Читать книгу Der Dieb ohne Herz - Ney Sceatcher - Страница 6
Prolog
ОглавлениеEs war einmal vor langer Zeit, so erzählte man sich, da existierte eine Stadt, in der die Menschen Masken trugen, um ihr wahres Gesicht zu verbergen. Masken aus Glas, aus Papier, aus Holz oder aus Metall. Es gab sie in allen Variationen. Niemand wusste, wie die Menschen dahinter aussahen, und niemand fragte. An jenem Ort, der auch Malufra genannt wurde, regierte eine Königin mit langem blondem Haar. Ihr Haar war so lang, dass die Diener morgens eine Stunde damit verbrachten, die dichte Mähne zu bändigen und hochzustecken. Auch die Königin trug Masken, nur waren ihre schöner und prunkvoller als die der anderen. Sie sei verrückt, so tuschelte man hinter vorgehaltener Hand, würde mit ihrem Spiegelbild sprechen, würde sich selbst Lieder vorsummen und Gestalten sehen, die gar nicht existierten. Ja, um die Königin von Malufra rankten sich viele Geschichten. Nur was der Wahrheit entsprach und was nicht, das wusste keiner. Die Stadt lag schon seit Jahrzehnten abgeschieden, und um sie zu betreten, musste man durch den dunklen Wald, vorbei an dem Dieb ohne Herz.
Ein Dieb ohne Herz? Auch das ist eine andere Geschichte.
Vor Malufra und dem dunklen Wald, da lag ein kleines Fischerdorf. In dem man im Gegensatz zu Malufra keine Masken trug. In diesem Dorf lebte ein Mädchen, sein Haar war so weiß wie Schnee und seine Augen so blau wie das Meer, das es tagein, tagaus zu Gesicht bekam. Seit sie klein war, sammelte sie Geschichten. Das Mädchen lauschte gespannt all den Erzählungen. Egal ob wahr oder nicht, verwahrte alles in seinem kleinen Köpfchen und trug sie seitdem wie ein Gepäckstück mit sich herum.
Manchmal, wenn niemand sprach, dann blickte sie in die Gesichter der Menschen und versuchte sich ihre Geschichte vorzustellen. Versuchte zu erahnen, was für Geheimnisse sie versteckten, was für Lieder sie hinter verschlossenen Türen sangen und was ihnen durch den Kopf ging, während sie gedankenversunken in den Himmel starrten.
Das Mädchen liebte Geschichten und Märchen und ganz tief in ihrem Herz, da hatte sie ihre liebsten Erzählungen versteckt. Die Geschichte über die verbotenen Wünsche oder die der gläsernen Prinzessin, die Erzählung von dem Mädchen ohne Kopf oder eben die Geschichte vom Dieb ohne Herz.
Doch das Mädchen lebte nicht von klein auf in diesem Dorf. An einem stürmischen Wintertag tauchte es auf und niemand wusste, wer es war oder woher es kam. Seitdem arbeitete sie in der Werkstatt einer herzensguten Frau und half ihr dabei, Masken herzustellen. Masken für die reichen Leute in dem Fischerdorf, die auch so etwas Einzigartiges besitzen wollten wie die Menschen in Malufra. Die Masken stellten sie bei sich zu Hause auf oder hängten sie an die Wand, um zu zeigen, dass sie das Geld dafür besaßen.
Inzwischen war das Mädchen älter geworden und sein Herz verlangte nach mehr Geschichten. Sie wollte hinaus in die Welt, wollte alles erkunden, verspürte den Drang, endlich ihre eigene Geschichte zu entdecken.
Da stand sie also, blickte hinaus auf das Meer, in ihrer Hand eine schwarze Maske, auf der leuchtende Sterne abgebildet waren.
Lasst es mich so sagen, in dieser Geschichte wird es ein Happy End geben, nur nicht so, wie wir alle es erwarten.