Читать книгу Skrupellos III - Benutzt - Nicole Le - Страница 7
Kapitel 5:
ОглавлениеDer Umzug nach Eastbourne wurde zum Glück von James Arbeitgeber übernommen. Das Krankenhaus in Nigeria ließ ihn zwar nur sehr ungern nach so kurzer Zeit gehen, doch die Teamkollegen verstanden seine Entscheidung nur zu gut. Wer wollte hier nicht weg. Doch wenn jeder so denken würde, was würde dann aus den Menschen hier?
Die Möbel waren schon längst von der Spedition abgeholt worden.
Sie verbrachten die Letzte Nacht deshalb im Hotel in Abuja. Früh morgens sollte ihr Flug gehen. Lucy war schon ziemlich behäbig und bewegte sich schwerfällig mit dem immer dicker werdenden Bauch. Josie beobachtete sie, wie die junge Mutter zärtlich über den runden Bauch strich.
Als sie das erste Mal die Bewegung des Kindes wahrnahm, kam sie ganz aufgeregt zu Josie und legte deren Hand auf die dicke Beule, die das Kind beim Strampeln erzeugte. Die Frauen lachten. Ein Baby war etwas Wundervolles. Josie hatte schon bald den Eindruck, dass Lucy es nicht mehr hergeben würde. Und das war auch in Ordnung. Josie hatte nichts gegen Babygeschrei im Haus. Und sie war ja auch noch da und konnte Lucy unterstützen. Für Sarah und Philip wäre es sicherlich etwas Wunderschönes und sie würden es eher als ihr Geschwisterchen betrachten. Josie machte sich nicht viele Gedanken um die Zukunft. Sie hatte nur den festen Plan, sich mehr um die Familie zu kümmern und selber zur Ruhe zu kommen. Die Alpträume plagten sie immer noch fast jede Nacht. Ebenso wie Lucy, die oft im Schlaf schrie. Sie alle verschliefen den langen Flug nach England.
Das war eigentlich ganz gut, denn dadurch waren bei Ankunft alle hellwach und schauten aufgeregt aus dem Wagen, welchen sie am Flughafen gemietet hatten, um zu ihrem neuen zu Hause nach Eastbourne zu fahren.
Die Landschaft war so ganz anders als in Kairo oder Nigeria, wo es eher staubig und eintönig sandfarben war. In England war es grün und es gab so viele Blumen und Büsche und die Küstenstraße mit Blick auf das Meer, hinterließ einen bleibenden Eindruck bei der Familie.
Josie hatte die Bilder und Anfahrtsskizze von ihrem Haus auf dem Schoss. „James, guck mal dort, das könnte es sein.“ Josie zeigte auf ein großes Steinhaus mit weißen Fensterläden und einem einladenden Garten, der mit einer hüfthohen Steinmauer umgeben war. Ein weißes Holztor versperrte die Einfahrt. James parkte davor und alle stiegen aus. Josie rief den Makler an. Dieser war überrascht, dass sie bereits am Haus angekommen waren, doch er versprach sofort zu kommen und die Schlüssel zu übergeben. James hob Philip und Sarah über die Mauer und sprang selbst hinüber. Sie waren zu neugierig, als dass sie hätten warten wollen. Sie liefen aufgeregt um das Haus herum und erforschten den Garten, während Josie und Lucy vor dem weißen Tor warteten. Zehn Minuten später kam der Makler angefahren und übergab die Schlüssel.
Als Josie die Haustüre auf schloss kamen die Anderen aus dem Garten und erzählten aufgeregt und alle durcheinander, wie wunderschön die Aussicht auf das Meer sei. Als Josie das Haus betrat, fühlte sie sich gleich zu Hause. Das Haus mit seinem Sichtmauerwerk war gemütlich eingerichtet und hatte einen großen Kamin im Wohnzimmer, davor standen ausladende Sofas.
