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Kapitel 8

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„Und dann?“

„Nix und dann. Er ist joggen gegangen und ich bin abgehauen.“

Sabrina gießt mir etwas Orangensaft ins Glas und setzt sich auf den Klappstuhl mir gegenüber. Hier auf ihrer Gartenterrasse wirkt alles so friedlich, unberührt und jedes Problem endlos weit entfernt. Doch leider trügt der Schein auch noch zwei Stunden nach meiner Flucht aus Jans Wohnung.

„Das verstehe ich nicht“, sagt sie mit vor der Brust verschränkten Armen.

„Da gibt es nichts zu verstehen: Jan kommt nicht von seiner Ex los – zumindest stehe ich ziemlich schlecht da, sobald er sich zwischen ihr und mir entscheiden muss. Und weil ich mich daran erinnert habe, dass ich wenigstens noch einen Rest Stolz habe, bin ich abgehauen.“

„Nun mal langsam, er hat doch nichts mehr mit ihr. Sie hat nur beim Suchen nach Neo geholfen, richtig?“

„Das mit der Suche war doch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“

Sabrina mustert mich mit demselben Blick, den sie immer aufsetzt, wenn sie anderer Meinung ist, was ziemlich oft der Fall ist.

„Und da hast du es vorgezogen, einfach wegzulaufen, anstatt mit ihm zu reden?“

„Das habe ich ja versucht, aber er hat alles ins Lächerliche gezogen. Er sagte zwar, dass wir reden, wenn er zurückkommt, aber …“

„Siehst du, da haben wir’s wieder: Er wollte ja mit dir reden.“

„Mensch, Sabrina, du warst nicht dabei. Er war so kühl, so genervt – und das nur, weil ich es gewagt habe, etwas gegen diese Katja zu sagen. Das zeigt doch nur allzu deutlich, dass ich keinen Zutritt zu ihrer gemeinsamen Zeit habe. Das ist eben noch immer ihr eigenes kleines Zweier-Ding, das sie irgendwie vor mir schützen wollen.“

„Das redest du dir nur ein.“ Sabrina schaut auf ihr Handy und beantwortet eine Nachricht. Typisch für sie, tausend Sachen gleichzeitig zu machen, mir nur mit halbem Ohr zuzuhören, aber trotzdem ganz genau zu wissen, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe.

Ich nippe an meinem Saft. „Weißt du, Sabrina, wenn du sowieso weißt, dass ich etwas falsch gemacht habe, kann ich ja auch gleich wieder gehen.“

„Mann, bist du sensibel.“ Seufzend legt sie das Handy auf den Glastisch. „Ist es dir etwa lieber, wenn ich dir nach dem Mund rede und nur Ja und Amen sage?“

„Nein, das nicht … es wäre nur schön, wenn du wenigstens versuchen würdest, dich in meine Lage zu versetzen. Oder denkst du, es ist mir leichtgefallen, einfach zu gehen?“

„Also schön“. Sie räuspert sich. „Dann nochmal von vorn: Du und Jan, ihr habt Schluss gemacht.“

„Nein, nein, nein!“ Ich erschrecke selbst über meinen schnellen Widerspruch. „Wir haben doch nicht Schluss gemacht!“

Doch noch im selben Moment überlege ich, ob wir nicht vielleicht doch Schluss gemacht haben. Besser gesagt, ich. Wortlos zwar, dafür aber mit einer unmissverständlichen Geste – nämlich der, dass ich gegangen bin. Und dass ich nicht mehr da war, als er wiedergekommen ist.

„So? Und wie würdest du es dann nennen?“, fragt Sabrina.

„Ich wollte nur, dass er merkt, dass er nicht alles mit mir machen kann. Und dass ich auch Respekt verdient habe.“

„Und warum bist du plötzlich der Meinung, dass er keinen Respekt mehr vor dir hat? Gerade noch war er der tollste Mann des Universums und ich musste dich praktisch dazu zwingen, dass du auch mal deine eigene Meinung vertrittst und dir nicht alles von dieser Tussi gefallen lässt und dann dreht sich plötzlich das Blatt und du wirfst kampflos das Handtuch. Das passt doch irgendwie nicht.“

„Ich weiß. Aber …“ Ich gerate ins Stocken.

