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2.1.3 Solare Einstrahlung

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Unabhängig vom Wärme- und Feuchtaustausch zwischen Oberfläche und Außenluft bzw. im Fall des langwelligen Strahlungsaustausches auch mit der Umgebung, stellt die kurzwellige Einstrahlung durch die Sonne eine ganz wesentliche Wärmequelle dar. Im Gegensatz zu den vorgenannten Austauschvorgängen handelt es sich hier um eine stark gerichtete Wärmebeanspruchung. Deshalb ist deren Berücksichtigung deutlich komplexer und setzt nicht nur entsprechende Informationen zu Orientierung und Neigung für das betreffende Bauteil, sondern auch exakte Einstrahlungsdaten und gegebenenfalls Verschattungsmodelle voraus. Ganz wesentlich für die strahlungsbedingte Wärmequelle ist der kurzwellige Strahlungsabsorptionsgrad der Außenoberfläche. Unter kurzwelliger Einstrahlung versteht man den ultravioletten, den sichtbaren und den sogenannten nahinfraroten Anteil des Sonnenspektrums. Während der UV-Anteil bei uns energetisch gesehen nur etwa 6% ausmacht, ist der sichtbare Bereich mit 52 % am größten. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist mit ca. 42 % der infrarote (nicht sichtbare) Spektralbereich. Bei den Oberflächen unterscheidet man zwischen stark reflektierenden, meist hellen (Absorptionsgrad as ≤ 0,3) und stark absorbierenden, dunklen (as ≥ 0,6) Oberflächen sowie dem dazwischenliegenden Bereich der durchschnittlich reflektierenden Oberflächen (0,3 < as < 0,6), der für die Oberflächen der meisten Außenwände charakteristisch ist. Dacheindeckungen und Abdichtungen sind häufig stark strahlungsabsorbierend.

Bei uns eher noch eine Ausnahme bilden reflektierende Dachbahnen oder spezielle Beschichtungen, die zumindest im Neuzustand einen Strahlungsabsorptionsgrad um 0,3 aufweisen. Diese sogenannten „Cool Roofs“ wurden zur Kühlenergieeinsparung in warmen Ländern entwickelt. Vor ihrem Einsatz unter deutschen Klimaverhältnissen sollte allerdings überprüft werden, ob die resultierende niedrigere Oberflächentemperatur nicht auch feuchtetechnische Probleme nach sich ziehen kann [5]. Eine weitere Neuentwicklung betrifft die „Cool Colors“ für Fassaden. Sie sind im sichtbaren Bereich oft farbig, im Nahinfrarotbereich (NIR) aber stark reflektierend. Dadurch wird ein größerer Teil der solaren Einstrahlung reflektiert als die optisch sichtbare Farbe vermuten lässt. Diese NIR-reflektierenden Anstriche dienen dazu, die solare Aufheizung der Fassade zu reduzieren, nicht nur um den sommerlichen Wärmeschutz zu verbessern, sondern auch, um dem urbanen Hitzeinseleffekt entgegenzuwirken. Sie dürfen jedoch nicht mit den im thermischen Bereich infrarotreflektierenden Beschichtungen verwechselt werden, die dazu dienen, die langwellige Emission von Fassaden zu reduzieren. Diese Anstriche sorgen für eine Verminderung der nächtlichen Unterkühlung und damit zu einer geringeren Tauwasserbildung auf gut gedämmten Fassaden und sollen so die Algenbildung verhindern; im Gegensatz zu den NIR-reflektierenden Anstrichen erhöhen sie dadurch die mittlere Fassadentemperatur [6].

Ein ähnlicher Effekt der Temperaturerhöhung tritt bei unbeschichteten Blecheindeckungen oder Bekleidungen auf. Da der langwellige Emissionsgrad von Metallen meist deutlich unter dem Emissionsgrad nichtmetallischer Materialien liegt, ist bei blanken Metalloberflächen die Wärmeabgabe durch langwellige Abstrahlung stark vermindert. Im Vergleich zu einer nicht metallischen Oberfläche mit ähnlichem kurzwelligem Absorptionsgrad, erhöht sich dadurch die Temperatur bei Sonneneinstrahlung spürbar. An Blechdächern wurden deshalb auch in Holzkirchen schon Oberflächentemperaturen bis zu 90 °C gemessen. Solch hohe Temperaturen können nicht nur die Dauerhaftigkeit von darunterliegenden Materialschichten beeinträchtigen (Kunststoffe verzeichnen häufig eine beschleunigte Alterung bei hohen Temperaturen), sie führen auch zu einer ausgeprägten thermischen Ausdehnung der Eindeckung, die bei der Planung zu berücksichtigen ist.

