Читать книгу Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann - Страница 21

Kapitel 15

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Cam riss die Augen auf.

Da war nichts. Nichts außer widerlicher, eiskalter Finsternis.

Er war starr. Wie erfroren.

Konnte nicht schreien.

Sich nicht bewegen.

War gefangen in seinem Körper.

Panik lag tonnenschwer auf seiner Brust. Quetschte sie zusammen. Ließ ihn kaum atmen.

Doch er brauchte Luft.

Dringend!

Sofort!

Er kämpfte mit aller Macht gegen den unerträglichen Druck um seine Lungen.

Schaffte einen kleinen Atemzug.

Schnappte nach einem weiteren.

Noch einem. Und noch einem.

Nur flach und viel zu schnell.

Sein Herz hämmerte so heftig gegen seine Rippen, dass es wehtat.

Die Angst aus seinem Traum hielt ihn fest in ihrer Klaue.

Keine Erinnerungen. Nur grauenhafte Empfindungen hallten in ihm nach und ließen Körper und Geist noch nicht frei.

Eisige Kälte.

Hilflosigkeit.

Verzweiflung.

Todesangst.

Weil etwas ihm sein Leben hatte entreißen wollen.

Sein Atem ging noch immer zu schnell und sein Herz fühlte sich an, als würde es jeden Moment aus seiner Brust springen.

Aber auch wenn er sich nicht daran erinnern konnte, wie er es geschafft hatte: Er war aus dem Albtraum entkommen.

Alleine.

Ohne fremde Hilfe.

Und nicht zum ersten Mal.

Er konnte das.

Er musste nur noch Panik und Angststarre besiegen.

Doch das war wahnsinnig schwer, wenn man kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.

Konzentrier dich! Du schaffst das!

Seine Augen waren noch immer starr, doch er erkannte jetzt mehr als nur Finsternis und Schatten. Über ihm war seine Zimmerdecke und aus den Augenwinkeln heraus erkannte er neben sich an der Wand die Regalbretter, auf denen einige seiner Bücher, Comics und Computerspiele lagen.

Er schaffte es, zu blinzeln.

Er war zu Hause. In seinem Bett. In Sicherheit.

Nichts und niemand konnte ihm hier etwas antun.

Sein Herz stolperte voller Erleichterung und die Kralle, die es zusammenquetschte, schien sich zu lockern.

Sein Fluchtplan.

Er musste sich an seinen Fluchtplan halten.

Kontrolliere deinen Atem.

Er schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, aus dem schnellen flachen Keuchen tiefere ruhige Atemzüge werden zu lassen.

Ein … aus.

Ein … aus.

Der Druck um seine Brust ließ nach.

Ein … aus.

Ein … aus.

Er konzentrierte sich auf seinen Herzschlag. Spürte, wie auch der ruhiger wurde und wie er die Kontrolle über seinen Körper zurückbekam, je mehr er es schaffte, sich zu entspannen. Seine Finger hatten sich in seine Bettdecke gekrallt, doch es gelang ihm, sie zu lösen. Auch seine Beine konnte er wieder bewegen. Die Muskeln kribbelten, als sich die Verkrampfungen lockerten.

Ein letztes Mal sog Cam tief die Luft ein und hielt sie an. Dann öffnete er die Augen und atmete langsam aus.

Er hatte es geschafft.

Albtraum und Starre waren vorbei.

Doch die Erleichterung darüber verflog schnell und er fühlte sich miserabel.

Er wandte den Kopf. Die Leuchtziffern seines Weckers schimmerten in mattem grünen Licht.

Kurz nach zwei.

Es war kaum eine Stunde her, dass Jules ihn aus dem ersten Albtraum herausgeholt hatte.

Zwei Attacken in einer Nacht?

Das war neu.

Und nicht gut.

Gar nicht gut.

Ächzend setzte er sich auf.

