten. Obwohl Bes sagt, manchmal stelle ich mich gar nicht so dumm an. Sie ist … oft etwas direkt. Aber eine großartige Köchin.“

„Ihr helft also häufiger in der Küche des Tempelbezirkes aus?“

„Daran ist überhaupt nichts Schlechtes! Und nur weil meine Tante …“ Sie verstummte, da Alek sie verwundert musterte, und stand auf, um die Vorhänge vor zu ziehen; die Nacht würde wieder eisig werden, fummelte ewig an den dicken Kordeln herum.

„Ich sehe darin auch nichts Schlechtes, Sekassne, im Gegenteil. Das ist eine sinnvolle Tätigkeit.“

„Ja.“ Sie krallte die Hände in ihren Rock, wusste nicht … Es fiel ihr schwer, einfach nur mit dem Mann zu reden, sie fühlte sich gehemmt. Eingeschränkt, als könne sie nicht frei … „Manchmal macht es mir sogar richtig ein bisschen Spaß.“

Lucinda griff nach der Kanne und schenkte Alek Tee nach. „Irgendwer … ich glaube sogar, Tessa, erzählte mir, die meisten Hauptleute würden ihren Bruder in dem Gasthaus vor der Stadt erwarten.“

„Aye …“ Sie wunderte sich über Aleks Tonfall, bis ihr klar wurde, in welch ungünstiger Haltung sie, leicht vorgebeugt, vor ihm stand und wohin er sah, sehen musste. „Das ist richtig. Nur haben ich, noch ein paar andere Unglückliche später die halbe Nacht Dienst im Palast.“

„Das … das tut mir …“

„Mir nicht.“ Er griff nach ihrem Ellenbogen und zog sie näher, so dass sie fast gegen seine Knie stieß, seine Hände warm und schwer auf ihren Hüften, beinah schon auf ihrem Hintern. Lucinda glaubte, seinen Atem auf ihrer Haut zu spüren, glaubte einen Moment … Doch er küsste sie nicht, nicht auf den Hals, den Ausschnitt, sondern blickte ihr aufmerksam ins Gesicht, sein Lächeln ein bisschen ... „Kannst du auf die Art lange stehen?“

Sie japste fast nach Luft und schüttelte abwehrend den Kopf, ihre Beine drückten an seine Knie in den langen, schwarzen Stiefeln. Alek zog sie noch etwas näher, sie musste … konnte es nicht einmal denken, die Beine spreizen. Fühlte ihr Herz schlagen, ihre Handflächen feucht werden, sein Blick unbeirrt auf ihrem Gesicht. „Was trägst du darunter?“

„Was …?“ Sie konnte nicht denken, nicht antworten, nur viel zu hastig atmen, bis sie seine Hände … eine Hand tiefer rutschen spürte. „Ein … ein Unterkleid …“

„Setz dich, Sekassne.“

Und es war eine solche Erleichterung, weil ihre Beine so schwach und zittrig waren und weil sie nichts anderes wollte, als ihm derart nahe zu sein. Mit lustvollem Entsetzen seine Hand unter ihren Röcken auf ihrem nackten Bein zu spüren.

Dann drückte er fast schon grob ihren Kopf zu sich heran. Sein Mund, seine Zunge, die er ihr dreist in den Mund steckte, schmeckten süß, nach Gebäck, ein bisschen nach Tee. Er war zu nah, ihr viel zu nah, sein Körper, so aufregend nah, und sie wollte nicht denken, nicht darüber nachdenken; seine Hand schob sich dreist höher ihr Bein … Was er machte, tat, mit ihr tat. Sein Mund, seine Lippen an ihrem Hals, ihren Ausschnitt gedrückt, zwischen ihren Brüsten, denn irgendwie hatte er ihr Kleid … von der Schulter …

Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht wissen, was er mit den Händen in seinem, ihrem Schoß … Und dann das Gefühl dieser Berührung, warm, geradezu heiß, unerbittlich drängend und drängelnd zwischen ihren Schenkeln, und sie machte sich selbst etwas vor, sie hätte … gab nur zu bereitwillig nach. Eigentlich tat es nicht weh, als er ihr entgegen kam, in sie drang. Sein weit geöffneter Mund an ihrer rechten Brust, ihre … Ihn in sich zu spüren, sie mochte … bewegte sich leicht auf seinem Schoß, und das Gefühl, der Druck nahm zu.

