Читать книгу Hass mich nicht - Nicole Beisel - Страница 10
Elizabeth
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Ich habe es lediglich einem Zufall zu verdanken, dass ich Rachels Anruf überhaupt wahrgenommen habe. Mein Handy war noch immer auf Stumm eingestellt. Ich wollte gerade eine Nachricht an Tim schicken, um ihm zu sagen, dass ich nach der Arbeit noch schnell eine Kleinigkeit einkaufen muss, als Rachels Anruf einging. Normalerweise ruft sie mich tagsüber nicht an, also ging ich davon aus, dass etwas passiert ist. Ihrer Stimme konnte ich entnehmen, dass sie nervös und aufgebracht war, aber sie wollte mir am Telefon nicht sagen, was los ist. Also habe ich meinen Einkauf verschoben und ihr vorgeschlagen, mich nach der Arbeit auf einen Kaffee bei mir zu treffen. Ich wusste, dass Tim heute im Büro länger brauchen würde, also sollten wir ungestört reden können. Nach ihrem Anruf habe ich Tim über das Treffen informiert und nun bin ich froh, dass ich endlich Feierabend habe und kann es kaum erwarten zu erfahren, was mit Rachel los ist.
Ich will gerade die Tür aufschließen, als sie schon auf mich zugeeilt kommt. Völlig außer Atem kommt sie auf mich zu und ich frage mich, was so schlimm sein kann, dass sie mich so dringend sprechen muss.
„Rachel, hallo. Sag mal, was ist denn los?“ Sie folgt mir in den Flur.
„Können wir uns setzen?“ Was für eine seltsame Frage. Ist das wirklich Rachel, die hier vor mir steht?
„Klar. Komm, gehen wir in die Küche. Möchtest du etwas trinken? Kaffee?“ Unsicher sieht sie mich an, und ich hoffe, sie antwortet bald, damit ich endlich erfahre, was hier vor sich geht.
„Nein, lieber ein Wasser, bitte. Danke.“ Ich schenke uns beiden ein und setze mich zu ihr. Sie trinkt hastig das halbe Glas aus und atmet tief durch. Auf Schlimmes gewappnet, lege ich meine Hand auf ihre und sehe sie eindringlich an.
„Rachel, du meine Güte. Was ist denn passiert?“ Sie schluckt heftig. Einmal, zweimal. Beinahe fürchte ich, sie hat das Sprechen verlernt, doch dann ringt sie sich doch dazu durch, mich über die neueste Veränderung zu informieren.
„Ich bin schwanger.“
Oh. Damit hatte ich nicht gerechnet.
„Schwanger? Wirklich?“ Rachel nickt heftig und sieht dabei noch immer aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Nun, in ihrer derzeitigen Situation kommt ein positiver Schwangerschaftstest dem ziemlich nah …
„Seit wann weißt du es?“
„Seit heute Morgen.“ Ich spüre, wie ihr Atem immer ruhiger geht. Scheinbar hat sie nur darauf gewartet, mit jemandem darüber reden zu können. „Ich habe Veränderungen bemerkt. Leichte Übelkeit und Kreislaufprobleme am Morgen, schmerzende Brüste, ein ständiges Ziehen im Unterleib und seit Tagen muss ich ständig aufs Klo.“ Ihre Lippen verziehen sich zu einer schiefen Grimasse, als hätte sie Angst, sie würde diese Blasenschwäche nie wieder los.
„Oh. Ich schätze mal, das war so nicht geplant.“ Rachel schüttelt den Kopf und ist den Tränen nahe, was sicher nicht ausschließlich den Hormonen zuzuschreiben ist.
„Wie denn auch? Wir sind doch erst vor ein paar Wochen zusammengezogen. Ich fange doch gerade erst an, ihm zu hundert Prozent zu vertrauen und meine Unsicherheit zu verdrängen. Ich hatte mir immer alles so schön vorgestellt: erst die gemeinsame Wohnung, eine schöne Hochzeit und dann, wenn beide bereit sind, ein Baby. Aber so passt das jetzt doch gar nicht in unser Leben und unsere Beziehung.“ Jetzt weint sie endgültig, während sie mir weiterhin erklärt, wie es dazu kommen konnte. Die Thunfischpizza war wohl der Übeltäter, der die Wirkung der Pille unterbrochen hat.
