Читать книгу nur Tod und Verderben - N. H. Warmbold, Nicole Heuer-Warmbold - Страница 4

Kapitel 1 – Flucht

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Der weit auseinander gezogene Wagenzug bewegte sich quälend langsam vorwärts. Flüchtlinge aus Dalgena, jener Stadt, die im gerade aufflammenden Krieg erobert worden war: Frauen, Kinder, Alte, zu Fuß oder auf überladenen Ochsenkarren. Kaum Pferde, wie Bahadir auffiel. Er schaute erleichtert zu Mara und wunderte sich über deren eisigen Gesichtsausdruck. „Was ist falsch?“

„Ostländer.“

Er spähte angestrengt in die von Mara angezeigte Richtung und sah durch die Regenschleier, ein gutes Stück hinter dem Flüchtlingszug, Bewegung auf der gewundenen, von Büschen und Bäumen gesäumten Straße.

„Die Dreckskerle erreichen sie vor uns.“ Die barsche Stimme des Hauptmanns, Hiron hieß er wohl, zerstörte jede Hoffnung, die Bahadir noch hegte.

„Ihr könnt die Menschen doch nicht dem Feind überlassen! Ihr müsst doch …“

„Wir kommen zu spät, Priester! Wir können die Schweine nicht daran hindern, über die Leute herzufallen!“ Hiron starrte ihn mit wildem Blick an, wandte sich dann aber Mara zu. „Was jetzt, Zauberin? Angreifen?“

„Natürlich angreifen, Hauptmann, deswegen sind wir hier. Lasst Eure Männer vorrücken, und … Meister Liz, ein Trupp Soldaten, etwa fünfzig Mann, mit viel Getöse, flatternden Bannern und dergleichen, lautem Geschrei … hm, aus dem kleinen Wald dort drüben am Hang, schafft Ihr das?“

„Wann immer Ihr wollt, Herrin.“

Bahadir sah nicht den Blick, den sie dem dunkelhäutigen Zauberer zuwarf, und war froh darum, schluckte, als Mara ihren Helm aufsetzte, so zu einem Soldaten wurde.

„Jetzt sofort, Liz. Hauptmann Hiron, teilt Eure Leute auf und greift die Ostländer von zwei Seiten an.“

„Und Ihr?“

„Geradewegs auf die Flüchtlinge zu. Bahadir, bleibt wenn möglich in meiner Nähe und passt auf, dass Liz nicht vom Pferd fällt.“

Jetzt erst zog sie ihr Schwert, ihr altes Schwert, nickte dem Gardisten Ron, der sich dicht an ihrer Seite hielt, knapp zu und trieb ihr Pferd zum Galopp.

Die Annäherung war seltsam … unwirklich, Bahadir hörte weder Hufgetrappel noch Waffengeklirr, nur den rauschenden Regen, das Sausen des Windes und dann die erstaunten Rufe der Ostländer, als diese die angreifenden Streiter aus dem Wald bemerkten. Sah mit Schrecken, wie die Ostländer sich aufteilten, etwa die Hälfte stürmte den vermeintlichen Angreifern entgegen, die andere Hälfte jedoch hielt unvermindert auf die Flüchtlinge zu. Bahadir vernahm deren verängstigtes Schreien, schrilles Kreischen, Weinen und Flehen, hörte Mara laut fluchen. Aber da waren sie schon fast an der Spitze des Zuges angelangt, trafen auf den Feind; er hatte Mühe, Liz’ und dessen Reittier nicht zu verlieren.

„Bringt die Leute zusammen, Ron, die Wagen dort oben im Kreis aufstellen. Jeder, der nicht kämpfen kann, hinein.“

Doch der Gardist handelte bereits. Als würde er Maras Gedanken kennen oder doch zumindest vorausahnen. Bahadir rutschte vom Pferd und beeilte sich, den verängstigten, panischen Flüchtlingen zu helfen, bevor seine eigene Angst und sein Entsetzen ihn lähmten. Schon das wenige, was er vom Kampf mitbekam … nein, nicht darüber nachdenken, sich nicht besinnen, hör nicht auf das Gebrüll und die Schreie, er musste helfen. Er war kein Kämpfer, kein Krieger, also denk auch nicht dran, er konnte sich ja nicht einmal richtig mit dem Stock verteidigen und duckte sich unter einem ungezielten Hieb weg, er würde nur im Weg stehen. Aber helfen, das konnte er, verdammt, er war Priester, und hier wurde Hilfe dringend benötigt!

Hastig sah Bahadir sich nach dem Zauberer Liz-Rasul um – der kam offenbar allein zurecht, hielt seinen Speer gepackt, die Streitaxt in der Rechten – und bemühte sich, den Kampflärm zu überhören. Unablässig rannte er, um den völlig erschöpften Alten, den verstörten Frauen und Kindern zu helfen. Brachte sie den Hügel hinauf, in den allzu dürftigen Schutz der Fuhrwerke, die die Soldaten in einem weiten Kreis aufgestellt hatten. Bisher hatte sich noch kein Ostländer hinauf getraut, die Gardisten und Soldaten schlugen sie, obschon zahlenmäßig unterlegen, zurück, doch immer wieder lösten sich die Feinde aus den Kämpfen und wandten sich den leichteren Opfern, den letzten Flüchtlingen zu. Eine kleine Gruppe: ein Mann, zwei Frauen und ein Kind, ein Mädchen wohl, stolpernd, schlammbespritzt; Bahadir rannte einmal mehr den Hang hinab und konnte nichts tun, er hatte keine Waffe, er konnte nicht kämpfen, und stürzte sich brüllend auf den Ostländer, der die kleinere Frau grob am Arm riss. Bahadir wusste nicht, verstand nicht, wieso Liz auf einmal neben ihm war, fluchend die Streitaxt schwang, der andere Mann schlug mit einem Knüppel auf den zweiten Ostländer ein, der dritte Ostländer trat die Flucht an. Sollte er, Bahadir war es egal. Mit schlotternden Knien wandte er sich an die Frau, die, wie er erst jetzt erkannte, einen Säugling an sich drückte, das weinende kleine Mädchen fest an der Hand. „Kommt, ich helfe Euch!“

„Was sagt …“ Verwirrt blickte die Frau ihn an und schob entschlossen das schreiende Mädchen in seine Richtung. „Nehmt Mia. Wohin?“

„Zwischen die Wagen.“ Kurzentschlossen hob Bahadir die Kleine hoch, er spürte ihr Zittern und strich ihr beruhigend über die nassen, verklebten Locken. „Ist gut, es ist gut jetzt, dir geschieht nichts. Die Soldaten beschützen uns.“

Bahadir sah sich nach der zweiten Frau um. Der ältere Mann hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt, Liz folgte ihnen und drängte sie hangaufwärts. Behutsam griff er nach dem Arm der Frau; sie war groß, wenn nicht sogar größer als er. „Stützt Euch auf mich. Nur noch ein kurzes Stück, dann seid Ihr in Sicherheit.“

