Читать книгу Ginseng, Taigawurzel, Rosenwurz - eBook - Natalia Leutnant - Страница 9
ОглавлениеWas sind Adaptogene?
Über die Heileigenschaften unterschiedlicher Pflanzen, die uns schnell helfen, unsere Kräfte wiederzuerwecken, wussten schon unsere Vorfahren Bescheid. Als Jäger und Sammler haben sie bemerkt, dass Früchte und Wurzeln von bestimmten Pflanzen dafür sorgen, dass sie bei langen Wanderungen Kräfte sparen, ohne weitere Nahrung länger durchhalten und sich ungünstigen Wetterbedingungen anpassen können.
Obwohl Adaptogene den Menschen schon Tausende von Jahren bekannt sind, stammt der Begriff aus relativ neuer Zeit und beschreibt Pflanzen, aber auch Pilze und Stoffe tierischen Ursprungs mit außerordentlichen Heilwirkungen. Der russische Arzt und Forscher Dr. Nicolai Lazarev war es, der mit seinen Kollegen Brekhman und Dardymov ausgewählte Heilpflanzen wegen ihrer gesundheitsfördernden Wirkstoffe als Gruppe der Adaptogene kategorisierte.
»Adaptogen« kommt vom Lateinischen adaptare, deutsch »anpassen«. Und »Anpassung« gehört auch tatsächlich zu den Haupteigenschaften, die Adaptogene ausmachen: Sie können sich an extreme klimatische Bedingungen anpassen und helfen auch unserem Organismus, sich mit den gegebenen Bedingungen bestmöglich zu arrangieren. Gemäß einer Definition des Comitee on Herbal Medicinal Products (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA sollen Adaptogene die Resistenz des Organismus gegen ein breites Spektrum an widrigen biologischen, chemischen und physikalischen Faktoren verbessern. Anders als bei Stärkungsmitteln (Tonika) und Stimulanzien soll eine durch Adaptogene erhöhte Leistungskapazität nach dem Absetzen nicht wieder sinken. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Pflanze oder ein Stoff als Adaptogen gilt:
• Ein Adaptogen ist unspezifisch in seiner pharmakologischen Wirkung. Es wirkt durch eine Erhöhung der körperlichen Widerstandskraft gegen negative chemische, biologische, physische und psychische Belastungen. Adaptogene führen den Körper in eine Balance zurück und halten ihn im organischen Gleichgewicht (Homoöstase).
• Adaptogene sind immer ungiftig und ohne Nebenwirkungen.
• Adaptogene haben Wirkstoffverbindungen, die in ihrem Zusammenwirken Körper und Gehirn dabei unterstützen, sich zu energetisieren, die Zusammenarbeit der Organe zu harmonisieren und das Immun- und Nervensystem zu stabilisieren.
• Adaptogene haben »Anti-Aging«-Eigenschaften. Sie verhindern oder verzögern das Eintreten vieler Auswirkungen des Alterns. Aus diesem Grund sind Adaptogene eine Schlüsselkomponente für eine gesunde Langlebigkeit im Sinne eines »Alterns, ohne alt zu werden«.
• Adaptogene wirken verjüngend auf gestresste Organe. Sie steigern die Leistungsfähigkeit und die Ausdauer und verbessern die Erholung nach Erschöpfungszuständen.
Adaptogene sind also chemische Verbindungen, die die Fähigkeit des Körpers erhöhen, mit belastenden Umweltfaktoren zurechtzukommen. Sie verhindern Schäden, die ohne ihren Einsatz durch solche negativen Faktoren entstehen können. Die vorteilhafte Wirkung der Adaptogene wird vor allem mit einem Einfluss auf die hormonelle Achse vom Hypothalamus über die Hypophyse bis zur Nebennierenrinde in Verbindung gebracht. Diese Achse spielt in Stressphänomenen eine zentrale Rolle und ist mitverantwortlich für die Reaktion des Körpers auf wiederholte oder dauerhafte Belastungen und die Anpassung daran. Wenn wir Stress haben, wird die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) aktiviert – die Achse des Stresses. Der Hypothalamus bildet das Corticotrope-Releasing-Hormon. Dieses CRH wirkt auf die Hypophyse, die bildet das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH). Das wiederum wirkt auf die Nebennierenrinde, die Cortisol bildet. Cortisol ist ein wichtiges Anti-Stress-Hormon des Körpers, es schützt ihn vor den negativen Folgen von starkem Stress und sorgt für eine sinnvolle Anpassung an aktuelle Umweltbedingungen.
Dauerstress führt folgerichtig zur Erhöhung des Cortisolspiegels. Mit der Zeit kommt es zur Erschöpfung und die Leistungskraft lässt nach. Bei einem anhaltend stark erhöhten Cortisolspiegel ergeben sich schwerwiegende Folgen: Bluthochdruck, unterdrückte Immunabwehr und Schilddrüsenfunktion, sexuelle Unlust, Unfruchtbarkeit, erhöhter Blutzuckerspiegel, Abbau von Knochen- und Muskelmasse, beschleunigte Alterung und Faltenbildung der Haut sind nur einige der möglichen Veränderungen.