Man konnte wählen, ob man die Sicht auf das Kaminfeuer hatte, oder nach draußen auf den wunderschönen gepflegten Garten und das Meer. Ja es fühlte sich gut und richtig an. Sie war angekommen. Sie schmiegte sich an James und lächelte ihn an. Er drückte sie ganz fest an sich. Lucy erforschte mit Sarah und Philip das erste Stockwerk, wo sich die Schlafzimmer befanden. Sarah rief verzückt: „Mama, kann ich dieses Schlafzimmer haben. Es ist wunderschön und hat ein Himmelbett. Mama, bitte sag ja.“ James und Josie gingen nach oben und mussten lachen, weil ihre Kinder so ausgelassen fröhlich waren. „Natürlich bekommst Du dieses Zimmer, mein Schatz. Denn ich habe eine kleine Überraschung …“ weiter kam sie nicht, denn Philip schrie begeistert: „Das gibt es doch gar nicht. Das ist mein Zimmer. Es ist super cool. Wahnsinn.“ Er rannte zu Josie und umarmte ihren Bauch. „Danke Mama.“
James sah Josie fragend an.
Josie lachte fröhlich. „Ja, ich habe mir erlaubt die Zimmer etwas um dekorieren zu lassen. Was dagegen?“ Sie lachte frech und zog Lucy am Arm in ein abgelegenes Zimmer im Erdgeschoss.
Als sie die Türe aufmachte, konnte Lucy kaum ihren Augen trauen. Da stand ein schön geschwungenes Eisenbett und daneben stand eine Wiege, einen Wickeltisch gab es auch und ein eigenes Bad. Lucy traten die Tränen in die Augen. Sie hielt Josies Hand fest umklammert und stammelte sichtlich ergriffen: „Danke Josie, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie trat an das Fenster, welches den Blick auf eine kleine Terrasse freigab. Diese war eingezäunt und hatte wundervolle gemütliche Möbel.
„Ich dachte mir, dass Du vielleicht lieber ein Zimmer im Erdgeschoss haben möchtest. Dann bist Du schneller bei dem Baby, wenn es weint und später, wenn es erst einmal krabbeln kann, dann ist es sicherer auf dieser Terrasse aufgehoben, als im Garten.“ Lucy schluckte und griff nach dem Babyfon, welches auf ihrem Nachttisch stand.
„Du bist so gut zu mir, Josie. Vielen, vielen Dank. Mir fehlen die Worte. Josie ging zu ihr und umarmte sie sanft.
Sie spürte wie Lucys Körper sich zunächst unter der Berührung anspannte, sich dann aber schnell wieder entspannte.
Die nächsten Tage verliefen fröhlich und sie scherzten viel miteinander.
Lucy wollte sich um die Entbindungsklinik kümmern und auf dem Rückweg im Supermarkt ein paar Dinge mitbringen. Es war ungewohnt für sie auf der linken Seite der Straße zu fahren. Sie fuhr deshalb langsam und bedächtig. Ihr dicker Bauch störte sie, als sie auf dem Parkplatz der Klinik in eine kleine Parklücke fahren wollte. Das Drehen des Lenkrads und das nach Hinten schauen fielen ihr sehr schwer und es dauerte einige Minuten, bis der Wagen endlich in der Parklücke stand. Außer Atem hievte sie sich aus dem Wagen, schloss ihn sorgfältig ab und watschelte breitbeinig zum Eingang. Sie war positiv überrascht, wie modern, sauber und hell alles war. Ihre Dankbarkeit wuchs und sie war wirklich froh, Josies Entscheidung nach England zu ziehen, gefolgt zu sein. In diesem Land konnte man Kinder großziehen. Eine ungewohnte Wärme breitete sich in ihr aus und ließ sie lächeln.
Sie fragte an der Rezeption nach der Entbindungsstation und machte sich dann auf den Weg in den dritten Stock.