„In Sicherheit?! Seid Ihr von Sinnen, die Ostländer …“

„Um die kümmern sich die Gardisten.“

Bahadir mühte sich mit seiner Last den rutschigen Hang hinauf und setzte das erschöpfte Mädchen keuchend neben einem der hohen, wuchtigen Wagen ab, wohin Liz die andere Frau und den älteren Mann geführt hatte, half der Frau mit ihren Rucksack. „So, geht es? Seid Ihr soweit …“ Nein, nicht in Ordnung, ganz sicher nicht in Ordnung; die Frau hatte ihr Heim verloren, womöglich Verwandte, ihren Mann, hatte Schlimmes erlebt, er biss sich auf die Lippen. „Unverletzt?“

„Ja, ja, kümmert Euch …“ Unvermittelt brach die hoch gewachsene Frau in Tränen aus, sank auf die Knie und schlang einen Arm um das Mädchen, im anderen den Säugling, wiegte sich vor und zurück. Mitfühlend berührte Bahadir ihre Schulter. „Ich … Wartet, ich bin gleich wieder bei Euch.“

Suchend sah er sich in dem Durcheinander nach seinem Pferd um, fand es schließlich und schnallte mit klammen Fingern die Decke ab. Legte sie der Frau sorgsam um die Schultern. „Hier. Ich weiß, die Decke ist feucht, aber …“

Sie schaute schluchzend auf. „Ihr seid kein Manduraner?“

„Nein. Mein Name ist Bahadir, ich bin Priester des Jägers. Von den Inseln.“ Er zuckte die Schultern, als er ihren fragenden Blick bemerkte. „Ist eine lange Geschichte.“

„Das glaube ich auch. Ihr spracht von Gardisten, was … Welche Einheit?“

„Ähm, ich … die von einem Hauptmann Hiron, wenn Euch das etwas sagt?“

Die Frau nickte, ein müdes Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen. „Mein Bruder. Und wer ist der große, dunkle Mann dort drüben?“

„Meister Liz-Rasul. Die Zauberin hielt seine Anwesenheit hier für sinnvoll und bestand darauf, ihn …“

„Die Zauberin? Welche …“ Sie packte seinen Arm. „Ihr redet doch nicht etwa von Mara?“

„Doch, sicher.“

„Mara ist hier?“ Ungläubig starrte die Frau ihn an.

„Ja. Sie ist der Grund, warum wir alle hier sind, ich meine, Hauptmann Hiron und seine Männer, Meister Liz-Rasul und dieser Junge, Janek, der Gardist Ron, ich. Sie … ich glaube, sie hat einigen Leuten gedroht, sie würde sonst allein gehen, und …“ Bahadir wurde rot, warum erzählte er das dieser Frau. „Ihr kennt sie?“

„Ich kenne sie, ja, ziemlich gut sogar. Göttin, Mara … Wo? Wo ist sie, Priester?“

Bahadir hatte keine Ahnung, vor nicht allzu langer Zeit war Mara noch oben auf der Anhöhe gewesen und hatte Anweisungen erteilt, dann … Er hatte sie aus dem Blick verloren, fühlte sich verwirrt von der Frau, ihren eindringlichen Fragen. „Eben war sie noch … Ich fürchte, sie kämpft …“

Im gleichen Moment sah er sie jedoch gemeinsam mit dem Gardisten Ron zu Pferde herankommen, der sichtlich aufgebracht schien und sich lautstark mit ihr stritt. „Verdammt, wir hatten eine Abmachung, und du …“

„Pah, Abmachung! Hätte ich zusehen sollen, wie der Dreckskerl dich erschlägt?“

„Dazu wäre es doch gar nicht gekommen! Aber du prescht einfach mitten unter die …“

„Hat sie mächtig beein…“ Mara zügelte abrupt ihr Pferd, riss sich den Helm vom Kopf, sprang in den Matsch und rannte die letzten Schritte auf ihn, eher noch auf die Frau zu. „Ondra! Oh, Ondra, ich bin ja so froh, ihr habt es geschafft!“ Gleichzeitig lachend und weinend fiel sie der Frau um den Hals, strich ihr sacht die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie sie innig auf den Mund küsste, alsdann das kleine Mädchen, welches sie mit großen, verheulten Augen anblickte, fest an sich drückte. Was sie ihm leise zuraunte, verstand er nicht, doch das Mädchen nickte, erst zögernd, dann entschieden, lächelte zaghaft und schmiegte sich an Maras Schulter.

Noch immer fassungslos betrachtete die Frau – Ondra – Mara, bemüht, den schreienden Säugling zu beruhigen. „Himmel, Mara, was tust du hier?“

„Helfen. Ich wusste ungefähr, wo ihr wart, welchen Weg ihr nehmt, und …“ Mara zuckte die Achseln und löste mit geübtem Griff die Schnallen ihrer gepolsterten und, wie er erfahren hatte, überaus schweren Schutzweste. „War nicht schwierig, deinen Bruder zu überzeugen, der Rest ergab sich dann.“

„Aber … Mara, du, du … Mitten im Krieg kommst du mit einer Einheit Gardisten, um ein paar Flüchtlinge vor den Übergriffen ostländischer Soldaten zu bewahren?“

Maras Züge wurden beinah so ausdruckslos und kalt wie die Rons. „Ein paar mehr. Wie geht es dem Kleinen?“

„Garik ist nass und hungrig und müsste dringend gewickelt werden, aber sonst … fehlt ihm wohl nichts.“ Verwirrt schüttelte Ondra den Kopf, runzelte die Stirn und sah zu Ron. „Ihr seid doch aber in Hauptmann Davians Einheit gewesen, Ei…“

„Ron. Bin ich noch.“

„Oh.“ Ondra nickte und schaute hilflos um sich, auf die jüngere Frau, die sich den Arm hielt, ihren älteren Begleiter. „Was machen wir jetzt? Ich meine … Sie …“

Ron blickte kurz zu Mara, bevor er antwortete. „Hauptmann Hiron wird mit seinen Männern, übrigens nur die halbe Einheit, noch eine Weile die Ostländer beschäftigen, sich dann zurückziehen. Wir lagern hier die Nacht.“

„Und morgen?“

Wieder schaute Ron Mara an, eine Art Lächeln auf dem Gesicht. „Über die Ebenen nach Samala Elis. Und Ihr geht mit ihnen.“

* * *

„Sie ist …“ Hiron stockte. „… war eine unabhängige Frau, Mavis Mutter. Sie brauchte niemanden, keinen Menschen.“

Wachsam blickte er in die Nacht, nicht in Maras Richtung, angespannt auf eine Bewegung, ein Geräusch in der Dunkelheit wartend. Dabei hatte er selbst ihr gesagt, er glaube nicht, die Ostländer würden noch vor dem Morgengrauen angreifen. Im behelfsmäßigen Lager im Wagenkreis hinter ihnen war so etwas wie Ruhe eingekehrt, das Weinen und Wehklagen verstummt, obwohl Mara bezweifelte, dass die Mehrzahl der Frauen schlief. Die Kinder vielleicht, im Schlaf wimmernd, wie der kleine Junge zwischen ihr und Janek, von schlimmen Alpträumen geplagt. Im Wachen hatte er nicht geredet. Völlig erschöpft von dem tagelangen Gewaltmarsch, der Flucht aus Dalgena.

