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V. Wo ist jetzt eigentlich das Problem?

1. Auslegung der §§ 165ff. SGB III

Zu Recht wird sich der Leser nun fragen, wo sich die juristischen Probleme im Zusammenhang mit dem Insolvenzgeld verbergen. Es geht tatsächlich weniger um eine allumfassende Darstellung der sozialrechtlichen Normen, sondern vielmehr um eine teilweise ökonomische, primär juristische, aber auch sozialpolitische Analyse des Insolvenzgelds unter rechtspraktischen Aspekten. Eine Schnittstellenmaterie, wie es das Insolvenzgeld ist, lässt keine punktuelle Darstellung oder Auslegung zu. Dementsprechend wird es notwendig sein, auch bei den einzelnen Rechtsfragen Schwerpunkte zu setzen. So werden in der Darstellung die wesentlichen Fragen zum konkreten Umfang des Insolvenzgelds ausgespart. Hier wäre eine Vielzahl von Einzelfällen aufzuarbeiten. Die praktische Relevanz ist zwar gerade für die Arbeitnehmer groß, aber es hat sich diesbezüglich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Dabei kommt es stark auf die individualvertraglichen Vereinbarungen an. Die Aufarbeitung dieser Fallgruppen soll daher der Kommentarliteratur überlassen bleiben.24

Stattdessen soll es zunächst ganz allgemein um die juristische Entwicklung des Insolvenzrechtes und der Vorfinanzierung gehen. Ganz ohne historischen Abriss wird das nicht funktionieren. Schon hier werden sich wesentliche Unterschiede zwischen Insolvenzgeld einerseits und der Sanierungsfunktion der Insolvenzordnung andererseits zeigen. Danach folgt die Darstellung der Regelungen zum Insolvenzgeld und dessen Vorfinanzierung. Hier liegt ein Schwerpunkt, weil die Vorfinanzierung in besonderem Maße Sanierungsrelevanz hat. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale spielen dabei eine wesentliche Rolle. Im weiteren Verlauf werden dann die Besonderheiten der Eigenverwaltung für das Insolvenzgeld und dessen Vorfinanzierung untersucht. Dabei treten praktisch diverse Probleme auf, die zumindest de lege ferenda anders und effektiver gehandhabt werden könnten.

2. Mehrfache Insolvenzereignisse

Ein zweiter Schwerpunkt – und darauf bezogen sich die einleitenden Ausführungen – soll auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu mehrfachen Insolvenzereignissen liegen. Dazu ist es sinnvoll, chronologisch vorzugehen, um die Unterschiede im Einzelnen zu untersuchen. Die Rechtsprechung des BSG führt beispielsweise dazu, dass ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis weitere „neue“ Insolvenzereignisse, die erneut Insolvenzgeld auslösen könnten, sperrt.25 Ist also ein Insolvenzereignis eingetreten, kann es in sozialrechtlicher Hinsicht nicht oder bzw. nur unter anderen Voraussetzungen nochmal eintreten. Scheitern Sanierungsmaßnahmen, haben die Arbeitnehmer also keinen erneuten Anspruch auf Insolvenzgeld, solange die Sperrwirkung des ersten Ereignisses fortdauert. Das kann unter anderem bei zwischenzeitlichen Neueinstellungen oder Entlassungen in der Sanierungsphase zu rechtlich interessanten Folgefragen führen. Hier wird auch dem Problem nachgegangen, warum und aus welchen Gründen das BSG in ständiger Rechtsprechung an dieser Sperrwirkung festhält und, ob das überhaupt sinnvoll ist. Auch diese Fragen können nur vor dem Hintergrund der Entwicklung des Insolvenzrechtes von einem reinen Abwicklungsverfahren hin zu einem Sanierungs- und Entschuldungsverfahren untersucht werden. Es wird ebenfalls darum gehen, welche Schnittstellen zum Arbeits- und Sozialrecht bestehen und wie sich diese auf die Auslegung auswirken können.

Letztlich werde ich versuchen, auf dieser Grundlage einen Gegenentwurf zu dieser recht restriktiven Rechtsprechung des BSG zur Diskussion zu stellen. Die Kritik an einer so speziellen und detaillierten Rechtsfrage setzt aber auch voraus, dass zunächst die sozialrechtlichen und normtheoretischen Grundlagen betrachtet werden. Das gilt auch für die insolvenzrechtlichen Abläufe einer Sanierung, die durch die Insolvenzordnung vorgegeben werden. Auf welche Art das BSG die Problematik mehrfacher Insolvenzereignisse löst und wie sich vor allem die Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses auswirkt, soll näher betrachtet werden. Dabei soll der Rechtsprechung des BSG ein eigenes Gesamtkonzept gegenübergestellt werden, welches die unterschiedlichen Anforderungen in anderer Art und Weise vereint. Es schließt sich sodann eine Diskussion über die Missbrauchsmöglichkeiten, Grenzen und Risiken des Insolvenzgelds und der Vorfinanzierung an. Zuletzt wird betrachtet, ob und wenn ja, wie Insolvenzverwalter, vorläufiger Insolvenzverwalter und Sachwalter haften, falls eine Vorfinanzierung scheitert oder gar nicht durchgeführt wird. Dabei sind weitere Kriterien heranzuziehen als bei der allgemeinen Haftungsprüfung, da das Insolvenzgeld als sozialrechtliche Spezialmaterie eben auch andere Haftungsrisiken birgt.

24 Vgl. die sehr gute alphabetische Übersicht bei Brand/Kühl, § 165 SGB III Rn. 40; Vgl. auch Schelp, NZA 2010 S. 1095–1101. 25 Ständige Rechtsprechung seit BSG ZIP 1999, 762–765; zuletzt BSG ZInsO 2017, 2183–2188.

Das Insolvenzgeld als Mittel zur Fortführung und Sanierung von Unternehmen

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