Auch hier war alles freundlich und hell. Manche Wände waren bunt gestrichen und unterstrichen die fröhliche Stimmung über die Ankunft der Babys.
Eine Schwester fragte sie höflich, ob sie helfen könne.
Lucy stellte sich vor und sagte, sie sei im achten Monat schwanger und gerade erst nach Eastbourne gezogen. Sie würde hier entbinden und eine Hebamme benötigen, die sie die ersten Wochen betreuen würde. Die Schwester brachte sie in einen leerstehenden Entbindungsraum, wo eine ältere, rundliche Hebamme gerade aufräumte. Sie sah auf, als sie den Raum betraten. Die Hebamme hatte ein freundliches Gesicht und Lucy hatte sofort Vertrauen in diese Frau. Die Hebamme erklärte ihr geduldig alles, zeigte ihr das Bett, die Badewanne und ein Hängeseil, woran man sich während der Geburt festhalten könnte und meinte, wenn sie die Schmerzen nicht mehr aushalten könne, würde man ihr etwas dagegen verabreichen.
„Wird der Vater des Kindes bei der Geburt anwesend sein?“
Lucy schluckte. Die Atemnot und Angstzustände kamen zurück. Sie musste sich am Bettrand festhalten, um nicht zu Boden zu stürzen. Sie fühlte sich auf einmal schwach und schwindelig.
Die Hebamme schaltete sofort.
„Kindchen, atmen Sie. Tief durchatmen, ganz langsam. Machen Sie es mir nach und setzen Sie sich mal auf den Sessel dort.“ Sie begleitete Lucy zu dem Sessel und atmete dabei hörbar ein und ganz langsam wieder aus, so dass Lucy es ihr unbewusst nach machte.
„Ich, ich weiß noch nicht einmal, ob ich dieses Kind wirklich behalten will, ob ich es überhaupt lieben kann.“ „Ach Kindchen,“ die Hebamme strich Lucy beruhigend die Haare aus dem Gesicht. „Ich habe solche Sätze schon öfters von jungen Müttern gehört. Wenn Sie das Kind erstmal in den Armen halten, dann werden Sie es schon lieben. Sie haben ja auch ganz alleine den Weg hierher gefunden, um dem Kind einen möglichst sicheren Start ins Leben zu geben. Also machen Sie sich erstmal keine Sorgen. Es wird sich alles von alleine finden! Haben Sie irgendjemanden, den ich anrufen könnte, um Sie abzuholen? Sie können in dem Zustand nicht alleine nach Hause.“
Lucy schüttelte verneinend den Kopf. „Ich habe das Familienauto genommen. Wir haben zurzeit nur ein Auto.“
Die Hebamme öffnete die Tür und lugte zum Flur hinaus. Sie sah Torben am anderen Ende. Er sammelte gerade das Geschirr ein und schob es in den Metallwagen. Die Hebamme rief ihn zu sich und er kam heran geschlendert.
„Torben, sieh mal, das ist Lucy. Sie wird hier in ein paar Wochen entbinden. Könntest Du sie nach Hause fahren? Sie hatte einen Schwächeanfall und sollte jetzt besser kein Auto fahren.“
Torben war ein hübscher junger Mann, der allerdings sehr schüchtern wirkte. Dennoch nickte er und half Lucy aus dem Sessel hoch. Als er ihren Arm nehmen wollte, zuckte Lucy vor der Berührung zurück. Torben und die Hebamme sahen sich an. Als Lucy den Blick sah, überwand sie ihre Angst und ergriff Torbens Arm. Langsam führte er sie aus dem Zimmer. In der Tür drehte Lucy sich noch einmal um und sagte zu der Hebamme: „Wie heißen Sie eigentlich?“
„Ich heiße Andrea. Kommen Sie gut heim, Lucy.
