Читать книгу Pages - Die Zeilen meines Lebens - Nadine Stenglein - Страница 7
Die Einladung
ОглавлениеAmy hatte den Rest des Abends und die halbe Nacht damit verbracht, über das Schicksal Hollys nachzudenken, obwohl sie sie erst seit ein paar Zeilen kannte. Dennoch kam es ihr vor, als wäre sie so etwas wie eine Freundin, die sie am liebsten umarmt hätte. Vielleicht lag es auch oder vor allem daran, dass sie die Geschichte an June erinnerte.
„Ich hätte damals energischer sein sollen“, erzählte sie Geri, die neben ihr auf der Verandaschaukel saß und zusammen mit ihr die Beine und Gedanken durch den milden Spätsommertag baumeln ließ. Amy hielt sich an die Regeln, und auch wenn sie ihr zu gerne von dem Buch erzählt hätte, behielt sie diese Sache unter Verschluss, schwieg darüber.
„Was meinst du damit?“, fragte Geri, die später einmal eine eigene Psychologiepraxis eröffnen wollte. Das Studium hatte zwar viel mit Mathematik zu tun, was nicht gerade ihr Herzensfach war, aber bisher hatte sie auch das hervorragend gemeistert. Das sprach sie auch ihrer Mondphilosophie zu.
„Geraldine ist zwar manchmal ein bisschen aufmüpfig, aber das machen ihr Fleiß und Streben auf eine abgesicherte Zukunft wieder wett“, hatte Helena einmal bemerkt. Vor allem deshalb hatte sie ihrer Tochter den Freifahrtschein für die Freundschaft mit Geri gewährt, ohne den die ansonsten wohl nicht einmal das Haus hätte betreten dürfen. Jeder, der mit Amy zu tun hatte, wurde einer genauen Prüfung unterzogen und sie selbst behandelt, als wäre sie noch minderjährig, was mehr als anstrengend war. Aber sie hätte sich die Freundschaft nicht verbieten lassen. Alles ließ sie sich von Helena schließlich nicht gefallen.
„Ich meine damit Granny“, gab Amy seufzend zurück.
„Sie hat seit Jahren ihren Frieden gefunden, Liebes. Lass sie ruhen“, riet Geri und strich ihr über einen Arm.
„Aber so, wie sie sie behandelt haben, das hatte sie nicht verdient. Sie war nicht verrückt oder dergleichen. Sie hat nur einen Fehler gemacht: Sie hat gesagt, was sie dachte.“
„Und sie hat an Übersinnliches geglaubt, was für deine Mutter wohl noch schlimmer war“, erinnerte Geri.
„Ich weiß nicht, was schlimmer war für Mutter. Ich weiß nur, ich hätte damals für Granny sprechen sollen, als sie es nicht konnte, man sie entmündigt hatte. Nach dem Tod meines Großvaters hat sie sowieso immer mehr aufgegeben. Er liebte sie über alles und hat ihr immer zugehört, war ihr mit Respekt begegnet. Das weiß ich noch ganz genau, obwohl ich noch so jung war.“ Amy atmete tief durch und dachte wieder an Holly aus dem Buch.
„Du sagst es. Du warst jung. Gerade mal dreizehn. Und fünfzehn, als June gestorben ist. Und deine Mutter hätte damals wohl noch weniger auf dich gehört als jetzt.“
„Trotzdem“, sinnierte Amy weiter. „Ich hätte mehr tun müssen. Genauso habe ich nämlich damals gedacht: Sie würde sowieso nicht auf dich hören. Dann hätte ich eben mit einem Arzt reden müssen. Sie haben June so plötzlich in diese komische Anstalt eingewiesen, die sie ‚Heim‘ nannten. Ich weiß, dass Mutter Dad dazu überredet hat. Quatsch, im Grunde hat sie es festgesetzt. Mutter will nicht darüber reden, aber ich bin überzeugt, dass es so war. Sie sagte, Granny wäre nicht mehr sie selbst gewesen, hätte Geister gesehen, hätte sie angeschrien. In dem sogenannten Heim hat man Granny mit Medikamenten vollgepumpt. Eine Schwester meinte, sie würde durch alles und jeden hindurchblicken. Nur mich würde sie wahrnehmen. Damals bat ich Mutter inständig, sie solle Granny nach Hause holen, da sie dort, wo sie untergebracht sei, sichtlich zugrunde gehen würde. Mutter interessierte es nicht, und Dad schwieg aus Angst vor ihren Wutausbrüchen. Sicher wollte June mir noch etwas sagen. Beziehungsweise mich um Hilfe bitten. Sie wurde immer schwächer. Ein paar Monate später dann diese schreckliche Diagnose. Ich bin mir sicher, diese Ungerechtigkeit hat den Krebs erst sprießen lassen.“
„Gedankenstopp!“, rief Geri. „Lass uns lieber etwas unternehmen. Du ziehst dich immer mehr zurück und runter. Entweder in eine dunkle Gedanken-, Blumen- oder Geschichtenwelt. Weißt du, was in meinem Mondkalender für den heutigen Tag steht? Dass Unternehmungen sehr fruchtbar enden werden.“
„Du und dein Mond. Und was meine kleine Welt angeht, dort fühle ich mich wenigstens wirklich zu Hause. Also, in meinen Geschichten und bei den Blumen, meine ich“, entgegnete Amy.