Alek hielt ihren Kopf umfasst und küsste sie endlos, gierig, viel zu grob. Presste sie … stöhnte rau, und dann ließ der Druck nach. Erschrocken spürte Lucinda Nässe zwischen ihren Beinen und wollte … Doch Alek hielt sie fest. „Nein, bleib …“

Atmete gegen ihre nackte Brust, leckte sie neckend, ihre Brustwarze. „Ist dir unangenehm, Sekassne?“

„Nein …“ Sie ließ ihre Arme, wo sie waren, schlang sie noch etwas enger um seine Schultern, seinen Nacken. Es hatte nicht einmal richtig wehgetan, vielleicht … hatte er sie überhaupt nicht entjungfert. „Gar nicht.“

„Dann brauche ich das nächste Mal keinen Vorwand?“

„Das … war ein Vorwand?“

„Aye. Konnte ja nicht bloß herkommen, weil ich wissen wollte, wie weit du gehst.“

„Ihr …“ Lucinda fiel keine Erwiderung ein, verstand seinen Gedankengang nicht richtig. Vielleicht sollte sie beleidigt sein. „Aber Ihr habt nachher Dienst?“

„Hab‘ ich …“ Er lachte, biss ihr in die Brustwarze. „Einschlafen musst du allein.“

„Das tat weh!“, beschwerte sie sich.

„Erinnert dich an mich.“

„Dann …“ Sie presste die Lippen aufeinander, zog ihr Kleid wieder über, auf die Schulter. „… wollt Ihr jetzt einfach so gehen, ohne noch …“

„Vielleicht nehm‘ ich mir noch ein Stück Gebäck und trinke einen letzten Schluck Tee.“ Er schob sie umstandslos von seinem Schoß, an seiner statt in den Sessel, und schloss aufstehend seine Hose.

„Ihr …“

Ungeduldig blickte Alek sie an. „Ja?“

Sie schüttelte nur den Kopf, vermied jede Reaktion; weinen und sich die Haare raufen konnte sie später noch. „Nichts.“

* * *

Die Rückkehr von Reik und Réa nach Samala Elis, oder genauer: die Ankunft des Winterkönigs und seiner Begleiterin in der Hauptstadt, denn es kehrte nicht der vom Alten Berg zurück, der aufgebrochen war, glich einem Triumphzug.

Es war kalt, schneite jedoch nicht und die Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel. Fröhliche, begeisterte Menschen säumten rufend die mit farbigen Wimpeln und den roten Bannern des Hauses Domallen – und auch einigen weißgoldenen des Hauses Sadurnim – geschmückten Straßen. Immer wieder erklangen Hochrufe, brandete lauter Jubel auf, Gruppen von halbwüchsigen Jungen stimmten ein ums andere Mal das Lied der Garde an.

Mara sang nicht mit. Sie stand auch nicht in der ersten Reihe, direkt an der breiten Straße vom Nordtor in die Stadt hinein, sondern gemeinsam mit Jula und Ron ein wenig im Hintergrund. Dort, wo der Weg durch das Nordviertel zum Tempel hin abzweigte.

Davian war mit einer Reihe anderer Hauptleute und Gardisten bereits mitten in der Nacht aufgebrochen, um dem Winterkönig entgegen zu reiten. Ihn und seine Begleiterin angemessen zu empfangen und in die Stadt zu geleiten. Er hätte sie vielleicht mitgenommen – angeboten hatte er es ihr allerdings nicht –, doch es erschien ihr nicht richtig. Unpassend, sie war nicht diejenige, die den Winterkönig, obwohl Reik das offiziell erst nach der Zeremonie im Tempel war, sehnsüchtig und mit bangem Herzen erwartete.

Sie würde in vier Tagen Davian heiraten. Mara lächelte versonnen und drückte unwillkürlich Julas Hand. Nicht aus Nervosität, doch vielleicht vor Aufregung, sie spürte das Nahen des Winterkönigs, fast wie ein drohendes Gewitter. Mara musste die zwei nicht sehen, sie wusste, ihm und Réa ging es gut. Aber sie wollte miterleben, wie die Menschen die beiden begrüßten, ihre Freude, ihre Begeisterung; Mara wollte sie sehen: Die triumphale Ankunft des Winterkönigs und seiner Begleiterin.