Hiron lachte rau auf. „Und am allerwenigsten brauchte sie mich. Sie erzählte mal, ihr jüngerer Bruder würde mich hassen, was ich bin, meine Familie. Wofür meine Familie steht. Ich bin ihm allerdings nie begegnet. Wir haben uns nicht oft gesehen, Gela und ich, fünf-, sechsmal im Jahr, immer nur für wenige Tage. Mehr brauchte, mehr wollte sie auch nicht, sie sagte, diese Tage reichen ihr.“

„Und Euch?“

Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu, zuckte die Achseln. „Es war genau das, was ein Mann sich wünscht, nicht wahr? Keine Verpflichtungen, keine Fragen. Kein Alltag, kein Ärger, nichts. Und anfangs reichte es mir tatsächlich, später … Sie hat mir nicht mal gesagt, dass sie ein Kind erwartet, der Kleine war einfach da. Bevor Ihr fragt, ich habe ihn anerkannt, Mavi ist mein Sohn. Gela wollte das nicht, sie fragte, wie ich denn sicher sein könne, sein Vater zu sein. Nun, ich bin sein Vater und ich stehe zu meiner Verantwortung, meinen Verpflichtungen, auch wenn ihre lausigen Brüder das … Aber wer weiß, ob die überhaupt noch leben, irgendjemand aus ihrer Familie. Vielleicht hat der Junge nur noch mich. Und ich …“ Mara hörte, spürte, wie Hiron um eine feste Stimme kämpfte. „Würdet Ihr Euch des Jungen annehmen, bis ich zurückkehre?“

„Hiron …“

„Ich bin nicht lebensmüde, Mara, aber es ist eine Chance, Domallen hat das doch nicht nur so angesprochen: näher an die Ostländer, gar an Marok heranzukommen, um sie mit falschen Informationen zu füttern und dabei selbst Wissen über ihr Vorgehen, ihre Pläne zu sammeln.“

„Es ist Selbstmord, Ihr dürft …“

„Ich weiß, was Euer Mann sagt, und ja, es ist gefährlich. Doch jemand sollte es tun, und ich kann keinem meiner Männer einen derartigen Auftrag erteilen. Ich muss es selber machen, Zauberin.“

„Es ist gleichgültig, was ich sage, oder? Ihr habt das bereits für Euch entschieden.“

Hiron brummte nur, hockte sich zu seinem schlafenden Sohn und strich ihm behutsam über das Haar. „Ich muss es tun, versteht Ihr das nicht? Für ihn, und für Gela.“

Doch die war tot und Hiron auf dem Weg, sich zu opfern. Für eine bloße Möglichkeit, die vage Chance, den Verlauf des gerade beginnenden Krieges in eine günstigere Richtung zu lenken. Mara sprach es nicht aus, sie sagte ihm auch nicht, dass sein Verhalten im Zweifelsfall als Desertion betrachtet werden könnte. Fragte ebenso wenig, warum er nicht seine Schwester Ondra darum bat, auf seinen Sohn acht zu geben.

„Was … wollt Ihr ihnen denn sagen? Falls …“

„Falls sie mich nicht gleich totschlagen? Keine Ahnung, das heißt … Himmel, Mädchen, Ihr fragt … Wie kann ich das denn jetzt schon wissen?“

„Sie werden Euch foltern, das ist Euch doch klar? Sie werden Euch quälen, bis Ihr nur noch schreit, nicht mehr denken, nicht mehr sprechen könnt, bis …“

„Ihr braucht mir keine Angst zu machen, die …“ Er verstummte abrupt. Ron trat zum Wachfeuer, schaute von ihr zu Hiron. „Hauptmann.“

„Setzt Euch, Gardist. Was gefunden?“

„Keine Ostländer.“ Ron setzte sich dicht hinter Mara und strich, unter der Decke, die sie sich umgelegt hatte, über ihren Rücken, ihre Seite. Sie spürte seine Hände zittern, ganz leicht nur.

„Zwei erschlagene Frauen und einen Jungen. Die Schweine haben ihm die Kehle durchgeschnitten.“

Ron war zu nah, als dass Mara sich gegen die Bilder in seinem Geist hätte wehren können, ächzte unterdrückt, presste die Faust gegen den Mund. Das hatte sie also gespürt, letzte Nacht, kein Alptraum, sondern wirkliches Geschehen: ihre Angst, ihre Qualen, ihre Schmerzen, und es war erst der Anfang. „Wie weit?“

„Einige Wegstunden, keinen halben Tagesritt von hier.“

Mara nickte bedrückt, tastete nach seiner Hand und lehnte sich zurück, gegen ihn; sie sollte schlafen, zumindest ein paar Stunden. „Hauptmann?“

Hiron wandte den Blick nicht von dem Jungen, seinem Jungen, und nickte leicht zum Zeichen, dass er hörte.

„Ich … ich heiße Euer Vorhaben nicht gut, aber …“ Sie biss sich auf die Lippen. „Ach, vergesst mein Gerede. Ja, natürlich mache ich es.“

Hiron verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. „Ihr seid ein guter Mensch, Mara. Nur für den Fall, dass ich Euch das noch nicht gesagt habe. Ruht Euch jetzt aus.“

Es war dunkel, als Mara erwachte, und es regnete noch immer, doch wehte ein böiger, kalter Wind aus Nordwest. Es roch nach Schnee.

Hiron war mit dem Großteil seiner Einheit aufgebrochen. Fluchend sprang Mara auf, brüllte und schrie wutentbrannt herum, bis sie den verstörten, misstrauischen Blick des kleinen Jungen Mavi auf sich spürte. Sie verzog das Gesicht. „Auch ’ne Methode, wach zu werden. Komm mit, wir brauchen irgendwas Heißes, am besten Tee.“

Im Lager herrschte helle Aufregung, ein heilloses Durcheinander, schlimmer noch als am Vortag. Viele Frauen weinten hoffnungslos, beunruhigten dadurch die zahllosen Kinder, die ebenfalls heulten und schrien; die Alten jammerten und klagten. Ondra, begleitet von Liz und Bahadir, der Mia an der Hand hielt, kam Mara tränenüberströmt entgegen. „Oh Mara, er ist einfach weg! Er hat uns im Stich …“

„Unsinn, das hat er ganz sicher nicht. Mich hat er sitzengelassen, mit diesem … Haufen. Wo ist Ron, oder ist der auch …“

„Als könnte ich das.“ Ron kam von der Seite und reichte Mara einen Becher dampfenden Tee, hinter sich Janek und zwei Gardisten. „Hauptmann Hiron ist vor rund einer Stunde den Ostländern entgegen gezogen, um ihrem Angriff zuvorzukommen.“

„Vor einer Stunde? Und du …“ Mara sah, wie er unmerklich den Kopf schüttelte, und trank einen Schluck Tee. „Verstehe. Was habe ich?“

Ron zögerte kurz und nickte einem der Gardisten auffordernd zu, der noch einen Schritt vor trat. „Ihr habt, mich eingeschlossen, dreißig Gardisten, davon knapp ein Dutzend leicht verletzt, zwei weitere sind momentan kampfunfähig. Außerdem zwei Dutzend Fußsoldaten, einige davon … ähm, angeschlagen. Aber die können alle noch laufen.“

„Aha. Ihr seid?“

„Lassan, verehrte Dame.“ Lassan, bärtig, groß, schwer, war keine zwanzig mehr, eher Mitte bis Ende dreißig.