„Deine Freundin hat absolut recht. Du musst mal raus. Es ist Samstag. Die Sonne scheint. Tante Amber hat Geburtstag“, hörte sie Helenas Stimme von der Verandatür aus. Amy war sich sicher, dass sie sie schon eine Weile belauscht hatte.
Tante Amber war eine von Helenas Schwestern, die sich schon in jungen Jahren einen Millionär geangelt hatte. Zwar hatten die zwei auch Kinder, doch die ließen sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr blicken. Albert und John gehörte ein Immobilienimperium in Dubai, worauf ihre Eltern sehr stolz waren. Allerdings gab es einen Haken, der lieber unerwähnt blieb. Dennoch war eines Tages durchgesickert, dass beide Söhne in Liebesdingen rein dem männlichen Geschlecht zugeneigt waren. Wahrscheinlich, so dachte Amy, halten also nicht sie sich von der Familie fern, sondern umgekehrt.
„Geri kann natürlich mitkommen und von ihrem Studium erzählen. Du kannst dort ja erwähnen, nur erwähnen, dass du ein solches auch bald in Betracht zu ziehen gedenkst. Dann vergesse ich auch, was du zuletzt gesagt hast, Amy. Die Feier ist heute Abend. Es kommen auch viele Freunde der Familie.“
Amy ahnte, was sie damit sagen wollte. „Ambers Geburtstag habe ich ganz vergessen“, flüsterte sie.
Helena seufzte. „Das dachte ich mir schon.“
„Wir hatten schon was anderes geplant“, erwiderte Amy schnell und sah Geri flehend an.
„Du kommst mit. Es ist schließlich ein runder Geburtstag, ihr fünfzigster. Dein Geschenk für sie habe ich bereits besorgt. Sicher ist sicher. Passende Kleidung für solche Anlässe kennst du ja.“ Helena lachte gekünstelt.
Amy graute schon jetzt vor der Party. Bisher hatte jede einzelne Verwandtschaftsfeier, der sie beiwohnen musste, etwas von übersüßten Backwaren gehabt. Unecht und übertrieben. Sich Helena zu widersetzen und ihre Launen danach auszuhalten war allerdings schlimmer. Auch wenn sie sich dafür hasste, biss sie die Zähne zusammen, denn einen Lichtblick gab es ja. Sie blickte zu Geri. „Bitte komm mit. Das würde mich wirklich sehr freuen, nein, sogar retten. Sei meine Heldin. Denk daran, Unternehmungen für heute fallen fruchtbar aus.“
„Oder furchtbar“, flüsterte Geri, die Amys Verwandtschaft von Erzählungen fast auswendig kannte.
„Na, du willst doch wohl deinen Mond nicht beleidigen“, gab Amy zu bedenken.
Geri blickte an ihr vorbei zu Helena und dann wieder zu Amy. „Ich habe doch nicht einmal ein Geschenk.“
„Nimm dir ein paar von Charles Rosen“, sagte Helena.
„Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen würde, Mutter.“
Helena winkte desinteressiert ab, aber Amy hatte schon eine bessere Idee. „Ich habe den Schlüssel für den Laden und darf ihn betreten, wann immer ich will. Du kannst dir dort etwas aussuchen, ich bezahle es am Montag.“
„Ich weiß nicht.“
„Noch einmal. Bitte rette mich“, flüsterte Amy und blinzelte ihr zu.
„Mist aber auch! Deinen grünen Hundewelpenaugen kann ich nicht widerstehen. Und ja, ich vertraue dem Mond“, entgegnete Geri und erntete prompt eine Umarmung.