Denn viel zu bald ...

Doch daran wollte Mara jetzt wirklich nicht denken und drückte einmal mehr Julas Hand, der sich ihr lachend zuwandte, als der Lärm anschwoll, tosender Jubel erschall. Offenbar hatte der Zug das Tor passiert. „Kannst du überhaupt was sehen?“

„Viele Köpfe, aber ich muss gar nicht …“ Es war viel zu laut für Erklärungen. „Es geht, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle.“

„Wir könnten dich …“ schlug Jula vor.

„Bloß nicht! Ich verbiete es euch.“ Wenn Ron und Jula sie auf die Schultern nähmen. Sie wollte bestimmt nicht auffallen, wollte lediglich Teil der jubelnden Menge sein.

Allerdings machte Reik selbst dann Maras Bestreben zunichte, als er sein Pferd zügelte, absprang und auf sie zu schritt. Die Leute machten ihm bereitwillig … nein, ehrfürchtig Platz. Viele knieten nieder, verbeugten sich wenigstens oder grüßten förmlich, wie Ron und Jula.

Reik griff nach Maras Händen, zog sie an seine Lippen und sah ihr lange in die Augen. „Ich danke dir, Kleines. Was auch immer du getan hast, ich möchte dir dafür danken.“

„Ich habe doch nichts ...“ Götter, er sollte sie nicht anfassen, er sollte sie nicht auf diese Weise ansehen, dass ihre Knie ganz zittrig wurden. Mara sah die Wildheit des Jägers in seinen Augen, dessen Gier in seinem Blick aufblitzen, einen Moment nur. „Es war mir ein Anliegen.“

„Sehe ich dich heute Abend?“, fragte er nach.

„Wahrscheinlich, Hauptmann Remassey hat mich eingeladen.“

„Und vermutlich wirst du nicht vor mir niederknien.“

„Das wäre … nicht angemessen“, erklärte sie spröde.

„Nein, wäre es nicht.“ Er lächelte wehmütig und küsste sie sanft auf die Wange. „Ich werde dich immer lieben.“

Mara wusste, niemand hatte seine leisen Worte gehört, und war fast erleichtert, als Reik ihre Hände losließ, knapp den Kopf neigte. „Gènaija.“

Mit gerunzelter Stirn sah sie ihm nach, wie er wieder aufs Pferd stieg, gelassen etwas zu Réa sagte, die stumm nickte und ihn anstrahlte.

Bemerkte Davians ungeduldigen Blick. „Ob du ein Stück mit willst, habe ich gefragt?“

„Ja.“

Davian zog Mara vor sich aufs Pferd, legte den Arm um ihre Taille. „Die beiden sehen ziemlich mitgenommen aus.“

Blutverkrustete Schürfwunden und blaue Flecken, doch alles nur oberflächliche Verletzungen, wie Mara zu wissen glaubte. „Das scheint sie aber nicht sonderlich zu stören. Der Ritt war nicht einfach“, gab sie zu bedenken.

„Nein. Er hat sich verändert.“

„Er ist der Winterkönig.“

Und das würde Maras Beziehung zu ihm nicht erleichtern.

* * *

Ein langer Zug jubelnder Menschen folgte ihnen durch den Nordteil der Stadt, den Hügel zum Tempel hinauf, und Reik genoss es, genoss das Geschrei, die Rufe, die begeisterten, lachenden, ihn Willkommen heißenden Gesichter.

Auf dem Tempelvorplatz nahm ihnen eine Tempelwächterin die Pferde ab. Er stieg mit Réa die wenigen Stufen zum Tempel hinauf, durch das gewaltige Portal. Vier Wächterinnen stießen wortlos die riesigen inneren Türen auf, und sie schritten den endlos langen Weg zum Altarstein hin ab, knieten gemeinsam nieder. Warteten stumm im Halbdunkel, die Köpfe gesenkt, der Lärm der Menge draußen jetzt gedämpfter.