„Hast du denn neulich überhaupt nicht zugehört?“ Sabrina redet sich in Fahrt.“ Ich wollte, dass du ihn zur Rede stellst. Dass du endlich mal zeigst, dass du dir nicht alles gefallen lässt – und du? Du übertreibst gleich maßlos. Das ist wieder mal typisch Anna – für dich gibt es nur schwarz oder weiß. Wochenlang lässt du dir alles gefallen und dann auf einmal – Peng! Knall auf Fall lässt du ihn einfach stehen.“

„Hast du nicht zugehört?“ Ich lege meine Hände auf ihre Knie. „Er hat mich stehenlassen.“

„Ja, aber doch nur für einen Moment.“

„Du änderst deine Meinung auch alle zwei Tage, oder? Erst sagst du mir, ich soll mich nicht verarschen lassen und dann bist du automatisch auf Jans Seite, ohne überhaupt dabei gewesen zu sein.“

„Aber du hättest doch nicht gleich abhauen müssen. Wie wird das für ihn denn aussehen? Dass es aus ist. Dass du dich entschieden hast, dieses Spiel nicht mehr mitzumachen. Damit setzt du ihm die Pistole auf die Brust – und er wird dir ganz sicher nicht nachlaufen.“

Ihre Worte machen mich zunehmend wütender. Ich bin gekommen, weil ich Trost brauchte und jemanden, der mir sagt, dass alles gut wird. Und was macht mein Schwesterherz? Sorgt dafür, dass ich mich noch schlechter fühle als vorher.

Den Tränen nahe springe ich auf. „Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn ich jetzt gehe.“

„Mensch, Anna.“ Nun springt auch Sabrina auf und legt die Hand an meinen Arm. „Sei doch nicht so empfindlich. Du sollst nicht gehen.“

Ihre Stimme ist plötzlich sanft und voller Reue.

„Bitte bleib!“ Sie seufzt. „Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Du müsstest mich doch inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, warum ich so hart zu dir bin.“

„Aha? Muss ich das, ja?“ Ich lasse mich lustlos zurück auf den Stuhl fallen. „Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Na, weil du mir so wichtig bist.“ Sie zwinkert mir zu. „Und weil ich nicht möchte, dass du in dein Unglück rennst. Jeder Blinde sieht doch, wie viel dir dieser Typ bedeutet. Es wäre das totale Drama, wenn es aus zwischen euch wäre – glaube mir, damit kämst du gar nicht klar.“ Sie imitiert meinen Schmollmund, was mich jedes Mal zum Lachen bringt.

„Ach, Sabrina, ich weiß doch selbst nicht, was ich tue.“

„Und genau deshalb bin ich so hart zu dir, Süße. Weil du eben auch mal einen Tritt in den Hintern brauchst, um die Dinge etwas klarer zu sehen. Honig ums Maul können dir die anderen schmieren, aber ich bin deine Schwester – und deshalb rede ich immer Klartext mit dir, das müsstet du inzwischen doch eigentlich wissen.“

Ich senke den Blick auf meine Hände. „Das tue ich ja eigentlich auch. Trotzdem weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll. Ich bin total durcheinander.“

„Hat er sich denn schon gemeldet?“, fragt Sabrina.

Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Wie, keine Ahnung?“

„Na ja, ich habe das Handy ausgemacht.“

„Was soll das jetzt wieder?“

„Instinkt? Ich wollte einfach ein bisschen Abstand. Ich war wütend. Ich bin wütend.“

„Und wo ist dein Handy jetzt?“

„Vor dem Haus, in meinem Auto.“

„Dann hol es bitte.“

„Und wenn ich nicht mit ihm reden will? Wahrscheinlich hat er gar nicht angerufen und sowieso die Nase voll von mir. Und wenn es so wäre, laufe ich ihm ganz bestimmt nicht nach.“

„Das verlangt ja auch niemand.“ Sabrina zerrt mich aus dem Stuhl. „Komm schon, hol es einfach, okay? Und mach es gleich an. Dann sehen wir weiter.“

Widerwillig gehe ich schließlich durch das Wohnzimmer und das breite Foyer in Richtung Eingangstür, um das Telefon aus meinem Auto zu holen. Doch als ich die Tür öffne, habe ich bereits vergessen, wie mein eigentlicher Plan aussah.

„Jan?“

„Anna.“ Sein Finger liegt bereits auf dem Klingelknopf, als ich die Tür öffne. „Ich habe dein Auto hier gesehen. Na ja … um ehrlich zu sein, bin ich extra hergefahren, um zu schauen, ob … ähm … dein Handy war aus und in deiner Wohnung warst du auch nicht … na ja … und da dachte ich …“

Instinktiv lege ich den Finger auf seine Lippen. Dass er hergekommen ist, beantwortet alle meine Fragen. Er hat endlich verstanden, warum ich gegangen bin. Ihn noch dazu derart nervös zu erleben, rührt mich jedoch besonders.

