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Verdammt, fragt mal jemand nach meinem Befinden?

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Ich wusste, er las in diesem Moment meine Gedanken, das Stechen in meinem Kopf wurde langsam zur Gewohnheit. Da ich seit Stunden an leichten Kopfschmerzen litt, tat er es vermutlich schon den ganzen Abend, was mich zur Weißglut brachte. Wieso reagierte er dann nicht, wie ich es erwartete. Ich suchte Reaktion in seinem Gesicht, irgendwo musste doch ein Funke Mitgefühl für mich sein, doch wie immer wirkte sein Ausdruck verschwiegen und neutral. Kein einziges Anzeichen einer Gefühlsregung. Nichts. Kein Zucken mit den Augenbrauen, keine Bewegung in seinen Mundwinkeln, nicht mal eine minimale Bewegung seiner Pupillen. Sein Gesicht wirkte wie das einer Porzellanpuppe, starr und unbeweglich. Eine gewisse Form der Enttäuschung machte sich in mir breit, sorgte dafür, dass ein Gefühl der Verletzlichkeit durch meine Eingeweide kroch und sich in irgendwo in meiner Brust ausbreitete und sich festkrallte. Ich war allein. Allein mit all den Dingen, die ein Mensch gar nicht alleine bewältigen konnte. Nicht zu vergessen, ich war vermutlich auch noch `verrückt`. Plötzlich holten mich alle Emotionen dieses Tages ein.

Wie eine Flutwelle ergriffen sie mich, zogen mich in die aufschäumenden Wellen und peitschten mich durch das Meer, bis sie die letzte Faser meines Seins in die Tiefe zerrten. Ich stieg wie benebelt aus dem Wagen, schlug die Türe zu und nickte ihm noch einmal verwirrt zu. Ich drehte mich in eine andere Richtung, blieb mitten auf dem Gehweg stehen und starrte auf den grauen Asphalt. Ich fühlte mich, wie der plattgetretene Kaugummi, der auf dem Boden klebte und vor sich hin ranzte. Dann brach es aus mir heraus. Ohne zu fragen, ohne es aufhalten zu können. Tränen unaufhörlich und versickerten in meinem Sweatshirt. Ich schluchzte und stand steif wie eine Laterne mitten in der Nacht auf einem leeren Gehweg und heulte. Ich nahm die Welt um mich herum nicht mehr wahr. Machtlosigkeit, Angst und Lähmung klammerten sich an mir fest und meine Beine hatten zu zittern begonnen. Hinter mir schlug eine weitere Autotür zu. Ich nahm es nur noch beiläufig wahr. Erst als jemand seine Hand auf meine Schulter legte und leise sagte: „Hey, das wird schon wieder,“ schluchzte ich noch lauter auf.

„Nichts wird wieder,“ jammerte ich unter Tränen, wandte mich ihm hilflos zu und klammerte mich, bevor er sich versah, an ihn. Ich schmiss mich gnadenlos in seine Arme. Lionel legte verwirrt und völlig perplex wiederum seine Arme um mich. Meinen Kopf platzierte ich auf seiner harten Brust. Der Geruch seines Aftershaves drang mal wieder in meine Nase und das Beben seines atmenden Brustkorbes beruhigte mich ein wenig. Unbeholfen strich er mir übers Haar und knurrte:„Hey, das ist alles gar nicht so schwer. Veränderungen sind auf diesem Planeten einfach Standard. Du wirst dich schon noch daran gewöhnen.“

Ich blickte zu ihm hoch. Sein Kopf neigte sich leicht zu mir und er sah mich an. In seinen Augen sah ich das erste Mal einen warmen, fast schon besorgten und fürsorglichen Ausdruck. Fragend und überrascht flüsterte ich: „Kannst du meine Gefühle auch empfinden?“

„Nein, aber ich kann sie riechen, glaube ich,“ zischte er durch die Zähne. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, veränderte sich sein Gesicht in rasender Geschwindigkeit.

Ich wollte gerade noch erwähnen, dass er eigentlich gar kein so schlechter Kerl war, da schossen erneut seine Zähne aus dem Kiefer und seine Augen leuchten goldener, als je zuvor, auf. Er schubste mich mit einem kräftigen Stoß von sich und ich schlug schmerzhaft mit dem Rücken gegen einen Betonfeiler. Seine vorher noch raue und beruhigende Stimme verwandelte sich plötzlich in ein dunkles Brummen und Knurren. Ich stöhnte auf. Mein Schulterblatt war geprellt und ich japste nach Luft.

„Was tust du da?“

Mit aufgerissenen Augen stand ich ihm gegenüber. Die Bestie in ihm, zog den linken Mundwinkel hoch und drohte mit einem beängstigen Grollen: „Versuche nie wieder meine Emotionen zu wecken. Ich bin kein Seelentröster für meine Beute. Wenn du mir noch einmal zu nah kommst und mich mit deinen Gefühlen überschwemmst, dann vergesse ich mich und du bist tot.“

Sarah Boils Bluterbe

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