Irritiert fragte er sich, warum der Boden nicht … und verzog den Mund zu einem vagen Lächeln, Gènaija war nicht anwesend, sie war diejenige, die den Boden beben ließ. Aber das war sein Moment, flüchtig streifte er Réas Arm, just als Lorana … die Hohe Frau aus der Ecke hinter dem Altar hervortrat, hinter ihr weitere Priesterinnen, ihnen auffordernd zunickte.

Vor der Tür zu Loranas Arbeitszimmer standen Hauptmann Ladru und vier bewaffnete Gardisten. Offenbar war sein Vater, der König, anwesend; Reik straffte die Schultern, grüßte knapp.

Seine Majestät erhob sich eilig bei ihrem Eintreten und trat sichtlich erleichtert, ja voller Freude auf ihn zu und schloss ihn herzlich in seine Arme. „Mein Junge!“

So offen zeigte sein Vater seine Gefühle selten, Reik war überrascht, erwiderte die Umarmung aber nach kurzem Zögern. Der König hatte die Hände auf Reiks Schultern gelegt und musterte ihn eindringlich. „Du bist verletzt.“ Drehte den Kopf und betrachtete auch Réa aufmerksam. „Ihr seid beide verletzt.“

„Nicht ernstlich, Vater.“

Lorana forderte sie auf, Platz zu nehmen, wandte sich dann ihm zu. „Hattet Ihr irgendwelche Schwierigkeiten auf der Suche, königliche Hoheit?“

„Schwierigkeiten sind dazu da, bewältigt zu werden. Wir sind zurückgekehrt, Hohe Frau.“

„Nun, das ist offensichtlich.“ Sie schien ein Schmunzeln zu unterdrücken. „Réa, dürfte ich Euch noch einmal bitten, der Tee … nebenan.“

„Natürlich, Hohe Frau.“ Réa kam rasch zurück und reichte ihm mit scheuem Lächeln die Tasse. „Den müsst Ihr trinken, königliche Hoheit.“

„Hoffentlich nicht ebenso scheußlich schmeckend wie der letzte, den Ihr mir angeboten habt?“ Reik trank. Er hatte mal, wie wahrscheinlich viele andere auch, aus bloßer Neugier ‚flüssiges Gold‘ probiert und musste jetzt feststellen: die Wirkung dieses Getränks … Rauschmittels war um ein Vielfaches stärker.

Ungeduldig nickte Lorana ihm zu. „Fangt an.“

Einen Moment lang schwieg er, den Kopf gesenkt, und bemühte sich, die heftigen, allzu deutlich auf ihn einprasselnden Sinneseindrücke zu dämpfen. Den sehr angenehmen, bekannten Duft von Réa, ihre Wärme, noch immer verlockend. Lorana, keine junge Frau, ihr Geruch jedoch faszinierend … Sein Vater, längst nicht mehr jung und doch ein Konkurrent. Rivale?

Er ließ die Bilder in seinem Geist noch einmal aufleben, Bilder von Ödnis und erschreckender Leere, Dunst über einer weiten Ebene, das Gefühl der Einsamkeit. Reik hob den Kopf und blickte Lorana starr in die Augen, wehrte sich nicht länger gegen ihre Präsenz in seinen Gedanken. „Am Anfang … war ich allein, ganz allein. Ein Zustand, der mir nicht gefiel, und so suchte ich … andere, die waren wie ich. Zog durch die Welt, durch die Wälder, über die Hochebenen. Die Zeit verging. Manchmal sah ich Spuren von ihnen, den anderen, von … meinem Volk. Es war leicht, Nahrung zu beschaffen, es gab genügend Beute, und ich jagte, während ich lief und suchte. Es war… befriedigend, meine Zähne in die Beute zu schlagen.“ Er fletschte die Zähne, nicht nur in seiner Erinnerung, und Lorana verzog angewidert das Gesicht.

Sie sollte das Gesicht noch einige Male verziehen, während er erzählte, von der Suche nach seinem Volk berichtete, von seiner Freude, als er sie, die anderen, die Wölfe, endlich fand. Mitunter erzählte er nur sehr allgemein, dann wieder ganz ausführlich. Schilderte den Rausch der gemeinsamen Jagd, bei der es nur ein Ziel gab, Beute zu machen, dem Opfer die Kehle zu zerreißen. Das Gefühl der Raserei, wenn der Gestank des heißen Blutes alle Sinne erfüllte, es nichts anderes mehr gab.

