Читать книгу Vermiss mich nicht - Nicole Beisel - Страница 5
Timothy
ОглавлениеAuf der Suche nach dem Glück
Der Wecker klingelt und reißt mich aus einem unruhigen Schlaf. Zeit, um aufzustehen. Dabei habe ich so gar keine Lust auf die vielen mitleidigen Bemerkungen im Büro und die fragenden Blicke der Mandanten, wenn sie in meine müden und traurigen Augen sehen. Ich schätze, die Sekretärinnen tuscheln auch schon, aber darauf lege ich ohnehin keinen Wert, die reden viel, wenn der Tag lang ist. Mühsam stehe ich auf und laufe ins Bad. Jeder Schritt und jeder Atemzug erinnert mich daran, wie einsam ich bin. Eigentlich sollte ich ein junger, erfolgreicher und gutaussehender Anwalt sein mit einer hübschen Freundin an seiner Seite, die er mit Liebe, Aufmerksamkeit und kleinen Geschenken überhäufen kann.
Stattdessen bin ich ein einsamer Mann mit ausdruckslosem Gesicht, Falten, Bartstoppeln und zerzaustem Haar, das sich nur mit Mühe und Not wieder in die Reihe bringen lässt. Ein kurzer Blick in den Spiegel verrät mir, dass mir ein Rest Zahnpasta im Mundwinkel hängt und ich mich selbst viel zu sehr bemitleide. Im Grunde genommen übertreibe ich, und ich weiß das auch. Es ist heute keine Besonderheit mehr, verlassen zu werden. Ich selbst habe oft genug Frauen verlassen von denen ich dachte, dass sie mich auf Dauer nicht hätten glücklich machen können oder dass sie etwas Besseres verdient hätten als mich. Und ich habe mich nicht ein einziges Mal darum geschert, wie viele Herzen dabei gebrochen wurden.
Aber diesmal ist es anders, denn es ist mein Herz, das gebrochen wurde. Zum ersten Mal dachte ich, es sei etwas Ernstes. Ich habe Elizabeth geliebt, habe sie verehrt, sie war mir wirklich wichtig. Ich hatte sie fragen wollen, ob sie bei mir einziehen will, ob sie meine Frau werden will. An diesem einen Wochenende, für den Samstag, hatte ich diese Aktion mit dem Candle-Light-Dinner geplant, doch dieser Samstag kam nie. Der Ring liegt noch immer in der Tasche meines Sakkos, das ich achtlos über den Sessel im Wohnzimmer geworfen habe. Dort liegt er nun seit mehreren Wochen. Oder sind es gar schon Monate? Ich habe keine Ahnung, jedenfalls ist sie schon eine ganze Weile weg. Elizabeth. Sie hat mich einfach verlassen, von heute auf Morgen, ohne jegliche Vorankündigung. Ich kenne bis heute keinen Grund, und auch erreichen konnte ich sie nicht mehr. Irgendwann habe ich es aufgegeben und suhle mich bis heute in meinem eigenen Schmerz.
Auch die tägliche Dusche kann dieses schwere Gefühl nicht fortspülen, und so trage ich die Last mit mir in die Kaffeebar und anschließend ins Büro.
„Guten Morgen.“ Zaghaftes Nicken macht die Runde unter den Frauen, die meine Briefe und die der Kollegen zu Papier bringen. Ich sehe, dass sie ihrer Arbeit nachgehen, aber ich spüre deutlich, dass sie sich ihren Teil denken. Dabei geht es sie gar nichts an. Mich schert deren Privatleben doch auch nicht. Anstatt mich weiter darüber zu ärgern, suche ich mein Büro auf und schalte sämtliche Geräte ein, die mich durch den Tag begleiten. Plötzlich klopft es an der Tür.