Auch wenn der kleine Laden mit den Rundbogenfenstern versteckt in einer Gasse lag, war er immer sehr gut besucht. In den zehn Jahren, in denen es ihn nun schon gab, war er immer mehr zum Geheimtipp unter Blumenliebhabern geworden. Amy sah es als großes Glück an, dass sie hier ihre Ausbildung hatten machen können. Der Chef, Mr. Paul Bluebell, war äußerst reizend und hatte immer ein offenes Ohr für sie. Zu ihrer Anfangszeit hatte vor allem Lesley Bluebell den Laden geführt, war dann aber leider gestorben. Plötzlich und unerwartet hatte sie eines Nachts eine Hirnblutung erlitten. Amy und Mr. Bluebell hatten lange gebraucht, um ihren Tod zu verarbeiten. Damals hatten sie sich gegenseitig gestützt und den Laden, das Baby Lesleys, weitergeführt. Seitdem florierte er immer mehr.
„Was auch an deiner kreativen Seele liegt und an deinem Fingerspitzengefühl. Ich glaube, in jeder deiner Fingerkuppen schlägt ein eigenes Herz für Blumen“, hatte Paul sie unlängst gelobt, was Amy ganz verlegen machte. Sie liebte den Duft der Blumen, ihre Zartheit und Eleganz, die magische Schönheit. Als sie die Ladentür öffnete und das kleine Glöckchen über ihr ertönte, um ihren Besuch anzukündigen, legte sich ein Strahlen auf ihr Gesicht, das ihrer Freundin sofort auffiel.
Sie lächelte. „Du liebst diesen Job wirklich. Das sieht man.“
Amy erwiderte es. „Auf alle Fälle würde ich ihn gegen keinen anderen Job dieser Welt eintauschen wollen. Es ist wie mit dem Schreiben – eine Berufung.“
„Und deshalb bist du auch so gut darin“, ergänzte Geri.
Sie griff nach einem Gesteck aus blauen Orchideen, umhüllt von champagnerfarbenen Perlenketten, gebettet auf einem Herz aus Moos, in dem ein Zettel mit Wellenrand steckte: Blumen sind Form gewordene Worte der Liebe und der Beweis, dass es den Himmel wirklich gibt.
„Das ist wunderschön. Das Gesteck und dieser Satz. Von wem ist er?“
Stolz erfüllte Amy. „Von mir. Mr. Bluebell findet die Idee mit den Sprüchen gut.“
„Das ist nicht nur gut, Amy.“
„Danke. Ich hatte schon Angst, es wäre vielleicht zu kitschig.“ Amy merkte, dass sie errötete.
„Die Welt ist oft so kalt, da kann stilvoller Kitsch nicht schaden.“ Geri zwinkerte ihr zu. „Es ist wirklich toll. Und nun komm. Ich weiß noch gar nicht, was ich anziehen soll. Kannst du mir vielleicht etwas leihen? Ich besitze kein Abendkleid.“
Da sie beide schlank waren und auch dieselbe Größe hatten, war das kein Problem.
„Ich erinnere mich, dass ich früher einmal in Jeans, Turnschuhen und Pulli zu einer Feier von Tante Juleen kommen wollte, die auch wie Amber in London wohnt. Mein Gott, meine Mutter hätte mich fast umgebracht. Seitdem bringt sie mir immer wieder einmal ein Kleid mit. Also habe ich genug davon. Nimm dir, welches du magst.“
Geri machte große Augen. Man sah ihr an, dass sie kurz vor einem Schweißausbruch stand, weshalb Amy ihr schnell noch einen Kuss auf die rechte Wange drückte. „Nochmals danke.“
„Die Rechnung wird unbezahlbar für dich“, scherzte Geri.
Wieder zu Hause, fiel ihr die Auswahl genauso schwer wie Amy selbst. In Unterwäsche und schwarzen High-Heels standen sie vor dem Bett, auf dem Amy die Sammlung ihrer Abendgarderobe fächerförmig ausgebreitet hatte. Die Kleider sahen allesamt aus, als wären sie einem Märchen entsprungen.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, die hast du alle von Aschenputtel und Dornröschen geklaut. Puhhh. Gar nicht mein Stil.“
„Ich mag es auch lieber hip. Aber meine Tanten stehen auf solche Art Kleidung bei Familienfesten. Viel Glanz und Gloria. Schließlich fühlen sie sich auch königlich.“
Geri blickte immer unglücklicher drein. „Dann besetze ich noch dein rotes, langes Haar mit Blüten und Federn, und du wirst der Star des Abends sein“, flüsterte sie.