Adaptogene nun hemmen die Ausschüttung von Cortisol, senken damit den Cortisolspiegel und helfen insgesamt bei vielen stressbedingten Krankheiten und Beschwerden. Man kann den einzelnen Adaptogenpflanzen nicht nur eine bestimmte Wirkung zuordnen oder nur einzelne ihrer Inhaltsstoffe als wirkungsvoll einstufen – das komplexe Zusammenspiel der Inhaltsstoffe einer Pflanze wirkt als Ganzes und unterstützt den Menschen physisch und psychisch, seine Mitte zu bewahren oder Ausgeglichenheit, Kraft und Gelassenheit wiederzufinden.
Stress ist ein Killer. Er schwächt unsere Abwehrmechanismen und beschleunigt dadurch vorzeitiges Altern. Adaptogene sind Stressbekämpfer, und zwar bis heute die wirkungsvollsten, die uns die Evolution vermacht hat. Sie sind vielfältig aktiv und verfügen über zahlreiche Wirkstoffe. Es sind keine Arzneien, und sie wirken auch anders. Die große Vielfalt bioaktiver Wirkstoffe, die zudem synergetisch zusammenarbeiten, erlaubt dem Körper, sich optimal auf Herausforderungen des modernen Lebens einzustellen und dem physischen Altern entgegenzuwirken. Sie wirken ganzheitlich, da sie viele Bereiche im Körper abdecken.
Sie werden merken, dass bei den Beschreibungen der einzelnen Adaptogenpflanzen in den folgenden Kapiteln der Eindruck entstehen könnte, dass sie fast alle gegen oder für fast alles wirken können. Und tatsächlich haben alle Adaptogene bei den folgenden gesundheitlichen Problemen allgemeine Heilwirkungen bewiesen:
• Stress, körperliche und mentale Belastungen
• Konzentrationsstörungen und Müdigkeit
• Schlafstörungen
• Depressionen und andere psychische Erkrankungen
• Bluthochdruck (Adaptogene haben eine regulierende Wirkung auf den Blutdruck: Sie erhöhen den niedrigen und senken den erhöhten Blutdruck. Wegen der tonisierenden Wirkung sollten sie aber nicht bei stark erhöhtem Blutdruck über 180 eingenommen werden.)
• Chronische Schmerzen und Entzündungen
• Gelenkschmerzen
• Impotenz/Libidoverlust
• Diabetes
• Herz- und Kreislauferkrankungen
• Grippe und Erkältung
• Strahlenbelastungen
Dabei ist interessant, dass jede einzelne Adaptogenart ihre individuelle Nische hat, in der ihre Heileigenschaften besonderes stark sind. Adaptogene sind nicht nur für kranke und erschöpfte Menschen eine Medizin, sie sind auch ein einzigartiges Mittel für den gesunden Menschen. Wer diese Stoffe nimmt, spürt, wie sein Körper an Energie gewinnt, sein Geist an Klarheit und seine Augen an Glanz.
Die heute bekannten Adaptogenpflanzen
Name | Hauptsächlich verwendetes Pflanzenteil |
Pflanzen | |
Asiatischer Ginseng (Panax ginseng) | Wurzel |
Amerikanischer Ginseng (Panax quinquefolius) | Wurzel |
Aschwagandha (Withania somnifera) | Wurzel |
Dang Shen, Glockenwinde, »Ginseng für Arme« (Codonopsis pilosula) | Wurzel |
Hirschwurzel (Rhaponticum carthamoides) | Wurzel |
Rosenwurz (Rhodiola rosea) | Wurzel |
Zwerg-Rosenwurz (Rhodiola quadrifida) | Wurzel |
Iremelika-Rosenwurz (Rhodiola iremelica Boriss.) | Wurzel |
Jiaogulan, »Kraut der Unsterblichkeit« (Gynostemma pentaphyllum) | Blätter |
Chinesisches Spaltkörbchen (Schisandra chinensis) | Früchte, Samen, Blätter |
Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus) | Wurzel, Blätter |
Acanthopanax (Acanthopanax sessiliflorus) | Wurzel |
Kraftwurz, Baumkraftwurz oder Kalopanax (Kalopanax pictus oder Kalopanax septemlobus) | Wurzel |
Japanischer Angelikabaum, Teufelskrückstock (Aralia elata) | Wurzel |
Udo, Japanischer Spargel (Aralia cordata) | Wurzel |
Asiatischer Igelkraftwurz (Oplopanax elatus) | Wurzel |
Amerikanischer Igelkraftwurz (Oplopanax horridus) | Wurzel |
Sterkulia (Sterculia platanijoha L.) | Blätter |
Pilze | |
Cordyceps, Chinesischer Raupenpilz (Cordyceps sinensis) | |
Glänzender Lackporling, Reishi (Ganoderma lucidum) | |
Tierische Stoffe | |
Pantokrin (Substanzen vom Junggeweih der altaischen Maralhirsche |
Darüber, welche Pflanzen, aber auch Pilze und tierischen Wirkstoffe in die Gruppe der Adaptogene aufgenommn werden, gibt es zahlreiche Dispute und Diskussionen. Ich habe die folgende Liste aus russischen und chinesischen Quellen zusammengestellt. Sie gibt einen Überblick über die bekanntesten Vertreter der Adaptogene. Auffallend ist, dass die hier genannten Pflanzen unter extremen Klimabedienungen wachsen, bei denen Schwankungen zwischen Winter- und Sommertemperaturen um bis zu 100 Grad Celsius erreicht werden.
