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Kapitel 1

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„Hallo, schöne Frau. Kennen wir uns?“

Sagen wir mal so: Sollten wir uns bisher nicht kennen, ist das Regal mit den Ersatz-Schleifköpfen für Hornhautentferner vermutlich nicht der optimalste Ort, um das zu ändern.

„Tun wir nicht“, antworte ich, werfe eine Packung Schleifköpfe in meinen Handkorb und rette mich mit einem flüchtigen Nicken in den Gang mit den Küchenrollen.

In welchem Paralleluniversum halten sich Männer mit Schmierhaaren und Bauchansatz unter dem engen Achselshirt eigentlich für unwiderstehlich?

„Einer attraktiven Frau wie Ihnen traut man gar keine Hornhaut zu.“ Er hält es scheinbar für nötig, mir in den Nebengang zu folgen, um diese Feststellung mit mir zu teilen.

„Deshalb kauft die attraktive Frau diese Utensilien auch nicht für sich selbst, sondern für mich“, antwortet Sanjo für mich, der plötzlich wie aus dem Nichts neben mir steht und den Arm besitzergreifend um meine Schulter legt.

„So etwas dachte ich mir schon“, murmelt der Schmierhaarige irritiert.

„Umso besser.“ Sanjo mustert ihn mit aufforderndem Grinsen.

Ohne ein weiteres Wort verschwindet der Fremde zurück in sein Goldkettchen-Universum und lässt Sanjo lachend zurück.

„Danke, aber ich kann auf mich selbst aufpassen.“ Ich puffe ihm in die Hüfte. „Hast du den Soßenbinder gefunden?“

„Ob ich den Soßenbinder gefunden habe? Ist das alles, was du deinem großen Bruder zu sagen hast, nachdem er dich wieder mal gerettet hat?“

„Komm schon, Sanjo, das war einfach nur ein schmieriger Aufreißer. Große Klappe und nichts dahinter, da weiß ich mich schon zu wehren, wenn es nötig ist. Außerdem habe ich nicht ewig Zeit. Wenn du alles hast, sollten wir echt langsam zur Kasse. Mein Termin ist schon in einer halben Stunde.“ Mit vorwurfsvollem Seufzen eile ich zur Kasse voraus. „Wird echt Zeit, dass du dein Auto aus der Werkstatt holst. Ich kann nicht ewig deinen Chauffeur spielen.“

„Und ich dachte, du wärst gern mit mir unterwegs“, antwortet er, während er mir langsam zum Warenband folgt.

„Ich liebe dich, Bruderherz. Aber niemand kann so sehr nerven wie du, wenn man es eilig hat.“

In der Glastür eines Kühlschranks für Dosengetränke, der direkt neben der Kasse steht, fange ich unser Spiegelbild ein. Während wir darauf warten, dass die ältere Dame vor uns ihren Einkaufswagen leert, stelle ich beim Betrachten unserer Umrisse wieder einmal fest, wie wenig wir uns optisch ähneln.

Er, der dunkelhaarige Riese mit den breiten Schultern und dem raspelkurzen Haar, ich die zierliche Blondine mit nicht mal 1 Meter 70, deren lockiges Haar bis zum Hintern reicht.

Charakterlich sind wir uns dagegen so ähnlich wie Zwillinge: beide haben wir ein besonderes Faible für Ironie und sind eigentlich ständig genervt von irgendwelchen taktlosen Mitmenschen.

„Ob ich der Dame mal freundlich verrate, dass die Zutaten des Kräuterquarks auch noch nach dem Bezahlen auf der Verpackung stehen?“, flüstere ich Sanjo ungeduldig zu.

„Sie nimmt es halt sehr genau.“

„Ich habe es aber eilig, das weißt du. Ich treffe mich zum Mittagessen mit ihm.“

„Kannst es wohl kaum erwarten, diesen Typen endlich kennenzulernen, was?“

„Termin ist Termin, mit ihm hat das wenig zu tun. Außerdem weiß ich so gut wie nichts über ihn. Deswegen lernen wir uns ja kennen.“

„Ich habe erst neulich was über ihn gelesen. Er soll ja mächtig viel Kohle scheffeln mit seinen Hotels.“

„Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass ich mächtig Kohle mit dieser Fotoreportage über ihn scheffele.“

„Sicher nicht so viel wie er.“

„Entschuldigung“, platzt es schließlich aus mir heraus, als die Dame an der scheinbar spannendsten Stelle der Kräuterquark-Zutatenliste angelangt ist, „sind Sie schon fertig? Kann ich den Trennstab aufs Band legen?“

Die Dame legt den Quark irritiert auf das Warenband. „Immer in Eile, die Jugend von heute“, brummt sie mit einem mürrischen Kopfschütteln.

„Ja genau“, flüstere ich Sanjo ironisch zu, „ich bin diejenige, die hier ein Kopfschütteln verdient hat.“

Sanjo grinst. „Viel erwähnenswerter finde ich die Tatsache, dass sie dich mit achtundzwanzig für jugendlich hält.“

„So jugendlich, dass mich Schmierhaar-Bierbäuche neben den Hornhautentfernern anbaggern.“

„Du bist eben eine attraktive Frau, Schwesterherz.“

„Selbst wenn du recht haben solltest“, ich schaue auf meine Armbanduhr, „wird mich das auch nicht davor bewahren, zu spät zu diesem Termin zu kommen.“

Der Bastard, mein Herz und ich

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