Читать книгу Die Jägerin - Blutrausch (Band 2) - Nadja Losbohm - Страница 16
13. Vorsicht ist besser als …
ОглавлениеAm nächsten Morgen bat ich den Pater um eine Trainingseinheit. Meine gestrige Unsicherheit, bevor ich die Kirche verlassen hatte, gefiel mir gar nicht. Sie lähmte mich zu sehr, und ich konnte das bei meiner ersten Jagdtour, die nicht in allzu weiter Ferne lag, wirklich nicht gebrauchen. Pater Michael sollte mir dabei helfen, den Wagemut und die Angriffslust, die in mir schliefen, wieder hervorzulocken. Ich übte mit Pfeil und Bogen, um zu testen, ob ich immer noch zielsicher war. Zu meiner Überraschung hatte ich nichts verlernt. Wie eh und je traf das Geschoss genau ins Schwarze. Dann drückte mir der Pater mein Schwert in die Hand. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich es überhaupt würde halten können. Schließlich war mein Schmuckstück kein Leichtgewicht. Aber als ich meine Finger um den Griff schloss, fühlte es sich an, als würde ich einen alten Freund umarmen, den ich lange nicht gesehen hatte. Erinnerungen an gemeinsame Abenteuer stiegen in mir auf, und ich lächelte zufrieden. Es war ein gutes Gefühl. Pater Michael trat gegen mich und meine bedrohlich schimmernde Klinge an. Es tat gut, sich zu verausgaben. Aber ich spürte, wie er sich zurückhielt. Anscheinend wollte er mich schonen, nachdem ich so lange Zeit nicht mehr trainiert hatte. Auch ich hielt mich zurück, obwohl jede Menge Dampf unter meiner Oberfläche brodelte, der hinaus wollte. Doch dies war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit, um meine Wut und den Frust herauszulassen. Pater Michael sollte nicht wissen, wie sehr mich die Begegnung mit dem Reporter psychisch zurückgeworfen hatte. Nach ein paar Tagen verspürte ich wieder diesen Drang, der mich vor alledem in die Nächte hinausgezogen hatte. Ich wollte unbedingt auf Patrouille gehen. Der Pater brachte mich zur Tür. Er wirkte äußerst angespannt, und ich fühlte seine Augen auf mir, die mich unentwegt besorgt musterten. „Bitte sei vorsichtig”, mahnte er mich zum hundertsten Male, sodass mir schon die Ohren klingelten.
Genervt rollte ich mit den Augen und seufzte laut. „Ja, ja. Sei unbesorgt. Ich passe schon auf”, meinte ich gelangweilt. Ich verstand nicht, wieso er sich solche Sorgen machte. Er hatte mich doch trainieren sehen. Ich war gut. Genauso wie vorher auch. In dieser Hinsicht hatte sich nichts geändert.
„Bitte, Ada! Pass auf, und lass es zu keinem Nahkampf kommen. Nur aus der Ferne. Wie wir es besprochen haben, ja?”, erinnerte er mich an unsere Unterhaltung in der Küche.
Ich zog einen enttäuschten Flunsch. Nur aus der Ferne? Wie langweilig! „Ich versuche mich dran zu halten”, sagte ich ihm gelassen.
„Ada, bitte!” Seine Stimme klang leicht hysterisch, und er hüpfte nervös von einem Bein aufs andere.
„Ich passe schon auf mich auf, Michael. Mach dir keine Sorgen”, erwiderte ich ihm und gab ihm einen beschwichtigenden Kuss auf den Mund. Schnell wandte ich mich um. Ich zog den Kragen meines Mantels enger um meinen Hals und betastete ein letztes Mal das Arsenal an Waffen, das an meinem Körper befestigt war. Entschlossen öffnete ich die Tür und sah in die Dunkelheit hinaus. Ein kühler Wind wehte mir entgegen und verpasste mir eine Entenpelle vom Feinsten. „Es ist eine gute Nacht, um zu töten”, sagte ich leise vor mich hin. Ein letztes Mal blickte ich zurück zum Pater und wusste sofort, dass er meine geflüsterten Worte genau gehört hatte. Denn er beäugte mich voller Argwohn. Er schien meinem Urteilsvermögen nicht zu trauen. Aber was soll’s, dachte ich. Jetzt ging es los. Die Nacht hatte mich zurück. Das war das Einzige, was zählte. Ich zwinkerte ihm grinsend zu. Dann sprang ich hinaus in die dunkle Welt.