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3. Die gleichzeitige Entwicklung des Insolvenzrechts a) Die Anfänge des Insolvenzrechts

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Das Insolvenzrecht hat im Laufe der Zeit wie kaum ein anderes Rechtsgebiet tiefgreifende Veränderungen erfahren. Es ist daher weder sinnvoll noch möglich, alle diese Veränderungen bis ins letzte Detail darzustellen. Die Betrachtung soll sich ausschließlich darauf beschränken, einen Vergleich zwischen der insolvenzrechtlichen und der sozialrechtlichen Entwicklung zu ermöglichen. Das gibt dem Leser Gelegenheit, die Normen im Kontext einzuordnen.

Die Geschichte des Insolvenzrechts beginnt bereits im römischen Recht. Dieser Einfluss hat auch in anderen Bereichen das deutsche Zivilrecht maßgeblich mitgeprägt. Im römischen Recht gab es eine Gesamtvollstreckung durch die missio in bona bzw. der missio in possesionem als Regelform der Vollstreckung eines Urteils aus dem Formularprozess gegen den nicht leistenden Schuldner.38 Wörtlich ist damit die Einweisung in das Vermögen bzw. den Besitz gemeint, um sich dann daraus zu befriedigen. Schon zur damaligen Zeit wurde das Vermögen des Betroffenen beschlagnahmt, um anschließend die Gläubiger gleichmäßig befriedigen zu können.39 Dieses Konzept ist bis heute erhalten geblieben und deckt sich mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter in § 80 Abs. 1 S. 1 InsO. Die Beschlagnahme tritt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. Bis in die Gegenwart ist die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sowie deren Gleichbehandlung ein wichtiger Grundsatz des Insolvenzrechts. Meist entzündet sich ein Streit über diesen Grundsatz unmittelbar an einzelnen Rechtsfragen innerhalb eines Insolvenzverfahrens.40 Das römische Recht sah weder Sanierung noch Restschuldbefreiung vor.41 Zugegeben: Global agierende Konzerne mit tausenden Beschäftigten waren selbst für römische Verhältnisse – Rom war immerhin die erste Millionenmetropole – nicht mal entfernt denkbar. Die Wirtschaft gab das noch nicht her.

Dennoch waren die römischen Verhältnisse im Hinblick auf das Vollstreckungsverfahren eher martialisch. Die Personalexekution erlaubte die Vollstreckung nicht nur in das Vermögen selbst, sondern auch in andere Rechtsgüter.42 Der Schuldner wurde wortwörtlich in Stücke geschnitten und aufgeteilt. Ein Schuldner verlor sogar seine Stellung als Bürger, wenn er seine Verpflichtungen nicht erfüllen konnte.43 Im späteren germanischen Recht – zur Zeit von 500 v. Chr. bis 100 v. Chr. – fanden sich unter anderem Treuegelöbnisse, die eine Schuldknechtschaft vorsahen, falls jemand sein gesamtes Vermögen verloren hatte.44 Der heute bekannte schuldrechtliche Grundsatz des „pacta sunt servanda“, der unser Verständnis des Insolvenzrechts und Vollstreckungsrechts maßgeblich prägte, entwickelte sich aber erst später als Teil des kanonischen Rechts.45

Die Entwicklung des Vollstreckungsrechts im mittelalterlichen Deutschland hingegen war zunächst noch geprägt vom Prioritätsprinzip („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“). Bereits der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel enthielten Regeln zur Vollstreckung gegen den säumigen Schuldner.46 Eine gemeinsame Befriedigung der Gläubiger fand nicht statt. Erst nach und nach setzte sich – anfänglich noch ausschließlich in den Städten – die Gesamtvollstreckung im Sinne einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger nach römischem Vorbild durch.47 Innerhalb dieser Phase entwickelten sich vom 15. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert hinein wesentliche Grundzüge des heutigen Insolvenzrechts, die bis heute prägend sind. Das ist natürlich sehr verkürzt und vereinfacht dargestellt, aber die Wiederentdeckung des römischen Rechts beeinflusste das spätere gesamtdeutsche Konkursrecht.48 Diese Entwicklungen gipfelten dann 1877 in der ersten Konkursordnung. Die Schwierigkeit (damals wie heute) bestand in der Verknüpfung von materiellem Recht und Zivilprozessrecht.49 Noch heute zeigt sich dieses Phänomen beispielsweise bei der Prozessaufrechnung.50

Das Insolvenzgeld als Mittel zur Fortführung und Sanierung von Unternehmen

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