„Und Ihr habt das Kommando, Lassan?“

„Nee, ich nicht. Er hier, Euer Leibwächter.“

„Ach?“ Verwundert musterte Mara Ron. „Wieso das?“

„Der verfluchte Bastard hat mehr Verstand im Schädel als wir alle zusammen, meint zumindest Hauptmann Hiron. Ich …“, Lassan schnaubte, wirkte betreten. „Entschuldigt, Herrin, ich sollte das so sagen.“

Wieder fluchte Mara, aber sehr leise, trank einen weiteren Schluck Tee und reichte den Becher an Mavi weiter. „Hier, trink ruhig, er ist nicht mehr zu heiß. Janek, könntest du Mavi und mir was zu essen besorgen? Und für den Jungen vielleicht Kleidung, die nicht ganz so verdreckt ist, seine Sachen stinken.“

„Klar, ich schau mal, was ich finde.“

Sinnend sah Mara zu Ron. „Weiter?“

„Zweiundsiebzig Frauen jeden Alters, dreiundzwanzig alte, und ich meine wirklich alte, Kerle, achtunddreißig Kinder unter zehn Jahren, eine Handvoll halbwüchsiger Burschen und zweimal so viele junge Mädchen.“

„Kranke, Verletzte?“

„Ich …“ Ron schaute erst Lassan, dann Ondra irritiert an, zuckte die Achseln. „Sie sind alle erschöpft, ein paar Kinder haben wohl auch Fieber, einige husten, und … Ich habe viele Leute mit oberflächlichen Verletzungen gesehen, aber offenbar keine schwerwiegenden Sachen.“

„Oh, gut. Wie viele Wagen?“

„Elf Wagen sind noch fahrtüchtig. Zwei sind jedoch zu stark beschädigt, wir müssen sie zurücklassen.“

„Ja … Also gut, Abmarsch in einer Stunde. Ron, Ihr kümmert Euch um alles Notwendige. Meister Liz-Rasul, Ihr könntet mir behilflich sein.“ Mara grinste, als sie Janek näherkommen sah. „Und mir beim Frühstück Gesellschaft leisten. Oder habt Ihr schon?“

Verhalten schüttelte Liz den Kopf und hockte sich, genau wie Ondra, Bahadir und Mia, zu ihr und Mavi an das Feuer. „Ich frage jetzt nicht, wo Ihr das gelernt habt, aber …“

„Aber?“

Liz zuckte die Achseln. „Beeindruckend. Was genau habt Ihr vor?“

„Außer so schnell wie möglich von hier zu verschwinden?“ Sie sollte nicht davon ausgehen, dass Hiron die Ostländer lange würde aufhalten können. „Diese zwei beschädigten Fuhrwerke, ich glaube, die wären … Auf welche Entfernung könnt Ihr eine Illusion aufrechterhalten, Liz?“

„Hängt von den Umständen ab, der Art der Illusion, was ich gleichzeitig noch zu tun habe.“

„Ihr müsst nur auf einem Pferd sitzen, oder auf einem Wagen, falls das die Sache erleichtert. Und es wird diesig sein, schlechte Sichtverhältnisse, womöglich fällt sogar Schnee.“ Hätte Sakar sie doch ein, zwei Wetterzauber gelehrt, dann könnte sie dafür sorgen.

„Meint Ihr?“

„Es riecht jedenfalls nach Schnee und es ist merklich kälter als gestern, ist Euch das nicht aufgefallen?“

„Es ist immer kalt in Mandura, Mara.“

Sie lachte leise, schaute ihn von unten her an und tunkte ihr Brot in die dünne Suppe. „Ihr braucht lediglich aus den beiden Wagen ein ganzes Dutzend machen, hier oben auf dem Hügel.“

Ondra sah erst Mara, dann Liz verblüfft an. „Das könnt Ihr?“

„Ja, sicher. Es sollte recht einfach sein, sehr viel einfacher jedenfalls als die angreifenden Reiter gestern, die waren …“

„Ihr wart das? Ich meine … die Reiter waren gar nicht echt, eine bloße Illusion? Und ich habe mich gefragt, wohin sie verschwunden sind!“

Liz fand sichtlich Gefallen an Ondras offener Bewunderung, womöglich auch an Ondra selbst, wandte sich aber schnell wieder Mara zu. „Die Entfernung dürfte … Nun, nicht weiter, als die Fuhrwerke an einem Tag vorankommen, danach … wird es schwierig. Vielleicht sollte ich Euch später folgen?“

„Nein, ich lasse niemanden zurück. Womöglich ist es ja auch gar nicht notwendig, ich will nur …“

„Kein Risiko eingehen? Mara, wir sind nach Mandura gekommen, um unsere Hilfe anzubieten, von daher … Ich wollte nur sagen, ich würde es selbstverständlich tun, wenn Ihr das für notwendig erachten würdet.“

Mara nickte abwesend, in Gedanken an einem anderen Ort. „Hauptmann Hiron und seine Männer werden noch vor Mittag auf die Ostländer treffen, danach … sehen wir weiter.“

Der eisige Wind wehte ihnen entgegen und dunkle Wolken hingen drohend über dem offenen, weiten Land; es würde bald schneien. Sie kamen viel zu langsam voran, doch die Leute konnten schlicht nicht noch eiliger vorwärts hasten, die Zugtiere – zumeist Ochsen, zwei Paar Pferde und zwei Maultiere – die Wagen ganz einfach nicht schneller über den matschigen Grund ziehen und zerren, so sehr Mara das auch wollte.

Ron ritt schon eine Weile schweigend neben Mara und musterte sie immer mal wieder von der Seite. „Ist dir der kleine Junge zu viel geworden?“

„Das nicht. Mavi ist zurzeit bei Janek besser aufgehoben.“

„Verstehe. Glaub’ ich.“

„So? Ich wünschte nur, Sakar hätte mir mehr über Abschirmung beigebracht, ich … Verflucht, ich bin zu nah dran …“ Mara biss die Zähne zusammen und stöhnte unterdrückt, wäre getaumelt, hätte sie nicht auf einem Pferd gesessen. Hastig lenkte Ron sein Pferd näher und packte ihren Arm. „Mara? Mara, du bist …“

Sie schrie nicht, aber sie presste die Hand fest auf den Mund und die Lider zusammen, als sie sah, wie Hiron fiel, dort, sein Pferd getroffen unter ihm zusammenbrach; Mara würgte, wollte nicht noch mehr sehen. Nicht teilhaben, als die Soldaten auf ihn einschlugen. Sie zitterte, wimmerte, blind vor Tränen, der Kampf war noch längst nicht vorbei, Tote auf beiden Seiten, Geschrei und Stöhnen, Blut, viel zu viel Blut. Dort fiel noch kein Schnee und der Wind zerrte an den Mähnen und Schweifen der Pferde, einige wenige Ostländer mit Armbrüsten bewaffnet. Hiron stöhnte dumpf, als der Bolzen ihn traf, kämpfte sich erneut auf die Beine; er hatte keine Chance, die Übermacht zu groß.