Bei den feuchtetechnischen Auswirkungen hoher Temperaturen denkt man zunächst an den meist positiven Effekt der Austrocknung. Ist diese allerdings zu stark, kann sie zu starkem Schwinden hygroskopischer Materialien und damit zusammenhängenden Schädigungen führen. Besonders beachtet werden sollte allerdings die Frage, wohin die rasch austrocknende Feuchte entweichen kann. Das Beispiel eines unbelüfteten Blechdaches in Bild 2 zeigt, dass das Aufheizen der Dachoberfläche an anderer Stelle eine deutliche Feuchteerhöhung zur Folge haben kann [7]. Durch die solare Einstrahlung steigt die Oberflächentemperatur auf der Südseite des 50° geneigten Daches an einem Wintertag mit Dauerfrostbedingungen von –15 °C am Morgen auf knapp 70 °C am frühen Nachmittag. Parallel dazu steigt die relative Luftfeuchte weiter innen, zwischen der Mineralwolledämmung und der Dampfbremse, von 10% auf über 90% r. F. Gegen Abend, wenn die Sonne untergeht, fällt auch die relative Luftfeuchte an dieser Stelle wieder langsam auf ihren Ausgangspunkt zurück. Die solare Einstrahlung führt also offensichtlich zu einer Pendelbewegung der Feuchte im Dach zwischen Schalung und Dampfbremse. Inwieweit diese regelmäßige Feuchteumverteilung ein Risiko darstellt, hängt sowohl vom Gesamtfeuchteniveau als auch von möglichen Schadensmechanismen, wie z. B. Korrosionsgefahr, Schimmelpilzbildung etc. an den besonders stark betroffenen Stellen im Bauteil ab und ist durch eine genauere Analyse zu klären.


Bild 2. Gemessene Verläufe der Oberflächentemperatur eines Blechdaches sowie der relativen Luftfeuchte zwischen Wärmedämmung und Dampfbremse während eines sonnigen Wintertags

Die Pendelbewegung der Feuchte ist auch mit einem erhöhten Wärmetransport durch den sogenannten Latentwärmeeffekt verbunden, d. h. zusätzlich zum normalen Wärmedurchgang kommt noch eine dampfdiffusionsbedingte Komponente. Da die Feuchte jeweils auf der warmen Seite verdunstet bzw. vom sorbierten in den dampfförmigen Zustand übergeht, entsteht dort eine Wärmesenke durch die Verdampfungs- bzw. Desorptionsenthalpie. Nach der Diffusion durch die Dämmschicht kondensiert der Dampf wieder auf der kälteren Seite oder wird dort von einem hygroskopischen Material absorbiert. Dadurch wird die zuvor auf der Warmseite abgeführte Wärmeenthalpie auf der kalten Seite wieder zugeführt. Dieser Effekt kann schon bei geringen Feuchtegehalten im Dämmstoff (1 Vol.-%) den Gesamtwärmedurchgang durch die Dämmschicht kurzfristig mehr als verdoppeln [8]. Über einen Tag integriert, wird aus diesem Latentwärmeeffekt allerdings ein Nullsummenspiel, denn die Verluste durch Dampfdiffusion mit Phasenwechsel in der Nacht werden durch entsprechende Wärmegewinne am Tag nahezu kompensiert. Trotzdem kann ein energetischer Nachteil entstehen, wenn die Wärmegewinne am Tag wegen Überheizung nicht nutzbar sind, bzw. durch verstärktes Lüften abgeführt werden, während die Verluste in der Nacht uneingeschränkt zum Tragen kommen.

Bauphysik-Kalender 2022

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