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Ankunft in Wladiwostok

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Die Lautsprecherstimme der Stewardess meldete den bevorstehenden Landeanflug. Leider war kaum etwas von der Stadt am Pazifik zu sehen, ein dichter Nebel hing über der Bucht. Ich spürte, wie die Aufregung in mir hoch kroch. Dabei gab es gar keinen Grund. Alles war geregelt. Mein Visum galt drei Monate. Für die ersten drei Nächte hatte ich ein Hotel. Siegfried Bornecker hatte komplett durchbuchen wollen, aber ich war dagegen. Ich wollte mir vor Ort selbst ein Bild machen. Schließlich konnte ich mir dann immer noch etwas Besseres suchen. Vielleicht würde ich gar nicht die ganze Zeit in Wladiwostok bleiben.

Ich folgte dem Menschenstrom.

Passkontrolle, Gepäckband, Ausgang.

Alles war unkompliziert. Der Flughafen wirkte hochmodern. Das hatte ich so nicht erwartet. Ich hatte zwar gelesen, dass man für den APEC-Gipfel, der hier im letzten Jahr zusammengekommen war, alles auf neuesten Stand gebracht hatte, aber diese futuristisch anmutende Welt irritierte mich. Die lichtdurchflutete Eingangshalle und die riesige Glasfront blendeten mich. Die Weite der Halle und die spiegelnden Oberflächen hatten etwas Künstliches und Beängstigendes. Man fühlte sich wie eine winzige Ameise, endlose Strecken überwindend, für alle weithin sichtbar. Ich kam mir vor wie in einer Computeranimation. Überall moderne Technik, edles Design und erlesene Materialien. Das musste Millionen gekostet haben. Schön war es trotzdem nicht. Unweigerlich musste ich an das Debakel um den Berliner Großflughafen denken und plötzlich überfiel mich ein Gefühl der Scham. Warum waren wir immer so arrogant und hielten uns für etwas Besseres? Es war so provinziell und peinlich, was die Berliner seit Jahrzehnten abzogen. Sie bekamen es einfach nicht hin, einen Flughafen zu bauen. Tempelhof hatte man bereits bei Baubeginn geschlossen. Tegel und Schönefeld sollten in Kürze folgen. Der BER war Politposse und Milliardengrab. 75 000 Baumängel hatte man gefunden. Trotzdem war ich mir sicher, dass sich die Berliner – zum Flughafen in Wladiwostok befragt – abfällig äußern würden. Sie würden eine Holperpiste als Landebahn erwarten und eine muffig-dunkle Halle für den Check-in. Und die Flugzeuge? Hatten die Russen nicht immer Hühner und Ziegen auf dem Schoß? Reichten die Sitzplätze überhaupt? Mussten in Russland nicht immer Passagiere im Gang stehen?

Ich war noch nicht einmal richtig angekommen und schon überfiel mich ein komisches Gefühl. Ich ahnte, dass wir nichts von dem Leben hier wussten. Wir, die aufgeklärten Westeuropäer.

Sogar die aufdringlichen Taxifahrer, erstes Begrüßungszeichen am Eingangsbereich eines jeden russischen Flughafens, waren mittlerweile fast verschwunden. Früher war es ein Krampf, sich zu einem öffentlichen Verkehrsmittel durchzuschlagen. Man wurde förmlich von Taxifahrern umzingelt, die einem im Chor ein „Taksi“, ein „Kuda?“ oder „Kuda vam nado?“ – Wohin? Wohin müssen Sie? – entgegen riefen. Verwies man auf den Bus, erhielt man als Antwort, dass er nur alle drei Stunden führe oder heute gestreikt würde. Wenn man es nicht gerade eilig hatte, bot dieses Ritual sogar gewissen Unterhaltungswert.

Ich brauchte kein Taxi, denn ich hatte gelesen, dass man bequem mit dem Bus ins Stadtzentrum fahren konnte. Oder mit dem kürzlich eröffneten Aeroexpress. Ich ging zum Express und kaufte mir ein Ticket. „Businessclass?“, fragte die Dame am Schalter. Ich entschied mich für ein normales Ticket für 200 Rubel, umgerechnet fünf Euro. Auch das hatte sich verändert. Damals war der Flug von Moskau nach Wladiwostok billiger als der Zubringer in die Stadt heute.

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