„Ich hätte nicht einfach abhauen dürfen“, sage ich, während ich langsam wieder den Finger von seinem Mund nehme. „Ich war nur so aufgebracht, so verletzt.“

„Und ich hätte nicht einfach so joggen gehen dürfen, bevor wir das Ganze nicht …“, er atmet tief ein, „geklärt haben.“

Mein Herz klopft wie bei unserem ersten Date. Genau das ist er, der Mann, in den ich mich verliebt habe. Der Mann, der mich immer wieder aufs Neue dazu bringt, mich heimlich zu fragen, ob unsere gemeinsamen Kinder seine Augen oder meine hätten, seine Lippen oder doch eher meine.

Einen wortlosen Augenblick lang schauen wir einander regungslos an, dann tritt er langsam näher, legt seinen Arm um meine Taille und gibt mir einen so fordernden und leidenschaftlichen Kuss, dass ich den Grund vergesse, aus dem wir diese Unterhaltung führen.

Mit seiner Hand um meinen Nacken und seiner Stirn an meiner, lösen sich seine Lippen langsam wieder von meinen.

Eine Weile stehen wir in genau dieser Pose einfach nur da, ohne ein Wort zu sagen.

„Es tut mir so leid, dass mir Neo abgehauen ist“, sage ich schließlich.

„Das war eine blöde Sache, aber nicht deine Schuld. Ich hätte dir das alles einfach viel genauer zeigen müssen.“

„Eigentlich ist es doch nicht so schwer, möchte man meinen.“

„Neo kann sehr eigensinnig sein.“

„Das habe ich gemerkt.“

„Mach dir keine Vorwürfe mehr. Er war weg, jetzt ist er wieder da – alles ist gut.“

Seine Finger umklammern meine, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen.

„Ich fand es furchtbar, dass du weg warst“, sagt er leise. „Der Gedanke, dass du nicht wiederkommst“, er schluckt, „der hat mir gar nicht gefallen.“

Seine Worte bringen mich zum Lächeln. Verrückt, wie nah Freude und Leid beieinanderliegen können. Gerade noch habe ich alles in Frage gestellt, jetzt möchte ich einfach nur mit ihm im nächsten Bett verschwinden und ihn nie wieder loslassen.

„Jetzt bist du ja hier“, flüstere ich. „Und das ist das Wichtigste.“

Wieder berühren seine Lippen meine. Wieder vergesse ich für einen Moment alle Zweifel und Fragen der letzten zwei Stunden.

Als sich unsere Lippen voneinander lösen, schaue ich über seine Schulter hinweg zu seinem Wagen, der neben meinem parkt.

„Ist Neo im Auto?“, frage ich.

„Neo?“ Er dreht sich zu seinem Wagen um, als müsste er sich selbst überzeugen. „Nein, er ist …“

Als er sich wieder zu mir umdreht, kenne ich die Antwort.

„Bei Katja?“ Ich neige den Kopf zur Seite.

Jan nickt. „Ich wusste ja nicht, wann ich wieder da bin.“

„Klar.“ Ich lächele verunsichert. „In diesem Fall ist es verständlich, aber …“

„Was?“, fragt er vorsichtig.

„Ich frage mich, ob es zwischen euch wirklich … na ja … vorbei ist.“

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Vertraust du mir etwa nicht?“

„Doch, das tue ich. Und ich meine auch nichts Körperliches oder so. Aber … weißt du, Jan, ich habe einfach das Gefühl, dass ihr zwei etwas miteinander teilt, zu dem du mir einfach keinen Zugang gewähren willst.“

„Ach, Anna.“ Er lässt die Arme sinken. „Fängt das schon wieder an? Ich dachte, wir zwei wären uns einig.“

„Einig?“ Instinktiv trete ich einen Schritt zurück. „Vielleicht sind wir uns einig, dass wir im Bett gut zueinander passen, ja. Aber es muss doch auch möglich sein, außerhalb der Laken bestimmte Themen anzusprechen, ohne dass du gleich in die Luft gehst.“

„Ich gehe nicht in die Luft.“ Er ist um einen ruhigen Tonfall bemüht. „Ich finde es einfach nur lächerlich, darüber zu reden.“