Benommen lehnte Mara an Ron, hing fast bewusstlos in seinen Armen und hörte sich selbst schluchzen. „Sie haben ihn.“

„Mara?“ Angst und Besorgnis in Rons Stimme, als er sacht über ihr Gesicht strich und sie hielt, fest an sich gedrückt hielt.

„Ihn und vier, nein, fünf andere, verletzt, sie … Frag mich nicht!

Seine Miene war noch immer besorgt, sehr dicht über Mara, sehr nah, ihr Herz raste. Sie schluckte, schluckte erneut. „Kommt mir bekannt vor.“

„Ja, mir auch.“

Einen Moment wirkte Ron erleichtert und lächelte Mara an, bevor er ihr aufhalf, Lassan und zwei weiteren Gardisten entgegen sah. „Allerdings bist du diesmal nicht verletzt.“

„Ich nicht.“

Ron nickte nur grimmig, nahm den Arm von ihrer Schulter. „Hiron?“

„Hm, ziemlich schwer.“

„Dann … Deine Nase blutet, hast du irgendwo …“

„Irgendwo.“ Mit wackligen Schritten ging Mara zu ihrem Pferd und suchte in den Taschen des Reitmantels nach einem Taschentuch.

Lassan kam heran. Sein Blick wanderte misstrauisch von Mara zu Ron. „Was ist passiert? Habt Ihr … Götter, Ihr blutet!“

„Passiert.“ Endlich hatte Mara das Tuch gefunden und tupfte sich die Nase ab. „Hauptmann Hiron und fünf seiner Männer sind von einem Trupp Ostländern überwältigt und gefangen genommen worden.“

„Scheiße, das … Seid Ihr Euch sicher?“

Mara nickte und hielt sich zitternd am Sattelzeug fest. Ihr war entsetzlich übel, eiskalt, aber sie wollte sich vor Lassan und seinen Begleitern nicht übergeben, Schwäche zeigen, und zerrte am Reitmantel, bis dieser vom Sattel rutschte. Zog ihn langsam über. „Ich irre mich nicht, Lassan.“

„Nein, das wollte ich damit auch nicht sagen, es ist nur … es klingt so unglaublich. Der Hauptmann ist erfahren, und …“

Es war Hirons Absicht gewesen, wenn auch nicht die Zahl der Opfer. „Die Ostländer waren deutlich in der Überzahl, und sie hatten Armbrüste.“

„Verdammt! Und wie viele von uns … Ich meine, wisst Ihr, wie viele umgekommen sind?“

Stumm sah Mara ihm ins Gesicht, schüttelte leicht den Kopf. „Zu viele.“

Die Dunkelheit kam rasend schnell heran, sie taumelte und packte hastig seinen Arm, als sie spürte, wie ihre Beine nachgaben; das Kind in ihrem Leib regte sich. „Die Namen …“

* * *

Er weinte. Er wusste, dass er weinte, schon länger, und er konnte nichts dagegen tun. Er brüllte und schrie, versuchte um sich zu treten, erfolglos, er konnte sich nicht wehren, verfluchte und beschimpfte seine Peiniger, die auf ihn einprügelten, rücksichtslos eindroschen. Seine Hände waren gefesselt, über seinem Kopf an einer Art Haken. Er hing mehr als dass er auf seinen eigenen Füßen stand, das Gewicht seines Körpers zerrte und riss bei jeder Bewegung an seinen Gelenken, der Schmerz in seiner verletzten Schulter scharf, bohrend …

Er hörte noch immer das Wimmern des Mädchens, irgendwo hinter sich, Gelächter und Stöhnen, unverständliches Gestammel, ein Schrei, der sich zum Kreischen steigerte, unvermittelt abbrach. Er brüllte auf, kämpfte gegen seine Fesseln, doch er konnte dem Mädchen so wenig helfen wie sich selbst. Sein Entsetzen, als sie das Mädchen hineingeführt, hineingezerrt hatten und er einen fürchterlichen Augenblick glaubte, sie zu erkennen. Erneute Schläge und Tritte, ein Hagel von Hieben in die Nieren, in den Unterleib. Keine Möglichkeit sich zu schützen oder auszuweichen, er stöhnte dumpf vor Schmerz, keuchte nach Luft. Der nächste brutale Tritt raubte ihm endgültig das Bewusstsein.

* * *

Leise Atemgeräusche, offenbar lag sie nicht allein… in einem Wagen? Mara blinzelte, blickte gegen eine Plane und wandte den Kopf, sah zu ihrem Erstaunen Bahadir dicht neben sich sitzen. „Wir … der Wagen steht.“

„Ja. Der Gardist Ron hielt eine Pause für angebracht.“

So früh? „Das ist … Sicher, die Leute sind erschöpft.“ Aber es war Nachmittag, Mara rappelte sich auf. „Wie lange war ich …“

Bahadir unterdrückte ein Lächeln. „Einige Stunden. Wir haben gerade erst gehalten, falls Euch das Sorgen bereitet. Meister Liz-Rasul sagte, es wäre das Beste, Euch schlafen zu lassen, da derartige Zauberei, wie Ihr sie offenbar gewirkt habt, enorm anstrengend sei.“

„Das kann er laut sagen.“

„Ihr … Vielleicht möchtet Ihr Tee?“

„Gern, aber …“ Mara musterte die beiden verletzten Gardisten auf den schmalen Pritschen in der vorderen Hälfte des Wagens. Der Mann rechts, kaum viel älter als zwanzig Jahre, war wach und betrachte sie aus fiebrig glänzenden Augen.

„Wie geht es Euch?“, wollte sie von ihm wissen.

„Oh, nicht so schlecht. Eine begehrenswerte junge Frau sitzt an meiner Seite und hält meine Hand.“ Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Mein Bein ist wohl ziemlich kaputt. Bin nicht schnell genug aus dem Sattel gekommen, als mein Pferd fiel, es hat mich voll getroffen, was so ’n verschissener Ostländer genutzt hat, mir den Arm aufzuschlitzen. Der Scheißkerl wollte mich noch weiter quälen, aber Ilko hat ihn kaltgemacht.“

„Verstehe. Darf ich?“ Mara deutete auf sein Bein unter der Decke.

Wieder grinste er. „Ihr dürft alles, meine Teure. Nur sollte ich Euch warnen, es sieht nicht schön aus.“

„Wäre es anders, wäret Ihr auch nicht hier.“ Sie schlug die Decke zurück, tastete vorsichtig über das geschiente Bein, der Oberschenkel violett und blau verfärbt, das verdrehte, geschwollene Knie, den Unterschenkel bis zum Fuß. „Hm, mehrfach gebrochen, und das Knie … Wer hat Eure Hüfte eingerenkt?“

„Da fragt Ihr was. Ich weiß es nicht, Teuerste.“

„Ich heiße Mara.“

„Angenehm, Manik“, stellte sich der verletzte Gardist vor.