Und wenn Sie wollen, kommen sie doch immer samstags zum Geburtsvorbereitungskurs. Immer um zehn Uhr morgens.“
Lucy nickte. Und dann ging sie langsam mit Torben zum Auto. Sie kam sich vor wie eine dicke Dampflokomotive. Sie betrachtete den jungen Mann vorsichtig von der Seite. Er hatte ein feines Gesicht, eine leicht spitze Nase, hohe Wangenknochen und eine moderne Strubbelfrisur, wo die Haare oben hochstanden, an den Seiten aber kurz waren. Er hatte breite Schultern und schien Kraftsport zu machen.
„Ihr wohnt wohl noch nicht lange hier?“ fragte Torben und sah sie von der Seite an.
„Nein, wir sind gerade erst hierhergezogen.“
„Und wo hast Du vorher gelebt?“ er sah sie erwartungsvoll an.
„In Nigeria.“ Antwortete Lucy einsilbig.
„In Nigeria? Oh man, was macht man denn in Nigeria? Das stelle ich mir schwierig vor. Sind da nicht auch die Boko Haram, oder wie die heißen? Diese Kämpfer, die Frauen und Kinder entführen?“
„Hör auf, bitte,“ sagte Lucy und zitterte am ganzen Körper.“
Torben sah sie wieder aufmerksam von der Seite an. Sie waren kurz vor ihrem Haus, als er sich leise entschuldigte.
„Tut mir leid, geht mich ja auch nix an. Hast Du einen Freund? Wenn nicht, dann würde ich Dich gerne mal zum Essen einladen. Normalerweise mache ich das nicht. Ich rede nicht gerne. Aber bei Dir, keine Ahnung. Ist es irgendwie anders. Also, wie gesagt, wenn Du magst, ruf mich einfach an. Er nahm einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seiner Krankenhausbekleidung und griff nach Lucys Hand. Diese zuckte wieder bei der Berührung zusammen. Sanft öffnete er ihre geballte Faust und begann seine Nummer auf ihre Handinnenfläche zu schreiben. Das kitzelte und Lucy musste lachen.
„Torben, haha, hör auf, das kitzelt.“ Doch er ließ sich nicht beirren und schrieb zu Ende. Dann sah er sie mit seinen grünen Augen an. Seine Schüchternheit war wie verflogen.
„Danke, dass Du mich hierhergebracht hast! Das war sehr nett von Dir. Ich komme ja am Samstag wieder in die Klinik und mach diesen Kurs mit. Vielleicht sehen wir uns dann ja.“
Lucy stieg aus dem Wagen. Torben auch und er verschloss das Auto mit der Fernbedienung und
übergab ihr den Schlüssel.
„Wie kommst Du denn jetzt wieder zurück?“
„Kein Problem, ich nehme mir ein Taxi. Das Geld hol ich mir von Andrea wieder.“ lachte er.
„Nein, oh nein, hier, dafür komme ich natürlich auf. Was wird es in etwa kosten?“ fragte Lucy.
„Ich weiß es nicht genau. Ich sag‘s Dir am Samstag, okay? Mach‘s gut!“
„Tschüss,“ sagte Lucy und sah ihm nach, wie er schwungvoll die Straße hinunter ging.
Josie hatte alles vom Küchenfenster aus beobachtet. „Hallo Lucy,“ begrüßte Josie die Schwangere freundlich und sah sie aufmerksam an.
„Hallo Josie, Das war Torben, er hat mich nach Hause gefahren, weil ich zusammengeklappt bin. Aber jetzt geht‘s mir schon wieder viel besser. Das Krankenhaus ist wirklich modern und sauber und die Leute dort sind richtig nett. Josie, ich danke Dir, dass Du uns alle hierhergebracht hast.“ Sie fiel Josie um den Hals. Josie erwiderte überrascht diesen emotionalen Ausbruch und freute sich darüber. Anscheinend hatte ihre Begegnung mit Torben das Eis gebrochen und die dunklen Schatten vertrieben.