Kopfschmerzen pochten gegen seine Schläfen und er spürte leichten Schwindel.

Unwirsch wischte er sich über die Augen. Seine Arme fühlten sich bleischwer an und seine Hände zitterten.

Er angelte nach seiner Wasserflasche.

Seine Kehle war wie ausgedorrt und jeder Schluck fühlte sich an, als würde er Reißzwecken hinunterwürgen.

Doch der Schmerz tat gut.

Er half gegen Wut und Frust, die in seiner Seele zu brennen begannen.

Cam hatte sich daran gewöhnt, dass er seit Monaten kaum mal eine Nacht ohne Anfall durchschlafen konnte. Hatte es hingenommen und akzeptiert. Viele Menschen hatten in Unheilige Zeiten mit Ängsten, Albträumen und Schlaflosigkeit zu kämpfen. Kein Grund, ein großes Ding daraus zu machen. Wenn andere damit klarkamen, schaffte er das auch.

Er hatte auch akzeptiert, dass er ausgerechnet jetzt zur Schule gehen sollte, obwohl er das nicht wollte. Aber er wusste, dass es wichtig war. Nicht nur für die Akzeptanz der Totenbändiger in der Gesellschaft. Auch für ihn selbst. Wenn er sich irgendwann einen Job suchte und seinen potenziellen Arbeitgebern das Abschlusszeugnis einer öffentlichen Schule vorlegen konnte, zeigte das, dass er keine Gefahr für andere war, und man stellte ihn vielleicht eher ein. Und er wollte einen guten Job finden. Er wollte etwas zur Familienkasse beisteuern können. Wollte Sue, Phil und Granny etwas zurückgeben für alles, was sie für ihn getan hatten.

Deshalb würde er diese verdammte Schule durchziehen, auch wenn das Stress und Unruhe bedeutete. Oder dass er mit Arschlöchern wie Topher klarkommen musste.

Das alles würde er schon irgendwie hinkriegen. Er war schließlich kein kleines Kind mehr.

Aber mussten ihm diese beschissenen Albträume dabei jetzt noch zusätzlich das Leben schwermachen? Noch mehr als sonst?

Mann, das war einfach nicht fair!

Seine Hände hatten sich ganz von alleine zu Fäusten geballt, als die Wut in seinem Inneren immer mehr zu brodeln begann.

Er hatte es satt! So verdammt satt!

Er gab sich so viel Mühe, steckte so viel ein.

War es da vom diesem Scheißleben echt zu viel verlangt, dass nicht immer alles noch schwieriger und noch anstrengender wurde?

Wut und Frust pulsierten durch seine Adern.

Er hasste diese Machtlosigkeit, dieses Ausgeliefertsein!

Diese verfluchte Ungerechtigkeit!

Sein Herz wummerte gegen seine Rippen. Blut rauschte in seinen Ohren und die Kopfschmerzen hämmerten unerträglich im Takt seines Herzschlags gegen seine Schläfen.

Keuchend presste Cam seine Fäuste dagegen und kniff die Augen fest zusammen.

Es musste aufhören.

Albträume und Wut.

Unruhe, Panik und Angststarre.

Der Hass auf diese Hilflosigkeit.

Er ertrug das alles einfach nicht mehr.

Es musste aufhören.

Jetzt. Sofort.

Und er wusste auch, wie.

Er riss die Augen wieder auf, wandte sich zu seinem Nachttisch um und zog die Schublade auf. Im Dunkeln tastete er nach dem kleinen Päckchen, das er tief in der hintersten Ecke versteckt hielt.

Da war es.

Er zog es hervor, öffnete es und holte eine der Rasierklingen heraus.

Sie würde helfen, das wusste er.

Mit ihr holte er sich die Kontrolle zurück.

Er zog den Ärmel seines Schlafshirts hoch und presste die Kiefer aufeinander.

Dann ritzte er sich in den Arm.

Ende des 1. Teils

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel

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