Zubereitung und Dosierung
Einige der in den folgenden Kapiteln beschriebenen Adaptogene gibt es in Form von Kaspeln oder Pulver im Handel. Manche sind auf dem mitteleuropäischen Markt noch nicht so leicht zu finden. Alle aber können selbst angebaut werden oder als Pflanzen oder Wurzeln bezogen werden, aus denen sich dann Präparate herstellen lassen. Rezepte und Bezugsquellen finden Sie jeweils im Buch.
Allgemein gilt: Aufgrund der tonisierenden und stimulierenden Wirkung der Adaptogene sollten diese nicht später als 5 bis 6 Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen werden.
Rezept für eine Tinktur
1 Teil getrocknete oder frische Droge zerkleinern und mit 5 bis 10 Teilen Wodka übergießen. 4 Wochen an einem dunklen Ort ziehen lassen, regelmäßig schütteln. Abseihen und in ein dunkles Apothekenfläschchen umfüllen.
Einnahme: 1- bis 2-mal täglich 15 bis 30 Minuten vor dem Essen 5 bis 25 Tropfen. Mit 5 Tropfen anfangen, bei jeder Einnahme die Dosierung um 5 Tropfen bis auf 25 Tropfen erhöhen. Nach etwa 1 Monat für einige Wochen pausieren.
Viele weitere Rezepte finden Sie in den jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen Adaptogenpflanzen. Wichtig: Jeder Mensch muss seine individuelle Dosierung finden. Eine Überdosierung führt zu Reizbarkeit, Erregung und sogar Agressivität. Bei solchen Symptomen sollte die Dosierung gesenkt werden. Bei stark erhöhtem Blutdruck (über 180) bitte keine Adaptogene einnehmen.
Die Präparate in den verschiedenen Zubereitungen können sehr gut im Anschluss an eine Entgiftungskur eingenommen werden. Das erhöht deren Wirkung weiter.
Die Adaptogene verdienen es in unserer modernen Zeit, zu den neuen Leistungsdrogen im positiven Sinne zu avancieren. Zwar wirken sie meist auf alle Körperbereiche ein, aber durch die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Stoffe geschieht dies nicht auf allen Gebieten gleich stark. Um einen ganz bestimmten Effekt zu erzielen (zum Beispiel Stimulation des Geistes, Kräftigung des Körpers und/oder des Immunsystems, Potenzsteigerung, Muskelwachstum, Aktivierung des Zentralnervensystems, Stressbekämpfung) ist es wichtig, das Adaptogen mit dem entsprechenden Wirkschwerpunkt zu wählen. Durch die Auswahl eines »individuell« richtigen Adaptogens werden vorhandene Defizite noch stärker beeinflusst und positiv korrigiert.
Folgende Vorgehensweise hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen, wenn man schon einzelne Adaptogene ausprobiert hat: Zunächst werden 3 bis 5 Favoriten ausgewählt und nacheinander eingenommen. Sie beginnen mit einem Präparat für 30 Tage und gehen dann nach einer 2-wöchigen Pause zum nächsten über. So nehmen Sie alle ausgewählten Mittel rotierend. Beachten Sie dabei auch die maximale Kurdauer bei jedem einzelnen Präparat, wie sie in den entsprechenden Kapiteln des Buches angegeben wird. Wenn Sie so vorgehen, halten Sie die positive Wirkung der Adaptogene auf einem dauerhaft hohen Niveau, und ein Gewöhnnungseffekt wird ausgeschlossen.
Für hoch beanspruchte Berufstätige, aber auch für Frauen in den Wechseljahren wird folgende Rotation empfohlen: Rosenwurz (Stress, depressive Zustände, Burnout oder Burnoutgefahr) – Hirschwurzel (körperliche und psychische Stärkung, Potenzsteigerung) – Taigawurzel (Stärkung des Immun-, Kreislauf- und Nervensystems).
Für gesunde, junge und sportliche Menschen wird empfohlen: Schisandra (stärkend, Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit) – Hirschwurzel (körperliche und psychische Stärkung, Potenzsteigerung) – Aralia (Stärkung des Zentralnervensystems, Konzentrationssteigerung, verbessertes Gedächtnis- und Lernvermögen). Für ältere Menschen ist ein Rotieren mit Ginseng, Hirschwurzel und Aralia sinnvoll. Dies sind keine Regeln, sondern nur Empfehlungen. Probieren Sie selbst, was für Sie am besten funktioniert.