„Jeff, guten Morgen. Komm rein.“. Er folgt meiner Anweisung und tritt ein. So geht das mittlerweile beinahe jeden Morgen. „Wie geht es dir heute?“ Ich lache zynisch. „Wie soll es mir schon gehen? Es ist kein Wunder geschehen, warum sollte sich also an meinem Gemütszustand irgendetwas geändert haben? Elizabeth ist weg, und das wird sie auch bleiben. Scheinbar war ich ihr nicht gut genug.“ Jeff seufzt, ich scheine ihm auf die Nerven zu gehen, aber es kümmert mich nicht. Ich weiß, dass ich mich daran gewöhnen sollte, wieder auf dem Markt zu sein, aber die Hoffnung auf eine neue, wahre und tiefsinnige Liebe hat mich gemeinsam mit meiner Ex-Freundin verlassen. Es fällt mir schwer, mich an das Single-Dasein zu gewöhnen. Mit Anfang dreißig bin ich mittlerweile nicht mehr am Alleinsein interessiert.
„Was stört dich mehr? Die Tatsache, dass sie dich sitzen gelassen hat oder dass du nun alleine bist?“ Das ist eine gute Frage, die ich spontan nicht beantworten kann. Elizabeth war eine klasse Frau. Schlank, blond, stets schick gekleidet, und die Angestellte meiner Bank an meinem Zweitwohnsitz in Kilkenny. Zumindest war sie dort angestellt, denn sie scheint gekündigt zu haben, als sie mich verließ. Jedenfalls ergaben meine Nachfragen diesbezüglich lediglich, dass sie nicht mehr dort arbeitet. Auch ihre Schwestern, die ich noch nie sonderlich gut leiden konnte, konnten mir nicht sagen, wo es sie hingezogen hat. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu vergessen, was mir scheinbar bis heute noch nicht ganz gelungen ist. Vielleicht wird es besser, wenn sich endlich ein Käufer für mein kleines Häuschen in Kilkenny finden lässt.
„Keine Ahnung. Beides vielleicht. Worauf willst du hinaus, Jeff?“ Er grinst und ich ahne nichts Gutes. „Such dir jemand Neues. Du bist ein klasse Typ, hast Geld und Erfolg. Die Frauen lieben so was. Geh aus, Kumpel! Das Leben geht weiter. Häng dich nicht an einer Schnitte auf, die dich nicht verdient hat.“
Ich schüttele den Kopf. Er rafft es einfach nicht. „Was soll ich denn mit ner neuen Frau? Ich brauche keine neue Frau.“ Jeff zieht die Augenbrauen hoch. „Das sehe ich anders. Überleg es dir.“ Mit diesen Worten verlässt er mein Büro und lässt die Tür von außen ins Schloss fallen. Um mich abzulenken lasse ich mir einen Kaffee bringen und mache mich an die Arbeit. Kaum habe ich den ersten Schriftsatz diktiert, sehne ich mir den Feierabend herbei.
Der Feierabend kommt, und mit ihm meine Gedanken an mein leeres Zuhause, das seit einiger Zeit noch leerer ist, obwohl ich zuvor auch schon alleine darin gewohnt habe. Trotzdem scheint etwas zu fehlen. Ich esse eine Kleinigkeit und setze mich vor den Fernseher. Ich schalte durch die Kanäle, aber überall nur Actionfilme und Liebesschnulzen. Genervt von mir selbst lasse ich mir Jeffs Worte noch mal durch den Kopf gehen. Könnte er recht haben? Sollte ich mir jemand neues suchen? Elizabeth wird nicht zurückkommen, so viel steht fest. Wie lange also soll ich ihr noch hinterher trauern? Scheint so, als würde ich Jeff doch noch klein beigeben. Ich hasse es, alleine auszugehen, und Jeff will ich jetzt auch nicht unter die Nase reiben, dass er recht hat. Das tun zahlreiche andere Leute tagtäglich.
Ich denke nach und wage einen Versuch. Mein Vorhaben bleibt geheim, zumindest vorerst. Braucht keiner wissen, was ich in meiner Freizeit so treibe.
Ich schnappe mir meinen Laptop, google nach entsprechenden Seiten und melde mich bei lovelyfriends.com an. Das kann ja nur schief gehen.