„Habt Ihr starke Schmerzen, Manik?“

„Nicht, wenn Eure zarten Finger mein nacktes Fleisch berühren.“

Mara erlaubte sich ein Lächeln. „Wenn ich gerade anderweitig beschäftigt bin?“

„Dann verzehre ich mich nach Euch und mein Herz will vor Sehnsucht bersten.“

„Das klingt allerdings gar nicht gut.“ Rasch zog sie die Decke wieder über sein Bein, fühlte nach seinem Puls. „Und Euer Arm?“

„Geht so, dieser Zauberer … ähm …“

„Meister Liz-Rasul.“

„Eben der. Der hat eine von den Frauen angewiesen, die Wunden zu nähen. Danach hat er so ‘n Zeug drüber geschmiert. Hat aber geholfen, jedenfalls ist der Schmerz zu ertragen.“

„Anders als der im Bein, hm?“

Manik sah sie nur stumm an, schüttelte leicht den Kopf. Der Wagen schwankte, als Bahadir mit dem Tee zurückkam, und Manik ächzte unterdrückt, biss die Zähne zusammen. Eilig legte Mara die Hand auf seine Brust, streichelte mit der anderen seine Wange. „Ist gut, Manik, es wird gleich …“ Bahadir reichte ihr irritiert den Becher und Mara hielt ihn Manik an die Lippen. „Trinkt einen Schluck.“

„Was ist das?“

„Nur Tee. Und danach werdet Ihr schlafen.“

„Aber …“

„Doch. Wenn ich es Euch sage, werdet Ihr schlafen.“

Er trank, schloss die Augen. Nur einen Moment später war Manik eingeschlafen. Verwirrt schüttelte Bahadir den Kopf. „Das war doch einfach nur Tee, ich selbst …“

„Ja. Ich habe nichts Anderes behauptet, oder?“

„Nein, aber … Der Mann schläft.“

„Aye, er hatte starke Schmerzen. Ich fürchte, das Kniegelenk ist verletzt, die Bänder … Dauert lange, bis das heilt.“

Mara trank den Becher leer und schaute nach dem zweiten Mann. Er war nicht ansprechbar, sein Kopf und das halbe Gesicht dick verbunden, ebenso die Hände und Unterarme. „Wisst Ihr, ob der Mann zwischendurch einmal wach war, Bahadir?“

„Soviel ich weiß, nicht.“

Schweigend legte Mara dem Mann die Hand an den Hals, fühlte, lauschte, still, ganz still, und senkte den Kopf. „Würdet Ihr bitte Lassan rufen?“

„Mara, was …“

„Bitte!“

Lassan kam schnell, sehr schnell, seine grimmige Miene verschlossen. „Der Priester sagte … Was ist mit Bindu?“

„Er wird nicht wieder aufwachen, seine Kopfverletzung ist zu … Sein Gehirn ist verletzt.“

„Scheiße, das kann doch nicht …“ Lassan unterbrach sich, biss sich auf die Faust. „Seht Ihr überhaupt keine Hoffnung? Dieser Zauberer …“

„Nein. Keine.“ Sanft strich Mara über Bindus Gesicht, immer wieder. „Es tut mir Leid.“

„Ich verstehe nicht, er atmet, sein Herz schlägt, er …“

„Er wird nie wieder aufwachen, Lassan, sein Geist ist … ist fort.“

„Und was …“ Lassan schluckte hörbar. „Soll ich es tun, Herrin?“

Als stünde Mara neben sich. „Das ist nicht notwendig, ich bin ja da. Ich bin immer da.“

Ihre Hand glitt über Bindus Kopf, seinen Hals, seine Brust, und griff zu. Hielt sein Herz an. Kälte, die Sterne kreisten um sie.

„Herrin?“ Lassans Hand lag schwer auf ihrer Schulter. Mara hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. „Er ist tot.“

„Ja. Er ist tot. Ihr …“

„Wollt Ihr jetzt die Namen derer wissen, die beim Angriff umkamen?“

„Wenn Ihr sie mir nennen mögt, ich wäre Euch sehr verbunden.“

Also nannte Mara ihm die Namen, dreiundvierzig Namen, denn auch Ilko, der zusammen mit Hauptmann Hiron und vier weiteren Gardisten von den Ostländern überwältigt worden war, war tot.

Lassan war bleich, er kämpfte mit den Tränen. „Ilko ist ebenfalls …“

„Sie haben ihn totgeschlagen.“

„Oh, Ihr Götter, habt Ihr denn …“ Flehend sah er gen Himmel, gegen die Plane des Wagens. „Und Manik, was ist mit ihm? Sein rechtes Bein …“

„Manik schläft.“ Mara fuhr sich müde über die Stirn. „Vermutlich wird er bis morgen durchschlafen. Wir sollten aufbrechen, um heute noch ein gutes Stück weiter zu kommen.“

Lassan wollte widersprechen, womöglich auf Ron verweisen, dessen Befehle abwarten, unterließ es aber und nickte knapp. „Wie Ihr wünscht, Herrin.“

Am Abend wurde Bindus Leichnam unweit des Lagerplatzes verbrannt. Lassan und ein weiterer Gardist aus Hirons Einheit sangen die Totenklage. Mara gedachte der anderen Gardisten, die gestorben waren, noch bevor die erste Schlacht geschlagen war, gedachte der vielen Opfer des Angriffs auf Dalgena, und hatte die Hand besänftigend auf ihren Bauch gelegt – ihr Kind strampelte heftig.

Lassan hatte sich auffällig in Maras Nähe aufgehalten und beobachtete sie, Ron und sie, argwöhnisch: wann immer Ron mit ihr sprach oder wenn er, wie jetzt, als sie sich über die Karte beugten, über ihren Arm strich, kurz ihre Hand berührte. „Wie geht es dir?“

Mara zuckte die Achseln, sie hätte liebend gern die Schutzweste und das Kettenhemd abgelegt. „Besser als vorhin jedenfalls.“

Ron grinste unterdrückt, einen Finger unter die Weste gehakt. „Du weißt, dass du die jetzt ablegen könntest.“

„Ich habe es versprochen. Vielleicht in dem Dorf, von dem du gesprochen hast.“

Das Dorf, das Ron ihr auf der Karte gezeigt hatte und welches sie in vier, spätestens fünf Tagen erreichen sollten, war eine der seltenen größeren Ansiedlungen auf den Ebenen mit mehr als einer Handvoll Einwohnern.

„Ich werde dich dran erinnern.“

„Tu das.“

Er erhob sich, drückte ihre Hand. „Wenn meine Wache rum ist, komme ich zu dir. Versprochen.“

„Dann werden Mavi und Janek neben mir liegen.“

Wieder grinste er und wandte sich zum Gehen. „Solange es nicht Lassan ist.“

Sorgsam rollte Mara die Karte zusammen, verstaute sie in der Satteltasche und verkroch sich in ihren Reitmantel. Es schneite noch immer, war sehr dunkel. Und leer, eine gewaltige Leere erstreckte sich rings um sie, in der die Flüchtlinge und Soldaten, mehr als zweihundert Menschen, regelrecht verloren gingen.

