Читать книгу Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann - Страница 25
Kapitel 3
ОглавлениеJaz lief durch die Gänge hinüber zum Schultrakt und betrat ihr Klassenzimmer, in dem sich bisher nur David und Jessica eingefunden hatten. Beide sahen auf, als sie hereinkam.
»Hey, da bist du ja.« Jessica musterte sie. »Wie war es bei Master Carlton? Schickt er dich wirklich nach Newfield?«
Jaz nickte knapp und ließ sich neben sie auf einen Stuhl fallen. »Yep. Heute ist hier mein letzter Tag.«
»Shit.«
»Exakt.« Jaz stützte den Kopf in die Hände und rieb sich die Augen.
»Und was willst du dagegen machen?«
Missmutig hob Jaz die Schultern. »Ich kann nichts machen. Als Interne sagen sie dir >Spring!< und du darfst bestenfalls noch fragen: >Wie hoch?<. Das war hier doch schon immer so.«
»Das klingt jetzt aber ziemlich undankbar, Jaz«, rügte David sie. Er war kein schlechter Kerl, aber für seinen Oberlehrertonfall hätte Jaz ihm des Öfteren gerne den Hals umgedreht. »Die Akademie hat sehr viel für uns getan und sich all die Jahre gut um uns gekümmert. Wenn sie uns dann jetzt bitten –«
»Wenn du mir jetzt auch noch was davon erzählst, dass ich einen wertvollen Beitrag leisten soll, raub ich dir so viel Lebensenergie, dass du erst am Wochenende wieder aufwachst«, knurrte Jaz. »Klar?«
David strafte sie mit einem ungnädigen Blick. »Das würdest du nicht tun, weil es dir die doppelte Zeit, die ich flachliege, in der Arrestzelle einbringen würde.«
Jaz lachte böse auf. »Na, wenn sie mich morgen nach Newfield schicken wollen, können sie das schlecht machen. Hey, vielleicht hat die ganze Sache also doch was Gutes! Ich muss nie wieder in diese blöde Zelle und kann heute tun und lassen, was ich will.«
»Darauf würde ich nicht wetten. Und du hättest nur halb so oft in den Arrest gemusst, wenn du dich nicht ständig mit allen und jedem anlegen würdest«, gab David spitz zurück.
Jaz schnaubte.
Sicher wäre es oft besser, die Klappe zu halten. Ging aber nicht immer, weil die Alternative keine Lösung war.
»Das heißt, du fährst morgen mit nach Newfield und übernimmst dort den Unterricht an der Grundschule?«, fragte Jessica stirnrunzelnd. »Und nebenher machst du dein Abi?«
Jaz nickte seufzend. »Carlton registriert mich fürs Homeschooling, dann bekomme ich Leistungspläne und Unterrichtsmaterialien, die ich abends nach meinem Job und an den Wochenenden in vorgegebenen Zeitabschnitten durcharbeiten muss.«
»Wow.« Jessica verzog das Gesicht. »Klingt nicht so, als hättest du dann noch viel Freizeit.«
»Nein. Aber ich muss den Mist ja nur ein Jahr lang durchhalten. Im März werde ich achtzehn und wenn ich nächsten Sommer das Abi in der Tasche hab, kann ich machen, was ich will. Was glaubst du, wie schnell ich dann aus Newfield wieder weg bin?«
Jaz hoffte, das klang als Plan rebellisch genug nach ihr, sodass niemand Verdacht hegte, was sie wirklich vorhatte.
»Tz, tz, tz.« Hämisch grinsend schlenderte Blaine in den Raum. »Ich glaube nicht, dass Master Ambrose dein Plan gefallen wird, seine Farm nach nur einem Jahr schon wieder zu verlassen.«
Auch wenn Jaz noch keine Ahnung hatte, was ab heute Mittag aus ihr werden würde, die Aussicht, sich nie wieder mit Blaine abgeben zu müssen, machte einiges an Ängsten und Sorgen wett.
»Seine Farm?«, hakte sie sarkastisch nach. »Ich dachte, Newfield ist eine ach so tolle Gemeinschaft?«
»Trotzdem muss ja einer das Sagen haben. Genau wie hier in der Akademie.«
»Natürlich. Demokratie und Meinungsfreiheit haben sich schließlich in zig Gesellschaften als totaler Reinfall erwiesen.«
Blaine musterte sie scharf. »Mir gefällt dein Tonfall nicht.«
»Mir gefällt deine ganze Art nicht«, schoss Jaz zurück. »Aber, hey! Sieht ja so aus, als müssten wir beide schon sehr bald nicht mehr miteinander leben.«
Blaines Augen blitzten gefährlich. »Ich denke, dich sollte ganz schnell jemand schwängern. Ein Baby würde dich länger als nur ein Jahr in Newfield halten.«
Mit einem schmierigen Lächeln fasste er sich in den Schritt und Leroy und Asha, die wie zwei Schatten an Blaines Seite klebten, grinsten niederträchtig.