„Ich trage Zopf, wie meistens, und zwar ohne Chichi. Basta“, erklärte Amy, schnappte sich ihre Bürste und einen schwarzen, einfachen Gummi, während Geri nachdenklich einen Finger gegen ihre Lippen stippte. Ihr blondes, keck geschnittenes Haar saß perfekt.
„Wir könnten es tatsächlich hip machen“, sagte sie dann und zwinkerte Amy zu.
Normalerweise besuchte Amy das mit bunten Häusern bestückte Chelsea, in dem viele berühmte Persönlichkeiten wohnten, nur im Mai. In der letzten Woche des Monats fand dort die Chelseas Flower Show statt, in der über sechshundert Aussteller weltweit in über fünfzig gestalteten Gärten ihre Kunst und ihr Können sowie neue Züchtungen vorstellten. Besonders liebte sie Orchideen.
Amy begann zu träumen. „Sie sind so zart und unglaublich schön. Allein ihre Form ist göttlich. Ihre Blüten sehen aus wie kleine Seelen.“
„Wie kleine Seelen?“, fragte Geri, während sie sich noch einmal prüfend im Spiegel betrachtete. Der roséfarbene Stoff passte perfekt zu ihrem blonden Haar und den rehbraunen Augen. Geri hatte die Kleider gekürzt, sodass sie ihnen bis zu den Knien reichten. Das gefiel auch Amy viel besser, wenngleich sie erst gar nicht an die Reaktion ihrer Mutter denken wollte. Aber nun war es zu spät.
„Als Kind hatte ich einmal einen Traum. Ich sah mich auf einem Felsen stehen, umgeben von fliegenden Lichtwesen. Jemand in dem Traum sagte mir, dass es glückliche Seelen wären. Seitdem denke ich, dass sie so aussehen. Immer wenn das Wort Seele fällt, kommen mir sofort die Blüten der Orchideen in den Sinn.“ Amy seufzte sehnsüchtig.
„Falls es so etwas überhaupt gibt. Du hattest schon immer eine wortwörtlich blühende Fantasie. Aber der Gedanke gefällt mir. Also los komm. Deine Eltern warten schon“, entgegnete Geri und nahm die Blumen für Amber.
Helena stockte sichtlich der Atem in ihrem langen roten Cocktailkleid mit der Seidenstola, als Geri und Amy zu Charles weißem Mercedes Cabrio schritten, das dieser schon einmal aus der Garage gefahren hatte. Es war eines von drei Autos, die er und seine Frau besaßen. Helena zog ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel und zertrat sie mit der Spitze ihres schwarzen Stöckelschuhs. Die Diamantkette um ihren botoxbehandelten Hals funkelte mit ihren Augen um die Wette.
„Was hast du mit den Kleidern angestellt, Amy?“, rief sie und holte Luft.
Charles schürzte die Lippen und zuckte die Schultern.
„Sieht doch hübsch aus.“
Für seinen Kommentar erntete er von Helena einen kleinen Ellbogenstoß. „Du holst gefälligst den Rolls Royce. Oder du schließt das Dach des Cabrios.“
„Oder wir nehmen den Porsche. Oh, nein, geht ja nicht. Der ist ja in der Werkstatt. Warum nicht das Cabrio, Liebling?“, bemerkte er.
Helena bedachte ihn mit einem kühlen Blick. „Hast du Tomaten auf den Augen, Charles? Meine Hochsteckfrisur duldet keinen Wind. Also den Rolls. Und denk an das Geschenk für Amber.“
„Ist schon verstaut. Und was dein Haar angeht, ich fahre langsam. Versprochen“, erwiderte Charles, der sein weißes Mercedes Sport-Cabrio über alles liebte. Wie er Amy einmal verraten hatte, fühlte er sich lebendig, wenn er den Fahrtwind im Gesicht spürte.
„Nein! Wir nehmen den Rolls, Charles. Mein letztes Wort.“
Seufzend ging er um das Cabrio herum und tätschelte seine Motorhaube, als wollte er es trösten. Dann verschwand er in der Tiefgarage.
„Warum lässt du Bill nicht den Wagen holen?“, rief Helena ihm hinterher. Bill war einer ihrer Angestellten. Doch Charles antwortete nicht, was ungewöhnlich war. Das fängt ja gut an, dachte Amy.
