Читать книгу Ginseng, Taigawurzel, Rosenwurz - eBook - Natalia Leutnant - Страница 7
ОглавлениеAdaptogene und ihre Bedeutung in der heutigen Zeit
Stress, Überforderung, ermüdende Erschöpfung, das Gefühl, den vielfältigen Anforderungen des Lebens nicht mehr nachkommen zu können – all dies zeichnet die Grundstimmung vieler Menschen in der heutigen Zeit aus. Wie dankbar dürfen wir daher sein, dass wenn auch nicht für alles, so doch für vieles »ein Kraut gewachsen« ist. Zugleich wissen wir, dass man sich bei Überforderung und Stress zuerst einmal das eigene Leben anschauen und die »Life-work-Bilanz« überdenken und bei Bedarf den Gegebenheiten anpassen sollte.
Um Anpassung geht es auch in diesem Buch von Natalia Leutnant, genauer gesagt um Adaptogene. Das Wort kommt vom Lateinischen adaptare, »anpassen« (englisch to adapt). Es bezeichnet Pflanzen mit biologisch aktiven Wirkstoffen, die dem Organismus helfen, sich besser an erhöhten körperlichen und emotionalen Stress anzupassen. Dazu gehören Umweltfaktoren, psychischer Stress (Über- oder Unterforderung, Trauer, Mobbing) oder zu hohe körperliche Belastungen. Und wer kennt das nicht?
Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass gerade in unserer Zeit das Interesse an Adaptogenen so stark angewachsen ist: Wir brauchen sie. Was Adaptogene so wichtig macht, ist, dass sie für heute und morgen wirksam sind. Sie puffern einerseits die momentane körperliche oder psychische Stresssituation ab und die unterstützen geistige wie körperliche Leistungsfähigkeit, sie lindern Erschöpfungszustände und erhöhen die Belastbarkeit und körperliche Widerstandskraft. Andererseits wirken sie präventiv, dämmen Langzeitschäden ein und schützen von Grund auf die kleinste unserer Einheiten, die Zellen und Zellstrukturen. Nicht zuletzt verbessern sie die körperliche und geistig-psychische Regenerationsfähigkeit.
Adaptogene sind unspezifisch in ihrer pharmakologischen Wirkung und haben etwas Ausgleichendes. Sie scheinen zu wissen, was der Körper braucht, und zeigen bei normalen oder kaum veränderten Körperfunktionen keine adaptogene Wirkung; erst bei einer Stresssituation kommen ihre positiven Eigenschaften so richtig zum Tragen. Verbesserte mentale Leistungsfähigkeit und körperliche Ausdauer sind das Geschenk dieser einzigartigen Pflanzengruppe.
Es klingt ein bisschen nach Zauber, es klingt, wie wenn die allheilende (Pflanzen-)Göttin uns ihre Hand zur Hilfe reicht. Die Wortwahl kommt nicht von ungefähr. Eines der bekanntesten Adaptogene ist Ginseng: Panax ginseng. Panax, griechisch, setzt sich zusammen aus pan, »alles«, und akomai, »ich heile«. Panax bedeutet also: »Ich heile alles.« Mit Panazee bezeichnet man daher Pflanzen, die als Allheilmittel gelten – der namengebende Ginseng gehört auf alle Fälle dazu.
Die meisten der Adaptogenpflanzen wachsen unter widrigen Umweltbedingungen – vielleicht kommt aus ihrer Strategie, mit der sie sich dort behaupten können, ein Teil ihrer therapeutischen Kraft. Ein weiteres Geschenk und Teil der Definition für Adaptogene ist: Sie haben keine Nebenwirkungen. Sie schützen vor Stress, sie unterbinden die Stressantwort; sie normalisieren den Stoffwechsel und steigern die Widerstandskraft gegen physikalische, chemische und biologische Einflüsse. Und all dies ohne unangenehme Nebeneffekte, korrekte Anwendung und Dosierung vorausgesetzt. Adaptogene sind auch langfristig eingenommen unschädlich. Im Unterschied zu Stimulantien wie Kaffee, Mate und anderen, die nach längerer Einnahme abhängig machen oder Nebenwirkungen wie Herzrasen, Bluthochdruck oder Schlaflosigkeit bewirken können. Auch wenn Adaptogene vor Müdigkeit schützen, verursachen sie (zur rechten Zeit eingenommen) keine Schlafprobleme – das ist ihre Kraft.
Ist das alles neu? Man forscht noch viel und möchte den molekularbiologischen Schutzmechanismen der Adaptogene auf die Spur kommen, den biochemischen Schlüsselmediatoren in Stresssystemen und vielem mehr. Dass diese Pflanzen signifikant positive Auswirkungen auf Stress zeigen, dass Stressresistenz und Aufmerksamkeit bei stressbedingter Müdigkeit erhöht werden und dass Stress besser kompensiert werden kann, wurde bereits in klinischen Studien nachgewiesen. Ebenso, dass nicht ein einzelner Wirkstoff, sondern eine Reihe sich gegenseitig unterstützender Inhaltsstoffe (Saponine und Terpene, Flavonoide, Beta-Glukane und Polyphenole und andere) an der Wirkung beteiligt sind. Wirklich neu ist das Wissen um die Adaptogene dabei nicht. Gerade in Russland kennt man sie schon lange, und man findet dort eine ganze Reihe an Studien, Versuchen und Erkenntnissen. Zudem lebt die Bevölkerung dort ganz selbstverständlich mit Adaptogenen. Das Wissen um ihre Heilkraft ist in der Volksheilkunde verankert.
Wie wertvoll ist es daher, dass es mit Natalia Leutnant eine deutschsprechende Russin gibt, die auch im übertragenen Sinne auf zwei Beinen steht und uns Informationen aus zwei Welten schenken kann. Die diese Pflanzen aus ihrer Heimat kennt und uns die reichhaltigen wissenschaftlichen und klinischen Studien und Texte übersetzt und aufbereitet zugutekommen lassen kann. Dazu kommt, dass sie die Pflanzen bei uns, in unserer Heimat, selbst anbaut. Sie hat Erfahrung darin, gelebte Praxis, die sie hier in diesem Buch weitergibt. In Natalia Leutnants Heimatland sind Adaptogene nichts Besonderes oder Unbekanntes, sie gehören dazu. Man nutzt sie selbstverständlich und hat darum auch eine Fülle an volksheilkundlichen Rezepturen parat – noch ein Geschenk in diesem Buch.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen vertieften und praxisnah zu nutzenden Einblick in die besondere Welt der adaptogenen Pflanzen und danke Natalia Leutnant dafür, dass sie uns die Tür in diese besondere Pflanzenwelt geöffnet hat.
Ursel Bühring, Freiburg im Frühjahr 2018