Tröstend und hilflos zugleich lege ich meinen Arm um ihre Schultern und drückte sie fest an mich. Meine Wange berührt ihr volles, rotes Haar, ihr Markenzeichen, während sie neben mir bebt. Ich schweige, bis sie sich wieder einigermaßen gefasst hat und gebe ihr den einzig vernünftigen Rat, auch wenn sie sicher etwas anderes von mir erwartet.
„Du musst es ihm sagen. Spätestens nachdem du bei einem Arzt warst. Lass es dir bestätigen, lass dich untersuchen und gewöhne dich erst einmal selbst an diese Umstellung. Aber warte nicht zu lange, Jeffrey sollte sehr bald wissen, was los ist. Schließlich betrifft es auch ihn.“ Blanke Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Wenn du möchtest, kannst du mich über deinen Arzttermin informieren, dann versuche ich mir einen halben Tag frei zu nehmen und begleite dich, hm?“ Alles, was Rachel zustande bringt, ist ein trauriges Nicken. Langsam trinkt sie ihr Wasser leer und schaut auf die Uhr.
„Ich sollte gehen, bevor Timothy nach Hause kommt. Bitte, Liz, sag ihm nichts. Noch nicht. Jeff soll es von mir erfahren, wenn ich so weit bin, ja?“ Ich nicke, auch wenn mir nicht ganz wohl ist bei dem Gedanken, ein Geheimnis vor Timothy zu haben. Diese Zeiten sind längst vorbei, mittlerweile gehen wir sehr offen miteinander um. Aber ihr zuliebe halte ich dicht. Ich bin mir sicher, Rachel wird es Jeff bald sagen. Seufzend begleite ich sie zur Tür, wo sie sich noch einmal in meine Arme sinken lässt und weitere Tränen krampfhaft unterdrückt.
„Danke, Liz. Wir telefonieren, ja?“
„Kein Problem, ich bin für dich da. Bitte ruf mich an, wenn du einen Termin beim Arzt vereinbart hast, ja? Und noch was: Mach dir nicht allzu viele Gedanken. Jeffrey wird sicher erst einmal geschockt sein, aber er kann es ohnehin nicht ändern. Mit ein wenig Zeit wird er sich sicher an den Gedanken gewöhnen. Versuch erst mal positiv zu denken, alles andere wird sich zeigen.“ Sie nickt traurig, ehe sie sich umdreht und geht. Nur wenig später, nachdem ich die Tür hinter Rachel geschlossen habe, kommt Timothy herein.
„Hallo, Schatz. Na, was wollte Rachel denn so Dringendes?“ Ich schlucke. Was soll ich ihm denn jetzt sagen?
„Ach, so dringend war es eigentlich gar nicht, aber sie musste scheinbar unbedingt mit jemandem reden. Sie möchte Jeff gerne überraschen, weil sie doch nun schon einige Wochen zusammenwohnen und sie das Gefühl hat, sich noch nicht richtig bei ihm bedankt zu haben.“ Ob Tim mir das abkauft? Mir ist ja nicht ganz wohl dabei ihn anzulügen, aber aus Rücksicht auf Rachel bleibt mir derzeit nichts anderes übrig.
„Ah, na dann. Keine Sorge, ich werde nichts verraten“, lässt er mich mit einem Augenzwinkern wissen. Dann fährt er fort: „Ich habe übrigens schon auf dem Weg hierher Pizza bestellt. Dürfte jeden Augenblick kommen.“ Pizza, ganz toll. Ich hoffe, dass er nicht auf die Idee gekommen ist, eine Thunfischpizza zu bestellen. Wie sich herausstellt, hat Tim brav eine ganz normale Salamipizza bestellt, die wir uns gemütlich vor dem Fernseher teilen. Und während ich mir ein Stück nach dem anderen nehme, frage ich mich, ob sich für Rachel wirklich bald alles zum Guten wenden wird.