„Und du hast gesagt, ich soll alles sagen, was mir dazu durch den Kopf geht.“

„Das stimmt ja auch. Aber du scheinst etwas zu fordern, das ich einfach nicht geben kann: Neo ist nun auch mal Katjas Hund. Was soll ich denn tun? Du weißt, wie viel er mir bedeutet.“

„Ich würde dich nie vor die Wahl stellen, was Neo betrifft. Er gehört in dein Leben und mittlerweile auch in meins. Aber ich“, ich halte kurz inne, „ich stelle dich vor die Wahl, was Katja betrifft.“

Er schaut mich schweigend an, als hätte er keinen Schimmer, worauf ich hinauswill.

„Es muss doch einen Weg geben, der verhindert, dass sie alle zwei Tage bei uns vor der Tür steht.“ Die Wut in mir wird langsam wieder wach. „Irgendeine Möglichkeit, dass wir zwei eine Beziehung führen, die mich nicht ununterbrochen an eine Zeit erinnert, die du mit einer anderen Frau verbracht hast. Ich meine, wie soll ich mir denn eine Zukunft mit dir vorstellen, wenn ich immer wieder an deine Vergangenheit erinnert werde?“

„Ist es das, was du denkst?“ Er hebt die Augenbrauen. In seinem Blick liegt eine Verbitterung, die mich mitten ins Herz trifft, die jedoch unvermeidbar scheint.

„Ja, Jan, das denke ich. Und ich frage mich, wie du darüber denkst. Ganz ernsthaft: Welche Rolle spielt diese Frau in deinem Leben? Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, dass du diese Teilzeithund-Regelung sogar sehr bequem findest und dass sie dich nicht im Geringsten stört. Ganz im Gegenteil.“

„Es hat einfach keinen Sinn, dir die Sache zu erklären“, sagt er. „Du bist bei diesem Thema so verbohrt, dass einfach kein Herankommen möglich ist.“

„Verbohrt?“ Die Zweifel kriechen erneut in meine Brust. „Ich dachte, du bist gekommen, weil du einsiehst, dass es so nicht weitergehen kann, stattdessen sagst du mir wieder mal, dass alles perfekt ist, so wie es ist.“

„Nichts ist wirklich perfekt“, antwortet er. „Aber warum muss denn immer alles perfekt sein? Alles, was zählt, ist doch, dass wir beide uns gut verstehen.“

„Verstehst du denn nicht, Jan? Ich wünsche mir, dass du zu mir stehst. Auch und gerade vor dieser Frau. Auf dem Feld, das war … das war so demütigend.“

„Warum tust du das, Anna?“

„Warum tue ich was?“

„Na, das hier.“ Er kommt einen Schritt näher und mustert mich eindringlich. „Warum führst du Probleme herbei, wo gar keine sind? So zickig bist du doch sonst nicht gewesen. Oder hast du mir die ganze Zeit über nur etwas vorgespielt?“

Zickig? Ich?

Mein Herz schlägt bis zum Hals. Über meinen Rücken fahren abwechselnd heiße und kalte Schauer, während ich nach Luft schnappe.

„Du hältst mich für zickig?“, frage ich aufgebracht.

„Bis jetzt nicht, aber so langsam habe ich meine Zweifel. Diese Eifersucht, die passt doch überhaupt nicht zu dir – und sie ist auch absolut unbegründet.“

Ich senke meinen Blick zu Boden, dann schaue ich langsam wieder auf.

Wenn auch nur leise, finde ich schließlich meine Stimme wieder: „Du verstehst es wirklich nicht, oder?“

„Nein, Anna. Ich verstehe es nicht. Weil es nichts zu verstehen gibt. Die Dinge sind nun mal so – und du wirst sie so akzeptieren müssen. Oder …“

„Oder was?“

Er holt Luft, um etwas zu sagen, verstummt aber sofort wieder.

Mein Blick wandert zu unseren Wagen, die nebeneinander auf dem Parkplatz stehen, während sich mein Verstand langsam in Luft auflöst.

Was für ein Gefühlskarussell. Was für ein Chaos.

„Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst“, sage ich ernüchtert.

„Ist es wirklich das, was du willst?“, fragt er.

„Nein.“ Ich versuche, nicht zu weinen. „Aber es ist das Einzige, was im Moment einen Sinn ergibt.“

Dann schließe ich die Tür, lehne mich gegen das schwere Holz und verliere endgültig den Kampf gegen die Tränen.

Teilzeitküsse

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