»Kann ich gerne für sorgen. Es wäre schließlich eine Ehre, den Sohn des zukünftigen Akademieleiters gebären zu dürfen. Ich hoffe, du weißt das Angebot wertzuschätzen.« Wieder funkelte es gefährlich in Blaines Augen.
Jaz wurde übel. »Danke, aber ich passe.«
»Ach ja? Wer sagt denn, dass ich dir eine Wahl lasse?« Feiner Silbernebel schoss aus Blaines Fingern und er schleuderte ihn ohne Vorwarnung in Jaz’ Richtung.
Die riss ihre Hände hoch und ließ ihren eigenen Silbernebel wie eine Peitschensehne Blaines zur Seite fegen.
»Rühr mich an und ich schwöre dir –«
»Guten Morgen, alle miteinander«, fiel Ms Green ihr ins Wort, als sie mit dem Läuten der Schulglocke das Klassenzimmer betrat. »Was ist hier los?«, verlangte sie sofort zu wissen, als sie die angespannte Haltung bemerkte, mit der Jaz und Blaine sich gegenüberstanden. Ein Rest von Silberdunst hing noch zwischen ihnen. »Klärt eure Meinungsverschiedenheiten während der Pausen und nicht in meinem Klassenzimmer. Jazlin, ich weiß, heute ist dein letzter Tag bei uns, und wir sind sehr stolz auf dich, dass du unsere Brüder und Schwestern in Newfield unterstützen wirst. Ich möchte dich daher nur ungern für deine letzten Stunden hier in der Akademie in die Arrestzelle sperren.«
Jaz presste so fest ihre Zähne aufeinander, dass ihre Kiefer schmerzten.
Klar, dass nur ihr Arrest angedroht wurde. Der Kronprinz war wie immer unantastbar. Voller Hass bohrte sie ihren Blick in Blaine, der jedoch nur süffisant lächelte.
Sie spürte ihre Energie in ihren Händen kribbeln.
Am liebsten hätte sie …
Doch sie musste sich zusammenreißen.
Durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren.
»Das möchte ich auch nicht, Ms Green«, quetschte sie deshalb mit so viel Demut wie sie zustande brachte hervor.
»Gut, dann setzt euch. Ich will mit dem Unterricht beginnen.«
»Eigentlich hatten Jaz und ich etwas ganz anderes vor«, unterbrach Blaine das Vorhaben seiner Lehrerin. »Ich habe ihr angeboten, meinen Nachwuchs zu gebären.«
Stirnrunzelnd wandte Ms Green sich um. »Ausgerechnet ihr zwei? Es gibt doch kaum einen Tag, an dem ihr nicht aneinandergeratet.«
Blaine hob die Schultern. »Das stimmt. Aber für das gesunde Wachstum unserer Gemeinschaft muss man eben Opfer bringen«, seufzte er schicksalsergeben. »Jaz und ich, wir können einander zwar nicht besonders gut leiden, aber ich erkenne die Macht ihrer Kräfte und Fähigkeiten an. Die gepaart mit meinen eigenen – das Potenzial, das unser Nachwuchs mit sich bringen würde, wäre unschätzbar wertvoll.«
Ein unschuldiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er wieder zu Jaz blickte.
Sie hätte ihm am liebsten vor die Füße gekotzt.
»Das ist in der Tat eine gute Überlegung. Und ein sehr großzügiges Angebot.« Ms Green blickte von ihm zu Jaz. »Wenn du es annehmen möchtest, stelle ich euch beide bis zum Mittagessen frei.«
Schon zum zweiten Mal an diesem Vormittag musste Jaz ihre Fingernägel fest in ihre Handflächen bohren, um nicht vor Wut zu schreien.
Verdammt, sie musste ruhig bleiben und einen kühlen Kopf bewahren. Wenn sie jetzt die Beherrschung verlor, war es vorbei und sie konnte ihren Fluchtplan vergessen. Also zwang sie sich zu einem kühlen Lächeln, anstatt Blaine mit ihren Kräften zu durchbohren und ihm seine komplette Lebensenergie zu rauben.
»Danke für das Angebot. Ich möchte mich zunächst allerdings erst mal ganz auf meine neuen Aufgaben in Newfield konzentrieren. Aber vielleicht komme ich in ein paar Jahren darauf zurück.«
Ms Green nickte knapp. »Das ist natürlich nachvollziehbar.« Sie schritt zu ihrem Pult. »Dann setzt euch jetzt.«
Jaz tat, wie ihr geheißen, und ignorierte Blaine. Um sich nicht von ihm provozieren zu lassen, kramte sie zur Ablenkung ihr Buch aus der Schultasche und tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie den Mistkerl nur noch bis zum Mittagessen ertragen musste – und danach nie wieder.
»Schlagt eure Bücher auf Seite 53 auf. Wir beginnen heute mit einem Sonett. Wer kann mir die typischen Merkmale dieser Gedichtform nennen?«