Lassan räusperte sich und ragte düster, ja drohend über ihr. „Herrin, auf ein Wort.“

„Sicher, setzt Euch.“

„Vielleicht …“

Irritiert blickte Mara ihn an, sie war müde, sie hatte Rückenschmerzen und keine Lust auf sein Herumgedruckse. „Und? Worum geht es?“

Er sah sie nicht direkt an. „Herrin … Mara, Ihr solltet Euch von dem Kerl fern halten, von Ron. Wisst Ihr, was die Schnitte auf seiner Wange bedeuten?“

Ärgerlich schüttelte Mara den Kopf; sie hatte ungewollt zusehen müssen, wie Ron sich die Schnitte beibrachte. „Nein, aber Ihr werdet es mir vermutlich gleich sagen.“

„Also …“ Lassan zögerte und schaute sich unwillig nach Ron um, in die Richtung, in die er verschwunden war. „Ich möchte Euch nicht zu nahe treten, nur … Ihr solltet Euch vorsehen, diese Schnitte … Es ist eine alte Tradition in der Garde, wirklich alt, und gewissermaßen … nun ja, eine Art Strafe. Ein Gardist schneidet sich mit seinem eigenen Messer zum Zeichen, dass er eine Frau vergewaltigt hat.“

„Eine Strafe? Doch eher …“ Angewidert verzog Mara das Gesicht, mehr noch auf Ron denn auf Lassan wütend. „Und der zweite Schnitt?“

„So wie bei ihm, gekreuzt … Er hat die Tat nicht vollendet. Die Vergewaltigung.“

Sie ballte die Fäuste und spuckte aus, um den schlechten Geschmack im Mund loszuwerden, tastete nach dem zweiten Messer an ihrer Seite, Rons Messer, jenes Messer, und erwog, es ins Feuer zu schmeißen. „Ich verstehe. Eine alte Tradition, ja?“

„Waren wohl andere Zeiten damals, ich meine … Heute ist das eigentlich nicht mehr üblich in der Garde, aber der Kerl kommt ja angeblich aus einer alten Familie, also … Ich wollte Euch nur warnen, ich habe den Eindruck, er will was von Euch.“

Er musste ja sehr genau aufpassen. „Danke. Ich werde vorsichtig sein.“

Lassan biss sich auf die Lippen und sah betreten auf seine breiten, kräftigen Hände. „Ich fand, Ihr solltet das wissen, Mara.“

„Das sollte ich allerdings.“

Janek und Mavi lagen unter dem Wagen, nicht neben Mara allerdings, dicht aneinander gedrängt und leidlich geschützt vor dem Schnee und dem allgegenwärtigen Wind. Mara schlief nicht, war entsetzt und erschüttert ob der Gewalt um sie und lag dumpf vor sich hin grübelnd an ihr Sattelzeug gelehnt. Lauschte den Geräuschen des schlafenden Lagers, den leisen Schritten der Wachtposten, hin und wieder unverständliches Gemurmel. Dem Zischen des Schnees, der ins Feuer fiel. Dem Wind. Wütend auf Ron, auf Lassan, der … Wollte der sie tatsächlich bloß warnen, wie er gesagt hatte, wollte er Ron schlecht machen, dem Hiron statt seiner das Kommando übertragen hatte? Oder wollte er Mara auf irgendeine Weise beeindrucken, erschrecken, damit sie sich in seine starken Arme flüchtete? Alles zugleich? Verächtlich zog Mara die Decke um ihre Beine, den Mantel enger um sich, und fluchte leise, als eine Gestalt aus der Dunkelheit auf sie zu kam.

„Kalt?“

Mara antwortete Ron nicht und starrte schweigend an ihm vorbei. Er hockte sich neben sie, legte die Hand auf ihre Schulter. „He, geht ’s dir nicht gut, tut dir …“

Brüsk schob sie seine Hand weg und fuhr ihn an. „Du verdammter Scheißkerl brüstest dich damit, mich vergewaltigt zu haben?! Begleitest mich anschließend auch noch zu Reik, der natürlich weiß, was …“

Ron warf sich auf Mara, hielt ihre Schultern gepackt und presste seinen Mund auf ihren Mund, um sie am Reden zu hindern, um sie leidenschaftlich zu küssen. „Nein, Mara, du weißt genau, warum ich das getan habe, du …“

Sie wollte widersprechen, ihn wüst beschimpfen, doch Ron küsste sie immer wieder, gierig, hungrig, und ließ Mara nicht los. „Nicht, nicht, Liebste, hör auf zu schreien, Mara, bitte …“

„Angst, dass Lassan dich erschlägt?“

„Lassan. Dieser Drecksack musste es dir ja sagen.“

„Du hast es mir ja nicht gesagt. Stolzierst mit den Narben im Gesicht herum, damit jeder Mann weiß …“

„Damit jeder Gardist weiß, was für ein Versager ich bin, ja. Ich dachte, dein selbsternannter Beschützer hat ’s dir erklärt?“ Sanft streichelte Ron ihr Gesicht, lag mit dem Oberkörper halbwegs auf ihr, sein Bein quer über ihren Beinen. „Götter, ich begehre dich, und dabei …“ Erneut küsste er sie. „Bin ich zu schwer?“

„Noch nicht. Du …“

„Ja?“

„Sieh dich vor, Ron, er … Lassan wartet doch nur auf eine Gelegenheit.“

„Soll er warten.“ Er rückte ein Stück von ihr herunter, lag aber noch so dicht, dass Mara seine Wärme spürte, und hielt sie locker im Arm. „Was ist mit dir?“

„Mit mir? Was meinst du?“

„Was … spürst du? Mit deiner besonderen Wahrnehmung?“

„Oh, das. Im Augenblick nicht viel, aber … Ich habe Angst vor der Nacht, wenn sie Hiron und die vier anderen … Ich habe Angst vor seinen Schmerzen.“

„Kannst du nicht … Kann ich irgendwas für dich tun? Soll ich Liz-Rasul holen oder den Priester, Bahadir?“

„Bleib die Nacht bei mir.“

Mara zog die Beine an und bettete den Kopf an seiner Brust Sie konnte sein Herz schlagen hören, während er ihr in einem fort durch die Haare fuhr, beruhigend, tröstlich, einfach nur angenehm. „Das reicht dir nicht, oder?“

Er schnaubte. „Ist weder der Ort noch die Zeit, mehr zu erwarten, Schätzchen.“

* * *

Ihr Gesicht war direkt vor ihm, ihre leuchtenden Augen, ihr Duft … Nein, nicht ihr Duft. Sie war nicht da, war irgendwo … in Sicherheit? Anders als er. Was machte er hier? Er hatte keine Chance, sie würden ihn umbringen, genau wie Davian gesagt hatte, wenn auch nicht zu ihm, zu Sandar. Erst foltern, dann umbringen, ein sinnloses Opfer, und seine Männer … Redete er, laut? Aber er hörte nichts, sein eigenes Ächzen, roch seinen eigenen stinkenden Schweiß, roch verbranntes … Er brüllte, kämpfte, er konnte sich nicht rühren, die Schweine hatten seine Beine festgebunden, riss an den Fesseln, Ketten? Der Schmerz raubte ihm den Atem, der Gestank seines eigenen Fleisches …

Er würgte, keuchte nach Luft, als das kalte Wasser ihn traf, und riss die verklebten Augen auf. Die Gestalt vor ihm undeutlich, viel zu nah, er wollte nicht …

Ah, du bist wach. Ein ganz zäher Bursche, wie die Soldaten sagen, redet nicht. Vermutlich Gardist, den Resten der Uniform nach, sehr wahrscheinlich ein Gardist. Ich weiß, du verstehst mich.