Lorana schien zugleich abgestoßen und fasziniert, sie konnte sich diesen unmittelbaren Eindrücken und Empfindungen nicht entziehen, dazu war sie ihm gedanklich viel zu nah. Und Reik wusste das sehr genau, spürte ihre Faszination und nutzte sie. Er spielte mit Lorana, mit ihren Gefühlen, indem er sie seine Gefühle nachempfinden ließ, vor allem die extremen: die Lust an den Kämpfen um die Herrschaft über das Rudel, den Triumph, als er gesiegt hatte. Er erlebte genüsslich die Zeit der Paarung nach, ließ sich von der Erinnerung an seine Erregung mitreißen, und auch dem konnte Lorana nicht entgehen. Er roch ihre Erregung, hörte sie hastig atmen, keuchend; sie hatte die Finger in die Lehnen ihres Sessels gekrallt.

Es war rücksichtslos von ihm, und Lorana wirkte überaus erleichtert, als er zum Ende seiner Geschichte, der Suche kam. „Es war Winter, ein sehr harter Winter, als mich eines Nachts ein Schneeleopard angriff. Er verletzte mich, er stand über mir, ich konnte seine Zähne an meiner Kehle spüren, als plötzlich … Die Sonne!“

Lorana beugte sich angespannt vor, ließ Reik nicht aus den Augen, ihre Stimme klang belegt. „Ja? Was passierte?“

„Da war eine Gestalt, und die Gestalt war die Sonne und sie gebot dem Schneeleoparden Einhalt.“

„Die Sonne? Wie …“

„Sie sagte … sie sagte: Er gehört mir.“

Der König, offenbar hatte sein Vater den Atem angehalten, stieß verblüfft die Luft aus, runzelte die Stirn und blickte fragend zu Lorana. Diese schien wie erstarrt, bewegte den Mund, als wolle sie etwas sagen, aber zu hören war nichts. Dann riss sie sich merklich zusammen, musterte Reik mit zusammengekniffenen Augen, sagte jedoch noch immer nichts und stand abrupt auf, sah wieder zu Reik. „Ihr …“

„Die Götter scheinen ihre Wahl getroffen zu haben.“ Er erhob sich, stützte die Hände auf ihren Schreibtisch und beugte sich weit zu ihr vor, lächelte sie strahlend an und küsste sie brüsk. „Hohe Frau, macht mich zu Eurem König.“

Lorana wurde kreidebleich, setzte sich langsam wieder und hielt sich an den Armlehnen fest. Seine Worte waren sehr, sehr direkt und, in Anbetracht der Situation, fast schon beleidigend unanständig.

Der König räusperte sich und stand auf. „Kommt, Réa, ich denke, wir werden im Augenblick nicht mehr gebraucht.“

Der Weg nach unten, in den unteren Tempel unwirklich, wirr, er spürte seine Beine kaum, spürte zu sehr den einengenden, störenden Stoff seines Hemdes und hätte am liebsten … musste sich zwingen, nicht über eine der Frauen, die ihn … seine Hände von ihnen … Verdammt, er roch sie, fühlte ihre Nähe, Körperwärme, so nah!, und …

Das junge Mädchen, in eine flattrige, dünne Robe gekleidet, noch immer zu angezogen, reichte ihm einen Pokal süßen, goldenen Weins und er trank gierig, durstig, ließ sich von ihm … in den Tempel, der Boden federnd, wie mit … Und er roch sie, so süß, verlockend, leckte sich … Die Erste … zittrige Hände, er spürte ihren Herzschlag, als er sie eng an sich presste, auf dem Altar, kostete ihren Schweiß, ihre Süße, alles wie in Gold getaucht, das Licht, und wollte nicht … hätte gern mehr Zeit …

Der nächste junge, anschmiegsame Körper, duftend, ihr Atem, er könnte sich darin … bekam nicht genug, immer … Hörte seinen eigenen harschen Atem, sein Stöhnen, sein Brüllen, er oder der Jäger, alles eins, nur Verlangen, das gestillt, Gier, die befriedigt werden wollte. Jetzt.

(227. Tag)

König und Dämon

Подняться наверх