Читать книгу Etains Rock - Nicola de Bear - Страница 7
Prolog
Оглавление"Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer, Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr. Du Heilige, rufe dein Kind zurück, Ich habe genossen das irdische Glück, Ich habe gelebt und geliebet!"
(Schiller/ Des Mädchens Klage)
Das Mondlicht stahl sich durch das schmale Fenster ihres Kerkers und tauchte den bleichen Schädel an der Wand gegenüber in ein kaltes silbernes Licht. Der Anblick war Etain unerträglich. Sie hatte Medir geliebt und immer gewollt, dass er lebt. Letztlich hatte ihre Liebe ihm aber nur den Tod gebracht.
Vor wenigen Tagen waren Lady Fúamnachs Schergen zu ihr gekommen und hatten den Schädel in der Nische aufgehängt. Sie ließen keinen Zweifel daran, wem dieser Schädel einst gehörte und prahlten damit, dass sie sein Fleisch den Hunden vorgeworfen hätten. Angesichts dieser sinnlosen Grausamkeit hätte sie laut schreien mögen, aber ihrer Kehle entrang sich nur ein verzweifeltes gurgelndes Stöhnen. Dann war sie kraftlos auf die Knie gesunken. Es war, als wäre mit Medir auch alle Hoffnung auf Rettung gestorben. Finn würde sie nicht ein zweites Mal vor dem Hass seiner Frau beschützen können. Seit dem Prozess lebte sie in ständiger Furcht vor Folter und einem elenden Tod. Dafür hatte die Lady gesorgt.
Als der teuflische Plan Etain als Hexe zu verurteilen gescheitert war, hatte sie sie entführen und im Turm einsperren lassen. Der Ort, an dem sie einst mit Finn ein kurzes gemeinsames Glück erleben durfte.
Etain war gewiss, dass sie niemals durch die Hand der Rachsüchtigen sterben würde. Das wagte Fúamnach nicht. Aber damit war ihr auch nicht die Gnade eines schnellen Todes vergönnt. Jetzt würde sie langsam und elend im Turm zugrunde gehen und die Lady würde ihr dabei zusehen.
Fúamnachs Rachegelüste ließen sich nicht allein mit dem Wissen um ihren baldigen Tod stillen. Nein, sie kam fortwährend in Etains Verlies, um sich an dem Elend der Nebenbuhlerin zu ergötzen. Auf immer neue und perfide Weise verhöhnte sie die Verzweifelte.
Erst hatte man ihr alle Kleider genommen und sie dann gezwungen ihr edles Samtkleid und die Smaragde zu tragen. Beides war ein Geschenk ihres Geliebten gewesen. Nun würde sie diese einstigen Symbole für Finns Liebe bis zu ihrem Tode tragen. Und als reiche dies alles noch nicht, erzählte Fúamnach ihr, dass Finn sich längst einer neuen Geliebten zuwendete. Hatte er sie wirklich schon vergessen? Etain fröstelte. Oh ja, der Rachedurst der Lady war nicht zu stillen.
Aber vielleicht war das alles nur eine Lüge und Finn suchte verzweifelt nach ihr. Mit Tränen in den Augen sah sie hinauf zu dem kleinen Stückchen Nachthimmel und flüchtete sich in ihre Erinnerungen. Diese Erinnerungen waren das einzige, was sie noch unter den Lebenden hielt. Ihre Erinnerungen und das Kind. Ihre Hände glitten sanft über die Wölbung ihres Unterleibes. Ihr ungeborenes Kind durfte nicht sterben! Sie musste stark bleiben. Bis zu seiner Geburt konnte sie dies alles hier mit Gottes Hilfe ertragen. Breda, ihre einstige Amme, hatte versprochen, sich später einmal um das Kind zu kümmern. Die alte Frau war ihre einzige Verbündete. Ohne ihre nächtlichen Besuche und dem heimlichen Versuch sie mit dem Nötigsten zu versorgen, wäre sie wohl längst nicht mehr am Leben.
Wenn ihre Zeit gekommen war und es konnte nicht mehr lange dauern, mussten sie schnell handeln. Die Amme würde durch das kleine Fenster im Verlies einen Korb am Seil herablassen und ihr Kind holen. Ihr Plan war riskant und die Gefahr von den Schergen oder Fúamnach entdeckt zu werden groß. Aber sie hatte nur diese einzige Chance, ihr Kind zu retten.
Nach einer Weile legte sich Etain steif auf ihr Lager aus feuchtem muffigem Stroh nieder. Heute Abend würde Breda wohl nicht mehr zum Turm kommen. Der Mond schien und die Nacht war hell, die Gefahr einer Entdeckung war einfach zu groß.
Um vor der klammen Kälte und dem bohrenden Hunger zu flüchten, versuchte Etain sich an sonnige und warme Tage zu erinnern. Die Tage, an denen sie unbeschwert auf Medir am Kamm der Klippen entlang galoppierte.
Als sie endlich einschlief, glaubte sie noch den warmen Sommerwind der nahen See auf der Haut zu spüren.
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