„Nun zu dir“, sagte Helena und atmete tief ein.
„Die Kleider zu kürzen und enger zu machen war meine Idee“, warf Geri sofort ein.
Helena räusperte sich. „Aber … weshalb, Geraldine?“
„Dazu folgende Erklärung, Mrs. Reed. Ich war erst mit meinen Eltern auf einer angesagten Party in London. Das hat mich inspiriert. Und dieser Stoff schrie geradezu nach Veränderung. Verstehen Sie, verzeihen Sie mir?“ Sie setzte ein süßes Lächeln auf.
„Sind sie nicht todschick?“, wagte Amy einzuwerfen und versuchte ebenfalls ein Lächeln. Dabei drehte sie sich in ihrem Traum aus Tannengrün einmal um sich selbst.
„Tot sind sie auf jeden Fall“, bemerkte Helena. Da Geri die Schuld liebevollerweise, wie Amy fand, auf sich nahm und im Angesicht dessen, dass Amys Mutter viel von ihr hielt, schluckte Helena ihre Wut hinunter, die sie dann später noch an ihrer Tochter auslassen würde. Darin war sich Amy nahezu sicher.
„Tut mir leid“, flüsterte Geri Amy zu, der dies wohl gerade ebenfalls klar wurde.
„Mir auch, weil ich dich praktisch genötigt habe mitzukommen. Aber ich fühle ich mich wohl in dem Kleid, so wie es jetzt ist. Dank dir. Es ist klasse geworden“, gab Amy zurück und zwinkerte ihr zu.
Geri lächelte wieder.
Rauchfäden einer Zigarette kündigten Charles Rückkehr an. Allerdings ohne fahrbaren Untersatz. „Tut mir leid, Liebes. Der Rolls springt nicht an. Wir müssen wohl doch das Cabrio nehmen“, verkündete er.
Murrend und mit zusammengebissenen Zähnen nahm Helena ihr Schicksal an. „Na dann, meinetwegen. Aber schließ das Dach“, krächzte sie, während sie auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Amy und Geri stiegen hinten ein. Helena nahm Charles die Zigarette aus dem Mundwinkel, als er eingestiegen war. Zu Amys Verwunderung zog sie jedoch selbst einmal daran, bevor sie sie nach draußen warf. Ein Zeichen, dass ihre Nerven mehr als angespannt waren und äußerste Vulkanausbruchsgefahr bestand.
„Das Dach“, erinnerte sie Charles, als der den Motor gestartet hatte.
Er nickte. „Oh, ja. Entschuldige, Liebes.“
Geri musste schmunzeln, Amy auch. Sie war mehr als froh, dass ihre Freundin neben ihr saß, und konnte nicht leugnen, dass sie sich seit Langem mal wieder richtig hübsch fühlte.
„Verdammt“, fluchte Charles und drückte immer wieder auf ein und denselben Knopf.
„Was ist denn nun schon wieder?“, zischte Helena.
„Das Dach. Da scheint etwas zu klemmen, Liebling.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, Charles“, erwiderte Helena.
„Du weißt schon, dass Tante Amber Verspätungen hasst, oder?“, bemerkte Amy vorsichtig.
„O mein Gott. Wir haben nur noch eine halbe Stunde. Ich spüre es schon. Ich bekomme bald wieder meine Migräne“, rief Helena und fasste sich mit einer Hand an die Stirn.
„Dass ein Haushalt funktioniert, liegt vor allem in der Hand der Frau. Das ist doch Ambers Lieblingsspruch“, sagte Charles plötzlich bestimmt an seine Frau gerichtet.
„Ich höre mir mit Sicherheit nicht an, auch nicht durch die Blume, dass ich dazu nicht fähig wäre. Was ist nur los mit dir heute? Hast du Gras geraucht?“ Helena fixierte ihren Mann mit großen Augen und schüttelte den Kopf.
Charles lachte, während sie ihn ernst ansah. „Das war kein Witz, Charles.“
„Ich will ja auch nicht, dass Amber denkt, du wärst nicht dazu fähig. Das möchte ich dir auf alle Fälle ersparen, Liebes. Deshalb sei tapfer …“, erwiderte Charles und gab Gas.
Erneut musste Geri leise lachen. Amy durchschaute ihren Vater im Gegensatz zu Helena, deren Gedanken im Moment nur um ihr Aussehen kreisten. Es war witzig, mitanzusehen, wie sie jede entweichende Haarsträhne wieder einzufangen versuchte.