Der Kerl musterte ihn interessiert, verzog dann den Mund. „Sie haben dich scheußlich zugerichtet. Noch mehr Wasser, der Mann stinkt bestialisch!“

Der Anweisung wurde prompt Folge geleistet, ein weiterer Schwall eiskalten Wassers traf seinen geschundenen, zitternden Leib, doch diesmal war er darauf vorbereitet.

Schon besser.“ Die hellen Augen zeigten nur kaltes Interesse, wie für irgendein Ding, einen bloßen Gegenstand. Der Mann war mittelgroß, kräftig gebaut, neigte zur Fettleibig… Er fluchte unterdrückt, ruckte unwillkürlich zurück. Satorian.

Wer sagt es denn, du erkennst mich, Gardist. Deinen Namen.“

Er reagierte nicht. Wenn er anfing, mit dem Kerl zu reden, wer vermochte zu sagen, was er unfreiwillig verriet. Satorian lachte leise. „So standhaft und tapfer, die Gardisten, und so wohlgestalt. Warte, bis dich Hauptmann Kahane in die Finger kriegt, der hat seine eigenen Methoden. Du wirst ihm gefallen. Und nur, weil du nicht deinen Namen nennen willst, wirklich schade. Wer bist du denn schon, etwa ein naher Verwandter von ihm?

Unwillkürlich schüttelte er den Kopf, biss sich gleich darauf auf die zerschlagenen, blutigen Lippen; er war zu müde, sich noch zu konzentrieren, zu erschöpft, er hatte nicht mehr die Kraft für derartige Spielchen. „Was ist mit dem Mädchen?

Welchem … Oh, das Mädchen. Der kleinen Schlampe geht es bestens, sie kann sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Du kennst sie näher?

„Nein.“ Nur einen Augenblick Ruhe, er schloss die Augen. Bloß eine Frage der Zeit, wann sie ihn wieder schlagen und foltern würden, egal, was er sagte. Er musste vorsichtig sein. Er wusste nichts. „Hiron, Angehöriger der Garde seiner Majestät, des Königs von Mandura.

Er sah nicht Satorians zufriedenes Lächeln, sah ihn nicht noch näher treten, sah weder ihn noch die anderen Männer, Soldaten. Zuckte nur unmerklich zusammen, als eine Hand sich auf seinen Bauch legte. „Holt ihn runter.

* * *

„Er sollte sich vorsehen.“

Bahadir folgte Liz’ Blick hinüber zu dem Platz, an dem Mara und Ron saßen. Sehr nah beieinander, offenbar hatte sie den Kopf zum Schlafen auf seinen Oberschenkel gelegt. Einen Augenblick beneidete er den jungen Mann um die so selbstverständlich wirkende Nähe zu ihr, auch wenn diese mit Neid, Gefahren und Anfeindungen verbunden war. „Lassan?“

„Um nur den Offensichtlichsten zu nennen. Aber der Kerl tut so, als wäre … als wären sie allein, als zählte alles andere, alle anderen nicht.“

„Als gäbe es kein Morgen.“

„Hm, ein bisschen dramatisch.“ Liz musterte ihn über das Feuer hinweg. „Aber wohl passend, er wird uns in ein paar Tagen verlassen, um in die Schlacht zu ziehen.“

„Sie. Er wird sie verlassen.“

„Ja.“ Bedächtig nickte Liz, sah ihn nicht an.

„Denkt Ihr an diesen anderen jungen Gardisten, Jula?“

Vage zuckte Liz die Achseln, lachte verächtlich. „Dumm, nicht wahr? In diesem Land, wo ich doch genau weiß, dass sie Krieg führen werden. Für einen Soldaten tiefere Gefühle zu entwickeln.“

„Aber das macht das halbe Land, Liz.“

„Das … Auch wieder richtig. Zumindest bin ich nicht allein in der Situation, wollt Ihr das damit sagen?“

„Ich wollte Euch nicht zu nahe treten.“

„Seid Ihr nicht, entschuldigt. Es stimmt, ich habe an Jula gedacht. Ich habe den Eindruck, ihm ist nicht wirklich klar, was auf ihn zukommt.“

„Wem ist das schon klar, Euch vielleicht? Wenn ich richtig zugehört habe, hat das Land seit über dreißig Jahren keinen Krieg mehr erlebt, und der verlief wohl recht glücklich. Für Mandura. Und Euer Jula ist Gardist, Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, er würde Euch seine Ängste eingestehen.“

„Er sagt mir auch sonst nicht viel. Ich habe keine Ahnung, wie viel er weiß, oder was er von ihr weiß.“

„Sie sind befreundet, nicht wahr?“

„Sehr eng befreundet sogar, weshalb …“

Ein Schrei wie ein irrsinniger Schmerz unterbrach Liz brutal und ließ Bahadir auffahren. Ein weiterer Schrei, dumpfer, unterdrückt, aber er rappelte sich schon auf und lief. In Richtung des Schreis, in Richtung des Lagerfeuers, an dem Mara war. Einige Gardisten, darunter Lassan, seine Haltung drohend, ein Messer in der Hand, blitzend im Schein des Feuers, waren bereits bei ihr, umringten sie und Ron. Liz drängte sich zwischen ihnen hindurch, kniete sich dicht vor Mara, die keuchend an Ron lehnte, und ergriff ihre Hände, redete eindringlich auf sie ein. „Mara, hört Ihr mich? Ihr seid hier, nicht dort, und niemand tut Euch etwas zuleide!“

Abwehrend schüttelte sie den Kopf, bemüht, Liz ihre Hände zu entziehen, offensichtlich nicht ganz da. Sie schluchzte unterdrückt.

„Mara, Abendstern, sieh mich an! Du bist hier, in Sicherheit!“

„Liz? Oh nein, Liz, sie …“ Unvermittelt riss sie die Augen auf und warf sich nach vorn, in Liz’ Arme. „Oh, Liz!“ Weinte hemmungslos.

„Schscht, ist gut, meine Kleine, ist gut …“

Den Rest verstand er nicht, vermutlich keiner der Anwesenden. Besorgt sah er zu Ron, der sich geschmeidig erhob und auf Lassan zu trat. „Steck dein Messer ein.“

„Wenn du kleine Ratte sie …“

„Steck das verdammte Messer weg oder ich schieb es dir in den Arsch! Sofort!“

Bahadir schluckte, trat einen Schritt vor und hob besänftigend die Hände. Nur sah keiner zu ihm, sondern zu den beiden Männern, die sich drohend gegenüber standen. Rons Stimme war sehr ruhig, sehr kalt. „Na los, Lassan, dein Zug.“

Er sah, wie Lassan die Zähne zusammenbiss, erst Mara, dann Ron anschaute. Und dann sein Messer einsteckte, sich umwandte und in der Dunkelheit zwischen den Wagen verschwand. Ron blickte Bahadir nur kurz an, bevor er sich wieder zu Mara hockte.

(Nacht auf 351. Tag, die letzten Tage des 2. Wintermonats)

nur Tod und Verderben

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